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ID0820803100

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Metadaten
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    6. Möllemann.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/208 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 208. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 20. März 1980 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Ziegler 16615A Verzicht des Abg. Ahlers auf die Mitgliedschaft im und Eintritt des Abg. Dr. Schweitzer in den Deutschen Bundestag . . . . 16615A Begrüßung der Präsidentin des Europäischen Parlaments, Frau Simone Veil, und einer Delegation 16615 A Absetzung eines Punktes von der Tagesordnung 16706 B Erweiterung der Tagesordnung . . . 16706B Bericht zur Lage der Nation Schmidt, Bundeskanzler 16615 D Dr. h. c. Strauß, Ministerpräsident des Frei- staates Bayern 16624 A Genscher, Bundesminister AA 16635 D Dr. Marx CDU/CSU 16642 B Brandt SPD 16650 C Hoppe FDP 16656 C Dr. Dregger CDU/CSU 16660 C Wehner SPD 16665 D Möllemann FDP 16670 A Franke, Bundesminister BMB 16674 D Graf Huyn CDU/CSU 16679 B Frau Schlei SPD 16683 A Beratung der Entschließung des Europäischen Parlaments zur sowjetischen Intervention in Afghanistan — Drucksache 8/3667 — 16686 A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes — Drucksache 8/2067—Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/3826 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksachen 8/3495, 8/3758 — Egert SPD 16686B, 16688 A Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU . . . . 16686 C Hölscher FDP 16690 A Höpfinger CDU/CSU 16691 D Urbaniak SPD 16693 B II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1980 Spitzmüller FDP 16694 D Grobecker SPD 16696 B Frau Dr. Neumeister CDU/CSU . . . 16696 D Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . 16697B Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften — Drucksache 8/873 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/3827 — Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses — Drucksache 8/3764 — Brandt (Grolsheim) SPD . . . . 16701B, 16703A Regenspurger CDU/CSU 16701 B Wolfgramm (Göttingen) FDP 16704 B Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Schulte (Unna), Spitzmüller und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Berücksichtigung des Denkmalschutzes im Bundesrecht — Drucksache 8/3105 — Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses — Drucksache 8/3716 — 16705 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Kaffee- und Teesteuergesetzes — Drucksache 8/3297 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/3769 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 8/3745 — 16705 D Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abgeltung von Kriegsschäden deutscher Staatsangehöriger in Italien — Drucksache 8/3419 —Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 8/3744 — 16706 A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Bergmannsprämien — aus Drucksache 8/3688 — Erster Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/3830 — Erste Beschlußempfehlung und erster Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 8/3824 — 16706 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung besoldungsrechtlicher und versorgungsrechtlicher Vorschriften 1980 — Drucksache 8/3624 — von Schoeler, Parl. Staatssekretär BMI 16706D Regenspurger CDU/CSU 16707 C Liedtke SPD 16709 B Wolfgramm (Göttingen) FDP 16710 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 — Drucksache 8/3662 — Lemmrich CDU/CSU 16711A Topmann SPD 16713A Merker FDP 16714 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll Nr. 2 vom 17. Oktober 1979 zu der am 17. Oktober 1868 in Mannheim unterzeichneten Revidierten Rheinschiffahrtsakte — Drucksache 8/3748 — 16717A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll Nr. 3 vom 17. Oktober 1979 zu der am 17. Oktober 1868 in Mannheim unterzeichneten Revidierten Rheinschiffahrtsakte — Drucksache 8/3749 — 16717A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. Dezember 1979 zur Änderung des Vertrages vom 11. September 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Osterreich über Rechts- und Amtshilfe in Zoll-, Verbrauchsteuer- und Monopolangelegenheiten — Drucksache 8/3746 — 16717A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 15. März 1978 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Mauritius zur Vermeidung der Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1980 III Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Förderung des Handels und der Investitionstätigkeit zwischen den beiden Staaten — Drucksache 8/3747 — 16717 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung der Bundeshaushaltsordnung — Drucksache 8/3785 — 16717 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes — Drucksache 8/3750 — 16717B Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge — Drucksache 8/3752 — 16717 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Wohngeldgesetzes — Drucksache 8/3766 — 16717 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Förderung der Menschenrechtserziehung — Drucksache 8/3751 — 16717 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zur Unterrichtung durch die Bundesregierung UNESCO-Empfehlung über die Fortentwicklung der Weiterbildung — Drucksachen 8/1130, 8/3763 — . . . 16717D Beratung der Sammelübersicht 64 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/3768 — 16718A Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages - Drucksache 8/3770 — 16718B Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Aufhebbaren Vierundvierzigsten Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung Aufhebbaren Vierzigsten Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste — Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung — Aufhebbaren Dreiundsiebzigsten Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz — Aufhebbaren Vierundsiebzigsten Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz —— Drucksachen 8/3540, 8/3539, 8/3519, 8/3544, 8/3787 — 16718C Nächste Sitzung 16718 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 16719* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1980 16615 208. Sitzung Bonn, den 20. März 1980 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 21. 3. Dr. van Aerssen* 20. 3. Dr. Ahrens** 21. 3. Dr. Aigner* 21. 3. Alber * 21. 3. Amling 21. 3. Dr. Bangemann* 21. 3. Dr. Bayerl 21. 3. Blumenfeld*** 20. 3. Dr. Corterier*** 21. 3. Dr. Enders** 21. 3. Fellermaier* 21. 3. Flämig*** 21. 3. Frau Geier 21. 3. Dr. Geßner** 20. 3. Kittelmann** 21. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Klepsch* 21. 3. Dr. Kreile 21. 3. Dr. Graf Lambsdorff 21.3. Lampersbach 21. 3. Lange * 20. 3. Dr. Mende** 20. 3. Milz 21. 3. Mischnick 21. 3. Dr. Müller** 21. 3. Müller (Mülheim) 21. 3. Dr. Pfennig * 21. 3. Reddemann** 20. 3. Dr. Schäuble** 21. 3. Frau Schleicher* 21. 3. Dr. Schmidt (Gellersen) 21. 3. Schmidt (Würgendorf) ** 21. 3. Schulte (Unna) 21. 3. Dr. Schwencke (Nienburg) * 21. 3. Seefeld* 21. 3. Frau Tübler 21. 3. Dr. Vohrer** 20. 3. Walkhoff 21. 3. Dr. Wendig 21. 3. Wissmann 21. 3. Wuwer 21. 3. Zebisch** 20. 3.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Herbert Wehner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Unterschied zu meinem Herrn Vorredner möchte ich die Regierungserklärung, die hier heute der Bundeskanzler gegeben hat, positiv bewerten und dem Bundeskanzler herzlich danken

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    sowohl für die Erklärung als auch für das, was er in ihrem Rahmen in Erinnerung gebracht hat in bezug auf das, was mit den Namen Erfurt und Kassel jedenfalls bei manchen noch in Erinnerung ist; andere werden versuchen, sich noch einmal ein Bild darüber zu machen.
    Der Ministerpräsident des Freistaats Sachsen hat leider auf diese Regierungserklärung — —

    (Lachen bei der CDU/CSU)




    Wehner
    — Bayern; ja!

    (Fortgesetztes Lachen bei der CDU/CSU)

    — Moment! Wenn Sie sich ausgelacht haben — Sie lachen sich ja selber aus —, werde ich Ihnen mal die Wende in der Geschichte sagen.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Die Erinnerung ist wieder hochgekommen!)

    Meine Heimat hieß in der Weimarer Republik Freistaat Sachsen; genauso: Freistaat Thüringen.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Nun lassen Sie mich doch einmal ausreden, Sie Düffel-Doffel da!

    (Heiterkeit bei der SPD und der FDP — Lachen bei der CDU/CSU)

    Jetzt ist es umgekehrt. Jetzt gibt es einen Freistaat Bayern.

    (Broll [CDU/CSU]: Herr Wehner, was haben Sie bloß für Sachen gemacht!)

    Ist in Ordnung. So dreht sich das Karussell.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ist gut. Ich habe keine Heimat mehr. Sie haben sie, und die ist jetzt Freistaat. Ich wünsche gute Reise in die Geschichte.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Danke schön!)

    Ich erinnere hier auch an den 19. März 1980,

    (Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU]: Reise in die Geschichte? Sie denken an Ihr rotes Halstuch?!)

    der in Erinnerung gebracht hat, was vor 10 Jahren in Erfurt ausgesprochen worden ist. Ich zitiere gerade auch deshalb, weil manche hier in ihren Beiträgen zu dieser Debatte nicht sehr gerecht geurteilt haben, den damaligen Bundeskanzler, den ersten sozialdemokratischen Bundeskanzler, Willy Brandt:
    Deutsche Politik nach 1945 war bei allen Aufbauleistungen hüben und drüben

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Hüben!)

    nicht zuletzt eine Funktion der Politik der Mächte, die Deutschland besiegt und besetzt hatten. Die Machtkonfrontation zwischen Ost und West überwölbte seitdem die deutsche Situation und teilt Europa. Wir können diese Teilung nicht einfach ungeschehen machen. Aber wir können uns bemühen, die Folgen dieser Teilung zu mildern und aktiv zu einer Entwicklung beizutragen, die sich anschickt, die Gräben zuzuschütten, die uns trennen in Europa und damit auch in Deutschland.
    Damals sind Grundsätze, von denen sich die Bundesregierung leiten ließ, so dargestellt worden:
    1. Beide Staaten haben ihre Verpflichtungen zur Wahrung der Einheit der deutschen Nation. Sie sind füreinander nicht Ausland.
    2. Im übrigen müssen die allgemein anerkannten Prinzipien des zwischenstaatlichen Rechts gelten, insbesondere der Ausschluß jeglicher
    Diskriminierung, die Respektierung der territorialen Integrität, die Verpflichtung zur friedlichen Lösung aller Streitfragen.
    3. Dazu gehört auch die Verpflichtung, die gesellschaftlichen Strukturen im Gebiet des Vertragspartners nicht gewaltsam ändern zu wollen.
    4. Die beiden Regierungen sollten eine nachbarschaftliche Zusammenarbeit anstreben, vor allem die Regelung der fachlich-technischen Zusammenarbeit, wobei gemeinsame Erleichterungen in Regierungsvereinbarungen festgelegt werden können.
    5. Die bestehenden Rechte und Verantwortlichkeiten der Vier Mächte in bezug auf Deutschland als Ganzes und Berlin sind zu respektieren.
    6. Die Bemühungen der Vier Mächte, Vereinbarungen über eine Verbesserung der Lage in und um Berlin zu treffen, sind zu unterstützen.
    Es war ein wichtiger Tag, als diese sechs Grundsätze, von denen sich die Bundesregierung leiten ließ, deutlich ausgesprochen wurden. Das sollte nicht völlig in Vergessenheit geraten.
    Ich bin dem Bundeskanzler dankbar für seine für viele, die sie nachlesen werden, doch wohl nachdenklich stimmende Darlegung der 20 Punkte von Kassel. Es hat sich gelohnt, daß das heute hier herausgehoben worden ist.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Meine Damen und Herren, mein verehrter Herr Vorredner hat hier von Brandt, Bahr und Wehner gesprochen, die empfehlen würden, auf das Gleichgewicht zu verzichten.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Zum Beispiel defensive Rüstung der Sowjetunion!)

    — Ich habe Sie ja nicht gemeint, Herr, obwohl Sie jetzt wie ein Papagei dazwischenreden.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Nein, nein, ich rede zu meinem verehrten Vorredner. Sie meinen, weil Sie neben ihm sitzen, könnten Sie sich auch alles erlauben; das ist so nicht. —

    (Erneutes Lachen bei der CDU/CSU)

    Nein, nein, hier ist das ganz einfach, Herr Kollege Dregger: Wir drei, wie Sie sagen, die Sie hier genannt haben, empfehlen keineswegs, auf das Gleichgewicht zu verzichten. Wir sind mit Helmut Schmidt über die Notwendigkeit des Gleichgewichts ein und derselben Meinung; das ist die Tatsache.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, ich habe hier die Ausführungen, die der Bundeskanzler nach der Bekanntgabe der Erklärung des Präsidenten der Französischen Republik und des deutschen Bundeskanzlers in Paris auf die Frage eines Korrespondenten, der sogar einen bedeutenden Namen hat, gemacht hat, nämlich auf die Frage, ob der Ausdruck „Entspannung" nicht überholt und sogar ein gewisser



    Wehner
    „Fetischismus" sei. Helmut Schmidt hat geantwortet:
    Entspannung setzt voraus, daß einer nicht so viel mächtiger ist als der andere, daß der andere fürchten muß, er könne eines Tages überwältigt werden. Mit anderen Worten: Entspannung setzt Gleichgewicht voraus, Gleichgewicht insbesondere der militärischen Faktoren. Und insofern war das Konzept, das schon zu Nixons und Breschnews Zeiten, später zu Jimmy Carters und Breschnews Zeiten hinter den SALT-Verhandlungen stand — SALT I wie SALT II —, Gleichgewicht der nuklear-strategischen Kräfte auf beiden Seiten, die Herstellung einer grundlegenden Vorbedingung für Entspannung überhaupt. Man kann Gleichgewicht natürlich auf zweierlei Weise herstellen: durch einen Rüstungswettlauf, daß einer versucht, mindestens so schnell zu laufen wie der andere — das wird eine Spirale, höchst gefährlich —, man kann es auch herstellen durch beiderseitig verpflichtende Begrenzung der Rüstung. Entspannung ist nicht möglich ohne Gleichgewicht. Die Wiederherstellung des Gleichgewichts, die Stabilisierung des Gleichgewichts — das ist eine der wichtigsten Aufgaben in diesem Jahr 1980 und darüber hinaus.
    So ganz klar der Bundeskanzler Helmut Schmidt nach der Deklaration, die er zusammen mit Giscard d'Estaing abgegeben hat.

    (Zuruf von der CDU/CSU: St. Ingbert!)

    Sie haben vorhin gesagt, die von Ihnen genannten drei — in diesem Fall haben Sie Brandt, Bahr und Wehner genannt — seien völlig anderer Meinung. Nein, wir sind dieser Meinung; in diesem Punkt gibt es keine Differenz.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    Meine Damen und Herren, da hier vorhin Unruhe war und gesagt wurde, in allen Zeitungen hätte ja gestanden, daß — — Dessen bin ich mir sicher. Ich könnte Ihnen hier eine einzige, wirklich anständige Wiedergabe dessen vorlesen,

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Die anderen sind unanständig?)

    — ich bitte Sie, ich darf das hier doch wohl sagen —, was ich tatsächlich gesagt habe. Daß sich andere völlig irren und daß sie den Irrtum mit Genuß verbreiten, kenne ich doch. Es lebe die Freiheit der Presse, es lebe aber auch meine, gelegentlich zu sagen, wie sie etwas falsch macht; das sage ich Ihnen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich habe auch eine Freiheit. Ich ergebe mich nicht dem, was einen hetzen soll; das kommt nicht in Frage.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Nein, nun lassen Sie mich bitte einmal sprechen. Sie haben ja noch Gelegenheit, heute den ganzen
    Tag bis spät in die Nacht zu reden, Sie bedeutenden Herren. — Was habe ich hier gesagt?

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Wenn Sie die Presse beschimpfen wollen, dann beschimpfen Sie nicht uns, Herr Wehner!)

    — Reden Sie doch keinen Stuß, reden Sie doch keinen StuB, Sie weiser Herr!

    (Lachen bei der CDU/CSU — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Jetzt haben Sie doch die Presse beschimpft!)

    — Ja, ja. Nun gehen Sie hin und machen Sie eine Anzeige gegen mich, Sie Knabe!

    (Erneutes Lachen bei der CDU/CSU — Kittelmann [CDU/CSU]: Sie sind sehr liebenswürdig, Herr Wehner!)

    — Mann, Sie sind doch nicht ganz voll.
    Meine Damen und Herren, ich gebe Ihnen wortwörtlich, was ich in zahlreichen — —

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ja, Sie können es nicht aushalten, daß einmal jemand feststellt, was er wirklich gesagt hat.

    (Beifall bei der SPD — Erneute Zurufe von der CDU/CSU)

    Sie wollen ihn dann niederbrüllen, Sie wollen die Freiheit des Brüllers haben. Das ist Ihre Art von Parlamentsauffassung. Ich habe eine ganz andere. Da müssen ganz andere Leute kommen, als daß ich mich niederbrüllen lasse.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich zitiere jetzt, was ich sowohl in St. Ingbert als auch anderswo gesagt habe. Sie werden sich wundern: Genau dasselbe, was ich dort gesagt habe, habe ich auch hier im Bundestag gesagt. Ich nenne Ihnen die Fundstelle jetzt schon: Sie finden das im Protokoll 8/191 auf der Seite 15 065. Sie werden das dort wortwörtlich wiederfinden. Warum? Damals habe ich auf eine Rede des Herrn bayerischen Ministerpräsidenten geantwortet, der anzweifelte, daß wir in Fragen des Rüstungsgleichgewichts aufrichtig seien. Ich lese Ihnen jetzt vor, was ich tatsächlich in dem Beschluß mit verfaßt habe, den der Ordentliche Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands im Dezember in Berlin mit großer Mehrheit angenommen hat.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: St. Ingbert!)

    — Muß ich Ihnen sagen, daß ich dasselbe in St. Ingbert gesagt habe?

    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. von Weizsäcker)

    Glauben Sie, Sie können mich irritieren? Sie können ganz etwas anderes mit mir, aber mich nicht irritieren.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP — Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU]: Was können wir denn mit IhWehner nen? — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)




    — Weil Sie es sonst unmöglich machen. Sie sind nämlich nicht Parlamentarier, sondern Sie sind das Abscheu-Bild eines Quasi-Parlamentariers.

    (Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU]: Jetzt reicht es aber! Wir sind hier nicht im Sächsischen Landtag!)

    — Ich gehöre dem Bundestag seit über 30 Jahren an. Solche Mob-Szenen wie in diesem 8. Bundestag hat es selten gegeben.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU — Kittelmann [CDU/CSU]: Das ist ein Skandal, was Sie sich da leisten!)

    — Ja, ja, das ist ein Skandal. Sie sind ein Skandal für dieses Haus. Das ist alles.

    (Dr. Hoffacker [CDU/CSU]: Das ist wie in Afghanistan!)

    — Das kann sein. Dann holen Sie mal Ihre Kalaschnikow und sagen — so wie der Brzezinski —: „Am liebsten möchte ich schießen."

    (Pfui-Rufe von der CDU/CSU — Pfeffermann [CDU/CSU]: Das ist eine Beleidigung für das ganze Haus! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Das Haus nicht. Das Haus wollen sie sowieso umbauen, Herr!
    Ich zitiere:
    Friedenspolitik, die Politik der sozialen und politischen Entspannung, bleibt vom Rüstungswettlauf in der Welt bedroht. Sozialdemokratische Politik sieht, wie es im Godesberger Programm heißt, die Grundsätze der Landesverteidigung in der Schaffung von Voraussetzungen für eine internationale Entspannung und für eine wirksame kontrollierte Abrüstung. Dieser Auftrag des Godesberger Programms besteht unverändert fort.
    Entspannung und Abrüstung setzen Gleichgewicht voraus. Das globale Gleichgewicht darf weder regional noch weltweit durch einseitige Aufrüstung gefährdet werden. Bei der Herstellung des Gleichgewichts haben Rüstungskontrolle und Abrüstung eindeutig die politische Priorität.
    Die konkurrierenden Staaten und Bündnisse müssen von der Friedensbereitschaft des anderen ausgehen, diese Auffassung auch aussprechen und aufhören, sich das Gegenteil zu unterstellen. Verteidigungspolitische Maßnahmen. dürfen nicht Überreaktionen sein, die aus Mißtrauen und Angst entstehen. Das subjektive Sicherheitsbedürfnis der jeweils anderen Seite muß in Rechnung gestellt werden. Die Art des innenpolitischen Schlagabtausches über die Begriffe „defensiv" und „offensiv hat gezeigt, wie gering bisher Fähigkeit und Wille sind, in diese schwierigen Zusammenhänge einzudringen.
    Dann folgt, was ich immer wieder erkläre, das, was in dem Punkt 28 unseres mit großer Mehrheit angenommenen Beschlusses steht:
    Die Solidarität des Bündnisses muß sich bewähren. Wir werden auch künftig unsere Politik fortsetzen, die jederzeit deutlich sichtbar macht, daß wir weder Nuklearmacht sind noch werden. Eine ausschließliche Stationierung nuklearer Mittelstreckenwaffen auf deutschem Boden kommt nicht in Frage. Die nächsten Jahre werden auch darüber entscheiden, ob der nukleare Rüstungswettlauf gebremst werden kann oder die Gefährdungen für die Welt weiter steigen werden. Deshalb darf es keine Automatismen geben. Der Gang der Verhandlungen und die erwarteten Ergebnisse müssen es den Politikern der NATO jederzeit möglich machen, Beschlüsse zu überprüfen und, wenn nötig, zu revidieren.
    Aus diesen Gründen soll die Bundesregierung der Stationierung der von den USA in eigener Verantwortung zu entwickelnden Mittelstrekkenwaffen in Europa (die frühestens 1983 möglich ist) nur unter der auflösenden Bedingung zustimmen, daß auf deren Einführung verzichtet wird, wenn Rüstungskontrollverhandlungen zu befriedigenden Ergebnissen führen.
    Ziel der Verhandlungen ist es, durch eine Verringerung der sowjetischen und eine für Ost und West in Europa insgesamt vereinbarte gemeinsame Begrenzung der Mittelstreckenwaffen die Einführung zusätzlicher Mittelstreckenwaffen in Westeuropa überflüssig zu machen.
    ... Es ist zu prüfen, ob bei fortschreitendem Verhandlungsprozeß überprüfbare Vereinbarungen (Moratorien) über einen Produktions- und Stationierungsstopp neuer nuklearer Waffensysteme die Erfolgsaussichten von Verhandlungen zwischen NATO und Warschauer Pakt erleichtern würden.
    Das ist der authentische Text, den ich immer in jeder meiner Reden — weil ich das Thema immer wieder behandle: „Sicherheit für die 80er Jahre" —, so wie ich das hier gemacht habe, zitiere.

    (Beifall bei der SPD)

    Und dann kommen Sie. Meine Damen und Herren, um es Ihnen zu erleichtern, sage ich Ihnen nochmal: das Protokoll der 191. Sitzung. Da habe ich das genauso in Erwiderung auf eine Rede des Herrn Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern hier zitiert und habe dann noch hinzugefügt:
    Herr Ministerpräsident, worum es den Sozialdemokraten geht und worauf Sie wohl auch hinzielen — Sie haben ja genau an dem Tag, der der Tag vor den NATO-Erörterungen in Brüssel ist, hier das Wort genommen, was auch Ihr gutes Recht ist —, ist das Folgende. Die Entscheidung, die von der NATO im Dezember getroffen wird, und gleichzeitig Verhandlungen mit der UdSSR, dem Warschauer Pakt sind untrennbar verbunden. Dies ist die Voraussetzung für das, was in der unmittelbar vor uns stehenden Zeit von uns, der Bundesrepublik Deutschland, als Bestand-



    Wehner
    teil dieses Bündnisses, aus zu tun ist, zugleich durch die Verträge mit den Nachbarn im Osten, die zwar nicht wesensgleich mit den Verträgen sind, die uns in die westliche Verteidigungsgemeinschaft NATO und in die Wirtschaftsgemeinschaft Europäische Gemeinschaft integrieren, die man aber, weil man auf einem Bein bestenfalls stehen kann, als zweites Bein braucht, um an die Tische gehen zu können, an denen von Gleichberechtigten, wenn auch nicht Gleichmächtigen, über das, was auch unser Interesse ist, verhandelt wird: Sicherung des Friedens.
    In Klammern steht da dann: „(Beifall bei der SPD)". Hinzu habe ich gefügt:
    Das ist es, was wir mit unserem Beschluß wollen.
    Und dann steht in Klammern: „(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Darüber gibt es keinen Streit!)".

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    — Das steht hier drin, Herr Mertes. „Darüber gibt es keinen Streit!", haben Sie damals gesagt. Das scheint sich inzwischen geändert zu haben. Aber warum nicht?

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Wenn Herr Kollege Dregger das, was er dem Bundeskanzler vorwarf, er sei wohl schwankend — Herr Dregger hat sich das natürlich zusammengestellt und geschrieben, um es rechtzeitig auch noch hier vortragen zu können —, nachher noch einmal gut überlegt, wird er einiges seiner eigenen Beurteilung
    — er muß es nicht laut machen —, in seinen eigenen Gedanken korrigieren müssen.
    Dann möchte ich ihm folgendes sagen, meine Damen und Herren: Wir werden noch schwere Zeiten vor uns haben und zu durchleben haben. Es kann sein, daß gewisse Dinge jetzt so in die Luft steigen wie ein schöner bunter Luftballon. Ich denke zum Beispiel an dieses mit einem Zeitultimatum verbundene „Wenn bis zum 20. Februar ..., dann Olympiade-Boykott"; das ist ganz menschlich, das habe ich durchaus verstanden. Nur, dann kommt der logische Zwang, wenn wir dann hier sitzen werden — vielleicht werden Sie es erst richtig spüren, wenn der nächste Bundestag gewählt ist und zusammentritt — und uns dann damit zu befassen haben: „Wie bringen wir z. B. den innerdeutschen Sportverkehr wieder in Gang?", der nämlich dann einfach platzen wird.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — Bitte sehr, ich habe keine Angst, ich werfe es Ihnen auch gar nicht vor, aber alles überlegt haben Sie nicht.
    Eines allerdings gebe ich zu: Bei Ihnen sind manche an der ständigen Aufregung im innerdeutschen Verhältnis so interessiert, daß es denen natürlich ein gefundenes Fressen sein wird, wenn die anderen sagen: Schluß mit innerdeutschen Sportbeziehungen! Dann kann man nämlich wieder protestieren.
    Dann kann man vielleicht auch die Transitstrecken ziemlich belasten.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Erzählen Sie mal, was Sie wollen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Das habe ich ja schon: Wir wollen, daß Verträge eingehalten werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Es ist jetzt eine Situation, in der z. B. erstmals Persönlichkeiten von einem gewissen Rang in den Parteien mit dem C vorn und dem U hinten der Wirtschaft öffentlich vorwerfen, daß sie noch keine Handelsbeziehungen abgebrochen hat. Einer der Kollegen hier — ich will ihn jetzt nicht noch beschämen
    — hat sogar öffentlich dazu aufgefordert und gesagt, der Schaden, der auf die Unternehmen zukäme, müßte vom Staat erstattet werden. Der das gesagt hat, ist ein bedeutender Herr, der viel mit Export zu tun hat, früher, glaube ich, auch mit Export in jene Gebiete zu tun hatte. Aber sei es wie es sei, wir werden das alles noch erleben.

    (Dr. Hoffacker [CDU/CSU]: Sie decken damit Afghanistan!)

    — Ich decke Afghanistan? Überhaupt nicht!

    (Dr. Hoffacker [CDU/CSU]: Sie unterwerfen sich dem Zwang da!)

    — Ich habe mich noch nie jemandem unterworfen, auch nicht Ihren Schreiern. Noch nie habe ich mich jemandem unterworfen. Dort, wo ich gemerkt habe, daß ich einen Fehler gemacht habe, habe ich mich entschuldigt. Aber mich unterworfen? Da müssen Sie erst einmal einen Neuen erfinden, den Sie an meine Stelle setzen. Das gibt es überhaupt nicht.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich weiß ja, wonach es Sie gelüstet. Ich weiß, daß Sie glauben, Sie kommen jetzt in eine Zeit, in der man andere hetzen muß. Ich kenne das. Das habe ich bei jeder Bundestagswahl erlebt. Ich hoffe, daß es niemandem genauso ergeht wie mir bei den Bundestagswahlen 1949, 1953, 1957 und bei allen anderen.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Sie leiden unter Verfolgungswahn!)

    Ich war immer der Prügelknabe der Nation.

    (Graf Stauffenberg [CDU/CSU]: Jetzt kommen die Tränen!)

    — Wenn Sie sich hier aufspielen, so spielen Sie sich bitte auf, aufregen werden Sie mich nicht.
    Nur, denken Sie daran: In einigen Monaten werden wir uns über das Weiterdrehen des Rades Afghanistan, und was dazugehört, noch manchen Kopf zerbrechen müssen, wie wir Schaden von unserem Land abwenden, weil wir — unsere Grundposition ist klar — ja nicht völlig allein wie auf einer Insel handeln können. Denken Sie bitte darüber nach!

    (Beifall bei der SPD — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Ein Beispiel für Fairneß! Ein Kommentar zum Fairneß-Abkommen! — Dr. Marx [CDU/CSU]: Dafür haben wir ein Fairneß-Abkommen gemacht?! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)






Rede von Dr. Richard von Weizsäcker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Möllemann.

(Graf Stauffenberg [CDU/CSU]: Herr Möllemann, niemand beneidet Sie jetzt!).


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Jürgen W. Möllemann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es war absehbar, daß sich diese Debatte über den Bericht zur Lage der Nation nicht nur mit den Problemen, die sich im Verhältnis zwischen den deutschen Staaten ergeben, beschäftigen würde, sondern sich gleichermaßen oder, wie wir gesehen haben, noch mehr mit den außenpolitischen Fragen auseinandersetzen würde, die uns nun schon seit Beginn dieses Jahres beschäftigen. Ich möchte deshalb, da mein Kollege Hoppe wie auch der Bundesaußenminister sehr ausführlich die Aspekte des deutsch-deutschen Verhältnisses und dessen Notwendigkeiten skizziert haben, hierauf nicht eingehen.
    Ich möchte allerdings nachdrücklich eine Bemerkung des Bundesaußenministers unterstreichen, nämlich die, daß es für uns Liberale keinen Gegensatz zwischen der Bündnispolitik und der Verfolgung der deutsch-deutschen Interessen gibt, sondern daß das eine die Voraussetzung für den Erfolg beim anderen ist. Ich denke, darüber gibt es hier keinen Dissens. Nur sollte man auch nicht den Eindruck hervorzurufen versuchen, daß es bei uns eine andere Meinung gäbe.
    Ich habe, wie es sich gehört, den Vorrednern, die sich mit der außenpolitischen Problematik beschäftigt haben, also insbesondere dem bayerischen Ministerpräsidenten, der jetzt im Wahlkampfeinsatz unterwegs sein muß, während wir hier weiter debattieren

    (Wehner [SPD]: Gönnen Sie ihm das doch!)

    — eben! —, dem Kollegen Dregger und dem Kollegen Marx, bei ihren Bemerkungen zur Außenpolitik zugehört und habe wie bei den Debatten im Januar und im Februar herauszufinden versucht, wo neben der Analyse des Problems, vor dem wir stehen, in der Ableitung praktischer Maßnahmen unterschiedliche Ansätze und konkrete unterschiedliche Vorschläge vorhanden sind, damit man sich mit denen auseinandersetzen kann. Wie beim letzten und vorletzten Mal — ich bedaure dies wiederholen zu müssen, weil das gleiche Erscheinungsbild der Opposition gegeben war — sind, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, keine konkreten Vorschläge für konkretes anderes Vorgehen als das, was wir ohnehin im westlichen Lager praktizieren, gekommen.

    (Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU]: Da haben Sie nicht zugehört!)

    — Doch, doch, Herr Kollege. Ich habe sehr aufmerksam zugehört. Das sollten Sie mir nicht absprechen.
    Es gibt einige abweichende Einzelvoten, auf die ich eingehen will. Aber in vielen Punkten ist das, was die Bundesregierung konkret betreibt, was der
    Bundesaußenminister als Position der Bundesregierung hier wiederholt ausführlich dargestellt hat, von Ihnen im Grunde bestätigt worden.

    (Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU]: Beim Außenminister eher als beim Bundeskanzler!)

    — Nein. Sie sagen: beim Bundesaußenminister eher als beim Bundeskanzler. Ich möchte ausdrücklich unterstreichen, daß die Position des Bundeskanzlers und die des Bundesaußenministers vollkommen identisch sind.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Man kann hier überhaupt nicht versuchen, einen Gegensatz zu konstruieren. Ich halte es auch für eine Selbstverständlichkeit, daß man die Politik der Bundesregierung als eben die Politik der Regierung und nicht als die von Individuen vorträgt. Wiewohl sicherlich beim Zustandekommen dieser Politik der eine diesen und der andere jenen Einfluß haben mag. Das liegt aber auch daran, daß es sich nicht nur um zwei selbständige Persönlichkeiten, sondern auch um zwei Repräsentanten von zwei selbständigen Parteien handelt. Aber das ist nichts Besonderes.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Die reden dann mit ganz anderer Zunge!)

    — Nein.
    Ich möchte nun auf die Schwerpunkte im Bereich der außen- und sicherheitspolitischen Maßnahmen kommen, die wir hier diskutieren, und an Hand dieser Schwerpunkte einmal im einzelnen zu analysieren und kurz zu prüfen versuchen, ob Sie denn da anderer Meinung sind. Ich habe mir insgesamt zehn solcher Schwerpunkte notiert und gehe einfach mal an Hand dieser Auflistung vor.
    Den ersten Grundsatz habe ich vorhin fast im Wortlaut vom Kollegen Dregger ausdrücklich bestätigt gehört. Er besagt, daß der Westen eine glaubwürdige und entschlossene Politik der Unterstützung der Unabhängigkeit und Blockfreiheit in der Dritten Welt betreiben muß. Das bedeutet übrigens, daß er sich selbst überall und strikt an dieses Prinzip zu halten hat. Ich glaube, es ist keine Kränkung für den einen oder anderen westlichen Partner, wenn man im Blick auf die jüngere Vergangenheit diese Bitte auch an sie richtet, etwa im Blick auf bestimmte Ereignisse in Zentralafrika in den letzten Monaten. Es stärkt nämlich unsere Position, wenn wir selber uns alle konsequent an dieses Prinzip halten. Ich glaube, daß die Zustimmung, die der Bundesaußenminister zuletzt in Kuala Lumpur und auch bei vielen anderen Treffen mit Repräsentanten der Dritten Welt erfahren hat, genau dort ihren Grund hat: daß wir nicht nur in Deklarationen, sondern auch in der praktisch betriebenen Politik von uns aus die Unabhängigkeit der Staaten der Dritten Welt ernst meinen. Ich weiß, daß nicht alle in Deutschland dies so sehen. Beispielsweise ist mit Recht die Politik der DDR moniert worden, in die Staaten Afrikas Truppenkontingente zu entsenden, seien sie auch als Berater verkleidet. Dies ist in der Tat mit dem Respekt



    Möllemann
    vor der Unabhängigkeit und Souveränität unvereinbar.

    (Beifall bei der FDP)

    Zweitens. Durch eine spürbar intensivierte Entwicklungshilfe müssen die armen Länder der Dritten Welt die Voraussetzungen für eine innere Stabilisierung durch sozialen Fortschritt und damit für eben ihre Unabhängigkeit erhalten. Die muß ja konkret machbar sein. Stabilität nämlich, die sich nur auf Panzer gründet, ist, wir wir an Beispielen in der Vergangenheit gesehen haben, sehr brüchig.

    (Beifall bei der FDP)

    Ich finde, daß das Gutachten der unabhängigen Kommission, in der der Kollege Brandt mitgearbeitet hat, wertvolle Hinweise gerade in dieser Richtung gibt. Wir müssen uns aber darüber im klaren sein, daß diese Intensivierung der . Hilfeleistungen teuer sein wird. Ich möchte nachdrücklich das unterstreichen, was der Bundesaußenminister und Kollege Hoppe gesagt haben: dieses verlangt natürlich als Maßnahme einer geforderten langfristigen Strategie zur Sicherung der Stabilität Opfer und Aufwendungen auch von unserer Bevölkerung. Das müssen wir ihr sagen, daß dieser Betrag konkret von ihr aufgebracht werden muß und nicht von jemandem irgendwo sonst. Das wäre ein konkreter operativer Vorschlag auch von Ihrer Seite gewesen, wenn Sie hier gesagt hätten: Entwicklungshilfeleistungen heraufsetzen, vielleicht gar konkret um diesen oder jenen Betrag.
    Dritter Punkt. Im südlichen Afrika muß der in Rhodesien — jetzt Simbabwe — eingeschlagene Weg der Verwirklichung der Menschenrechte für alle konsequent fortgesetzt werden.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — Hier tun Sie sich schwer. Es stellt sich die Frage, wie Sie sich denn zu diesem Prozeß stellen wollen. Da kommen einige Kollegen von Ihnen hierher und sagen sehr weitsichtig, man müsse diesen Prozeß fördern. Aber noch vor kurzem ist doch Ihr entwicklungspolitischer Sprecher herumgelaufen und hat den jetzt amtierende Ministerpräsidenten als „Chefterroristen" tituliert, mit dem man keine Kontakte haben dürfe. Was gilt denn bei Ihnen als politische Lösung? Wie wollen Sie denn mit einem solchen Staat partnerschaftliche Beziehungen pflegen, wenn Sie Befreiungsbewegungen je nach Bedarf als „Terroristenorganisationen" und dann wieder als jetzt amtierende Regierungen behandeln wollen? Dies ist nicht konsequent. Hier müssen Sie Ihre Position klar definieren.