Das ist nicht ganz zutreffend, aber ich komme auf den Punkt später einmal zurück.
Zunächst komme ich auf die vorliegenden Zahlen zu sprechen. Im Vergleich zu anderen Ländern der Europäischen Gemeinschaft — dies ist ein wichtiger Maßstab — nimmt die Bundesrepublik in der allgemeinen Forschungsförderung, so der Begriff der OECD, unter dem die Grundlagenforschungsbereiche zusammengefaßt sind, innerhalb der Europäischen Gemeinschaft den ersten Platz ein. Bei uns sind es 43 % der staatlichen, von Bund und Ländern finanzierten Forschungs- und Entwicklungsaufgaben, die in diesem Bereich lokalisiert sind. Nur wenige Vergleichszahlen: Während es bei uns 43 sind, sind es in Frankreich 24 % und in Großbritannien 20 %. Von einer Unterdotierung der Grundlagenforschung kann deshalb überhaupt keine Rede sein, und deswegen halte ich es auch nicht für redlich, bei diesen Zahlen von einer Vernachlässigung der Grundlagenforschung zu sprechen.
Der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Professor Maier-Leibnitz, hat kürzlich festgestellt, die Bereitstellung der sehr erheblichen Mittel für die Förderung der Grundlagenforschung ohne Zweckbindung im einzelnen und in voller Entscheidungsfreiheit der wissenschaftlichen Selbstverwaltung sei ein Ruhmesblatt der Wissenschaftspolitik der Bundesrepublik Deutschland. Darin hat er alle Parteien eingeschlossen. Ich meine, dieses Erbe verwalten wir gemeinsam, und wir sollten auch gemeinsam dazu beitragen, daß es so bleibt. Ich halte das für gut.
Ihr zweites Argument, Herr Kollege Stavenhagen, bezog sich auf die Solarenergie. Sie haben gesagt, da müsse zukunftsorientierter gearbeitet werden, eine längerfristige Orientierung sei notwendig. Zugleich haben Sie die Projekte kritisiert, die derzeit durchgeführt werden. Ich möchte dazu folgendes sagen: Gerade auf dem Gebiet der Photovoltaik, also der Direktumwandlung von Sonnenenergie in elektrischen Strom, nimmt die Bundesrepublik — mit einem zugegebenermaßen sehr ehrgeizigen, sehr risikoreichen Projekt — derzeit die internationale Spitzenstellung ein. Sie wird den Versuch unternehmen, im Zeitraum von etwas acht Jahren das Preis-Leistungs-Verhältnis für Solarenergiezellen im Verhältnis 1 : 100 zu verbessern. Das ist in der Tat ein sehr ehrgeiziges Ziel, aber wir sind auf diesem Weg schon ein ganz großes Stück vorangekommen. Offensichtlich sind Sie über dieses Projekt nicht informiert; ich will das gerne nachholen.
Wenn Sie sagen, der Sonnenturm beispielsweise -- Sie hätten auch die Sonnenfarm nehmen können; internationale Projekte, die durchgeführt werden, an denen sich übrigens nicht nur die Bundesrepublik, sondern auch acht Länder der Internationalen Energie-Agentur beteiligen — sei nicht wirtschaftlich, so ist da etwas dran. Aber ich glaube, daß es widersprüchlich ist, zu fordern, man solle sehr, sehr langfristige Orientierungen vornehmen, gleichzeitig aber kurzfristig die Wirtschaftlichkeit erreichen. Das geht nicht; da muß man sich entscheiden. Wir haben uns dafür entschieden — ganz entsprechend der Feststellung von Herrn Laermann =, mit staatlicher Förderung die risikoreichen Bereiche zu erschließen, die kurzfristig eben noch nicht wirtschaftlich sind, die aber dann, wenn technische Durchbrüche gelingen, doch einen ganz erheblichen Beitrag gestatten. Es sind ja nicht nur wir, die auf diesem Gebiet arbeiten. Warum tun dies beispielsweise die Vereinigten Staaten von Amerika?
Also, bitte schön, ein bißchen mehr Ausgewogenheit auch in der Kritik!
Wir gehen in der Forschungs- und Technologiepolitik auf dem Energiesektor von folgenden Grundsätzen aus:
Die Versorgung mit Cl und später mit Gas wird unsicherer und vor allem teurer werden. Die Dritte Welt braucht das 01 als Überlebensvoraussetzung. Neue Energiequellen werden bis zur Jahrtausendwende sicherlich einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgung leisten können, aber ganz ohne Zweifel nicht in der Lage sein,. die Probleme umfassend zu lösen. Die Kernenergie und deren weitere Nutzung hängen vor allein von der schrittweisen Lösung des Entsorgungsproblems ab. Schnellbrutreaktoren und Hochtemperaturreaktoren werden vor der Jahrtausendwende kaum nennenswerte Beiträge zur Energieversorgung leisten. Sie sind heute noch sehr wichtige, entscheidende Optionen, aber noch keine langfristigen Möglichkeiten. Die Kohle
15374 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979
Bundesminister Dr. Hauff
wird der wichtigste heimische Energieträger der Zukunft werden, der sowohl als Rohstoff als auch zur Strom-, Wärme- und Kraftstoffversorgung Anwendung finden wird, besonders in veredelter Form. Gerade dieser Bereich hat ja in den letzten Jahren mit den höchsten Mittelaufwuchs gehabt.
Die wichtigste Energiequelle wird aber die rationelle Energieverwendung sein, das heißt der Versuch, die gleiche Energiedienstleistung mit weniger Primärenergie zu erreichen. Darauf müssen wir uns konzentrieren; diese Arbeiten müssen wir durchführen. Da können wir keine Politik des Abwartens praktizieren. Das, worauf es zuerst ankommt, ist das Energiesparen; damit gilt es wirklich ernst zu machen. Weiter kommt es auf die Nutzung der Kohle, der Sonne und des Windes an, all dessen, was an regenerierbaren Energiequellen in der Diskussion ist.
Aber auch die Kernenergie ist in diesem Zusammenhang zu nennen, und zwar mit einer klaren, dreifachen Zielsetzung: glaubwürdige Nichtverbreitungspolitik, Lösung der Entsorgungsfrage, und zwar die praktische Lösung — nicht nur in der Form, daß wir Konzepte vorlegen, sondern wir müssen schrittweise vorankommen: in der Frage des Endlagers, in der Frage der Technik, die zur Konditionierung oder zur Wiederaufarbeitung der BrennStoffe einzusetzen ist —, und Reaktorsicherheit. Herr Kollege Stavenhagen, ich warne dringend vor der Argumentation, die Sie heute vorgetragen ha- ben: daß eine Reduzierung der Reaktorsicherheitsforschung damit begründet wird, daß wir hier schon restlos befriedigende Zustände erreicht haben; dann würde nämlich auch der Umkehrschluß gelten. Vielmehr stehen wir im Kernenergiebereich vor der Notwendigkeit, immer und immer wieder zu fragen, wie wir das Risiko, mit dem die Kernenergie ohne Zweifel verknüpft ist, noch kleiner machen können. Da wird es kein Ende geben, sondern dies werden wir uns immer wieder neu zu fragen und voranzutreiben haben.
Wir brauchen eine langfristige Orientierung auf die wirklichen Zukunftsprobleme hin, die sich in Wirtschaft und Gesellschaft stellen und die mit Hilfe der Forschungspolitik befriedigend gelöst werden können oder zu deren Lösung die Forschungspolitik mindestens einen wichtigen Beitrag leisten kann. Wir sind der Auffassung, daß die Mittel, die für die industrielle Forschungsförderung bereitgestellt werden können, zu einem überwiegenden Anteil gezielt auf langfristige Forschungsschwerpunkte im Sinn einer Vermeidung bzw. Abmilderung von absehbaren Engpaßsituationen eingesetzt werden sollen.
Ich will gar nicht über den Markt und die Notwendigkeit des Marktes mit Ihnen rechten. Ich glaube, daß wir da gar keinen Streit kriegen würden. Bitte, nennen Sie mir doch die Bereiche, wo wir derzeit fördern, von denen Sie der Meinung sind, sie sollten nicht gefördert werden: bei der künftigen Energie-und Rohstoffversorgung, bei möglichst rationellem und langfristig zuträglichem Umgang mit den Vorräten der Natur, bei der technischen Beherrschung und sozialen Einbettung der Möglichkeiten beispielsweise der modernen Elektronik oder der modernen Informationstechnologie, bei der Weiterentwicklung bestimmter industrieller Schlüsseltechnologien von der Materialforschung über die Biotechnologie, die Luftfahrt, die Meerestechnik bis hin zu ausgewählten Vorhaben der Fertigungstechnik, bei dem Problem des Umweltschutzes und der Umweltgestaltung, bei der Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur einschließlich des Wohnungs- und des Städtebaus und auch bei der Humanisierung des Arbeitslebens und der Verbesserung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Bevölkerung. Dies sind die Zukunftsaufgaben, vor denen wir stehen, die wir lösen müssen und wo wir dann auch fragen müssen: Welches Instrument ist am ehesten geeignet, dieses Problem zu lösen?
Direkte und indirekte Forschungsförderung sind überhaupt kein Gegensatzpaar. Das wurde wirklich eingehend genug nachgewiesen. Wenn Sie der Meinung sind, daß in einem Bereich zuviel geschieht, dann wird Ihre Kritik nur dann glaubwürdig, wenn Sie sie durch entsprechende Hinweise einlösen, welche Art der direkten Forschungsförderung Ihres Erachtens abgebaut werden soll. Wenn Sie dazu konkrete und praktische Vorschläge vorlegen, kommen wir einen erheblichen Schritt in der Diskussion weiter.