Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Just nachdem diese familienpolitische Debatte durch den, wie ich meine, hervorragenden Beitrag
15352 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979
Glombig
des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit — das wird Ihnen hoffentlich aufgefallen sein —
eine, wenn Sie so wollen, größere Tiefe
erreicht hatte, die beachtenswert war, hat Frau Verhülsdonk das Niveau dieser Debatte in einer Weise beeinträchtigt, die, wie ich finde — ich muß das ganz offen sagen —, außerordentlich bedauerlich ist.
Ich erlebe es zum zweiten Mal, meine Damen und Herren — leider ist Frau Verhülsdonk nicht hier; sie kommt sicherlich noch, hoffentlich nicht erst dann, wenn ich mit meiner Rede fertig bin; sie hat ihre Rede hier zwar schon gehalten, aber es wäre ganz gut, wenn sie auch das hören würde, was ich zu sagen habe
— ich hoffe es sehr, Herr Kollege Franke —,
daß Frau Verhülsdonk die Fragen der Familienpolitik hier in einer im Grunde genommen recht lieblosen und kalten Weise
und damit in einer ideologischen Art und Weise abgehandelt hat, die, so meine ich, unsere schärfste Zurückweisung erfahren muß.
Das erste Mal geschah dies vor einigen Jahren in Zusammenhang mit der Debatte über die Neuordnung des § 218 hier in diesem Hause; ich kann mich an diese Debatte sehr gut erinnern. Ich bedaure es deswegen, weil ich mit Frau Verhülsdonk sonst — vor allem auch in der Regierungskommission über die Neuordnung der Hinterbliebenenversorgung — außerordentlich gut zusammengearbeitet habe und es für mich immer ein Vergnügen ist, mit ihr sachlich zusammenzuarbeiten. Bei solchen Gelegenheiten aber erlebe ich dann, daß sie — ich darf das einmal so nennen — ausflippt.
Ich habe den Eindruck — ich behaupte ja nicht, daß es so ist —, daß Frau Verhülsdonk bei solchen Gelegenheiten etwas Reaktionäres an den Tag legt, das einer entsprechenden Würdigung bedarf.
Meine Damen und Herren, die Familienpolitik stand schon immer im Mittelpunkt unserer Politik, im Mittelpunkt der sozialdemokratischen Politik.
Der CDU/CSU allerdings dient die Familienpolitik zu überhaupt nichts anderem lesen Sie das demnächst einmal alles nach — als dem planmäßigen und bewußten Versuch, die Sozialdemokraten zu diffamieren.
Das ist aber auch alles, fast alles, was Sie in solchen Debatten zur Sache beizutragen haben.
Es handelt sich also bei Ihnen — nicht bei uns! — nicht um Politik, sondern — im wahrsten Sinne des Wortes — um Ideologie und um Polemik.
Das war übrigens auch schon zu Kaisers Zeiten so; das ist gar keine neue Erscheinung.
Schon damals, Herr Kollege, haben die Reaktionäre mit Schlagworten wie Kollektivismus und Verstaatlichung der Familie Ängste vor den Sozialdemokraten geschürt.
Das ist in jahrzehntelanger Politik nachzulesen, nachzuprüfen. Heute entblödet man sich in der Ideologie der CDU/CSU nicht,
auf der einen Seite von Verstaatlichung der Familie zu reden, auf der anderen Seite aber ein Familiengeld, d. h. im Grunde genommen ein Familiengehalt zu fordern. Wenn das nicht eine Art von Verstaatlichung der Familie ist, dann gibt es wohl überhaupt keine! Während also Konservative nur Emotionen aufgepeitscht und Ängste geschürt haben, meine Damen und Herren, haben Sozialdemokraten wirklich dafür gesorgt, daß für die Familien etwas getan wurde.
Dafür zeugt, wie gesagt, die Geschichte der Arbeiterbewegung seit dem 19. Jahrhundert. Ich will so weit nicht zurückgehen. Aber ich will den neuesten Abschnitt der Geschichte doch etwas intensiver beleuchten. Das fängt übrigens mit dem Verbot der Kinderarbeit an
— nun kann man ja nicht so tun, als hätte man damit überhaupt nichts zu tun gehabt oder nichts zu tun —, dem Acht-Stunden-Tag, dem Mutterschutz, dem Frauenwahlrecht, dem kostenlosen Schulbesuch für alle und geht bis zu den Leistungen der sozialliberalen Koalition wie der Reform des Familienlastenausgleichs. Dazu haben Sie 1965 das einzige überhaupt beigetragen; es ist, wie ich meine, zu Recht in Vergessenheit geraten. Was sonst auf dem Gebiet des Familienlastenausgleichs geleistet wur-
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de, ist in den letzten zehn Jahren durch die sozialliberale Koalition geleistet worden.
Das wollen Sie bei den Menschen draußen vergessen machen, Herr Blüm!
. Ich finde, das ist so ungeheuerlich
— Eingeführt haben Sie es.
Eingeführt hat der Deutsche Bundestag den Familienlastenausgleich.
— Der Anteil der Sozialdemokraten daran ist ja nicht unerheblich. Aber Sie haben nichts zur Weiterentwicklung dieses Familienlastenausgleichs seitdem beigetragen. Gerade das ist der Vorwurf, den Sie uns hier machen. Das ist doch eine Geschichtsklitterung. Das ist doch mit den wahren Verhältnissen nicht in Übereinstimmung zu bringen!
Ich erinnere in diesem Zusammenhang —