Rede von
Rudi
Walther
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Sozialdemokrat könnte man fast schon zufrieden sein mit dem, was der Herr Kollege Dr. Riedl vorgetragen hat; denn er ist der einzige Redner der CDU/CSU, der die Sozialdemokraten geschont
und sich dafür an unserem Koalitionsfreund, Herrn Bundesinnenminister Baum, gerieben hat Aber weil Sie, Herr Kollege Dr. Riedl, das Kohl-Zitat vom Nicht-im-Regen-stehen-Lassen gebraucht haben, will ich Ihnen sagen: Wir werden Herrn Bundesinnenminister Baum auch nicht im Regen stehen lassen in der Hoffnung, Herr Minister Baum, daß Sie mich nicht so behandeln, wie Herr Strauß damals Herrn Kohl behandelt hat
— Aber Herr Gerlach, Sie sind sonst immer so ein netter Mensch. Nun machen Sie sich doch nicht so unsympathisch.
Ich möchte diesem Innenminister bescheinigen, daß er sich große Mühe gegeben hat, manches wieder geradezurücken und dafür zu sorgen, daß die zugegebenermaßen griffige Formel „im Zweifel für die Freiheit" mehr ist als eine leere Worthülse. Ich jedenfalls und meine Fraktion, Herr Minister, bedanken uns ausdrücklich dafür.
— Das ist kein Persilschein. Das ist ein guter Innenminister, Herr Kollege. Wir haben gar keinen Grund, dies zu verheimlichen.
Ich möchte jetzt zu ein paar Schwerpunkten des Haushalts kommen in der Hoffnung, daß Sie sich dabei wieder beruhigen. Der Haushaltsausschuß hat sich nicht in der Lage gesehen, beispielsweise alle Stellen im Bereich der inneren Sicherheit so, wie im Regierungsentwurf vorgesehen, zu bewilligen, weil wir übereinstimmend der Meinung waren, daß eine zu schnelle Erweiterung der Personalkörper nicht unbedingt eine Umsetzung von Quantität in Qualität bedeuten muß. Die Gewerkschaft der Polizei beispielsweise hat nicht zu Unrecht für das Bundeskriminalamt eine Phase der Konsolidierung gefordert. Vom Bundesgrenzschutz hören wir, daß allzu viele Beamte als Auszubildende oder als Ausbilder von ihren eigentlichen Aufgaben abgehalten würden; eine Klage übrigens, die wir gelegentlich auch aus dem Bundeskriminalamt vernehmen. Deshalb meinen wir, daß ein langsamer, aber kontinuierlicher Aufbau auch der Qualität zugute kommen könnte und das Problem des Verwendungs- und Beförderungsstaus, das andernorts entstanden ist, ein bißchen abbiegen könnte.
Da wir eine Reihe von Stellen bewilligen wollen, werden die Sicherheitsorgane in Zukunft von der Zahl her so gut ausgestattet sein wie noch nie zuvor. Ich erkläre für meine Fraktion die Bereitschaft, auch zukünftig an einem kontinuierlichen Ausbau mitzuwirken, der sich an dem Ausbauprogramm innere Sicherheit orientiert.
Auch ich möchte wie der Kollege Dr. Riedl — und hier ist der Anlaß dazu — für meine Fraktion den Angehörigen der Organe der inneren Sicherheit ausdrücklich unseren Dank sagen.
Insbesondere will ich hier das Bundeskriminalamt nennen, das sich trotz mancher schwieriger Umstände, was Aufbau, Organisationsänderung, aber auch -- hören Sie gut zu — Hindernissen in überzogenem Föderalismus betrifft, einen hervorragenden internationalen Ruf erworben hat. Diesen Ruf möchten wir erhalten wissen.
— Der Herr Präsident ist ein hervorragender Kriminal-Designer, liebe Frau Kollegin. Dessen Ruf möchte ich hier auch öffentlich nicht unterminiert wissen. Diesen Ruf möchten wir erhalten wissen — ich wiederhole es —; denn die Bedrohungen durch Terrorismus, Rauschgift — was ich für ganz bedrohlich halte — und Wirtschaftskriminalität halten an.
— Meine Damen und Herren, vielleicht darf ich für die nächstfolgenden Ausführungen um Ihre freundliche Aufmerksamkeit bitten, weil ich hoffe, daß Sie mir zustimmen werden.
Im Zusammenhang mit der Erörterung der inneren Sicherheit möchte ich einen Hinweis geben, der alle angeht, die sich in dieser Republik politisch wichtig fühlen. Ich und mit mir ein nicht geringer Teil des Haushaltsausschusses halten den Aufwand, den wir in bezug auf das betreiben, was wir Personen- und Objektschutz nennen, für übertrieben.
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 15423
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Übertrieben ist es sicherlich nicht, wenn ich behaupte, daß für solche Zwecke auf allen Ebenen der öffentlichen Hand im kommenden Jahr mehr als 300 Millionen DM ausgegeben werden. Ich frage mich: Muß es wirklich so sein, daß ein beschützender Sicherheitsbeamter ein Statussymbol ist? Ferner stelle ich die Frage, ob es nicht schrecklich ist, wie wir uns beispielsweise in unserem eigenen Haus verbarrikadiert haben. Da kann ich mir schon vorstellen, daß Regelungen denkbar sind, bei denen weniger mehr wäre.
Dieses Prinzip, daß weniger mehr wäre, läßt sich leider beim Umweltschutz nicht anwenden. Es gibt eine ganze Menge Bedrohungen, denen sich unsere natürliche Umwelt durch Chemikalien, Gifte, Lärm, aber auch durch Gedankenlosigkeit und Wegwerfmentalität gegenübersieht. Deshalb wird die öffentliche Hand, trotz aller Aufwendungen, die auch privat im Rahmen des Verursacherprinzips aufzubringen sind, noch sehr viel Geld aufbringen müssen, um unseren Nachkommen eine Welt zu hinterlassen, in der zu leben es sich lohnt. Ich verstehe diese jungen Menschen in unserem Lande sehr gut, die sich fragen, ob unsere bisherige Art zu leben, überhaupt menschenwürdig und verantwortbar gegenüber kommenden Generationen ist. Deshalb müssen unsere Anstrengungen im Bereich des Umweltschutzes verstärkt, nicht verringert werden.
Ich habe z. B. überhaupt kein Verständnis dafür, daß es einige Länder gibt, die das Abwasserabgabengesetz wieder beseitigen wollen. Dies hielte ich für ein Ding aus dem Tollhaus, meine Damen und Herren,
nachdem wir darangegangen sind, beispielsweise den Rhein mit seinen Nebenflüssen im Zuge sehr aufwendiger Programme wieder sauberzubekommen, damit das Wasser eines Tages wieder Trinkwasserqualität bekommt
— Verehrter Herr Kollege, wenn es nach den Ländern, die von der Union regiert werden, die das Abwasserabgabengesetz wieder beseitigen wollen, ginge, dann, fürchte ich, am Sankt-Nimmerleins-Tag.
Daß die Novellierung des Bundesimmissionsschutzgesetzes immer noch nicht sehr viel weitergekommen ist, bedeutet auch kein Ruhmesblatt für die deutsche Politik. Im Bundeshaushalt haben wir 1,8 Milliarden DM einschließlich ERP-Wirtschaftsplan zur Verfügung. Wir versuchen also, mit diesem Haushalt eine Menge für die Erreichung unserer Ziele zu tun. Es ist ein enormer Betrag, der, nebenbei gesagt, auch Arbeitsplätze sichern hilft.
Ich will etwas zu den Ansätzen sagen, die wir im Einzelplan des Innenministers für die Reaktorsicherheit eingestellt haben. Ob man Kernkraftwerke mag oder nicht, sie sind nun einmal vorhanden; das wird niemand bestreiten können. Deshalb muß ihre Sicherheit — vor allem in Auswertung der Ereignisse von Brunsbüttel, was wir nicht vergessen wollen, und Harrisburg — verbessert werden.
Ich stimme Ihnen, Herr Staatssekretär Hartkopf, zu. Sie haben einmal gesagt, in der Frage der Sicherheit dürfe es keinen Rabatt geben. Aber ich hoffe, daß die Konsequenz, die Sie für sich daraus gezogen haben, nämlich daß die Staatshaftung im Atomgesetz fallen müsse, bald in regierungsamtliche Aktivitäten umgesetzt wird.
Ob der von den Regierungschefs von Bund und Ländern verabredete sogenannte parallele Entsorgungsansatz gangbar ist, muß sich erst noch erweisen. Dabei wird es interessant sein, zu hören, ob eines der unionsregierten Länder, beispielsweise der Freistaat Bayern, bereit ist, ein Zwischenlager aufzunehmen. Da hören wir aus Bayern bisher nur Sankt-Florians-Melodien. Vom Haushalt her, meine Damen und Herren, schaffen wir jedenfalls die Möglichkeit, auf beiden Feldern voranzukommen.
Nun möchte ich gern noch ein paar Bemerkungen zum Haushaltsplan der Zivilverteidigung und des Katastrophenschutzes machen. Es ist zwar richtig, daß im Jahre 1980 dieser Haushalt nicht mehr so stark steigen soll wie in den beiden vergangenen Jahren. Aber gegenüber 1977 stehen dort immerhin 188 Millionen DM mehr, das sind fast 35%. Kaum einen Politikbereich haben wir in diesem Jahr mit einer solchen Steigerungsrate versehen wie diesen.
— Wenn Sie sagen, wir seien bei Null angefangen, dann muß ich sagen: Null ist das, was Ihre Regierungen, die CDU/CSU-geführten Regierungen, in den Haushalt eingesetzt haben.
Das ist also ein Eigentor, Herr Kollege, das Sie da gerade geschossen haben.
— Ach Gott, Herr Gerster. Ich hoffe, Sie werden einen guten Landeslistenplatz bekommen, damit wir Sie im nächsten Bundestag wiedersehen; denn den Wahlkreis kriegen Sie mit solchen Zwischenrufen bestimmt nicht.
Das macht deutlich, daß wir der Zivilverteidigung einen hohen Stellenwert beimessen. Mit den Ansätzen des Jahres 1980 kann der öffentliche und private Schutzraumbau verstärkt fortgesetzt werden, die Beschaffung neuer und der Ersatz alter Katastrophenschutzfahrzeuge zügig vorangetrieben und das Programm für den Neubau der THW-Unterkünfte ausgeweitet und die Rettungshubschrauberstaffel weiter vervollkommnet werden. Das ist eine ganze Menge.
Wem das alles zu wenig ist, der möge bedenken, daß wir nicht immer nur von Haushaltskonsolidierung, Rückführung von Schulden, und was Sie in diesen Tagen sonst noch für Schauergemälde an die Wand gemalt haben, reden darf, sondern daß man auch danach handeln muß. Ich kann mich kaum er-
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innern, daß die Opposition in all den Beratungen des Haushaltsausschusses in diesen vielen Wochen einen einzigen vernünftigen Kürzungsvorschlag gemacht hat.
Aber am laufenden Band mußten wir Erhöhungsanträge von Ihnen ablehnen. Wären wir Ihnen gefolgt, wären die Schulden höher geworden. Frau Kollegin Berger, Sie waren ja meistens dabei, Sie wissen das doch.
— Die Internationale Bauausstellung ist auch eine hervorragende Sache. Wir haben ja gemeinsam dazu beigetragen, daß daraus etwas Vernünftiges wird.
Herr Kollege Gerster schreibt hier schon eifrig mit. Ich habe gehört, er will nachher dazu noch reden. Ich kann Sie deshalb nur einladen: Bleiben Sie alle so lange, bis Herr Kollege Gerster gesprochen hat. Denn er wird hier ein ganzes Gruselkabinett zeichnen. Es wird eine Horrorstunde werden. Wir werden alle sehr viel Freude an dem haben, was Herr Kollege Gerster nachher vorträgt.
Wir kennen das ja alles schon. Wir kennen es schon, was Herr Kollege Gerster sagen wird. Es ist die alte Schallplatte, die er jedes Jahr auflegt. Deswegen werden wir uns darauf beschränken, das, was ich hier gesagt habe, sachlich darzustellen. Herr Kollege Gerster, dafür ist gleich der Ring frei. Dann können Sie sich austoben, wie Sie wollen. Und dann werden wir einmal sehen, was Ihnen der Minister darauf zu antworten weiß.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dem Ziel der Haushaltskonsolidierung haben auch unsere Bemühungen im Ausschuß gedient,
die gewünschten Personalausgaben auf ein finanziell vertretbares Maß zurückzuschrauben. — Kollege Gerster, ich weiß nicht, ob Sie das gehört haben: Der Kollege Glos hat gesagt, wenn Sie kämen, käme die C-Klasse der Bundesliga hier hoch.
Wir haben also versucht, im Rahmen der Konsolidierungsbemühungen die gewünschten Personalzuwächse auf ein finanziell vertretbares Maß zurückzuschrauben. Das Innenministerium — das geben wir gern zu — hat bei dieser Aktion eine ganze Menge Haare lassen müssen. Es hat sich auch nicht gefreut, aber Einsicht in die finanziellen Notwendigkeiten gezeigt. Aber — ich sage das ein bißchen leise — ob die bekanntgewordenen Vorstellungen zur Verbesserung der Besoldungsstruktur solchen Notwendigkeiten immer Rechnung tragen, will ich für heute einmal dahingestellt sein lassen.
Eine Bemerkung zu dem Änderungsantrag, den Sie im Hinblick auf die Nationalstiftung hier vorgelegt haben, will ich kurz anfügen. Dies ist der übliche Propagandaantrag, den Sie jedes Jahr hier vorlegen. Wir nehmen ihn nicht ernst. Ich sage nur soviel: Wir sind fest entschlossen, dem Bund grünes Licht zu geben für die Ingangsetzung der Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Nationalstiftung geplant sind, wenn nicht sehr bald das seit einiger Zeit avisierte Úbereinkommen zwischen Bund und Ländern in dieser Frage zustande kommt. Wir können es uns nicht leisten, die lebenden Künstler noch länger auf das warten zu lassen, was wir ihnen seit Jahren versprochen haben.
Um auf Ihren Beitrag zurückzukommen, Herr Kollege Dr. Riedl: Dieser Bundesinnenminister hat unser volles Vertrauen.
Er vertritt eine Politik, die wir Sozialdemokraten gut mitvertreten können. Wir unterstützen den Minister, wir unterstützen seine Politik. Wir tun dies, indem wir seinem Haushalt zustimmen.