Ich hatte einen höheren Ansatz ausgebracht, weil ich den für angemessen hielt. Ich glaube, diese Kürzung wird im kommenden Jahr noch zu verkraften sein, aber sie kann nicht den Plafond für die folgenden Jahre bestimmen. Das ist meine Meinung dazu.
Diese allmähliche Abnahme der Investitionskosten in den 80er Jahren kennzeichnet einen Zug zur Konsolidierung des äußeren Ausbaus des Bildungswesens und zur Konzentration auf den Innenausbau, die Innenarchitektur, wie Herr Kollege Meinecke das genannt hat: Das heißt, wir haben uns verstärkt um eine bessere Qualität in allen Bereichen des Bildungswesens zu bemühen. Dem entspricht ein erhöhter Ansatz für die überbetrieblichen Ausbildungsstätten — Qualitätssteigerung in der beruflichen Bildung. Dem entspricht ein neuer Ansatz für die Berufsbildung von Benachteiligten, insbesondere von Ausländerkindern. Dem entsprechen die erhöhten Modellversuchsmittel — wiederum mit einem Schwerpunkt bei der Ausländerkinderausbildung —, die erhöhten Mittel für die Sicherung der Grundlagenforschung und auch die erhöhten Mittel für den Ausbildungsaufenthalt im Ausland. Damit
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sind zugleich die Aufgaben der Bildungspolitik für die Zukunft in einigen wichtigen Beispielen genannt.
Die Bundesregierung ist in der Bildungspolitik vielfach darauf angewiesen — von Zuständigkeitsgrenzen war die Rede —, Anstöße zu geben, zum Beispiel in der Modellversuchspolitik. Frau Kollegin Benedix-Engler, ich bin ganz im Gegensatz zu Ihnen der Auffassung, daß diese Modellversuche ein bewährtes Instrument der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern sind. Ich bin froh, daß ich dieses Instrument in einem guten, ausgebauten Zustand von meinem Vorgänger, Helmut Rohde, übernommen habe.
Wenn Sie auf Modellregionen verweisen, empfehle ich Ihnen, sich an die Parteifreunde aus Ihren Ländern zu wenden, in denen diese Modellregionen noch praktiziert werden: in Niedersachsen, im Saarland und ih Rheinland-Pfalz. Mir werden Sie nicht verübeln, daß ich über gute Zusammenarbeit bei der Modellversuchspolitik mit den Ländern zufrieden bin, daß ich das gut finde.
Zugleich nimmt die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Mitwirkung an der Bildungsplanung gesamtstaatliche Verantwortung wahr für die Entwicklung des Bildungswesens im ganzen Bundesgebiet. Sie bemüht sich darum, daß bundesweit ein Mindestmaß an Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse auch im Bildungswesen geschaffen wird, daß Chancengleichheit und Freizügigkeit gewahrt bleiben.
In diesem Sinne hat die Bundesregierung 1978 den Bericht über die Probleme des föderativen Bildungswesens vorgelegt, den sogenannten Strukturbericht. Zu diesem Bericht hat uns Herr Ministerpräsident Goppel am 20. Oktober im Bundesrat gesagt — ich zitiere —:
Die Bundesregierung ist für den formellen Bericht unzuständig, ihr Verfahren zu seiner Erstattung ist verfassungswidrig, und ihre Vorschläge zur Änderung des Grundgesetzes sind es nicht weniger.
Ich freue mich, daß ich vor zwei Tagen hier Herrn Kollegen Barzel mit dem Appell an den Bundeskanzler hören konnte:
Herr Bundeskanzler, Sie stehen doch vor der .Pflicht, dem Verfassungsgebot der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse Rechnung zu tragen.
Und das war bezogen auf das Bildungssystem und verbunden mit der Aufforderung, Mängel zu beseitigen. Ich hoffe, meine Damen und Herren von der Opposition, daß dies einen Stimmungsumschwung bei Ihnen anzeigt, daß Sie diese Aufgabe der Bundesregierung, wie Herr Barzel es gesagt hat, doch bejahen. Sie haben Gelegenheit, bei der weiteren Behandlung des Berichts im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft und dann später auch im Plenum, unsere Forderung auf Abstellung dieser Mängel zu unterstützen.
Ein weiteres Vorhaben, für das sich die Bundesregierung — und das nahezu ohne Haushaltsauswirkungen — einsetzt, ist die Fortschreibung des Bildungsgesamtplans. Hier geht es nicht um Planspiele, nicht um einen neuen Kurswechsel, was immer man darunter versteht, hier geht es darum, daß Bund und Länder gemeinsame Vorstellungen über die Fortentwicklung und den Ausbau des Bildungswesens formulieren, Ziele festlegen, den Bedarf der Schüler, Auszubildenden und Studenten bestimmen. Da geht es z. B. um Ausbildungsplätze für die noch bevorstehenden starken Jahrgänge in der beruflichen Bildung und in der Hochschule, um die wohnortnahe Schulversorgung auch bei zurückgehenden Jahrgängen, um mehr Chancen für Ausländerkinder und andere benachteiligte und Problemgruppen.
Daß über den Mittelbedarf für diese Zwecke Meinungsverschiedenheiten zwischen der Finanz- und der Bildungsseite bestehen, dürfte man als selbstverständlich betrachten. Dies ist immer so, wenn neue Ziele bestimmt werden und wenn ein Bedarf geltend gemacht wird. Diese Meinungsverschiedenheiten werden auszutragen sein. Wir sind auf gutem Wege, das zu tun. Die Stellungnahme der Finanzministerkonferenz liegt vor. Dort behält man sich vor, zum Bildungsgesamtplan und seinen finanziellen Erfordernissen abschließend nach der Fortschreibung Stellung zu nehmen. Zugleich teilt uns der Vorsitzende der Finanzministerkonferenz mit, das Verfahren der Fortschreibung könne seinen Fortgang nehmen, die Anhörung könne stattfinden,
aber unter Berücksichtigung der Meinung der Finanzminister.
Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen auch nach der Sitzung, die Anfang der Woche in der Bund-Länder-Kommission stattgefunden hat, nicht mitteilen, daß dieser Anregung gefolgt wird, die ich Ihnen hier vorgetragen habe. Im Gegenteil, die Unionsseite hat erneut die Finanzfrage als Vorwand genutzt, um weiterhin zu verhindern, daß es zu einer Fortschreibung des Bildungsgesamtplans kommt.
Das ist die konsequente Fortsetzung der Blockade gemeinsamer Bildungspolitik, die wir seit Juni dieses Jahres zu verzeichnen haben.
Diese Blockade ist nicht sachbedingt, sie ist gezielt aus parteipolitischen Gründen herbeigeführt worden.
Ich habe mit Interesse am Dienstag dieser Woche gehört, daß sich Herr Ministerpräsident Strauß gegen den Vorwurf der Störung der gemeinsamen Bildungsplanung von Bayern aus zur Wehr gesetzt hat. In der Tat, er war es nicht allein. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich Mühe gegeben, ihn bei diesem Vorhaben tatkräftig zu unterstützen. Aber es muß doch erfolglos bleiben, wenn er bestreitet, daß von Bayern aus die Belastung der zukünftigen Bildungspolitik ausgegangen ist, daß sich unter dem
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Druck Bayerns eine Änderung der Unionslinie in der Bildungspolitik ergeben hat.
— Es ist ein erfolgloses Vorhaben, das zu bestreiten. Der in diesem Zusammenhang aufgebrachte Vorwurf der Lüge sollte besser vorsichtig benutzt werden. Er kann sehr leicht auf diejenigen zurückfallen, die ihn nutzen.
— Ich bringe Ihnen gleich ein paar Tatsachen.
Mir ist aufgefallen, daß diese von Ihnen noch niemals bestritten worden sind.
Ihnen tun die Bewertungen weh, aber zu den Tatsachen haben Sie nichts zu sagen.
— Wenn Sie etwas zu sagen haben, dann tun Sie es.
Wollen Sie bestreiten, frage ich Sie erstens,
daß am 18. Juni dieses Jahres nach langer sorgfältiger Vorbereitung
in der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung eine Einigung folgender Art herbeigeführt worden ist:
Toleranz bei der weiteren Einrichtung der Gesamtschulen oder ihrer Fortführung als Modellversuche und Einigung darauf, da man sich gemeinsam um die Sicherung und Anerkennung der Abschlüsse bemüht.
Als zweites wurde am 18. Juni ebenfalls fest vereinbart, daß der Bildungsgesamtplan noch in diesem Jahr fortgeschrieben werden soll, um mit der Fortschreibung nicht in das Wahljahr 1980 zu kommen, und daß die Anhörung der Betroffenen und ihrer Verbände am 30. Oktober stattfinden sollte. Dies ist gemeinsam von allen dort vertretenen Ministern vereinbart worden, eine gemeinsame Haltung.
Und dann: Wollen Sie bestreiten, daß es in den nächsten Tagen, noch im Juni dieses Jahres, bei der
CDU/CSU, bei Ihnen, zu einer Ablehnung dieses Vorhabens gekommen ist, aber sehr viel deutlicher zu einem Aufruhr in der CSU und zu einem brüsken Widerspruch beim bayerischen Ministerpräsidenten Strauß?
— Herr Präsident, ich hatte gesagt, ich wollte zwei Fragen zulassen. Jetzt bitte nicht mehr, sonst wird es zu lang.
Als Beleg will ich Ihnen einige Zitate bringen, damit dieses Ihr Bestreiten endlich einmal ausgeräumt wird. Das erste Zitat ist aus der „Süddeutschen Zeitung" vom 21. Juni dieses Jahres:
Dem Vernehmen nach griff Strauß zu Beginn das Kultusministerium hart an,
warf ihm vor, daß nunmehr die Gesamtschule auch in Bayern eingeführt sei
und nun Anlaß zu einer Sondersitzung des Kabinetts bestehe. Die bayerischen Vertreter in der Bund-Länder-Kommission hätten sich von Sozialliberalen und CDU
— und CDU! —
überrumpeln lassen. Sie sollten sich künftig vor solchen Sitzungen eingehender mit der Materie befassen und ihn, den Ministerpräsidenten, einschalten.
Nun zum zweiten Zitat. Sie haben eben widersprochen, als Frau Schuchardt Ihnen das Zitat des bayerischen Ministerpräsidenten mit der Gesamtschule — „weder in Bayern noch sonstwo" — brachte. Ich lese Ihnen das aus der „Welt" vom 21. Juni vor:
Unmißverständlich stellte Strauß klar: "Bayern wird der Einführung der Gesamtschule als Regelschule weder in Bayern noch anderswo zustimmen."
Ein Dementi habe ich nirgend gesehen.
Und das hat ja wohl sehr schnell gewirkt, denn schon im selben Artikel konnte die „Welt" über den Kultusminister Maier berichten, er habe — auch vor dem 21. Juni — wörtlich erklärt:
Man kann noch nicht davon sprechen, daß ein Kompromiß erzielt wurde.
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Und ein Sprecher seines Ministeriums sagte zur „Welt":
Der große Streit steht noch bevor.
Die Diskussion ist offenbar im Juni so ausgegangen, wie uns die „Süddeutsche Zeitung" am 27. Juni berichtete
— hören Sie sich das an, das wird Ihnen nicht gefallen, aber es stellt den Sachverhalt klar —: — —
— Das verlängert nur die Debatte.
Ich zitiere also wörtlich aus der „Süddeutschen Zeitung" vom 27. Juni:
Entgegen der von der Staatssekretärin Mathilde Berghofer-Weichner bei der Sitzung der Bund-Länder-Kommission für Bildungsfragen und der darauffolgenden Zusammenkunft der Kultusminister bekundeten Haltung verweigerte der CSU-Arbeitskreis unmißverständlich seine Zustimmung zu einer Fortschreibung in der gegenwärtig vorliegenden Form.
Das war dann dort in München der Abschluß der Debatte noch im Juni.
Daraufhin wurde unter Führung Bayerns der Antrag auf eine Sondersitzung dieser Bund-Länder-Kommission gestellt. Anfang Oktober mußte der Anhörungstermin aufgehoben werden und mußte das weitere Verfahren der Fortschreibung gestoppt werden.
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen das auch deshalb so ausführlich erklärt, weil hier vor zwei Tagen wieder gesagt worden ist, Hamburg sei schuld,
der Hamburger Gesetzesbeschluß trage hier Verantwortung.
Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Wo war denn im Juni von einem Hamburger Gesetzesbeschluß zur Gesamtschule die Rede?
Wo war das denn absehbar, als Sie sich damals schon darauf festgelegt hatten, den Bildungsgesamtplan so, wie wir ihn im Kreise der Minister vereinbart hatten, nicht zu wollen?
Entsprechend ging es dann weiter. In der nächsten Sitzung der Bund-Länder-Kommission am 15. Oktober gab es keinerlei Fortschritt und keine Aussicht auf eine Förderung der Arbeiten an der Fortschreibung,
es gab keinen neuen Anhörungstermin. Aber etwas Neues gab es doch, meine Damen und Herren: Ihr Parteifreund Werner Remmers trat demonstrativ von seinem Amt als stellvertretender Vorsitzender dieser Konferenz zurück.
Er sagte, er könne den scharfkantigen Konfrontationskurs nicht länger vertreten.
Sie haben eben schon von Frau Schuchardt gehört, was er dazu im einzelnen ausgeführt hat.
Nicht ich spreche jetzt, sondern ich zitiere in Ergänzung zu Frau Schuchardt noch einen Satz aus dem Brief von Herrn Remmers:
Man meinte auch,
— bezogen auf Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion —
diese Zeit vor der Bundestagswahl
müsse nun einmal die Zeit harter bildungspolitischer Konfrontation sein.
Solche Zitate überführen Sie doch, und Ihre Unruhe und Ihre Zwischenrufe zeigen, daß Sie das sehr wohl merken.
Ich führe das alles aus, weil wir am Montag dieser Woche, am 10. Dezember, erneut eine Sitzung hatten, wo es wiederum keinen Fortschritt gab, wo die Unionsseite auf Ministerebene wiederum durch
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Herrn Maier aus Bayern und Herrn Herzog aus Baden-Württemberg vertreten waren.
Herr Remmers fehlte, Frau Laurien fehlte, Herr Jochem fehlte; mit anderen Worten: die harte Linie hat sich dort voll durchgesetzt.
Ihr Kanzlerkandidat mag es bedauern, als Urheber dieser Entwicklung namhaft gemacht zu werden; aber der von ihm erzwungenen Entwicklung läßt er freien Lauf. Er muß sich dafür verantwortlich machen lassen und wird sich dem auch nicht durch Bestreiten oder Leugnen, sondern nur durch Einlenken in der Tat entziehen können.
Überhaupt muß sich der bayerische Ministerpräsident, Ihr Kanzlerkandidat, fragen lassen, was auf diesem Hintergrund von seiner Kanzlerschaft für die gemeinsame Bildungspolitik von Bund und Ländern zu erwarten wäre.
Würden wir dann Blockade, Uneinigkeit und Streit als Dauerzustand bekommen? Die bisherige Haltung des Freistaats Bayern läßt das befürchten. Denken wir an die von dort erzwungene Auflösung des Bildungsrates! Denken Sie daran, daß Bayern als einziges Land dem in langer Arbeit ausgehandelten Abkommen zur Abstimmung der betrieblichen und schulischen Berufsbildung im vergangenen Jahr nicht zugestimmt und es dadurch zum Scheitern gebracht hat!
Oder nehmen sie das neueste Beispiel: Wir werden in Kürze — damit rechne ich nach der Haltung des Hauses — die Zwangsexmatrikulation im Hochschulrahmengesetz abschaffen. Bayern hat bereits, auch wieder als einziges Land, erklärt, daß es daran festhalten werde. Für die Schüler, für die Auszubildenden, die Studenten, die Lehrer und die Eltern ist das sicher keine Einladung, die CSU-Position bundesweit zu stärken.
Ich hätte Ihnen gern vom Abschluß der Arbeiten am Bildungsgesamtplan berichtet. Ich werde mich weiter um diesen Abschluß bemühen. Im Interesse der Betroffenen appelliere ich trotz Ihrer Erregung an Sie: Geben Sie die Blockade gemeinsamer Bildungspolitik endlich auf!