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ID0819321500

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    Plenarprotokoll 8/193 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 193. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 Inhalt: Erweiterung des Tagesordnung . . . . 15311B Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1980 (Haushaltsgesetz 1980) — Drucksachen 8/3100, 8/3354 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/3381 — in Verbindung mit Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksache 8/3385 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder" — Drucksache 8/3293 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/3489 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksache 8/3451 — Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein CDU/CSU 15312A Grobecker SPD 15315D Dr. Rose CDU/CSU 15318C Ewen SPD 15321 B Cronenberg FDP 15324 B Müller (Remscheid) CDU/CSU 15325 B Urbaniak SPD 15328 A Hölscher FDP 15329 B II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . 15331 A Burger CDU/CSU 15336 A Fiebig SPD 15338 B Eimer (Fürth) FDP 15341 A Frau Huber, Bundesminister BMJFG . 15343 C Frau Verhülsdonk CDU/CSU 15348A Glombig SPD 15351 D Kroll-Schlüter CDU/CSU 15355 B Kuhlwein SPD 15357 D Höpfinger CDU/CSU 15360A Jaunich SPD 15362 C Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — Drucksache 8/3391 — Dr. Stavenhagen CDU/CSU 15364 B Dr. Dübber SPD 15367 A Dr.-Ing. Laermann FDP 15369 B Dr. Hauff, Bundesminister BMFT . . . 15372D Lenzer CDU/CSU 15376 C Dr. Vohrer FDP 15379 B Stockleben SPD 15380 B Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Drucksache 8/3392 — Frau . Benedix-Engler CDU/CSU . . . . 15381 C Dr. Meinecke (Hamburg) SPD 15385 B Frau Schuchardt FDP 15387 C Schmude, Bundesminister BMBW . . 15391 A Pfeifer CDU/CSU 15395 C Lattmann SPD 15397 B Beratung des vom Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung vorgelegten Entwurfs einer Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages — Drucksache 8/3460 — Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU . . . . 15398 D Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksache 8/3388 — Picard CDU/CSU 15399A Esters SPD 15401 C Gärtner FDP 15402 C Dr. Hoffacker CDU/CSU 15405A Dr. Holtz SPD 15407 D Dr. Vohrer FDP 15410D Offergeld, Bundesminister BMZ . . . 15412C Höffkes CDU/CSU 15415B Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksache 8/3376 — in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung — Drucksache 8/3394 — in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung — Drucksache 8/3396 — Dr. Riedl (München) CDU/CSU . . . 15417C Walther SPD 15421 D Gärtner FDP 15424 C Gerster (Mainz) CDU/CSU 15426 D Dr. Nöbel SPD 15429A Baum, Bundesminister BMi 15430A Spranger CDU/CSU 15435 B Dr. Wernitz SPD 15436 D Dr Wendig FDP 15438 B Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt Drucksache 8/3371 — 15439 C Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksache 8/3372 — 15439 C Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksache 8/3373 — 15439 D Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 III Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht — Drucksache 8/3386 — 15439 D Haushaltsgesetz 1980 — Drucksachen 8/3398, 8/3457 — . . 15440A Nächste Sitzung 15440 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 15441* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag den 13. Dezember 1979 15311 193. Sitzung Bonn, den 13. Dezember 1979 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr van Aerssen* 14. 12. Dr. Aigner* 14. 12. Alber * 14. 12. Dr. Bangemann* 14. 12. Dr. Becher (Pullach) 14. 12. Blumenfeld* 14. 12. Egert 14. 12. Fellermaier* 14. 12. Frau Dr. Focke* 14. 12. Friedrich. (Würzburg) * 14. 12. Dr. Früh* 14. 12. Dr. Fuchs* 14. 12. Gallus 14. 12. Genscher 13. 12. von Hassel* 14. 12. Katzer 14. 12. Klein (München) 14. 12. Dr. Klepsch* 14. 12. Lange* 14. 12. Lücker* 14. 12. Luster* 14. 12. Milz 14. 12. Dr. Müller-Hermann* 14. 12. Dr. Pfennig* 14. 12. Frau Schleicher* 14. 12. Dr. Schwarz-Schilling 13. 12. Dr. Schwencke (Nienburg) * 14. 12. Seefeld* 14. 12. Sieglerschmidt* 14. 12. Frau Tübler 14. 12. Frau Dr. Walz* 14. 12. Wawrzik*_ 14. 12. Baron von Wrangel 13. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Uwe Holtz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Köhler, so leid es mir tut: nein! Das geht von meiner Redezeit ab.

    (Dr. Köhler [Wolfsburg] [CDU/CSU]: Ich kann Sie gut verstehen!)

    Die für den entwicklungspolitischen Haushalt 1980 vorgesehene Steigerung von 15 % bedeutet in der Tat einen begrüßenswerten Schritt, und ich möchte der Mehrheit des Haushaltsausschusses herzlich danken. Aber das Tempo muß weiterhin verschärft werden.

    (Zuruf von der SPD: Steuerreform!)

    Eine spürbare Aufstockung — darauf haben die Kollegen Esters und Gärtner bereits hingewiesen — fordert auch erstmalig der Sachverständigenrat in seinem Jahresgutachten, das uns vor einem Monat zugegangen ist. Richtig ist, mehr Entwicklungshilfe muß finanziert werden, Herr Finanzminister. Dies ist in Zeiten, in denen die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte eine wichtige Aufgabe in der Finanzpolitik ist, ein schwieriges Problem. Eine Ausdehnung der Verschuldung kommt nicht in Betracht, und einer Erhöhung der Steuerquote stehen erhebliche Widerstände entgegen. Aus diesen Gründen werden verschiedene Möglichkeiten diskutiert, und ich bitte Sie herzlich, sich konstruktiv an der Diskussion zu beteiligen. Das reicht von Zins-
    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 15409
    Dr. Holtz
    zuschüssen für Kapitalmarktmittel bis zur Erhebung internationaler Abgaben, wie sie von der von Willy Brandt geleiteten Nord-Süd-Kommission diskutiert und wohl auch in den Bericht mit aufgenommen werden. Mittel, die auf Grund von Abrüstungsvereinbarungen eingespart werden, sollten vor allem für Entwicklungshilfe aufgewandt werden. So steht es auch in einer der Regierungsthesen vom Mai dieses Jahres. Aber darauf können wir natürlich nicht warten. Auch deshalb nicht, weil das Parlament allein hier keinen ausschlaggebenden Einfluß in diesem Bereich hat.

    (Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Das sehen Sie doch ein!)

    Deshalb muß man nach anderen Möglichkeiten suchen. Ich meine, daß der Wille des Parlaments wirklich entscheidend ist. Bei den zum Teil großzügigst angekündigten Steuersenkungen müssen wir auf einen Teil zugunsten der Entwicklungshilfe verzichten. Etwas weniger Weihnachtsmann, sage ich an die Adresse der Opposition. Herr Strauß hat gestern ein großes Programm vorgelegt. Das Strauß-Programm ist sozial unausgewogen und entwicklungshilfefeindlich.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    Mindestens ebenso wichtig wie die Erreichung des 0,7-%-Ziels — und dies ist ja kein Ziel an sich — ist das, was man mit dem Geld macht. Bei den entwicklungspolitischen Maßnahmen plädieren wir Sozialdemokraten für einen armutsorientierten und zielgruppenorientierten Ansatz. Zentrales Element dieses Ansatzes ist die Grundbedürfnisorientierung.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    Ich werde gleich auch sagen, was die Bundesregierung tut. Dieses Ziel der Grundbedürfnisorientierung hat den Vorzug, daß es von der Offentlichkeit, besonders auch von der Jugend, verstanden wird. Der Anteil der grundbedürfnisorientierten Förderungsbereiche an der Rahmenplanung der Jahre 1979 und 1980 ist erfreulicherweise weiter gestiegen,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Soll!)

    und zwar bei der technischen Zusammenarbeit auf über 50%

    (Zuruf von der CDU/CSU: Soll!)

    und bei der finanziellen Zusammenarbeit auf etwa 25 %. Ich habe kein Verständnis dafür, daß sich ein Kollege hier hinstellt und sagt, das sind ja zum Teil nur größere Projekte. Es kommt doch darauf an, meine Damen und Herren, daß den Menschen, daß den Zielgruppen geholfen wird, und das geschieht durch die Politik des Ministers.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Hoffacker [CDU/ CSU]: Das erreichen sie gar nicht, Herr Holtz! Das ist ja meine Kritik!)

    Länder, die diesem Ansatz verpflichtet sind, sollten
    besonders gefördert werden. Ich füge hinzu, reaktionäre Cliquen sowie Regierungen, die die politisch-
    bürgerlichen Freiheitsrechte wie auch die sozialen, die kulturellen und die wirtschaftlichen Grundrechte der Menschen massiv mit Füßen treten, dürfen von der Bundesregierung nicht gefördert werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Die bundesdeutsche Entwicklungshilfe muß den Mut zur Konzentration aufbringen. Auf Grund der gemeinsamen Interessen von Industrie- und Entwicklungsländern bieten sich folgende Schwerpunkte an.
    Erstens ein energiepolitisches und ökologisches Schwerpunktprogramm, damit Energie- und Umweltkrisen gemeistert werden und die Dritte Welt eine faire Chance auch für ihre wirtschaftliche und soziale Entwicklung erhält. Nach Angaben der Vereinten Nationen stammten 1976 78% des kommerziellen Energieverbrauchs der Entwicklungsländer aus Erdöl und Erdgas. Dagegen wird der Anteil der Kohle auf nur knapp 14 % und der der Wasserkraft auf rund 8% geschätzt. Die Wasserkraft wird z. B. in Afrika nur zu 2 % genutzt. Die Dritte Welt braucht das Erdöl, sagte .Minister Hauff hier etwa gegen 16 Uhr. Aber sie braucht auch andere Energien. Aus diesem Grunde müssen konventionelle und unkonventionelle, besonders regenerierbare Energiequellen verstärkt erschlossen werden. Das Argument derjenigen, die meinen, die Notwendigkeit einer friedlichen Nutzung der Kernenergie bei uns ergebe sich auch aus Rücksicht auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Entwicklungsländer, ist deshalb so nicht stichhaltig.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Hoffacker [CDU/ CSU]: Herr Holtz, sie kaschieren doch die Versäumnisse der Bundesregierung!)

    Die Bundesregierung — und jetzt komme ich ganz konkret zu ihren Taten, die Sie hier ja verschwiegen haben — will 1980 für Energieprojekte über eine Milliarde Mark bereitstellen. Allein über diesen Bundesetat wird es Zusagen für konventionelle Energievorhaben in Höhe von 680 Millionen DM geben. Diese Zahlen beweisen, daß die Bundesregierung der Versorgung der Entwicklungsländer mit Energie große Priorität einräumt.

    (Dr. Hoffacker [CDU/CSU]: Wo steht denn der Ansatz von 680 Millionen DM? Da ist eine Null zuviel!)

    — Bitte lesen!
    Im übrigen, sage ich, ist es wichtig, einen ökologischen Generationsvertrag national wie international in Betracht zu ziehen, damit unsere Nachfahren noch einen lebensfähigen und nicht einen ausgeplünderten, ausgelaugten Planeten vorfinden.

    (Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Da haben Sie recht!)

    Ökologie muß zur Rahmenbedingung politischen und wirtschaftlichen Handelns werden. Wir dürfen doch nicht nur für uns Politik machen, sondern müssen auch für unsere Kinder und Kindeskinder sorgen.
    15410 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979
    Dr. Holtz
    Zweitens. Ein zweites Schwerpunktprogramm sollte auf die ländliche Entwicklung abzielen, damit die Ernährungskrise abgewandt wird. Der Umfang der Agrarhilfe an der gesamten öffentlichen Entwicklungshilfe stagniert seit einigen Jahren. Ihr Anteil an den Gesamtaufwendungen beträgt etwa 20 %. Ich meine, daß dieser Bereich gestärkt werden sollte.

    (Dr. Hoffacker [CDU/CSU]: Das ist Kritik an Ihrer Parteil)

    Um so unverständlicher, Herr Kollege, ist ein Antrag der CDU/CSU-Opposition im Bundestagsausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit, mit dem diese für 1980 eine Kürzung der Mittel für die internationale Agrarforschung durchsetzen wollte. Ganz unverständlich wird es, wenn man bedenkt, daß Sie ein Jahr zuvor einen Erhöhungsantrag gestellt haben. Dies ist WI und Hott, aber kein Ausdruck für eine wirkliche Konzeption in der Entwicklungspolitik.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Hoffacker [CDU/CSU]: Herr Holtz, das Ministerium war unfähig, diesen Betrag auszugeben! Das ist die Wirklichkeit!)

    Drittens. Ein Schwerpunktprogramm dezentrale Industrialisierung und Mittelstandsförderung, damit die Landflucht eingedämmt und die durch die Auslandsinvestitionen häufig mitverursachten Verkrüppelungen und Deformationen der Wirtschaftsstrukturen in vielen Entwicklungsländern abgebaut werden. Bei der Industrialisierung sind ädaquate, angepaßte Technologien zu bevorzugen, was nicht immer mit arbeitsintensiven Technologien gleichzusetzen ist. In der Regel ist den Entwicklungsländern eine Strategiemischung von sogenannten „sanften" bis hin zu Spitzentechnologien zu empfehlen.
    Viertens. Stärkung der Planungskapazität. Ein derartiges Schwerpunktprogramm sollte um so eher möglich sein, als bei uns seit Jahren ein Überangebot an planerischen Berufen aller Art besteht.

    (Dr. Hoffacker [CDU/CSU]: Jetzt wollen Sie auch noch den Menschen in der Dritten Welt verplanen, nachdem Ihnen das hier nicht gelungen ist!)

    Ein solcher allgemeiner, schwerpunktorientierter Ansatz hat den Nebeneffekt, das abstrakte 0,7-Prozent-Ziel mit Inhalt zu füllen.
    Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat sich auch auf Grund von Anregungen, die aus der SPD-Arbeitsgruppe für Entwicklungspolitik stammen,

    (Dr. Hoffacker [CDU/CSU]: Da kann nichts Gutes herkommen!)

    sehr eingehend mit den Möglichkeiten befaßt, das Verfahren der Entwicklungszusammenarbeit zu vereinfachen und zu beschleunigen, es also, kurz gesagt, zu entbürokratisieren.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    Diese Bemühungen erbrachten zwar bislang keine
    spektakulären Ergebnisse; das war auch nicht zu erwarten. Es ergab sich aber eine Vielzahl von einzelnen Verbesserungen, die in ihrer Summe doch einen beachtenswerten Fortschritt darstellen. Daran gilt es anzuknüpfen.

    (Dr. Hoffacker [CDU/CSU]: Mir gefällt Ihre Kritik an der Regierung, Herr Holtz!)

    Die Erhöhung der Entwicklungshilfe ist auch mit der Bereitschaft der Entwicklungsländer verknüpft, interne Strukturprobleme zur Diskussion zu stellen und sie gegebenenfalls zu bereinigen. Hilfe von außen kann nur dann vollen Nutzen bringen, wenn die Entwicklungsländer entsprechende eigene Anstrengungen unternehmen.
    Jetzt auch ein deutliches Wort zu Angola und Mozambique. Wir Sozialdemokraten sind in der Tat der Auffassung, daß fortschrittliche, reformorientierte Kräfte und Regierungen gefördert werden sollten. Aber ich halte es für eine ungeheuerliche Diffamierung, wenn hier gesagt worden ist, für die Entwicklung in Angola und Mozambique sei ein bestimmter Sozialdemokrat mitverantwortlich. Wer das zu verantworten hat, das sind die faschistischen, kolonialistischen Kräfte gewesen, die von Portugal, von Europa aus diese Länder nicht in die Unabhängigkeit entlassen haben.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Hoffacker [CDU/ CSU]: Und die feinen Herren, die jetzt dort regieren, haben mehr Menschen auf dem Gewissen, als in den letzten Jahren überhaupt ernährt werden konnten! — Gegenrufe von der FDP)

    Was will die Opposition? Diese Frage stellen sich viele. Bestehende Strukturen der internationalen Wirtschaftsordnung und des internationalen politischen Systems sollen ihrer Auffassung nach nicht angetastet werden. Die Bemühungen um Schmälerung der Wohlstandslücke zwischen Nord und Süd gelten als Gleichmacherei. Nein, eine solche Politik, könnte sie von Ihnen gemacht werden, würde langfristig den Interessen der Bundesrepublik und auch den Arbeitnehmern in diesem Land schaden.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Hoffacker [CDU/ CSU]: Nein, höchstens den Sozialisten!)

    Mit diesem Haushalt und mit den Schwerpunktsetzungen werden die Sozialdemokraten und die Freien Demokraten weiterhin konstruktive Beiträge zum Nord-Süd-Dialog leisten. Sie treten für die Schaffung gerechterer Verhältnisse ein. Ich bitte um Zustimmung zu dem Einzelplan 23.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Vohrer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Manfred Vohrer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich den deplacierten Angriff des Kollegen Hoffacker auf die sozialdemokratischen Kollegen richtig verstanden habe, dann wollten Sie sagen, Herr Hoffacker, nur wer Geld hat, soll in dieser Haushaltsdebatte mit entscheiden können.

    (Dr. Hoffacker [CDU/CSU]: Herr Vohrer, ich komme für die Erbmasse Ihrer Eltern nicht auf!)

    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 15411
    Dr. Vohrer
    — Sie können im Protokoll nachlesen, was Sie gesagt haben. Auf jeden Fall sind Ihre Bemerkungen nur so zu verstehen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann wird mir auch klar, weshalb Sie jeden einzelnen Haushalt hier ablehnen, nämlich Haushalte, die sich darum bemühen, zwischen den einzelnen Gruppen in der Bundesrepublik sozial ausgewogen zu sein, die aber auch unsere Solidarität zu den Ländern — wir sind gerade beim Nord-Süd-Verhältnis — zum Ausdruck bringen sollen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Hoffacker [CDU/CSU]: Sie haben es wirklich nicht verstanden!)

    Herr Hoffacker, ich möchte mich auch mit Ihrem entwicklungspolitischen Kulturbegriff beschäftigen, mit dem wir Liberalen nahezu gar nichts gemein haben. Ich bitte Sie sehr darum, einmal den Artikel der Staatsministerin Hamm-Brücher in der „Zeit" zu lesen, aus dem unsere Auffassung von einer kulturellen Eigenständigkeit ohne ideologische Selektion in Freund-Feind-Gruppen, wie Sie sie vornehmen, deutlich wird.

    (Dr. Hoffacker [CDU/CSU]: Das ist doch gar nicht wahr! Sie haben es wirklich nicht verstanden! — Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Sie haben auf den Ohren gesessen!)

    — Das liegt dann nicht zuletzt auch an Ihnen, an der polemischen Art, wie Sie Ihre Einwendungen vorgebracht haben. Auf jeden Fall muß es derjenige, der aufmerksam zugehört hat, so verstanden haben.

    (Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Nein, Sie haben es wirklich nicht verstanden!)

    Aber ich möchte jetzt über den Etat reden, der mit einem Volumen von fast 5,3 Milliarden DM die höchste Steigerungsrate erfahren hat, und zwar nicht nur um 12,5 %, wie ursprünglich vorgesehen, sondern auf Grund der Arbeit des Haushaltsausschusses letztlich um 14,8 % Ich möchte ganz deutlich sagen, daß die Entwicklungspolitiker für diese Unterstützung des Haushaltsausschusses sehr dankbar sind.
    Daß eine Steigerungsrate von fast 15 % auf dem Tisch liegt, ist kein Zufall. Vielmehr gibt es in diesem Hause zwei Parteien, die sich in aller Entschiedenheit für hohe Steigerungsraten in diesem Sektor ausgesprochen haben. Meine Partei hat im Frühjahr 1977 in Frankfurt die Verdoppelung innerhalb von drei Jahren beschlossen und den Wunsch zum Ausdruck gebracht, das 0,7-%-Ziel möglichst in der nächsten Legislaturperiode zu erreichen. Ich habe mit großer Genugtuung zur Kenntnis genommen, daß dié Sozialdemokraten in Berlin nahezu die gleiche Terminierung beschlossen haben, nämlich das 0,7-%-Ziel bis 1985 zu erreichen. Unsere Formulierung heißt: möglichst bis 1984. Ich würde mich freuen, wenn diese gleichgerichtete Zielrichtung auch von den Kollegen der CDU/CSU unterstützt würde, die ja zumindest als Entwicklungspolitiker immer sagen, daß sie dieses Ziel der Bundesregierung mittragen.
    Eines muß in dieser Debatte aber auch gesagt werden: Wir haben den Sektor mit der höchsten
    Steigerungsrate, und gleichwohl bekennt sich von der Bundesregierung,

    (Dr. Hoffacker [CDU/CSU]: Wir haben die höchste Steigerungsrate bei den Schulden!)

    aber auch von der Gesamtheit der Parlamentarier nur ein kleiner Teil offensiv zu diesem Ziel. Wenn ein Haushalt in diesem Maße in seinem Ansatz gesteigert werden kann, ist es eigentlich erstaunlich, daß die Bereitschaft, diese Steigerung gegenüber der Bevölkerung zu vertreten, nicht allzu deutlich erkennbar ist.

    (Simpfendörfer [SPD]: Überhaupt nicht erkennbar ist!)

    Das führt mich zu der Überzeugung, daß wir den harten und dornigen Weg von 5 Milliarden DM heute bis 10, 12 oder 15 Milliarden DM in den Jahren 1985 bis 1990 mit einer viel konsequenteren Argumentation und mit einem eindeutigen Bekenntnis zu diesem Ziel gehen müssen. Das ist nicht nur die Aufgabe der Entwicklungspolitiker — diejenigen, die bekehrt sind, müssen wir nicht bekehren —, sondern das ist auch die Aufgabe der übrigen Politiker in den einzelnen Parteien, die noch dazu viel Überzeugungskraft in den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen erfordert.

    (Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Und bei Herrn Matthöfer!)

    Da das Argument der internationalen Solidarität sicher nur einen kleinen Prozentsatz anspricht, halte ich es für sehr hilfreich, daß wir gewichtige Argumente von den Sachverständigen geliefert bekommen haben. In ihrem Gutachten haben sie in viel stärkerem Maße auf die Interdependenz zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern hingewiesen und den Nachweis geführt, daß die Öffnung unserer Märkte für die Dritte Welt zu unserem Vorteil und nicht zu unserem Nachteil ist. Das ist das erste, was uns gelingen muß: Wir müssen der Bevölkerung die Angst nehmen, daß mehr Entwicklungshilfe den Verlust des Arbeitsplatzes bedeuten könnte.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Wir müssen hier deutlich machen, daß zwar mit der Öffnung der Märkte in einigen Branchen Arbeitsplatzrisiken erwachsen und auch Arbeitsplatzverluste eintreten werden, daß aber der Saldo aus Arbeitsplatzverlusten und Arbeitsplatzgewinnen durch Entwicklungspolitik, durch eine offene Handelspolitik für uns positiv ist. Das ist eine wichtige Erkenntnis, die wir immer wieder betonen müssen.
    Ich finde es auch ganz erstaunlich, daß in diesem Jahr bei der Opposition in diesem Zusammenhang ein Thema ganz gefehlt hat, daß der Rückflüsse. Erstmalig zeigt sich hier, daß ein wachsender Prozentsatz der von uns als Kredite in die Dritte Welt gegebenen Mittel in Form von Aufträgen wieder in unsere Wirtschaft zurückfließt. Das waren 1976 nur 53%. Wenn der Bericht der Kreditanstalt für Wiederaufbau zutrifft, waren es 1977 schon 64% und
    15412 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979
    Dr. Vohrer
    1978 83%, die in unserem Lande wieder zu Aufträgen geführt haben.
    Ich kann mir vorstellen, daß wir uns darum bemühen müssen, für die wenigen Sektoren, in denen durch die Öffnung der Märkte Arbeitsplatzrisiken entstehen, ein Programm zu erstellen, das aus ERP-Mitteln gespeist sein könnte, damit Umstrukturierungen, die im inländischen Produktionssektor vonstatten gehen, einigermaßen abgefedert werden können.
    Zwischenzeitlich hat auch das Prognos-Gutachten deutlich gemacht, daß Entwicklungshilfe, offene Märkte sowie wirtschaftliche Wachstumsrate der Industrieländer und der Entwicklungsländer enger verknüpft sind, als wir dies ursprünglich annahmen. Das wirtschaftliche Wachstum in Entwicklungsländern bringt Beschäftigungsimpulse bei uns und umgekehrt. Dieser Zusammenhang -sollte bei den Bevölkerungsgruppen, für die egoistische Motive im Vordergrund stehen, zumindest Nachdenklichkeit hervorrufen.
    Lassen Sie mich noch kurz auf das Argument eingehen: Wir haben reichlich Privatinvestitionen und können deshalb mit den öffentlichen Ausgaben für die Entwicklungshilfe etwas zurückhaltender sein. Wir sollten ganz deutlich die Komplementarität der beiden Ansätze sehen. Die öffentliche Entwicklungshilfe geht — auch nach den Ausführungen, die von meinen Vorrednern hier gemacht wurden — schwerpunktmäßig in die ärmsten Länder und dort in die Bereiche Grundbedürfnisse, Bildung, Nahrungsmittel, Gesundheit, soziale Infrastruktur. Vor diesem Hintergrund möchte ich ganz deutlich machen, daß die privaten Investitionen, die in Schwellenländer gehen, die öffentliche Entwicklungshilfe nicht ersetzen können und umgekehrt, sondern daß das zwei Instrumente sind, die beide von Bedeutung sind.
    Bei der Opposition hat heute auch dieses düstere Kolossalgemälde von der neuen Weltwirtschaftsordnung und von dem Weltwirtschaftsdirigismus gefehlt, ganz einfach deshalb, weil sich deutlich abzeichnet, daß die beständige Politik im Rohstoffbereich, die von der Bundesregierung praktiziert wird, zwei Klippen umschiffen wird. Sie wird Angebotskartelle im Rohstoffbereich wie z. B. das der OPEC-Länder verhindern und auch nicht dazu führen, daß wir zu dirigistischen Marktordnungen nach dem Beispiel der EG-Agrarmarktordnung kommen. Zwischen diesen beiden Felsen werden wir unseren Kurs weiter halten. Ich könnte mir vorstellen, daß Sie. auch zur Kenntnis nehmen, daß das KautschuckAbkommen, das jetzt geschlossen wurde, ein Beispiel für eine solche vernünftige Rohstoffpolitik, in die Angebots- und Nachfrageseite einbezogen sind, darstellt und daß Sie auch ein gewisses Verständnis für die dann in diesem Bereich verbesserte, neue Weltwirtschaftsordnung finden.
    Meine Damen und Herren, ich muß zum Ende meiner Ausführungen kommen. Ich sehe in dem Ansatz, den die Bundesregierung vertritt und der auch in der Rede des Bundesministers zur dritten Dekade vor dem Symposium der Vereinten Nationen zum Ausdruck kam, einen vernünftigen und konstruktiven neuen Ansatz, der deutlich macht, daß das Setzen von Schwerpunkten, wie sie vom Kollegen Holtz hier erläutert wurden, unsere Entwicklungspolitik auch in den nächsten Jahren erfolgreich gestalten wird.
    Ich kann für die Liberalen dem Haushalt zustimmen. Ich würde mich freuen, wenn die Konzeption, die das BMZ aufgezeigt hat, in die Tat umgesetzt würde.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)