Rede von
Anton
Pfeifer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich meine, daß die Rede, die der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hier gehalten hat, nicht unwidersprochen im Raum stehenbleiben kann.
Ich bitte Sie deshalb um Verständnis, daß ich einige wenige Bemerkungen dazu machen möchte.
Herr Minister Schmude, Sie haben soeben in Ihrem abschließenden Wort gesagt, Sie wollten sich weiter um die Fortschreibung des Bildungsgesamtplans bemühen und hoffen, daß die Verhandlungen möglichst bald zu einem Abschluß kommen. Wenn Sie weiter solche Reden halten wie soeben, dann werden Sie dieses Ziel nicht erreichen.
Denn solche Reden tragen nur dazu bei, unnötige Polarisierungen in die Diskussion hineinzubringen, und sie werden z. B. auch dem Beitrag, den die Länder in der letzten Bildungsdebatte hier geleistet haben — das waren alle Länder, ich betone das ausdrücklich —, absolut nicht gerecht.
Ich wünsche mir, daß Sie vom Stil her etwas mehr kooperativen Föderalismus sichtbar werden lassen.
Konkret möchte ich hinsichtlich des 18. Juni anfügen: Was am 18. Juni vereinbart wurde, war — das ist hier mehrfach gesagt worden — ein Verfahrenskompromiß
Die ganzen Schwierigkeiten seither sind u. a. deshalb aufgetreten, weil Sie versucht haben, aus diesem Verfahrenskompromiß einen Kompromiß in der Sache zu machen,
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indem Sie behauptet haben, damit sei der Streit um die Gesamtschule beendet. Ihre erste Einlassung nach dem 18. Juni hat diesen Verfahrenskompromiß von Anfang an negativ belastet. Das ist mit eine Folge auch der Pressekonferenz, die Sie anschließend gegeben haben.
Der Verfahrenskompromiß bestand darin, daß man festgestellt hat, man sei in der Frage der Gesamtschule unterschiedlicher Meinung, man wolle sich aber darum bemühen, über das Jahr 1981 hinaus zu einer Anerkennung der Gesamtschulabschlüsse in den Versuchsschulen zu kommen, daß aber Voraussetzung dafür die Gleichwertigkeit der Gesamtschulabschlüsse mit den Abschlüssen des gegliederten Schulwesens sei und der Maßstab dafür nur das bestehende gegliederte Schulwesen sein könne. Auf dieser Grundlage wollten die Kultusminister eine Vereinbarung treffen, die diese Vergleichbarkeit herstellt. Herr Minister Schmude, es ist doch nun oft genug gesagt worden, daß dann im Laufe des August — vor allem aus Nordrhein-Westfalen — gesagt wurde: Auf dieser Ebene geht es nicht. Der Maßstab kann nicht das gegliederte Schulwesen sein. Damit ist der Kompromiß, der Verfahrenskompromiß des 18. Juni, aufgekündigt worden, aber nicht etwa von Herrn Strauß oder von sonst jemandem in der Union, sondern in erster Linie von den sozialdemokratisch regierten Ländern.
Meine Damen und Herren, der Beweis dafür ist dann angetreten worden, als unmittelbar danach das Land Hamburg die integrierte Gesamtschule in einem Alleingang und gegen die Vereinbarung, die etwa im Hamburger Abkommen getroffen worden ist, zu einer Regelschule gemacht hat.
Dies ist doch eine Belastung der gesamten Verhandlungen über die Fortschreibung des Bildungsgesamtplans gewesen. Hier ist geradezu der Eindruck erweckt worden, als ob man die Konfrontation und nicht die Kooperation wolle.
Wenn Herr Strauß gesagt hat, daß er der Einführung der Gesamtschule als Regelschule nicht zustimmen werde, so bewegt er sich, meine Damen und Herren, auf dem Boden des von allen Ländern verabschiedeten Hamburger Abkommens.
Denn danach ist die Gesamtschule keine Regelschule.
Lassen Sie mich eine weitere Bemerkung machen: Sie haben sich hier wieder auf den Strukturbericht, den sogenannten Mängelbericht und auf die Notwendigkeit berufen, mehr Einheitlichkeit im Bildungswesen zustande zu bringen, und Sie haben den Kollegen Dr. Barzel mit seiner durchaus zutreffenden Bemerkung an die Adresse der Bundesregierung zitiert. Ja meine Damen und Herren, mehr Einheitlichkeit im Bildungswesen ist in der Tat ein Anliegen, das wir haben. Aber ich darf da noch einmal fragen: Wer hat denn in den letzten Jahren die Alleingänge, die zu den Divergenzen im Bildungswesen geführt haben, unternommen? Das Land Hamburg, das Land Berlin, das Land Bremen haben — gegen alle Abmachungen — die Gesamtschule als eine Regelschule eingeführt. In der Regierungserklärung des Jahres 1976 hat die Bundesregierung erklärt: Das Berufsgrundbildungsjahr hat Vorrang vor der Einführung eines 10. Schuljahres. Das Land Nordrhein-Westfalen hat — gegen alle bestehende Einheitlichkeit — inzwischen das 10. Schuljahr als Pflichtschuljahr an der Hauptschule eingeführt. Man könnte das Beispiel auch auf Berlin
mit den isolierten Oberstufenzentren ausdehnen. Wenn es in den zurückliegenden Jahren ein Auseinanderentwickeln in der Bildungspolitik unter den Ländern gegeben hat, dann doch in erster Linie deshalb, weil sich die sozialdemokratisch regierten Länder nicht an die vereinbarten Einheitlichkeitsgrundsätze gehalten haben!
Nun noch eine letzte Bemerkung: Sie haben bedauert, daß es in naher Zukunft nicht zu einer Anhörung über den Bildungsgesamtplan kommt.
Ich habe schon in der letzten großen bildungspolitischen Debatte hier darauf hingewiesen, daß es ja wohl noch eine große Divergenz zwischen der Ansicht der Finanzminister und der Ansicht der Kultusminister beispielsweise über die Entwicklung der Personalstellen im Lehrerbereich gibt. Was am Beginn dieser Woche in der Offentlichkeit bekannt geworden ist, war Ihnen schon lang bekannt gewesen. Die Zahlen sind übrigens auch hier genannt worden.
Das ist doch nun wirklich ein gravierender Konflikt, wenn auf der einen Seite die Kultusminister sagen: Wir können den Bildungsgesamtplan nur realisieren, wenn wir bis zum Jahr 1985 insgesamt etwa 20 000 Lehrer mehr bekommen, und auf der anderen Seite die Finanzminister sagen: Ihr werdet nicht 20 000 Lehrer mehr bekommen können, sondern wir bestehen darauf, daß der Bildungsgesamtplan auf der Grundlage von 20 000 Lehrern weniger verabschiedet wird. Es ist doch keine seriöse und solide Bildungsplanung, wenn der Versuch gemacht wird, auf dieser Grundlage einen Bildungsgesamtplan zu verabschieden.
Denn darauf legen wir schon Wert, daß zu einer seriösen und soliden Bildungsplanung auch deren Ab-
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Sicherung durch ein solides Bildungsbudget gehört, hinter dem die Finanzminister stehen.
Es wäre in meinen Augen gegenüber den Lehrerverbänden, gegenüber den Eltern, gegenüber den Schülern, gegenüber allen, die man mit diesem Bildungsgesamtplan und seiner Fortschreibung konfrontieren will, einfach unredlich gewesen, wenn auf der einen Seite Sie und die übrigen Mitglieder der Bund-Länder-Kommission gesagt hätten: Schaut mal her, diese Ziele wollen wir verwirklichenl; obwohl Sie auf der anderen Seite ganz genau wissen, daß die Finanzminister eine drastische Reduzierung der Personalstellen vornehmen wollen. So unredlich kann man eine Anhörung nicht beginnen.
Deswegen ist meine Meinung: Es wäre gut, wenn man sich im Interesse der Fortschreibung des Bildungsgesamtplans, die wir wünschen — ich wiederhole ausdrücklich: die wir wünschen — auf zwei Dinge konzentrieren würde:
Erstens darauf, daß die Auseinandersetzungen mit den Finanzministern zum Abschluß kommen. Ich erkläre, daß wir in diesem Fall der Meinung sind, daß wir mehr Lehrerstellen in den nächsten fünf Jahren brauchen. Denn wenn man einer weiteren Konzentration des Schulwesens entgegentreten will, wenn man für das berufliche Bildungswesen mehr und bessere Qualität in den Schulen haben will, wenn man mehr Ganztagsangebote auch im gegliederten Schulwesen haben will, dann setzt das natürlich voraus, daß mehr Personalstellen geschaffen werden. Hierüber muß zunächst einmal Einigkeit erzielt werden.
Das zweite: Gleichzeitig sollten die Kultusminister die Arbeiten an der Vereinbarung über die Gleichwertigkeit der Abschlüsse an Gesamtschulen und im gegliederten Schulwesen fortsetzen. Herr Minister, ich habe durchaus die Bitte, daß Sie diese Verhandlungen, die nach der Kultusministerkonferenz in Berlin auf einer vernünftigen Grundlage geführt werden, nicht weiterhin so stören, wie das in meinen Augen heute durch Ihre Rede geschehen ist.