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ID0820800300

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/208 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 208. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 20. März 1980 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Ziegler 16615A Verzicht des Abg. Ahlers auf die Mitgliedschaft im und Eintritt des Abg. Dr. Schweitzer in den Deutschen Bundestag . . . . 16615A Begrüßung der Präsidentin des Europäischen Parlaments, Frau Simone Veil, und einer Delegation 16615 A Absetzung eines Punktes von der Tagesordnung 16706 B Erweiterung der Tagesordnung . . . 16706B Bericht zur Lage der Nation Schmidt, Bundeskanzler 16615 D Dr. h. c. Strauß, Ministerpräsident des Frei- staates Bayern 16624 A Genscher, Bundesminister AA 16635 D Dr. Marx CDU/CSU 16642 B Brandt SPD 16650 C Hoppe FDP 16656 C Dr. Dregger CDU/CSU 16660 C Wehner SPD 16665 D Möllemann FDP 16670 A Franke, Bundesminister BMB 16674 D Graf Huyn CDU/CSU 16679 B Frau Schlei SPD 16683 A Beratung der Entschließung des Europäischen Parlaments zur sowjetischen Intervention in Afghanistan — Drucksache 8/3667 — 16686 A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes — Drucksache 8/2067—Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/3826 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksachen 8/3495, 8/3758 — Egert SPD 16686B, 16688 A Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU . . . . 16686 C Hölscher FDP 16690 A Höpfinger CDU/CSU 16691 D Urbaniak SPD 16693 B II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1980 Spitzmüller FDP 16694 D Grobecker SPD 16696 B Frau Dr. Neumeister CDU/CSU . . . 16696 D Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . 16697B Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften — Drucksache 8/873 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/3827 — Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses — Drucksache 8/3764 — Brandt (Grolsheim) SPD . . . . 16701B, 16703A Regenspurger CDU/CSU 16701 B Wolfgramm (Göttingen) FDP 16704 B Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Schulte (Unna), Spitzmüller und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Berücksichtigung des Denkmalschutzes im Bundesrecht — Drucksache 8/3105 — Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses — Drucksache 8/3716 — 16705 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Kaffee- und Teesteuergesetzes — Drucksache 8/3297 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/3769 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 8/3745 — 16705 D Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abgeltung von Kriegsschäden deutscher Staatsangehöriger in Italien — Drucksache 8/3419 —Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 8/3744 — 16706 A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Bergmannsprämien — aus Drucksache 8/3688 — Erster Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/3830 — Erste Beschlußempfehlung und erster Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 8/3824 — 16706 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung besoldungsrechtlicher und versorgungsrechtlicher Vorschriften 1980 — Drucksache 8/3624 — von Schoeler, Parl. Staatssekretär BMI 16706D Regenspurger CDU/CSU 16707 C Liedtke SPD 16709 B Wolfgramm (Göttingen) FDP 16710 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 — Drucksache 8/3662 — Lemmrich CDU/CSU 16711A Topmann SPD 16713A Merker FDP 16714 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll Nr. 2 vom 17. Oktober 1979 zu der am 17. Oktober 1868 in Mannheim unterzeichneten Revidierten Rheinschiffahrtsakte — Drucksache 8/3748 — 16717A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll Nr. 3 vom 17. Oktober 1979 zu der am 17. Oktober 1868 in Mannheim unterzeichneten Revidierten Rheinschiffahrtsakte — Drucksache 8/3749 — 16717A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. Dezember 1979 zur Änderung des Vertrages vom 11. September 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Osterreich über Rechts- und Amtshilfe in Zoll-, Verbrauchsteuer- und Monopolangelegenheiten — Drucksache 8/3746 — 16717A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 15. März 1978 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Mauritius zur Vermeidung der Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1980 III Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Förderung des Handels und der Investitionstätigkeit zwischen den beiden Staaten — Drucksache 8/3747 — 16717 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung der Bundeshaushaltsordnung — Drucksache 8/3785 — 16717 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes — Drucksache 8/3750 — 16717B Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge — Drucksache 8/3752 — 16717 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Wohngeldgesetzes — Drucksache 8/3766 — 16717 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Förderung der Menschenrechtserziehung — Drucksache 8/3751 — 16717 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zur Unterrichtung durch die Bundesregierung UNESCO-Empfehlung über die Fortentwicklung der Weiterbildung — Drucksachen 8/1130, 8/3763 — . . . 16717D Beratung der Sammelübersicht 64 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/3768 — 16718A Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages - Drucksache 8/3770 — 16718B Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Aufhebbaren Vierundvierzigsten Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung Aufhebbaren Vierzigsten Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste — Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung — Aufhebbaren Dreiundsiebzigsten Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz — Aufhebbaren Vierundsiebzigsten Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz —— Drucksachen 8/3540, 8/3539, 8/3519, 8/3544, 8/3787 — 16718C Nächste Sitzung 16718 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 16719* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1980 16615 208. Sitzung Bonn, den 20. März 1980 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 21. 3. Dr. van Aerssen* 20. 3. Dr. Ahrens** 21. 3. Dr. Aigner* 21. 3. Alber * 21. 3. Amling 21. 3. Dr. Bangemann* 21. 3. Dr. Bayerl 21. 3. Blumenfeld*** 20. 3. Dr. Corterier*** 21. 3. Dr. Enders** 21. 3. Fellermaier* 21. 3. Flämig*** 21. 3. Frau Geier 21. 3. Dr. Geßner** 20. 3. Kittelmann** 21. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Klepsch* 21. 3. Dr. Kreile 21. 3. Dr. Graf Lambsdorff 21.3. Lampersbach 21. 3. Lange * 20. 3. Dr. Mende** 20. 3. Milz 21. 3. Mischnick 21. 3. Dr. Müller** 21. 3. Müller (Mülheim) 21. 3. Dr. Pfennig * 21. 3. Reddemann** 20. 3. Dr. Schäuble** 21. 3. Frau Schleicher* 21. 3. Dr. Schmidt (Gellersen) 21. 3. Schmidt (Würgendorf) ** 21. 3. Schulte (Unna) 21. 3. Dr. Schwencke (Nienburg) * 21. 3. Seefeld* 21. 3. Frau Tübler 21. 3. Dr. Vohrer** 20. 3. Walkhoff 21. 3. Dr. Wendig 21. 3. Wissmann 21. 3. Wuwer 21. 3. Zebisch** 20. 3.
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    daß beide — wie übrigens alle Mitglieder dieser Bundesregierung — ein und dieselbe Politik vertreten,

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    eine Politik für Deutschland, d. h.: eine Politik des Gleichgewichts und — auf dem Gleichgewicht basierend — eine Politik der Verständigung und der Zusammenarbeit.

    (Erneuter Beifall bei der SPD und der FDP)

    Zehn Jahre Deutschlandpolitik der sozialliberalen Koalition haben — ich nehme den Faden wieder auf — den Zusammenhalt der Menschen in beiden deutschen Staaten gefestigt. Ohne diesen menschlichen Zusammenhalt würde unser Bekenntnis zur Einheit seinen inneren Sinn verlieren.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die Substanz der Nation, die gemeinsame Geschichte, die gemeinsame Sprache, die gemeinsame Literatur, die Kunst, die Musik, das Wissen voneinander, der Wunsch zum Miteinander, ausdrücklich auch die gemeinsame Friedenspflicht und schließlich der gemeinsame Wille, sich unter einem Dach zusam-



    Bundeskanzler Schmidt
    menzufinden — alles das sind Voraussetzungen für deutsche Einheit. Weil die Deutschlandpolitik der sozialliberalen Koalition auf die Wahrung dieser Substanz gerichtet war, konnten wir die Verpflichtung zur Einheit — entsprechend der Präambel des Grundgesetzes — redlich erfüllen.
    Ich erinnere daran — ich sagte es eingangs —, daß das Grundgesetz unseren Willen erklärt, in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen. Dabei können wir gewiß auf Vorsicht nicht verzichten, auf Voraussicht nicht verzichten, nicht verzichten auf Sicherheit und Verteidigungsbereitschaft zugunsten unserer Freiheit, nicht verzichten auf sorgfältige außenpolitische Kalkulation, auf Umsicht, auf Klugheit nicht verzichten. Aber eines müssen wir immer wissen: Wer von uns den Kompromiß mit dem Nachbarn nicht suchen will oder nicht suchen kann, der wäre für die friedliche Wiederherstellung Europas nicht tauglich.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Und hier komme ich zum Ausgangspunkt meiner Gedanken über die Einheit der Nation zurück: Nur die Wiederherstellung des geistigen Zusammenhangs von ganz Europa, nur die Wiederherstellung des wirtschaftlichen Zusammenhangs von ganz Europa — trotz all seiner gegenwärtig bedrückenden politischen Formen und Krisen — bietet eine Chance für die dereinstige Vereinigung unserer eigenen deutschen Nation unter einem gemeinsamen Dach.
    Es bringt wenig, wenn in der Gegenwart Wiedervereinigungspläne vorgetragen würden oder darüber gestritten würde, wie die deutsche Einheit aussehen könnte. Wir haben im „Brief zur deutschen Einheit" deutlich gemacht, daß für uns der Friede in Europa die Voraussetzung für ein Wiederzusammenfinden der Deutschen ist. Das hat unverändert Gültigkeit. Es ist eine Verpflichtung, die in weltpolitischen Krisenlagen von der Bundesregierung eine besonders umsichtige und sorgsame Politik verlangt.

    (Beifall bei der SPD und FDP)

    Dies verstehen alle unsere Verbündeten auch so, insbesondere Präsident Carter, insbesondere Präsident Giscard d'Estaing.
    Vor zwei Jahren hat der damalige Bundespräsident Scheel darauf hingewiesen, daß es in der Präambel des Grundgesetzes nicht etwa heißt, die Einheit und Freiheit wiederherzustellen, daß es auch nicht heißt, sie herbeizuführen, sondern daß es dort heißt: sie zu vollenden — ein Hinweis auf Anfänge, die schon gemacht sind, die schon gemacht waren, ein Hinweis auf Gemeinsamkeiten, die fortbestehen. Scheel hat damals weiterhin gesagt:
    Unser Streben nach Einheit ist keine verstaubte, nach rückwärts gewandte Reichsromantik — die Einheit ist ein in die Zukunft gerichtetes europäisches Friedensziel.
    Ich unterstreiche diesen Satz besonders gegenüber
    jenen Nachbarn und auch Freunden in Europa, bei
    denen gelegentlich Unruhe wegen der Frage aufkommt, was die Deutschen mit sich selbst auf diesem Wege vorhaben.
    Meine Damen und Herren, vieles an der Gegenwart der Teilung erfüllt uns mit Bitterkeiten, aber wir können den durch Hitler ausgelösten gegenwärtigen Zustand Deutschlands nicht durch — wie manche es denken — mehr Härte oder — wie manche es zu tun versucht sind — durch ständige Anklagen verändern. Wir können die Kriegsfolgen nicht ungeschehen machen. Im Gegenteil, solche Versuche würden zusätzliche Gefährdungen auslösen.
    Was die Zukunft der deutschen Nation betrifft, so müssen wir nüchtern feststellen, daß die politischen Konstellationen in der Welt, in Europa in der Gegenwart keine Möglichkeiten bieten, die Teilung Deutschlands in zwei Staaten zu überwinden. Falls aber die beiderseitige Arbeit zur Entspannung zwischen diesen beiden durch eine neue Konfrontation abgelöst würde, so würden darunter auch die Möglichkeiten in der Zukunft leiden, und niemand hätte darunter mehr zu leiden als die Deutschen, insbesondere als die Deutschen auf der anderen Seite.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Wer will denn die Konfrontation?)

    Die deutsche Teilung ist zugleich die Teilung Europas. Das bedeutet konkret, daß das deutsche Problem nur auf europäischem Wege zugänglich ist. Alles, was die Europäer auf beiden Seiten tun können, um die Gräben zwischen uns einzuebnen, mehr Solidarität zu schaffen, nützt zugleich der deutschen Sache.
    Ich fasse zusammen:
    Zum ersten. Zehn Jahre Deutschlandpolitik der sozialliberalen Koalition haben den Menschen im geteilten Lande konkret positive Ergebnisse gebracht; sie haben die Lage Berlins zugleich gefestigt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Zum anderen hat diese Politik den Auftrag des Grundgesetzes erfüllt. Sie hat den Zusammenhalt der Deutschen gewahrt und neu gestärkt — eine unverzichtbare Voraussetzung für das, was das Grundgesetz will.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Zum dritten ist sich die Bundesregierung der Fülle weiterer Aufgaben zwischen den beiden deutschen Staaten bewußt. Sie wird unermüdlich an ihrer Bewältigung arbeiten. Dazu soll auch ein Treffen zwischen dem Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker und mir dienen, das nach meiner Vorstellung möglichst bald in der Deutschen Demokratischen Republik stattfinden sollte.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die wichtigste Aufgabe für uns Deutsche, für uns in der Bundesrepublik Deutschland, für uns in der Deutschen Demokratischen Republik, übrigens auch für die Unterzeichner des Viermächteabkommens, ist in der gegenwärtig weltpolitisch gefährli-



    Bundeskanzler Schmidt
    chen Situation die Vermeidung von Konfrontation auf deutschem Boden.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Der Zusammenhalt der deutschen Nation und die Erhaltung des Friedens sind unabdingbare Voraussetzungen für die deutsche Einheit, deren Vollendung wir alle wollen. Ohne Friede ist deutsche Einheit undenkbar.

    (Langanhaltender Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Ministerpräsident des Freistaates Bayern.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat einen Bericht zur Lage der Nation geboten, dessen Inhalt uns größtenteils bekannt war, weil er sowohl die bekannten Tatsachen wie die bekannten Argumente wiederholte — und das ist sein gutes Recht —, der sich aber vor allen Dingen durch das auszeichnet, was er nicht gesagt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn man die Vorgänge innerhalb der Regierungspartei der SPD in den letzten Monaten und Wochen verfolgt hat und diese Auseinandersetzung, die sich sowohl innerhalb der Bundesrepublik abgespielt wie auch bis nach den Vereinigten Staaten von Amerika erstreckt hat, mit dem Text vergleicht, den heute Helmut Schmidt gesprochen hat, wird man feststellen, daß das weniger ein Bericht zur Lage der Nation war, sondern vielmehr der Versuch, einen Bericht zur Lage innerhalb der SPD zu geben, die es gar nicht gibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch von der SPD)

    Es war eine Art innerparteilicher Befriedungsaktion.

    (Unruhe bei der SPD)

    Natürlich mußte in diesem Zusammenhang die neue Ostpolitik gewürdigt werden. Es hat heute wenig Sinn — aus zeitlichen Gründen, auch aus Gründen der Bekanntheit der Vorgeschichte für diejenigen, die überhaupt bereit sind, Vorgeschichte und Geschichte zur Kenntnis zu nehmen —, die Diskussion, die von 1969 an bis in die späten 70er Jahre mit Schwerpunkt in der ersten Hälfte der 70er Jahre stattgefunden hat, hier von neuem zu führen. Einige Schwerpunkte dürfen wohl, damit sie nicht dem Gedächtnis der Gegenwart und der Erinnerungsfähigkeit der nächsten Generation vorenthalten werden, hier in Kürze genannt werden.
    Da ist einmal die Tatsache, daß mit dem Alleingang vom Herbst 1969 an leider die Geschlossenheit der demokratischen Parteien dieses Hauses in der Ost- und im besonderen in der Deutschlandpolitik mutwillig, leichtsinnig und mit gefährlichen Folgen aufgegeben worden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es wird doch niemand bestreiten, daß die Karlsbader Beschlüsse der kommunistischen Parteien des Warschauer Paktes von 1967, die Budapester Beschlüsse von 1969 und die Geheimverhandlungen, die der damalige Koalitionspartner SPD mit der italienischen kommunistischen Partei über eine neue, radikal andere Ostpolitik geführt hat, Paten an der Wiege dieser Politik gewesen sind.
    Ich habe schon mehrmals von dieser Stelle aus betont, daß keine politische Partei für sich in Anspruch nehmen kann, durch ihre besonderen politischen Rezepte oder durch einen besonders genialen Plan die Wiedervereinigung unseres geteilten Landes in dieser Zeit herbeiführen zu können. Wir haben hier unzählige Male betont, daß für uns zur Lösung der deutschen Frage weder Kapitulation noch Anwendung militärischer Mittel auch nur in gedankliche Erwägung gezogen werden kann.
    Ich möchte hier aber auch keinen Zweifel daran lassen — ich glaube, Grund dafür zu haben —, daß für uns die Freiheit den unbestreitbaren Vorrang vor der Einheit hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Vielleicht sind es falsche Zungenschläge, vielleicht sind es unbedachte Redensarten, die man übertrieben interpretiert; auch das ist im politischen Leben unvermeidlich. Aber wir haben in diesem Hause 1949, in den 50er, den 60er und den 70er Jahren nie einen Zweifel daran gelassen, daß unser Schmerz über die staatliche Teilung, so groß er auch sein mag, nie dadurch überwunden werden darf, daß wir uns das Unrechtsystem, das dem anderen Teil des deutschen Volkes aufgezwungen worden ist, etwa auf dem Umweg über eine längere Neutralisierungsperiode zu eigen machen könnten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Den Text der Rede des Herrn Bundeskanzlers habe ich leider erst 55 Minuten vor Redebeginn .erhalten. Das ist oft so. Dadurch ist es schwierig, auf Behauptungen oder Zitate einzugehen; deren Nachprüfung natürlich wenigstens einige Stunden erfordern würde. Aber ich zitiere ihn wohl richtig, wenn ich seine Worte so wiedergebe: Durch diese Ostpolitik seien die Isolierung des anderen deutschen Staats und die Abschnürung der Deutschen in der DDR als Folge dieser Isolierung beseitigt worden. Warum sprechen Sie dann in den USA von „16 Millionen Geiseln", die eine andere deutsche Interessenlage begründen und die deshalb zu verschiedenen Verhaltensweisen zwischen den USA und Deutschland führen könnten?

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich nehme an, daß es sich doch noch um 17 Millionen handelt. Wir wissen natürlich, wie die Lage dieser Deutschen im anderen Teil Deutschlands ist. Das wissen wir auf allen Seiten dieses Hohen Hauses. Aber es ist- ein gefährlicher Zungenschlag, wenn man aus taktischen Gründen oder aus opportunistischer Taktik, die in den USA befolgt worden ist, von „16 Millionen Geiseln" spricht. Ich spreche hier von 16 Millionen Anklägern, von 16 Millionen Anklä-



    Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß (Bayern)

    gern gegen ein Unrechtsystem und nicht von 16 Millionen Geiseln.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Noch immer ist es so — und es wird hoffentlich immer so bleiben —: Das Recht steht auf unserer Seite. Die Tatsache, daß das Recht der nationalen Selbstbestimmung einer Nation, daß das Recht des einzelnen Menschen, in einem freiheitlich geordneten Rechtsstaat zu leben, 17 Millionen Deutschen vorenthalten wird, macht die deutsche Frage zu einer Anklage gegen das Unrechtsystem des Kommunismus und seiner Vormacht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben einzelne Verträge erwähnt. Besonders den Grundlagenvertrag haben Sie hervorgehoben. Sie haben hervorgehoben, daß ihn das Bundesverfassungsgericht als mit dem Grundgesetz für vereinbar erklärt hat. Sie kennen die Vorgeschichte, Sie wissen ganz genau, welche Prozeßargumentation die Bundesregierung angewandt hat.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: O ja!)

    Sie hat beim Gericht die Frage der Verhältnismäßigkeit des Rechts einerseits und der angekündigten oder angedrohten politischen Folgen andererseits zur Geltung gebracht. Sie hat in dem Prozeß damit argumentiert, daß für den Fall einer Erklärung der Unvereinbarkeit die Bundesrepublik Deutschland Gefahr liefe, daß dann die DDR allein Mitglied der UNO sei — ein falsches Argument, nebenbei gesagt; aber es ist neben anderen Argumenten verwendet worden. Aus diesem Grunde kam ein Urteil zustande, dessen Begründung nur bei großer intellektueller Beweglichkeit und unter Zugrundelegung tolerantester Maßstäbe mit dem Urteil selber in Verbindung gebracht oder als eine Einheit betrachtet werden kann.
    Gerade deshalb ist in der Begründung darauf hingewiesen worden, daß das Deutsche Reich rechtlich gesehen nach wie vor weiter besteht und die Bundesrepublik Deutschland die Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches ist.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Ich bin kein Utopist und kein Träumer, der glaubt, daß man geschichtliche Ereignisse von der Gewalt des Zweiten Weltkrieges und der daraufhin erfolgten Ausnutzung der militärischen Situation durch eine Großmacht lediglich durch eine Rechtsposition aus der Welt schaffen kann. Dem Traum bin ich nie nachgelaufen. Aber Rechtspositionen sind wirksame Waffen, und sie müssen für den Fall, daß einmal diese Übergangsverträge durch einen Friedensvertrag abgelöst werden, nachdrücklich zur Geltung gebracht werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In dieser Begründung ist auch davon die Rede, daß es Grenzen innerhalb Deutschlands gebe, aber diese Grenzen hätten keine grundsätzlich verschiedene Rechtsqualität. Man sieht doch gerade daran, daß die Grenze zwischen, sagen wir, Bayern und Baden-Württemberg einerseits und die Grenze zwischen Bayern und Sachsen andererseits eine vergleichbare Rechtsqualität haben soll, den erschüt- ternden Unterschied zwischen Verfassungsrecht und politischer Wirklichkeit — wenn man an die Zustände an diesen beiden „Grenzen" denkt.
    Es ist auch von der Staatsbürgerschaft die Rede gewesen. Der Bundeskanzler hat nachdrücklich die eine Staatsbürgerschaft, die alle Deutschen haben, das eine Staatsbürgerrecht, das sie haben, hervorgehoben. Er hat auf ein besonderes Papier hingewiesen, in dem die Staatsbürgerfrage ausgeklammert worden ist. Aber das hindert den anderen Vertragspartner nicht, nach wie vor die Forderung auf Einführung zweier Staatsbürgerrechte zu erheben. Es gibt manche in Ihren Reihen, Herr Bundeskanzler, die sich diese Forderung zu eigen gemacht haben und sie vertreten, ob sie nun Mandatsinhaber oder ob sie Mitglieder der Exekutive sind.
    Etwas wenig ist über die Verpflichtung zur Wiedervereinigung gesagt worden. Das Grundgesetz spricht von der Vollendung der Einheit. Das würde heißen, daß wir auf dem Wege der Einheit schon weit fortgeschritten seien und daß es nur noch gelte, diesen Prozeß abzuschließen und zu vollenden. Darf ich Sie darauf hinweisen, daß das Grundgesetz in einer Situation entstanden ist, in der die Väter des Grundgesetzes aus gutem Grunde von der Einheit Deutschlands ausgegangen sind — in jener Zeit —, in voller Übereinstimmung mit den drei Westalliierten. Deshalb schien es damals so, als ob man nur noch etwas vollenden müsse, was vorübergehend gestört war.
    Ihre Politik der letzten zehn Jahre hat erheblich dazu beigetragen, daß trotz der von uns anerkannten Erfolge, der von uns anerkannten Ergebnisse — Rentnerreisen, Telefonverkehr und Wirtschaftsverkehr — wir staatsrechtlich und politisch gesehen von dem Zustand 1949 heute weit entfernt sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wer jene Diskussionen während der Beratungen des Parlamentarischen Rates und dann 1949 auch in diesem Hohen Hause miterlebt hat, der wird sich noch sehr wohl an diesen Zustand erinnern, wenn ihm das Gedächtnis nicht verlorengegangen ist.
    Sie sprechen davon, daß die Menschenrechte in der DDR — bedauerlicher Zustand — noch nicht voll hergestellt seien. Das sei zu beklagen, und hier sei noch viel Arbeit zu leisten, und es sei noch viel zu bewältigen. Darf ich einmal darauf hinweisen, daß das, was Sie als Ergebnisse der neuen Ostpolitik hier in leuchtenden Farben geschildert haben, eigentlich das Minimum des Selbstverständlichen ist, was zwischen zivilisierten Nationen und kultivierten Staaten bestehen sollte?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Warum haben Sie denn nicht davon gesprochen, daß entgegen den damals geäußerten Erwartungen, ja sogar entgegen Ankündigungen der Schießbefehl und alles, was damit zusammenhängt, nicht nur nicht eingeschränkt oder abgebaut, sondern noch



    Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß (Bayern)

    verschärft und vervollkommnet worden ist? Auch das ist doch deutsche Wirklichkeit.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Während Ihrer Rede hat der Kollege Barzel einen Zwischenruf gemacht. Die beiden deutschen Staaten haben sich verpflichtet, zum friedlichen Zusammenleben der Nationen beizutragen, aber die „brüderlichen Hilfen", um im hoffentlich diesmal verstandenen Ton der Ironie zu reden, die Honeckers Armee in Afrika leistet und deren Opfer Tausende von Menschen — Frauen und Kinder — geworden sind, wenn ich nur an die grausamen Verhältnisse in Äthiopien und in anderen Ländern denke, paßt denn das in dieses schöne Bild der wachsenden Gemeinsamkeit und der immer perfekteren Ausgestaltung der Beziehungen und der Erfüllung des Auftrages hinein? Wenn man nach den Maßstäben gesunden Menschenverstandes urteilt, bestimmt nicht!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben hier dem Begriff Offenhaltung der deutschen Frage einen Sinn gegeben — das ist typisch für Ihre politische Taktik; man kann hier von Strategie nicht reden, denn eine Strategie setzt an sich höhere Beurteilungsmaßstäbe voraus —, der nicht im Mittelpunkt stehen kann und nie dort gestanden hat: daß nämlich die Gemeinsamkeit der Sprache — die haben wir Gott sei Dank; wir werden sie auch behalten —, die Gemeinsamkeit unserer Kultur, die verstärkte Begegnung der Menschen und alles, was damit zusammenhängt, auch Beziehungen auf dem Gebiete der Wissenschaft, der Kunst, des Sports die deutsche Frage offenhalten. Das bestreite ich nicht, aber was mit der Offenhaltung der deutschen Frage gemeint war, ist etwas ganz anderes: die klare politische Ankündigung, daß wir uns mit der Teilung Deutschlands nie abfinden und die Wiedervereinigung der beiden Teile und damit der Zusammenführung unseres Volkes mit allen legitimen friedlichen Mitteln unserer Politik betreiben werden.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Denn wenn Ihre Kriterien, Herr Bundeskanzler, zuträfen, wären wir der Wiedervereinigung mit Osterreich schon wesentlich näher als mit dem anderen Teil Deutschlands.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Da gibt es auch die Gemeinsamkeit der Sprache, der Kultur und der Architektur. Wenn man über die Grenze geht, gibt es keine Probleme. Wenn man es ohne Paß tut, dann kostet es 5 DM und anderswo das Leben. Das ist der kleine Unterschied, das „Problemchen".

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben in bewegten Worten die Leistungen der DDR erwähnt. Das ist das, was ich vorher das „Minimum der Selbstverständlichkeiten" genannt habe. Sie hätten etwas mehr über die Leistungen der Bundesrepublik Deutschland für die Wirtschaft der DDR sagen sollen und Sie hätten diese Leistungen einmal bewerten müssen. Dann wäre klargeworden, daß wir mit einer Reihe von Transferzahlungen und durch Handelsprivilegien, die sich aus der stillen
    Mitgliedschaft der DDR in der Europäischen Gemeinschaft ergeben, wesentlich größere Leistungen erbringen, als durch Gegenleistungen auch nur annähernd abgedeckt sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben aus einer Rede zitiert, die ich im Jahre 1962 gehalten habe. Vielleicht darf ich in Ihr zeitgeschichtliches Gedächtnis zurückrufen — obwohl ich nicht auf Titel scharf bin —: Es war damals nicht nur der CSU-Vorsitzende, es war auch der Bundesminister der Verteidigung. Ich habe in dieser Rede davon gesprochen, daß wir mit Hilfe Frankreichs — das war immerhin das Frankreich de Gaulles — die internationale Isolierung leichter überwinden. Ich habe nicht den geringsten Grund, dieses aus der Sicht des Jahres 1962 und der damaligen Umstände gesagte Wort heute etwa als falsch zu empfinden. Ich war 1962 der Meinung — ich könnte aus jener Zeit, dafür reicht die Zeit heute nicht, sehr viel zur Zeitgeschichte beitragen —, daß für uns die Annäherung an den Osten durch de Gaulle, durch das Frankreich auch de Gaulles, leichter als durch unmittelbare bilaterale Annäherungsversuche bewerkstelligt werden kann.
    Sie haben unter dem Gelächter Ihrer Freunde gesagt, ich hätte damals Skepsis gegen ein bilaterales amerikanisch-deutsches Bündnis gehabt. Diese habe ich selbstverständlich gehabt, und ich habe sie auch heute noch.

    (Dr. von Weizsäcker [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Diese Skepsis bezieht sich nicht auf ein deutschamerikanisches Bündnis, sondern — Sie haben mich richtig zitiert — auf ein bilaterales amerikanischdeutsches Bündnis. Das entspricht nicht der Architektur der NATO,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    das enspricht nicht den Vorstellungen. Nicht umsonst spannt sich der geographische Gürtel der NATO — ich lasse die Definition der heutigen geographischen Sicherheitsinteressen einmal offen — von den Vereinigten Staaten von Amerika, der Hauptmacht, über den anderen großen nordamerikanischen Staat, Kanada, und reicht dann quer durch Westeuropa, Mitteleuropa, einige neutrale Staaten auslassend, nämlich Finnland, Osterreich, Schweiz, hinunter bis in den Bereich von Griechenland und der Türkei. Dort ist dieser Gürtel leider nicht mehr in Ordnung, was ich nicht den Fehlern der deutschen Politik zuschreibe; das möchte ich hier ausdrücklich sagen. Ich habe nie etwas von einem bilateralen deutsch-amerikanischen Bündnis gehalten. Allerdings mache ich keinen Hehl aus meiner Meinung, daß mir ein bilaterales amerikanisch-deutsches Bündnis lieber als etwa gar kein Bündnis wäre.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber das ist nicht der Sinn unserer Bündnispolitik. Der Sinn unserer Bündnispolitik ist ein abgestimmtes Verhalten von Norwegen, Dänemark, Holland, Belgien, Luxemburg, Großbritannien und Frankreich, auch mit seiner besonderen Stellung in der



    Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß (Bayern) Militärorganisation, und Portugal. Auch von der Aufnahme Spaniens in dieses Bündnis ist die Rede. Ich würde es begrüßen, wenn das demokratische Spanien in dieses Bündnis aufgenommen würde.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, nun möchte ich noch etwas zur innerdeutschen Situation sagen. Ich habe Ihnen vor einiger Zeit einen ausführlichen Brief geschrieben. Sie sind auch bei der Ministerpräsidentenkonferenz, wenn ich mich nicht recht erinnere, kurz darauf eingegangen. Ich hatte Ihnen im Hinblick auf das von Ihnen auf dem Berliner Parteitag der SPD angekündigte Treffen mit Honecker geschrieben, das durch unilaterale Aktionen, so möchte ich sagen, eine gewisse Verzögerung erfahren hat. Ich möchte nicht das gesamte umfangreiche Schreiben hier zitieren, sondern nur den Absatz daraus nennen, daß ich Ihnen einige Probleme benennen möchte, die aus der Sicht der Bayerischen Staatsregierung dringend einer Lösung bedürfen. Das gilt für alle Landesregierungen, deren Länder eine Demarkationslinie, eine Grenze, zum anderen deutschen Staat haben. Ich habe Ihnen geschrieben:
    Die DDR hat im Jahre 1979 die umfangreichsten Arbeiten seit Jahren an den Grenzsicherungsanlagen auf ihrem Gebiet gegenüber dem bayerischen Teil der Grenze durchgeführt.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Zeitweise waren an die tausend Mann täglich beschäftigt, die Grenzsperr- und -sicherungsanlagen zu modernisieren. Gegenüber Bayern wurde in diesem Jahr 46,5 km einreihiger Metallgitterzaun errichtet, der durchgehend für die Installierung von Selbstschußanlagen (SM 70) geeignet ist, wenn auch nur 10 km in diesem Jahre hiermit bestückt wurden.
    Diese Maßnahmen sind ein Hinweis darauf, daß die DDR alle Anstrengungen unternimmt, ihr Gebiet und ihre Bevölkerung auch technisch von der Bundesrepublik Deutschland abzugrenzen, obwohl sie sich in Art. 1 des Grundlagenvertrags und der Präambel zum Regierungsprotokoll vom 29. 11. 1978 verpflichtet hat, gutnachbarliche Beziehungen zu entwickeln und zum Wohle der Menschen zu fördern.
    Die Errichtung von 46 km Metallgitterzaun, die Bestückung von 10 km mit diesen mörderischen, grausamen Selbstschußanlagen ist wahrlich nicht geeignet, gutnachbarliche Beziehungen zu entwikkeln.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich habe Ihnen weiter von Behinderungen im Reiseverkehr, von den Problemen der Frachthilfe im Grenzbereich geschrieben. Ich habe Ihnen besonders eindringlich das allen Geboten des Umweltschutzes und seiner Minimalerfordernisse hohnsprechende Verhalten der Behörden der DDR bei der Gewässerreinhaltung dargestellt. Sie selbst haben dieses Problem angesprochen. Ferner schilderte ich Ihnen eine Reihe weiterer Probleme. Das ist die Wirklichkeit, Herr Bundeskanzler.
    Sie haben es für notwendig gehalten, dieses Hohe Haus falsch zu unterrichten, eine glatte Unwahrheit zu sagen. Sie sagten — ich nehme das Exemplar von 8.05 Uhr dieses Morgens —:
    Wenn Herr Strauß in den letzten Wochen die grundlegenden Dokumente der Gemeinsamkeit und Übereinstimmung in einer gefährlichen internationalen Krise — nämlich unsere miteinander verbundenen gemeinsamen Erklärungen mit den Franzosen vom 5. Februar und mit den Amerikanern vom 5. März — mit der Qualifikation „an der Grenze des Törichten" herabsetzt und das letztere — noch dazu auf amerikanischem Boden — als Produkt eines Wahlkampfes beiseite wischen wollte, so schadet solcher Versuch den Interessen unseres Staates, beleidigt die an den Erklärungen beteiligten drei Regierungs- oder Staatschefs .. .
    Warum müssen Sie die Unwahrheit sagen? Sie müssen die Wahrheit doch kennen.

    (Dr. Häfele Ich habe schon in meiner letzten Rede zu diesem Problem ganz genau Stellung genommen. Ich habe einen Satz in dem deutsch-französischen Kommuniqué beanstandet und werde es auch weiterhin tun. Es ist auch nicht so, daß wir von der Opposition verpflichtet sind, bei Ihnen zum Ringkuß anzutreten, Ihre Erklärungen huldvollst, möglichst in der Kniebeuge, entgegenzunehmen und sie als Perfektion der letzten Weisheit zu verehren. Ich habe sowohl am Tage dieser deutschfranzösischen Erklärung als auch bei meinem anschließenden Besuch in Paris gesagt — weil von vielen Presseleuten befragt; es ist ja nicht möglich, solchen Fragen zu entgehen —, daß ich dem Inhalt des Kommuniqués in einer Reihe von Punkten bejahend gegenüberstehe, z. B. in bezug auf die deutschfranzösische Freundschaft und Zusammenarbeit. Wer hat denn damals die schwersten Vorwürfe und Vorbehalte gegen den Abschluß des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags erhoben? Wer hat denn damals gesagt — lesen Sie die Protokolle einmal nach —, das Frankreich de Gaulles sei eine innerpolitische Wüste geworden? Es war seinerzeit Herr Kollege Wehner. Wer hat wegen der besonderen Beziehungen zwischen Adenauer und de Gaulle alle möglichen Verdächtigungen und hintergründigen Unterstellungen ausgesprochen? Ich habe selbstverständlich das Bekenntnis, zur NATO bejaht, zur Solidarität mit den USA. Ich habe selbstverständlich die Verurteilung des russischen Einmarsches in Afghanistan bejaht. Ich habe selbstverständlich die Aufforderung an die Sowjetunion bejaht, ihre Truppen wieder zurückzuziehen. Ich habe mich nur zu einem Satz in diesem Kommuniqué geäußert, und Sie sollten wenigstens soviel intellektuelle Kapazität oder moralische Redlichkeit haben, solche Dinge genau zu interpretieren Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß und genau lesen zu können. Ich habe mich zu dem Satz geäußert — ich kann ihn nur sinngemäß wiedergegeben; wörtlich kann ich es aus dem Gedächtnis nicht mit letzter Perfektion zitieren —, daß die Politik der Entspannung einen weiteren solchen Schlag wie Afghanistan nicht überleben würde. Dieser Satz geht an die Grenze des Törichten. Es tut mir leid, wenn ich es hier wiederholen muß. Die Sowjets vermögen Dokumente zu lesen und zu deuten — mehr, als man es offensichtlich in offiziellen Rängen in Bonn noch kann. Diese Formulierung heißt doch nichts anderes als folgendes. Damit kommen wir zum Kern des politischen Gegensatzes in diesem Hause, in der Öffentlichkeit, in Europa und in der Welt. Es hat gar keinen Sinn, diesen Kern zu verschleiern, sondern hier müssen die Fronten ganz klar sein. Ich wünsche keine Konfrontation, aber intellektuelle Redlichkeit und geistige Klarheit der politischen Fronten und der Hintergründe. Diese Formulierung heißt doch: Ihr könnt ruhig in Afghanistan bleiben, deshalb ändert sich die Politik der Entspannung nicht; denn es wird doch angekündigt, daß nur eine nächste Aktion die Politik der Entspannung beeinträchtigen könnte. Hätten Sie doch lieber gar nichts geschrieben und nur mit der Aufforderung des Rückzuges geendet! Aber die Erklärung, daß wir das nächste Mal böse sein werden, ist wahrlich der Höhepunkt. Die einzige politisch logische, in sich konsistente und zusammenhängende Formulierung wäre gewesen: Wenn die Sowjetunion nicht bereit ist, ihre Truppen in angemessener Zeit aus Afghanistan zurückzuziehen, die Neutralität, Integrität und Souveränität dieses Landes wiederherzustellen, dann allerdings kann die Politik der Entspannung nicht so weitergehen, wie wir sie bisher — Sie jedenfalls — aufgefaßt haben. Das wäre eine logische Fortsetzung gewesen. Der Kern des Gegensatzes, um den man auch nicht herumreden sollte, besteht doch darin, daß wir sagen: Afghanistan ist die Probe aufs Exempel. Afghanistan hat bewiesen, daß die Sowjetunion nach wie vor eine brutale Machtpolitik treibt, daß sie sich nicht nach den internationalen Spielregeln verhält — nach dem berühmten code of conduct —, daß sie in das weltpolitische Geschehen der zivilisierten Welt nicht so verflochten ist, daß sie sich solcher Aktionen enthalten würde. Deshalb sagen wir: Der Rückzug aus Afghanistan ist die Probe aufs Exempel. Soll der Hinweis auf die nächste Aktion heißen, daß wir dann darüber nachdenken, wie es eigentlich um die Politik der Entspannung bestellt ist, wenn die Sowjetunion in Pakistan einmarschiert, wenn sie Jugoslawien und Rumänien unter ihre besondere freundschaftliche Obhut nimmt? Das muß doch einmal in aller Offenheit ausgedrückt werden. Darum geht es doch. Nur diesen einen Satz habe ich — übrigens in der Bundesrepublik Deutschland, nicht auf fremdem Boden; aber ich habe es dann in Frankreich wiederholt, weil ich auf den Satz hingewiesen worden bin — als „an die Grenze des Törichten reichend" bezeichnet Ich habe mich hierbei noch bemüht — entgegen dem mir unterstellten Naturell —, die äußerste Grenze meiner Höflichkeit walten zu lassen. Präsident Carter hat mit der Bezeichnung „an die Grenze des Törichten reichend" überhaupt nichts zu tun, obwohl Sie es zu meiner Diffamierung so dargestellt haben, als ob ich das auch in bezug auf das deutsch-amerikanische Kommuniqué gesagt hätte. (Rawe [CDU/CSU]: Das ist so seine. linke Tour!)


    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU)


    (Dr. Marx [CDU/CSU]: So ist es! Hier im Hohen Hause!)


    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)





    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)


    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)


    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    In bezug auf das deutsch-amerikanische Kommuniqué habe ich gesagt — auch das sollte von Ihnen wenigstens zur Kenntnis genommen werden; die Kunst, Kommuniqués zu verfertigen, zu lesen und zu deuten ist, in mehr als einer menschlichen Generation politischer Tätigkeit ja immerhin etwas gestiegen —: Vieles, was in diesem deutsch-amerikanischen Kommuniqué steht, findet unsere Zustimmung. Wir sind nicht so begeistert, wenn Sie die Interessendifferenzen zwischen den USA und der Bundesrepublik auch in diesem Kommuniqué zu sehr durchscheinen lassen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das ist der Punkt!)

    Interessant ist, was in dem Kommuniqué zwischen den Zeilen steht, und noch interessanter ist, was vor dem bekannten Hintergrund weder zwischen noch in den Zeilen steht. Dazu darf ich einige Worte sagen.
    Wenn man ein Kommuniqué beurteilt, muß man natürlich auch den politischen Interessenstandpunkt derer bewerten, die ein solches Kommuniqué verfertigen und veröffentlichen. Das ist keine hämische Kritik oder mäkelnde Herabsetzung, sondern eine Selbstverständlichkeit Präsident Carter steht in einer schweren Wahlauseinandersetzung. Die USA haben in diesem Jahr Präsidentschaftswahlen. Er leidet unter der ungeheuren Belastung der immer noch nicht beendeten Geiselnahme in Teheran, unter der dramatisch hohen Inflationsrate, unter den Vorgängen in Afghanistan und unter manchen Ungereimtheiten, die sich früher zu bei Seiten des Atlantiks — ich möchte mich ganz vorsichtig ausdrücken — zugetragen haben. Es ist das selbstverständliche Interesse des Präsidenten Carter, ein Kommuniqué zu veröffentlichen, das nicht die Gegensätze, sondern die Gemeinsamkeiten betont, und ich billige auch Ihnen, Herr Bundeskanzler, zu, daß es Ihr Interesse ist, in diesem Jahr ein Kommuniqué zu publizieren, mit dem Ihre Partei noch leben kann, mit dem Sie sich aber in der kommenden Wahlauseinandersetzung keine Blöße ge-



    Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß (Bayern)

    ben. So habe ich erklärt — und habe keinen Grund, das irgendwie zu modifizieren oder zu entschuldigen —, daß dieses Kommuniqué natürlich auch ein Zeichen dafür ist, daß die beiden, die dieses Kommuniqué unterschrieben haben, ein Interesse daran haben, bei den kommenden Wahlen in ihren jeweiligen Ländern ihrem jeweiligen politischen Gegner keine Angriffsflanken zu öffnen. Denn hätte das Kommuniqué alles umfaßt, was deutsch-amerikanische Beziehungen heute ausmacht — einschließlich der psychologischen Seite der öffentlichen Meinung —, wäre dieses Kommuniqué mit Sicherheit für Sie, Herr Bundeskanzler, im kommenden Wahlkampf nicht nützlich gewesen. Und der amerikanische Präsident hat nicht das geringste Interesse daran, in einem Kommuniqué die Probleme, die sich nun einmal leider mit einem seiner wichtigsten Verbündeten, mit der Wirtschaftsgroßmacht Bundesrepublik Deutschland, ergeben haben, in aller Deutlichkeit oder vielleicht auch Plumpheit herauszustellen.

    (Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/ CSU)

    Wenn ich danach von Journalisten gefragt werde, kann ich doch nicht meine Meinung unterdrücken, bloß weil sie Ihnen nicht paßt. Die Tatsache aber, daß meine Meinung Ihnen nicht paßt, ist keine Rechtfertigung für eine Fälschung vor diesem Hohen Hause.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich will gar nicht, wie es heute in der „Welt" angekündigt wird, einen „großen Krach" zwischen Schmidt und Strauß. Dafür ist die Lage viel zu ernst. Großen Krach mache ich lieber nur dann, wenn mir nicht so ernst zumute ist. Aber Sie haben im Laufe der letzten Tage versucht, mich zu provozieren. Das schreibt heute auch ein Journalist, der sich nicht gerade durch sparsame Kritik an der CDU/CSU auszeichnet, in der „Süddeutschen Zeitung". Sie haben so törichtes Zeug wie die Behauptung in die Welt gesetzt, ich hätte mich danach gedrängt, nach Ihnen nach Frankreich zu kommen, ich hätte mich danach gedrängt, nach Ihnen in die USA zu kommen. Sie haben Ihr Mitleid mit mir zum Ausdruck gebracht und gesagt, ich hätte die Klinken geputzt; auf denen sich noch Ihre Fingerabdrücke befänden. Ich weiß nicht, ob Sie fettige oder ölige Fingerabdrücke hinterlassen haben.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Sie sagen also, ich hätte die Klinken geputzt, die noch Ihre Fingerabdrücke gezeigt hätten. — Das ist nicht die Sprache eines Bundeskanzlers,
    . (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    das ist die Sprache eines SPD-Vorstadtwahlkämpfers!

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Ehmke [SPD]: Und das ist die Sprache des Kanzlerkandidaten!)

    Ich darf die Gelegenheit nutzen, hier vor der Öffentlichkeit klarzustellen, daß meine Termine für Besuche in Frankreich und in den USA längst feststanden. Übrigens sind diese Besuche eigentlich Selbstverständlichkeiten. Deshalb hat man sich doch weder zu rechtfertigen noch zu entschuldigen

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    noch so zu tun, als wäre das etwas Besonderes. Ich betrachte einen Besuch in Frankreich als einen Akt europäischer Innenpolitik, weniger als einen Akt deutscher Außenpolitik.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich betrachte einen Besuch in den USA als einen Meilenstein auf einer Straße, auf der es schon viele Meilensteine der gegenseitigen Kontaktnahme gegeben hat.
    Herr Bundeskanzler, die Behauptung, daß ich mich nach Ihnen schnell hineingedrängt hätte, ist objektiv unwahr.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Das weiß er doch!)

    Meine Reisetermine standen Monate vorher fest,

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Sie waren bekannt, bevor er seine festgelegt hat!)

    Monate, bevor Sie Ihren Besuch in den USA vereinbart haben. Sie wollten mich damit natürlich in den Augen der Öffentlichkeit herabsetzen oder wollten mich veranlassen, meinen Besuch in den USA abzusagen — in der Erwartung, daß dann mit Recht sehr unfreundliche Kommentare zu einer solchen lächerlichen Haltung, die ich dann hätte einnehmen müssen, erscheinen würden. So vorzugehen ist Ihrer unwürdig!

    (Beifall bei der CDU/CSU — Broll [CDU/ CSU]: St.-Pauli-Methoden!)

    Allerdings ist die Erregung der SPD über diese Vorgänge schon — ich darf sagen — ein großes Stück Heuchelei.

    (Zurufe von der SPD)

    Am 17. März hat die CDU/CSU eine Erklärung des Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU und Parteivorsitzenden der CDU, Dr. Helmut Kohl, verlesen, in der er sich sehr klar zur strikten Ablehnung der Stationierung nuklearer Mittelstreckenraketenwaffen in der Bundesrepublik Deutschland durch den SPD-Fraktionsvorsitzenden Herbert Wehner ausgesprochen hat. Heute lese ich wieder: Wehner gleicher Kurs wie Kanzler. Hören Sie doch endlich einmal mit dem Versteckspiel auf!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wen wollen Sie noch hinter das Licht führen? Wir wissen doch genau, unter welchen schwierigen Geburtswehen der Berliner Beschluß zustande gekommen ist: schwammig und verwaschen, verschwommen und nichtssagend, doppeldeutig, alles erlaubend und alles verbietend, beliebig auslegbar. Wir wissen, daß ein großer Teil Ihrer Partei, selbst der Bundesgeschäftsführer, den Standpunkt vertreten hat, man hätte sozusagen in diesen sauren Apfel beißen, die Kröte schlucken müssen, bloß um die Amerikaner dahin zu bringen, daß sie auch an den Abrüstungsgesprächen teilnehmen, daß sie Angebote auf arms control, disarmament, limitation of armaments unterstützen. Das heißt: Wir haben diesen Beschluß widerwillig hingenommen, sonst hätten wir die Zu-



    Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß (Bayern)

    stimmung der Amerikaner zum Abrüstungsangebot nicht bekommen.
    Meine Damen und Herren, damit es in diesem Hohen Hause keinen Zweifel gibt — dasselbe gilt auch für meine Person, der ich dem Hause nicht mehr angehöre Wir begrüßen jede, aber jede Initiative für eine sinnvolle Abrüstung, für eine wirksame Rüstungsbegrenzung, für eine echte Rüstungskontrolle. Wir begrüßen jede, aber jede Initiative, wir sind aber nicht bereit, und da liegt die Grenze, alles, was unter den Begriffen disarmament, arms control und limitation of armaments verstanden wird, als einen Selbstzweck anzusehen. Das ist vielmehr in sowjetischer Sicht ein Mittel ihrer Strategie, mit der sie ihre militärische Überlegenheit auch auf dem Gebiete der Abrüstungsverhandlungen geltend machen will.

    (Zuruf des Abg. Dr. Ehmke [SPD])

    Das können wir nicht ändern, aber wir müssen es aufgreifen. Wir müssen dieser Provokation oder Herausforderung gerecht werden. Ich möchte nur mit aller Deutlichkeit sagen, daß jede Behauptung, daß die CDU/CSU weniger Interesse an Abrüstung, an Rüstungsbegrenzung, an Rüstungskontrolle als etwa die Regierungsparteien habe, nichts anderes als Brunnenvergiftung, als atmosphärische Vergiftung ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Kollege Wehner, ich darf mich an Sie wenden, der Sie immerhin noch ein wichtiges Amt in der SPD bekleiden. Wenn ich wegen dieses einen Satzes „an die Grenze des Törichten reichend" — in Deutschland gesprochen wenn ich wegen der Definition und Interpretation des deutsch-amerikanischen Kommuniqués, wie eben hier wiedergegeben, der Verletzung deutscher Interessen im Ausland bezichtigt werde, so heißt das, daß wir alle Schleppenträger des Herrn Bundeskanzlers zu sein haben. Dabei muß man ein höheres Maß an Geschwindigkeit aufbringen, weil er sich so • schnell drehen kann, daß man hintenherum oft nicht mehr mitkommen würde.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Wehner, haben Sie sich nicht in jüngster Zeit — vom 17. September 1979 stammt der Auszug aus dem „Parlamentarisch-Politischen Pressedienst" —in einem Interview mit einer jugoslawischen Zeitung erklärt:
    Nach Ansicht des Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Herbert Wehner, fällt im Wahljahr 1980 die ,Entscheidung darüber, ob es der CDU/CSU unter der Führung von Strauß gelingt, die 30jährige Demokratieentwicklung in der Bundesrepublik wieder zurückzudrehen.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Unerhört! — Der hat es nötig!)

    In einem Interview mit der jugoslawischen Tageszeitung „Vjesnik" erklärte Wehner, ausschlaggebend für diesen Prozeß sei die Unfähigkeit der CDU/CSU-Opposition zu einer konstruktiven Opposition in einer parlamentarischen Demokratie.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    — Der Beifall ist für Sie noch blamabler, als es die Ausführungen des Herrn Wehner für ihn selbst sind.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich möchte mich nunmehr nicht über den Aufbau der Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten 30 Jahren äußern. Daß wir eine aufzubauen hatten, Herr Wehner, verdanken wir denen, die die Weimarer Republik zerstört haben: den Nazis und den Kommunisten.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich brauche hier keine apologetische Rede zu halten. Als Hitler an die Macht kam, war ich 17 Jahre alt; ich könnte manches über jene Zeit erzählen, auch über die Radikalisierung des damaligen Deutschen Reiches durch die Parteien der extremen Rechten und der extremen Linken. Ich wäre auf das Thema nicht zurückgekommen. Aber es ist ein seltenes Stück Unverfrorenheit, wenn Sie der CDU/CSU unterstellen, daß sie unter mir 30 Jahre Demokratie in der Bundesrepublik zurückdrehen wolle. Das ist ein unglaublicher Vorgang.

    (Pfui-Rufe und Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich glaube trotz der scharfen Kontroverse, die wir haben, auch nicht, daß diese Äußerung der Auffassung des Herrn Bundeskanzlers entsprechen kann. Denn wir haben doch die 30 Jahre nicht das deut. sche Volk belogen und betrogen. Wir haben eine Demokratie aufgebaut:

    (Wehner [SPD]: Und zwar ganz allein!)

    als leidvolle Schlußfolgerung aus der Geschichte der Weimarer Republik,

    (Wehner [SPD]: Ganz allein, Herr Strauß!)

    als leidvolle Schlußfolgerung aus dem Krieg, den wir miterlebt haben, und als leidvolle Schlußfolgerung aus der Situation, in der wir waren.

    (Zuruf des Abg. Wehner [SPD])

    Ich habe nie behauptet, daß wir sie allein aufgebaut haben. Aber ich kann immerhin darauf hinweisen, daß die entscheidenden Lösungen — Überwindung der wirtschaftlichen Not, Marktwirtschaft — und die entscheidenden Fragen unserer Sicherheit — Bundeswehr und NATO — gegen Sie und Ihre Freunde hier durchgesetzt werden mußten.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn Sie mit Ihrem Deutschlandplan seinerzeit durchgekommen wären, dann hätten wir heute allerdings schon die Chance, auf der falschen Seite wiedervereinigt zu sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist ein Stück Unverfrorenheit, was Sie sich im Ausland erlauben, aber nicht nur mir oder uns ge-



    Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß (Bayern)

    genüber. Denken Sie doch daran, was Sie seinerzeit über Willy Brandt gesagt haben. Sie wissen doch noch, wie Sie ihn öffentlich lächerlich gemacht, herabgesetzt und beschimpft haben.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    Haben nicht wir damals Willy Brandt gegen die un- kontrollierten Haßausbrüche, die Sie sich haben zuschulden kommen lassen, in Schutz genommen? Was haben Sie in Ungarn, Prag und Warschau alles gesagt! Ich will hier gar nicht in der Zitatenkiste herumkramen. Aber ausgerechnet Sie hätten hier Ihren Mund halten sollen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Nicht mit uns brauchen Sie sich zu beschäftigen, Herr Bundeskanzler. Ich habe in den USA auf die Frage: „Was ist der Hauptunterschied zwischen Helmut Schmidt und Ihnen?" nicht lange Reden gehalten — obwohl es auch möglich gewesen wäre, analytische Unterschiede zu machen und in die politische Praxis umzusetzen —, sondern gesagt: Der Hauptunterschied zwischen mir und Helmut Schmidt besteht darin, daß das, was ich hier zu Fragen der Reaktion auf die sowjetische Invasion in Afghanistan — Nichtteilnahme an den Olympischen Spielen, Maßnahmen auf handelspolitischem Gebiet und Verstärkung unserer Verteidigung einschließlich des Nachrüstungsbeschlusses — sage, von den beiden Unionsparteien vom ersten bis zum letzten Mann getragen wird, aber nicht von der SPD.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Ausführungen waren eigentlich mehr zur Situation in Europa und den USA nach Afghanistan gedacht. Aber man muß sich den Imponderabilien des Herrn Bundeskanzlers und seinen kurzen Fristen anpassen.

    (Zuruf des Abg. Dr. Ehmke — Dr. Zimmermann [CDU/CSU]: Sehr gut gemacht!)

    Nun möchte ich zu dem Verhältnis zwischen Europa und den USA im Hinblick auf die Weltlage noch einige Bemerkungen machen.
    Sie dürfen SPD-Interessen nicht mit deutschen Interessen gleichsetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Daß Sie in den USA ein größeres Vertrauenskapital als Ihre Partei haben, pfeifen, nicht nur bei uns, sondern auch in Washington die Spatzen von den Dächern. Wenn deshalb kritische Äußerungen, die mein gutes Recht sind, von Ihnen gewürdigt werden, so handelt es sich hier nicht um eine Verletzung der deutschen Interessen, sondern um eine Klarstellung der SPD-Politik, ihrer gefährlichen Hintergründe, ihrer Ungereimtheiten, ihrer Schwierigkeiten und ihrer Gefährlichkeiten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Zwar nicht durch die Gespräche mit den Mitgliedern der amerikanischen Regierung, einschließlich des Präsidenten, wohl aber durch sämtliche Gespräche mit allen parlamentarischen Rängen, nämlich mit Senatsmitgliedern, Representatives — es war eine stattliche Zahl; zwei Kollegen dieses Hauses, Herr Mertes und Herr Hans Klein, sowie das frühere Mitglied dieses Hauses, Herr Leisler Kiep, waren bei diesen Gesprächen mit den Parlamentariern dabei —, zog sich ein Wort, das ich im Laufe meiner nunmehr 25 Jahre Begegnungen in den USA überhaupt noch nie gehört, nie in dem Zusammenhang vernommen habe und in diesem Ausmaß auch gar nicht für möglich gehalten hätte: das Wort uncertainty, das Wort Unsicherheit: Wir sind von Unsicherheit erfüllt, von Unsicherheit darüber, wie es in Teheran ausgeht, von Unsicherheit darüber, was die Konsequenzen von Afghanistan sind, von Unsicherheit darüber, wie sich die Alliierten uns gegenüber verhalten — auch die Bundesrepublik Deutschland, obwohl sie nicht allein angesprochen war —, und von Unsicherheit darüber, wie sich die Zukunft der NATO, wie sich unsere Inflationsrate weiter entwickelt. Also: Unsicherheiten über Unsicherheiten!
    Wenn Sie so tun, Herr Bundeskanzler, als ob alles in bester Ordnung sei, dann weiß ich nicht, ob Ihre Fähigkeit, sich selber zu täuschen, oder die Bereitschaft, die Umwelt zu täuschen, größer ist. Nach Ihrem Besuch hat der Mann, der ohne Zweifel das Vertrauen des amerikanischen Präsidenten hat, weil er in seiner engsten Umgebung — in täglicher Prüfung der Lage und notfalls Entscheidungsfindung — mit ihm zusammenarbeitet, der Sicherheitsberater „Zbig" Brzezinski, erklärt: Wir brauchen mehr greifbare Solidarität der Verbündeten, mehr handfeste Aktionen und nicht nur rhetorische Unterstützung. Dabei ist auch die Bundesrepublik nicht ausgespart worden.
    Ich darf noch weiter gehen: Der langjährige Botschafter der Vereinigten Staaten bei der NATO, Herr Strausz-Hupé, hat in einem Aufsatz in „Policy Review" im Winter 1980 im summary geschrieben: „Die amerikanisch-deutsche Beziehung hat sich in alarmierender Weise verschlechtert."

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Er hat das doch nicht geschrieben, weil wir ihn dazu aufgefordert haben oder um uns einen Gefallen zu erweisen. Vielmehr hat er einfach das wiedergegeben — er ist Historiker, politischer Wissenschaftler, strategischer Wissenschaftler —, was für ihn das Fazit aus der Entwicklung der amerikanisch-deutschen Beziehungen der letzten Jahre ist. Das kann auch Ihre Person mit ihrer oft doppeldeutigen Aussagefähigkeit, Herr Schmidt, nicht aus der Welt schaffen, wenn ein bedeutender amerikanischer Diplomat sagt, daß sich die deutsch-amerikanischen Beziehungen in alarmierender Weise verschlechtert hätten, wenn er sagt, Westdeutschland sei drauf und dran, seine Prioritäten in internationaler Politik zu überprüfen. Wenn es in der Moskauer Presse über Sie heißt, Sie hätten in Amerika Hoffnungen enttäuscht, dann kann ich Ihnen dazu nur gratulieren. Die Frage ist nur: Warum haben Sie überhaupt Hoffnungen geweckt? Hätten Sie keine geweckt, dann hätten Sie auch keine zu enttäuschen brauchen.
    Sie sagen: Die Sowjetunion braucht einen psychologischen Schutzschirm, um aus Afghanistan abzie-



    Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß (Bayern)

    hen zu können. Gut, ich bin mit Ihnen der Meinung, daß es wenig Sinn hat, gegenüber einer Großmacht von Strafaktionen oder in ähnlicher Terminologie zu reden. Allerdings gibt es in der amerikanischen politischen Terminologie und in der unserigen gewisse Unterschiede, die mit der Tradition, mit dem Sinn eines Wortes usw. zusammenhängen. Aber statt von den Gemeinsamkeiten zu reden, betonen Sie immer wieder stark die Interessensunterschiede zwischen den USA Europa und der Bundesrepublik Deutschland.

    (Dr. von Weizsäcker [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Das ist zwar — analytisch gesehen — nicht total falsch — schon die geographischen und geschichtlichen Unterschiede, die es zwischen uns gibt, bedeuten diesseits und jenseits spezifische Interessen dieser und jener Art —, aber was heute notwendig wäre, wäre, wie gesagt, von den Gemeinsamkeiten zu reden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Zu der Feststellung, daß die sowjetischen Panzer 50 km vor Hamburg stehen, ist zu sagen, daß diese Panzer bis nach Hamburg nicht mehr Zeit brauchen, als die sowjetischen Raketen brauchen, um die Industriegebiete Nordamerikas zu zerstören. Wir sitzen heute angesichts der Entwicklung und der modernen Technik — ob man „leider" oder „Gott sei Dank" sagt, spielt keine Rolle; das ist eine Tatsachenfeststellung — in ein und demselben Boot. Die Welt von heute kennt infolge der wissenschaftlich-technischen Entwicklung der letzten Generation auf dem Gebiet der Nachrichtentechnik, der Verkehrstechnik, der Zerstörungstechnik keine Grenzen mehr. Darum steht die Sicherheit Washingtons auch in Hamburg auf dem Spiel. Darum steht aber auch die Sicherheit Hamburgs in Washington auf dem Spiel.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es wäre erforderlich gewesen, daß Sie diese Aspekte der Gemeinsamkeit der Interessen mit aller Deutlichkeit herausgestellt hätten.
    Ein kluger deutscher Korrespondent hat als Bewertung Ihres Besuches geschrieben: Schmidt ist bei seinem Besuch in Amerika mit dem amerikanischen Präsidenten fertig geworden, aber er ist nicht mit den Senatoren und den Kongreßabgeordneten, mit der amerikanischen Bevölkerung, mit den Zeitungen und den Medien fertig geworden. — Hier ist einer der ganz großen Unterschiede zwischen der kommunistischen Führungsform, wie es sie in der Sowjetunion und anderswo gibt, und der demokratischen Führungsform angesprochen. Herr Breschnew braucht keine Rücksicht auf eine öffentliche Meinung zu nehmen. Es gibt auch in Diktaturen eine öffentliche Meinung, die sich unter der Decke bildet. Es gibt dort aber keine öffentliche Meinung im Sinne einer gestaltenden Kraft. In den USA wird der Entscheidungsspielraum des Präsidenten durch die sehr leicht ansteigende oder auch wieder abebbende öffentliche Meinung bestimmt. Wenn Sie beim amerikanischen Präsidenten — darüber haben wir uns ja alle gefreut; niemand hat Sie doch deshalb kritisiert — zu einer guten Verständigung gekommen sind, nicht zuletzt auch deshalb, weil natürlich in Amerika die Verwaltung wegen der Abstimmungsprobleme im Sicherheitsrat im Zusammenhang mit der Resolution, die den Nahen Osten betraf — zuerst wurde mit Ja, dann mit Nein gestimmt —, gewisse Schwierigkeiten hatte — und dies haben Sie ja klug in Ihr Kalkül eingestellt; es ist auch Ihr gutes Recht gewesen, das zu tun —, so muß dennoch festgehalten werden: Die Verständigung mit dem amerikanischen Präsidenten und die höfliche Ausdrucksform im Kommuniqué täuschen nicht darüber hinweg, daß die Psychologie der öffentlichen Meinung in den USA beim Bürger, in den Massenmedien und bei den Mitgliedern der beiden parlamentarischen Körperschaften auf dem Capitol Hill gegenüber Europa und auch gegenüber der Bundesrepublik sich entscheidend verschlechtert hat. Dies ist ein Tatbestand, den Sie bei einem solchen Bericht zur Lage der Nation wirklich einmal herausstellen und analysieren sollten; zugleich sollten Sie Ihre Vorschläge darlegen, wie man das Problem, welches sich jetzt stellt, lösen kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Haben Sie denn nicht bereits auf dem Rückflug aus den USA wie der Bonner Korrespondent der „New York Times" geschrieben hat, den Olympiaboykott wieder als eine Maßnahme kritisiert, die dem Ost-West-Dialog nur im Wege stehe? Die „New York Times" hat dazu geschrieben, Herr Bölling habe versucht, diesen Satz aus dem Interview wieder herauszustreichen; Sie hätten . aber darauf bestanden, daß dieser Satz im Interview bleibt. — Sie haben insoweit recht gehabt, als dieser Satz wirklich Ihre Meinung ausdrückt. Wenn Sie die amerikanische Presse regelmäßig lesen, wissen Sie doch, daß sich durch sie wie ein roter Faden die Sorge zieht, daß der Unterbau der NATO allmählich zu wanken beginnt, daß das amerikanisch-europäische Verhältnis einer Erosion unterliegt. Sie haben dieser Erosion durch Ihre Bemerkungen psychologischen Vorschub geleistet, sie aber nicht bekämpft.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist auch kein Zufall, daß in der „New York Times" noch am 15. März dieses Jahres, also nach Ihrem Besuch — diese Zeitung hat sich ja nicht gerade wie früher, als es um die Frage der Ostpolitik und anderer damit zusammenhängender Probleme ging, vor Bewunderung für die CDU/CSU überschlagen

    (Dr. Ehmke [SPD]: Es bestand auch kein Grund!)

    — tempora mutantur et nos mutamur in illis, Herr Professor —,

    (Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU/ CSU)

    zu lesen war: NATO out to lunch. Das heißt: Unsere Bundesgenossen sind beim Frühstück; sie kümmern sich nicht um unsere Probleme; sie kümmern sich nicht um unsere Schwierigkeiten; sie kümmern sich nicht um unsere Belastungen. Solche Artikel, wie man sie quer durch die gesamte amerikanische Presse, bis nach Los Angeles hinüber, auch im „Kansas



    Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß (Bayern)

    City Star" feststellen kann, machen mehr amerikanische Psychologie als ein Kommuniqué, das drüben sowieso kaum jemand gekannt hat. Das sind doch die Probleme.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Deshalb darf ich hier die Haltung — weil ich deswegen angegriffen worden bin —, die ich in den USA eingenommen habe, mit wenigen Sätzen klarlegen. Ich habe gesagt — und dabei auf die Rede von Herrn Dr. Kohl im Deutschen Bundestag hingewiesen —, daß wir die Nichtteilnahme an den Olympischen Spielen in Moskau als einen Teil der Gegenmaßnahmen, der Reaktion auf Afghanistan, von Anfang an gefordert und von Anfang an für richtig gehalten haben. .

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich bin nicht der Meinung, daß Sport und Politik deckungsgleich sind. Wenn man aber weiß, wie im Jahre 1936 der internationale Durchbruch des Nationalsozialismus, die internationale Aufwertung und Anerkennung, durch die Spiele in Berlin nachdrücklich gefördert worden ist — obwohl damals das Deutsche Reich noch keinen Nachbarn überfallen hatte —, wird man jetzt sagen dürfen, daß die Voraussetzungen für die Olympischen Spiele nicht vorliegen.
    Außerdem: Was soll denn dieses Versteckspiel hinter dem 24. Mai, für den die Beschlußfassung durch das Internationale Olympische Komitee geplant ist? Wenn sich das Olympische Komitee für Moskau ausspricht, möchte ich sehen, ob Sie es dann wagen, sich auch für Moskau auszusprechen, wenn die Amerikaner nicht hingehen. Da sich die Amerikaner aber festgelegt haben, der von ihnen festgelegte Zeitpunkt abgelaufen ist, wäre es auch im deutschen Interesse und im Interesse der Gemeinsamkeit, der so oft beschworenen Solidarität gewesen, diese Erklärung jetzt abzugeben, statt sich hinter solchen dubiosen Terminen zu verstecken, wie Sie es opportunistisch getan haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich habe auch die Bereitschaft der CDU/CSU — auch für die Zeit nach den Wahlen — erklärt, wirtschaftspolitische Maßnahmen gegen die Sowjetunion als Teil der auf die Bundesrepublik entfallenden Bürde zu tragen. Ich muß mich nur dagegen wehren, daß, sei es aus Unkenntnis, sei es durch absichtliche Verdrehung, falsche Vorstellungen verbreitet werden. Ich darf die Stichworte nennen. Ich habe ersten gesagt: Geltende Verträge müssen eingehalten und abgewickelt werden. Ich habe zweitens gesagt: Die Bundesgenossen der Sowjetunion sollen in solche Maßnahmen nicht automatisch einbezogen werden — das ist auch die Meinung der Amerikaner auf diesem Gebiet —, es sei denn, daß sie der Umgehung dieser Maßnahmen nachhaltigen Vorschub leisteten. Das sei eine neue Lage. Ich habe ja zu einer neugefaßten, erweiterten COCOM-Liste gesagt. Ich habe meine schweren Bedenken — ich glaube hier mit dem Bundeswirtschaftsminister wenigstens ein bißchen gemeinsam zu sein — gegen die Barter-Geschäfte geäußert, die darin bestehen, daß industrielle Anlagen geliefert und mit der Produktion dieser Anlagen im Wege des Tausches gezahlt bzw. der Kredit abgetragen wird. Ich habe es für selbstverständlich gehalten, daß wir nicht in andere Verträge eintreten und uns damit einen Vorteil verschaffen, während sich andere den Nachteil einhandeln.
    Jetzt komme ich zu einem entscheidenden Punkte: Wenn wirtschaftliche Maßnahmen — und das sind im Sprachgebrauch doch Sanktionen — in Betracht gezogen werden, dann nicht im deutschen Alleingang! Wir allein können nicht sagen: „Wir ergreifen diese oder jene Maßnahme", wenn sich die anderen daran nicht beteiligen. Ich habe erklärt: Eine CDU/CSU-bestimmte Regierung wäre bereit und wird bereit sein, sich an wirtschaftlichen Maßnahmen gemeinsamer Art zu beteiligen. Sanktionen sind das Gegenteil von normalem Handelsverkehr. Das würde auch bedeuten, daß normale Bedingungen, die bisher mit Recht gegolten haben, die wir auch gerne für die Zukunft gelten lassen würden, wenn die internationale Atmosphäre es erlaubte, zeitweise eingeschränkt oder aufgehoben werden können — nicht mehr und nicht weniger.
    Dann war natürlich noch von den militärischen Maßnahmen die Rede. Hier haben wir, Herr Kohl, Herr Zimmermann und ich, dem Herrn Bundeskanzler in der Besprechung am 24. Januar unsere Meinung zu einigen Maßnahmen gesagt. Ich möchte sie hier im einzelnen nicht wiederholen. Ich möchte allerdings sagen: Uns unterscheidet von der Bundesregierung, von dem sozialdemokratischen Teil der Bundesregierung, natürlich etwas ganz gewaltig: Wir sind der Meinung, daß erhebliche Mehrausgaben für unsere Sicherheit nicht durch Aufstockung des ohnehin schon riesigen Kreditpotentials finanziert werden dürfen. Die Vorstellung, man könne dies allein durch Kredite bewältigen, ist eine der gefährlichen Vorstellungen, die bei den Amerikanern zum Verfall ihrer Währung geführt haben. Sie waren doch derjenige, Herr Bundeskanzler, der seinerzeit im Hinblick auf die Vorgänge in Vietnam am stärksten erklärt hat: Die Amerikaner wollen ihre Ausgaben mit Kredit finanzieren und bringen deshalb die ganze internationale Währungslage durcheinander.
    Sie haben heute gesagt: Wenn der Frieden in Afghanistan nicht wiederhergestellt wird, ist eine gemeinsame Konsequenz unvermeidlich. Ich möchte von Ihnen gern wissen, was das heißt. Es geht in Afghanistan doch nicht um die Wiederherstellung allein des Friedens. Das kann ja auch ein Kirchhofsfrieden sein. Es kann ein Frieden sein, der diesem Volk nach einem Blutbad ohnegleichen als Frieden der Waffengewalt aufgezwungen wird. Aber das verstehen wir nicht unter Frieden. Unter Frieden für Afghanistan verstehen wir die Neutralität, die Integrität und die Souveränität dieses Landes und seiner Bevölkerung, sein Schicksal selber bestimmen zu können.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Deshalb sollte man doch im Hinblick auf solche Vorwände, die man vor sich herschiebt, als Regierungschef eine realistischere Einschätzung und eine mutigere Haltung haben.



    Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß (Bayern)

    Zur Zeit ist es so — das wissen Sie mindestens so gut wie ich —, daß sich der Aufmarsch der Roten Armee in Afghanistan mit Nachschub von Reserven laufend weiter vollzieht und verschärft. Sie wissen, daß die Rote Armee diesmal im Gegensatz zu Prag eine perfekte Organisation und einen planmäßigen Ablauf aufweisen kann und nunmehr ohne Zweifel auch eine größere Risikobereitschaft aufbringt, weil man im Westen — Stichworte „Angola" und „Äthiopien" — zu der falschen Schlußfolgerung gelangt ist, die sowjetische Machtpolitik könne sich alles erlauben. Mit einer ernsthaften westlichen Reaktion war nicht mehr zu rechnen.
    In der Nähe der iranischen Grenze werden Depots, Startbahnen, Landebahnen, Helikopterlandefelder angelegt. Sie wissen doch, daß zur Zeit die sowjetische Frühjahrsoffensive zum Teil vorbereitet wird, zum Teil abläuft und daß hier mit Einsatz modernster Massenvernichtungsmittel, mit Einsatz modernster Waffentechnik, mit Einsatz von Hubschraubern, mit Napalmbomben und sogenannten Kugelbomben, mit Einsatz von MIG 23 und auch durch grausamste Behandlung der Frauen und Kinder in diesem Einsatzgebiet ein Terror ausgeübt wird, mit dem man hofft, die Härte des Widerstands der islamischen Rebellen oder der moslemischen Freiheitskämpfer brechen zu können, Man verfährt nach der Überlegung: Wenn, dann muß so zugegriffen werden, daß der Widerstandswille auch durch Einsatz der grausamsten Vernichtungsmittel erstickt wird. Das ist zur Zeit doch die Politik in Afghanistan. Deshalb ist es beinahe kindisch, zu sagen: Wir erwarten jetzt den Rückzug der sowjetischen Truppen; wir wollen den Sowjets eine Chance geben, ihre Truppen zurückzuziehen.
    Es ist das Wort „Neutralisierung" in die Debatte geworfen worden. Was heißt denn Neutralisierung? Neutralisierung heißt: Weder die Sowjetunion noch die USA sollen das Land kontrollieren. Das Land soll weder dem einen noch dem anderen Block angehören. Es soll blockfrei sein. Es soll Souveränität und Integrität haben. Und es soll über sich selbst bestimmen können.
    Täuschen Sie sich nicht darüber hinweg — ich sage es nicht im Ton der Gehässigkeit, nicht im Sinne einer moralischen Verdammung des Herrn Breschnew; ich selber halte ihn für einen großen Staatsmann, aber für einen solchen, der einen anderen moralischen Violinschlüssel hat, als wir ihn im Westen haben —: Unter Neutralität verstehen die Sowjets doch die Aufrechterhaltung eines Regimes ihrer Farbe, die Aufrechterhaltung eines Regimes, wie sie es mit Abu Daoud, mit Taraki, mit Amin und jetzt mit Karmal versucht haben. Dieses Regime kann sich ohne sowjetische Militärpräsenz nicht halten, weil es die moslemischen Freiheitskämpfer vertreiben würden. Aus diesem Grunde ist Afghanistan — das möchte ich hier noch einmal sagen — ein Wendepunkt entweder zum Guten oder zum Schlechten. Die westliche Politik muß darauf abgestellt sein, Afghanistan zu einem Wendepunkt zum Guten zu machen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Das erfordert aber auch, daß wir bereit sind, gewisse Opfer und Lasten und Risiken auf uns zu nehmen. Ich verwahre mich einfach gegen den intellektuellen Leichtsinn, den Einmarsch der Sowjets in Afghanistan als ein unüberlegtes Abenteuer, als einen Dummenjungenstreich darzustellen.
    Der Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan ist ein logischer Schritt im Rahmen ihres gesamtstrategischen Konzeptes.
    Der Einmarsch dient natürlich der Vorbereitung der Kontrolle über die arabischen Ölländer.
    Er bedeutet Einschüchterung und Beherrschung Pakistans, besonders Belutschistans.
    Er bedeutet Zugang zum Indischen Ozean, mit Verlegung eines Teiles der sowjetischen Pazifikflotte nach Südvietnam.
    Er bedeutet eine Warnung an die Volksrepublik China, deren Einkreisung ausgedehnt wird.
    Er bedeutet eine Einkreisung des Irans zu 50 %.
    Er bedeutet die Vorbereitung der militärischen Ausgangsposition für die Zukunft Irans. Denn die Sowjets rechnen damit, daß die staatliche Einheit Irans unter dem Druck chaotischer Entwicklungen zerfallen wird. Für diesen Fall hat die Sowjetunion sich ihre Ausgangsposition heute schon ausgebaut. Sie baut ihre Flugplätze, ihre Munitionslager nicht an der pakistanischen Grenze aus, sondern zur Zeit an der iranischen Grenze. Aber Pakistan ist ohnehin eingeschüchtert. Eingeschüchtert ist auch Indien. Die arabischen Staaten werden eingeschüchtert. Ihre politischen Führungssysteme sollen destabilisiert und umgestürzt werden. Siehe die militärischen Vorbereitungen in Südjemen. Wir dürfen bei aller Aufmerksamkeit für das Afghanistan-Problem die Vorgänge in Südjemen nicht übersehen. Sonst passiert es uns wieder, daß wir nach einem bestimmten Krisenschwerpunkt sehen, während der nächste schon im vollen Aufbau ist. Herr Bundeskanzler, es wäre eines Regierungschefs würdig und angemessen gewesen, hier, wenn es um die Lage der Nation geht, das in aller Offenheit einmal darzustellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das Ziel des Einmarsches in Afghanistan ist doch die Schaffung eines zusammenhängenden Einflußbereiches vom Norden Afghanistans bis zu den Grenzen Südafrikas. Ich begrüße es, wenn Ministerpräsident Mugabe mit partnerschaftlicher Hilfe unterstützt wird — aber unter der Voraussetzung, daß er sein viele Jahre verkündetes Konzept eines marxistischen Einheitsstaates mit kommunistischer Führung aufgegeben hat. Sonst würde aus den Ereignissen in Rhodesien für uns eine unübersehbare Fülle neuer Belastungen, auch in der Lösung der Namibia-Frage, auch für die Zukunft und die friedliche Entwicklung Südafrikas herauskommen.
    Der Einmarsch bedeutet doch auch eine massive psychologische Einwirkung auf die Blockfreien. Die Blockfreien sollen den Eindruck kriegen, nur die Macht der Sowjetunion zähle, keine andere Macht zähle mehr.
    Dann steht doch dahinter, daß man an die Veränderung der strategischen Lage denkt — und daß



    Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß (Bayern) Afghanistan ein strategisches Schlüsselland ist, braucht man hier nicht noch einmal mit allen Gründen, warum es so ist, zu wiederholen; die Geschichte und die Gegenwart beweisen es. Aber die Veränderung der strategischen Lage erfordert nach Meinung der Sowjetunion eine angemessene geopolitische Umverteilung oder Neuverteilung. Die Sowjets ziehen aus der Tatsache ihrer militärischen Kontrolle über Afghanistan die Schlußfolgerung, daß nun ein geopolitisches reassessment zu erfolgen habe, eine geopolitische Neuverteilung. Sie ist die Startbahn für die nächste Neuverteilung, die dann in Anspruch genommen wird.
    Schließlich ist es ein Hauptinteresse, die amerikanischen von den europäischen Interessen abzutrennen. Tun Sie bitte alles, Herr Schmidt, auch Herrn Breschnew klarzumachen, daß es für uns unerträglich ist, zu hören, Carter-Politik sei Kriegspolitik, und „Wenn ihr Friedenspolitik wollt, müßt ihr euch von den Vereinigten Staaten von Amerika abwenden". Steter Tropfen höhlt den Stein, schafft psychologische Bewußtseinslagen.
    Einen großen Vorteil haben die Sowjets — neben vielen Nachteilen ihres Systems —: daß sie mit langfristigen Entwicklungslinien rechnen können, daß sie Kampagnen einleiten können für Ziele, deren Erreichung im Augenblick utopisch scheint, die 10, 20, 30 Jahre noch in der Zukunft liegen, während wir, auch die Amerikaner, immer sehr pragmatisch fragen: Was können wir jetzt tun, was können wir bis morgen früh tun? Wir müssen uns wieder auf langfristige Entwicklungslinien einrichten. Wir müssen solche wieder gemeinsam erarbeiten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Deshalb kann ich nur beschwörend darum bitten, daß wir zu einer übereinstimmenden Lagebeurteilung zwischen den USA und Europa, zwischen den USA und der Bundesrepublik Deutschland kommen, daß wir als Volk in dieser Lagebeurteilung von gemeinsamen Interessen reden, in gemeinsamen Interessen denken und in gemeinsamen Interessen handeln. Ich erinnere an das Gerede von Freundschaft und Solidarität. Freundschaft hat man ja mit allen auf der Welt. Solidarität hat den faulen, faden Beigeschmack: An sich wollen wir ja gar nicht, aber wenn die Amerikaner nicht nach Moskau gehen, dann müssen wir uns eben an dem Unsinn beteiligen, weil wir angesichts unserer Gebundenheit leider nicht anders können. Hoffentlich wird es morgen anders werden. — Nein, wir müssen aus eigener Lagebeurteilung und aus eigener politischer Entscheidungsfähigkeit handeln.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Daraus sollte ein politisches Gesamtkonzept erwachsen.
    So leid es mir tut, das sagen zu müssen: Der Sowjetunion muß klargemacht werden, daß sich ihr Risiko erhöht hat und daß das Risiko bei einem nächsten Schlag unkontrollierbar würde, daß der point of no return überschritten werden könnte, der Punkt, von dem es leider keine Rückkehr mehr gibt.
    Wir sollten doch sehen, daß unsere wirtschaftlichen und militärischen Sicherheitsinteressen heute zusammenfließen. Energie wird das große Thema der letzten zwei Jahrzehnte dieses und der ersten drei Jahrzehnte des nächsten Jahrhunderts werden. Die Verfügungsgewalt oder die Nicht-Verfügungsgewalt über Energie und Rohstoffe bestimmt die Stabilität unserer demokratischen Industriegesellschaften. Hier sollten wir nicht vergessen, .daß die Vereinigten Staaten von Amerika in der Lage sind, sich mit einem großen Kapitalaufgebot — das ist für sie kein Problem — in zehn, längstens fünfzehn Jahren selbständig zu machen. Welches Interesse sollten sie dann noch haben, für diejenigen einzustehen, die sich leider wegen .anderer geographischer und geologischer Voraussetzungen nicht selbständig machen können, aber auch nicht die militärische Kraft und auch nicht die Glaubwürdigkeit haben, ihre Interessen in diesem Krisengürtel, in dem Erdöl und Rohstoffe produziert werden, gebührend zur Geltung zu bringen? Das sind doch die Probleme der Lage der Nation. Das sind doch die Probleme langfristiger Art. Das sind doch die Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen. Über diese sollten wir diskutieren und über diese sollte der Regierungschef berichten und im Hinblick auf diese sollte er auch in aller Offenheit sagen, was an Opfern, was an Bürden, was an Schwierigkeiten auf uns zukommt. Das würde der Einheit der demokratischen Kräfte dienen; das würde das mutwillig zerstörte Problembewußtsein wiederherstellen helfen, und das wäre ein realistischer Ausgangspunkt, um endlich einmal mit dem Problem Afghanistan eine Wende in der Welt zugunsten der Freiheit herbeizuführen.

    (Langanhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)