Herr Köhler, so leid es mir tut: nein! Das geht von meiner Redezeit ab.
Die für den entwicklungspolitischen Haushalt 1980 vorgesehene Steigerung von 15 % bedeutet in der Tat einen begrüßenswerten Schritt, und ich möchte der Mehrheit des Haushaltsausschusses herzlich danken. Aber das Tempo muß weiterhin verschärft werden.
Eine spürbare Aufstockung — darauf haben die Kollegen Esters und Gärtner bereits hingewiesen — fordert auch erstmalig der Sachverständigenrat in seinem Jahresgutachten, das uns vor einem Monat zugegangen ist. Richtig ist, mehr Entwicklungshilfe muß finanziert werden, Herr Finanzminister. Dies ist in Zeiten, in denen die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte eine wichtige Aufgabe in der Finanzpolitik ist, ein schwieriges Problem. Eine Ausdehnung der Verschuldung kommt nicht in Betracht, und einer Erhöhung der Steuerquote stehen erhebliche Widerstände entgegen. Aus diesen Gründen werden verschiedene Möglichkeiten diskutiert, und ich bitte Sie herzlich, sich konstruktiv an der Diskussion zu beteiligen. Das reicht von Zins-
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 15409
Dr. Holtz
zuschüssen für Kapitalmarktmittel bis zur Erhebung internationaler Abgaben, wie sie von der von Willy Brandt geleiteten Nord-Süd-Kommission diskutiert und wohl auch in den Bericht mit aufgenommen werden. Mittel, die auf Grund von Abrüstungsvereinbarungen eingespart werden, sollten vor allem für Entwicklungshilfe aufgewandt werden. So steht es auch in einer der Regierungsthesen vom Mai dieses Jahres. Aber darauf können wir natürlich nicht warten. Auch deshalb nicht, weil das Parlament allein hier keinen ausschlaggebenden Einfluß in diesem Bereich hat.
Deshalb muß man nach anderen Möglichkeiten suchen. Ich meine, daß der Wille des Parlaments wirklich entscheidend ist. Bei den zum Teil großzügigst angekündigten Steuersenkungen müssen wir auf einen Teil zugunsten der Entwicklungshilfe verzichten. Etwas weniger Weihnachtsmann, sage ich an die Adresse der Opposition. Herr Strauß hat gestern ein großes Programm vorgelegt. Das Strauß-Programm ist sozial unausgewogen und entwicklungshilfefeindlich.
Mindestens ebenso wichtig wie die Erreichung des 0,7-%-Ziels — und dies ist ja kein Ziel an sich — ist das, was man mit dem Geld macht. Bei den entwicklungspolitischen Maßnahmen plädieren wir Sozialdemokraten für einen armutsorientierten und zielgruppenorientierten Ansatz. Zentrales Element dieses Ansatzes ist die Grundbedürfnisorientierung.
Ich werde gleich auch sagen, was die Bundesregierung tut. Dieses Ziel der Grundbedürfnisorientierung hat den Vorzug, daß es von der Offentlichkeit, besonders auch von der Jugend, verstanden wird. Der Anteil der grundbedürfnisorientierten Förderungsbereiche an der Rahmenplanung der Jahre 1979 und 1980 ist erfreulicherweise weiter gestiegen,
und zwar bei der technischen Zusammenarbeit auf über 50%
und bei der finanziellen Zusammenarbeit auf etwa 25 %. Ich habe kein Verständnis dafür, daß sich ein Kollege hier hinstellt und sagt, das sind ja zum Teil nur größere Projekte. Es kommt doch darauf an, meine Damen und Herren, daß den Menschen, daß den Zielgruppen geholfen wird, und das geschieht durch die Politik des Ministers.
Länder, die diesem Ansatz verpflichtet sind, sollten
besonders gefördert werden. Ich füge hinzu, reaktionäre Cliquen sowie Regierungen, die die politisch-
bürgerlichen Freiheitsrechte wie auch die sozialen, die kulturellen und die wirtschaftlichen Grundrechte der Menschen massiv mit Füßen treten, dürfen von der Bundesregierung nicht gefördert werden.
Die bundesdeutsche Entwicklungshilfe muß den Mut zur Konzentration aufbringen. Auf Grund der gemeinsamen Interessen von Industrie- und Entwicklungsländern bieten sich folgende Schwerpunkte an.
Erstens ein energiepolitisches und ökologisches Schwerpunktprogramm, damit Energie- und Umweltkrisen gemeistert werden und die Dritte Welt eine faire Chance auch für ihre wirtschaftliche und soziale Entwicklung erhält. Nach Angaben der Vereinten Nationen stammten 1976 78% des kommerziellen Energieverbrauchs der Entwicklungsländer aus Erdöl und Erdgas. Dagegen wird der Anteil der Kohle auf nur knapp 14 % und der der Wasserkraft auf rund 8% geschätzt. Die Wasserkraft wird z. B. in Afrika nur zu 2 % genutzt. Die Dritte Welt braucht das Erdöl, sagte .Minister Hauff hier etwa gegen 16 Uhr. Aber sie braucht auch andere Energien. Aus diesem Grunde müssen konventionelle und unkonventionelle, besonders regenerierbare Energiequellen verstärkt erschlossen werden. Das Argument derjenigen, die meinen, die Notwendigkeit einer friedlichen Nutzung der Kernenergie bei uns ergebe sich auch aus Rücksicht auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Entwicklungsländer, ist deshalb so nicht stichhaltig.
Die Bundesregierung — und jetzt komme ich ganz konkret zu ihren Taten, die Sie hier ja verschwiegen haben — will 1980 für Energieprojekte über eine Milliarde Mark bereitstellen. Allein über diesen Bundesetat wird es Zusagen für konventionelle Energievorhaben in Höhe von 680 Millionen DM geben. Diese Zahlen beweisen, daß die Bundesregierung der Versorgung der Entwicklungsländer mit Energie große Priorität einräumt.
— Bitte lesen!
Im übrigen, sage ich, ist es wichtig, einen ökologischen Generationsvertrag national wie international in Betracht zu ziehen, damit unsere Nachfahren noch einen lebensfähigen und nicht einen ausgeplünderten, ausgelaugten Planeten vorfinden.
Ökologie muß zur Rahmenbedingung politischen und wirtschaftlichen Handelns werden. Wir dürfen doch nicht nur für uns Politik machen, sondern müssen auch für unsere Kinder und Kindeskinder sorgen.
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Dr. Holtz
Zweitens. Ein zweites Schwerpunktprogramm sollte auf die ländliche Entwicklung abzielen, damit die Ernährungskrise abgewandt wird. Der Umfang der Agrarhilfe an der gesamten öffentlichen Entwicklungshilfe stagniert seit einigen Jahren. Ihr Anteil an den Gesamtaufwendungen beträgt etwa 20 %. Ich meine, daß dieser Bereich gestärkt werden sollte.
Um so unverständlicher, Herr Kollege, ist ein Antrag der CDU/CSU-Opposition im Bundestagsausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit, mit dem diese für 1980 eine Kürzung der Mittel für die internationale Agrarforschung durchsetzen wollte. Ganz unverständlich wird es, wenn man bedenkt, daß Sie ein Jahr zuvor einen Erhöhungsantrag gestellt haben. Dies ist WI und Hott, aber kein Ausdruck für eine wirkliche Konzeption in der Entwicklungspolitik.
Drittens. Ein Schwerpunktprogramm dezentrale Industrialisierung und Mittelstandsförderung, damit die Landflucht eingedämmt und die durch die Auslandsinvestitionen häufig mitverursachten Verkrüppelungen und Deformationen der Wirtschaftsstrukturen in vielen Entwicklungsländern abgebaut werden. Bei der Industrialisierung sind ädaquate, angepaßte Technologien zu bevorzugen, was nicht immer mit arbeitsintensiven Technologien gleichzusetzen ist. In der Regel ist den Entwicklungsländern eine Strategiemischung von sogenannten „sanften" bis hin zu Spitzentechnologien zu empfehlen.
Viertens. Stärkung der Planungskapazität. Ein derartiges Schwerpunktprogramm sollte um so eher möglich sein, als bei uns seit Jahren ein Überangebot an planerischen Berufen aller Art besteht.
Ein solcher allgemeiner, schwerpunktorientierter Ansatz hat den Nebeneffekt, das abstrakte 0,7-Prozent-Ziel mit Inhalt zu füllen.
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat sich auch auf Grund von Anregungen, die aus der SPD-Arbeitsgruppe für Entwicklungspolitik stammen,
sehr eingehend mit den Möglichkeiten befaßt, das Verfahren der Entwicklungszusammenarbeit zu vereinfachen und zu beschleunigen, es also, kurz gesagt, zu entbürokratisieren.
Diese Bemühungen erbrachten zwar bislang keine
spektakulären Ergebnisse; das war auch nicht zu erwarten. Es ergab sich aber eine Vielzahl von einzelnen Verbesserungen, die in ihrer Summe doch einen beachtenswerten Fortschritt darstellen. Daran gilt es anzuknüpfen.
Die Erhöhung der Entwicklungshilfe ist auch mit der Bereitschaft der Entwicklungsländer verknüpft, interne Strukturprobleme zur Diskussion zu stellen und sie gegebenenfalls zu bereinigen. Hilfe von außen kann nur dann vollen Nutzen bringen, wenn die Entwicklungsländer entsprechende eigene Anstrengungen unternehmen.
Jetzt auch ein deutliches Wort zu Angola und Mozambique. Wir Sozialdemokraten sind in der Tat der Auffassung, daß fortschrittliche, reformorientierte Kräfte und Regierungen gefördert werden sollten. Aber ich halte es für eine ungeheuerliche Diffamierung, wenn hier gesagt worden ist, für die Entwicklung in Angola und Mozambique sei ein bestimmter Sozialdemokrat mitverantwortlich. Wer das zu verantworten hat, das sind die faschistischen, kolonialistischen Kräfte gewesen, die von Portugal, von Europa aus diese Länder nicht in die Unabhängigkeit entlassen haben.
Was will die Opposition? Diese Frage stellen sich viele. Bestehende Strukturen der internationalen Wirtschaftsordnung und des internationalen politischen Systems sollen ihrer Auffassung nach nicht angetastet werden. Die Bemühungen um Schmälerung der Wohlstandslücke zwischen Nord und Süd gelten als Gleichmacherei. Nein, eine solche Politik, könnte sie von Ihnen gemacht werden, würde langfristig den Interessen der Bundesrepublik und auch den Arbeitnehmern in diesem Land schaden.
Mit diesem Haushalt und mit den Schwerpunktsetzungen werden die Sozialdemokraten und die Freien Demokraten weiterhin konstruktive Beiträge zum Nord-Süd-Dialog leisten. Sie treten für die Schaffung gerechterer Verhältnisse ein. Ich bitte um Zustimmung zu dem Einzelplan 23.