Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Stavenhagen, Sie haben der Bundesregierung kleinkarierte Forschungspolitik vorgeworfen. Ich möchte aber auch zu Ihren Ausführungen sagen, daß sie sich von Kleinkariertheit nicht wesentlich unterschieden haben. Außer sehr starken Worten haben Sie zur Sache und zum Problem der Forschungspolitik auch nicht allzuviel gesagt. Sie haben mit Schlagworten um sich geworfen: Selbstbedienungsladen, Gutachterfilz, Trägheit der Etablierten usw. Sie haben Horrorszenarien aufgebaut. Sie haben hier den Exodus der Wissenschaftler beschworen. Tatsache ist doch, daß sogar international höchst anerkannte Wissenschaftler die Möglichkeit suchen, in unserem Land zu forschen, Nobelpreisträger und andere.
Das sollten Sie dabei bitte berücksichtigen. Im übrigen ist aber, wie ich meine, internationaler Austausch von Wissenschaftlern eine ganz wichtige Sache und sollte unser ernsthaftes Anliegen sein.
Lassen Sie mich versuchen, meine Damen und Herren, auf die Forschungspolitik und den Einzelplan 30 zurückzukommen. Die Bedeutung, welche die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen der Wissenschafts-, der Forschungs- und der Technologiepolitik beimessen, ist u. a. — ich betone: nicht ausschließlich — auch aus den Haushaltsansätzen für diese Bereiche abzulesen. Dabei dürfen wir eben nicht nur den Einzelplan 30 sehen, sondern müssen die entsprechenden Ansätze im gesamten Bundeshaushalt berücksichtigen.
So ist für 1980 eine Steigerung von rund 7,5 % auf rund 7,9 Milliarden DM vorgesehen — ohne die Forschung im militärischen Bereich. Das bedeutet eine überproportionale Steigerungsrate gegenüber dem Gesamthaushalt, die trotz der Notwendigkeit der Konsolidierung auch in der mittelfristigen Finanzplanung fortgeschrieben wird.
Mit derzeit rund 2,2 % Anteil der Wissenschafts-
und Forschungsausgaben am Bruttosozialprodukt ist die Bundesrepublik wieder in die vorderste Linie der Wissenschaftsnationen aufgerückt.
— Das ist verantwortliche Sicherung der Zukunft, meine verehrten Kollegen von der Opposition, eine auf die Zukunft unseres Landes ausgerichtete Politik.
Unsere politischen Ansätze zur Förderung von Wissenschaft und Forschung sind darauf ausgerichtet, die Lebensbedingungen in unserem Lande und in der Welt zu sichern und fortzuentwickeln. Diese Politik, die diese Bundesregierung, gestützt von den Koalitionsfraktionen, auf diesem Gebiet betreibt, dient der Erhaltung und Stärkung unserer Volkswirtschaft und damit der Erhaltung des hohen Lebensstandards.
Durch Entwicklung und Umsetzung neuer Technologien, der Entwicklung neuer Produktionsverfahren und neuer, intelligenterer Produkte ist der unvermeidbare Strukturwandel zu unterstützen und zu fördern, um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft zu verbessern, um die physischen und psychischen Arbeitsbedingungen, um die geistige, soziale und ökologische Umwelt zu verbessern und zu erhalten, um die Energie- und Rohstoffversorgung zu sichern, die Versorgung mit den Rohstoffen, die nur begrenzt. verfügbar sind. Diese Ressourcen müssen geschont und zum Teil auch substituiert werden. Darauf richten sich viele Forschungsansätze.
Aber diese Politik beschränkt sich eben nicht nur auf Naturwissenschaft, Technik und Wirtschaft. Sie darf sich nicht darauf beschränken, sondern muß auch die Geisteswissenschaften einbeziehen. Sie muß zunehmend stärker auf die begleitende Wirkungsforschung ausgerichtet werden. Folgen und Auswirkungen neuer Entwicklungen in allen Bereichen des Lebens und der Politik sind in interdisziplinärer Kooperation aller Wissenschaftsbereiche zu untersuchen, um nachteilige Folgen vor allem auf ökologischem und sozialem Gebiet, um Risiken aus der Entwicklung und Nutzung neuer Technologien rechtzeitig aufzuzeigen und abzuwehren. Deshalb, meine ich, ist eine stärkere Förderung der sozialwissenschaftlichen Forschung unverzichtbar, ist die Friedens- und Konfliktforschung so wichtig.
Hier möchte ich ausdrücklich noch einmal zutiefst bedauern, daß zwei Bundesländer, Bayern und Niedersachsen, den Vertrag mit der Deutschen Ge-
15370 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979
Dr.-Ing. Laermann
sellschaft für Friedens- und Konfliktforschung aufgekündigt haben.
Das sollte schleunigst rückgängig gemacht werden. Wenn hier Kritik angebracht ist, sollten wir tins gemeinsam darum bemühen, die Kritikpunkte auszuräumen. Aber es geht um die Sache, und die verdient es, fortgesetzt zu werden.
Deshalb ist auch das Programm zur Humanisierung der Arbeitswelt so enorm wichtig. — Herr Kollege Stavenhagen, ich hoffe, wir sind da im Prinzip einer Meinung. Natürlich verkennen wir nicht die berechtigten Ansätze zur Kritik an der Organisation und an dem Ablauf einzelner Projekte.
Daraus müssen Konsequenzen gezogen werden; da stimme ich mit Ihnen überein.
Wir dürfen aber nicht das Programm insgesamt und seinen Ansatz negativ beurteilen.
Lassen Sie mich im Hinblick auf die begrenzt verfügbare Zeit nur einige, wie mir scheint, wichtige Bereiche aufgreifen.
Ich möchte zunächst etwas zur Grundlagenforschung sagen. In den letzten Tagen ist auf Grund der Beschlüsse des Haushaltsausschusses zu den Personalstellenanforderungen der Forschungsinstitutionen Kritik laut geworden. Es heißt, die Sparbeschlüsse desavouierten die Bekenntnisse des Parlaments zur Bedeutung der Grundlagenforschung. Für meine Fraktion kann ich nochmals ausdrücklich die Wichtigkeit der Grundlagenforschung unterstreichen.
— Herr Kollege Haase, darf ich Sie vielleicht um einen Moment Geduld bitten, bis ich zu dem Anliegen komme, daß Sie hier offenbar zu Begeisterungsausbrüchen veranlaßt.