Rede von
Udo
Fiebig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Burger hat die Auseinandersetzung im Grundsätzlichen gesucht, und ich bin der Meinung, daß ihm auch im Grundsätzlichen geantwortet werden soll.
Herr Kollege Burger, ich zitiere eine Stimme, die sicherlich unverdächtig ist, wenn es um die Fortschritte in der Familienpolitik in den 70er Jahren geht. Ich zitiere die Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen, die am 12. Dezember 1978 festgestellt hat:
Das jetzt zu Ende gehende Jahr 1978, das 25. im
Leben der Evangelischen Aktionsgemeinschaft
für Familienfragen, hat familienpolitisch mehr Veränderungen und Fortschritte gebracht oder wenigstens eingeleitet
als je ein Jahr zuvor.
Und Sie wissen ganz genau, daß das Jahr 1979 ganz entscheidende Verbesserungn für die Familien in unserem Lande gebracht hat.
Herr Kollege Burger, ich wende mich ganz grundsätzlich gegen Ihre Vorwürfe, eine sozialdemokratische Familienpolitik bedeute Zersetzung oder Zerstörung der Familie oder ähnliches. Herr Kollege Burger, nehmen Sie es mir bitte ab: Auch wir Sozialdemokraten kommen aus abendländischen Traditionen, auch bei uns ist die christliche Tradition zu Hause. Schlagen Sie bitte unser Godesberger Programm auf, dann werden Sie dort finden, daß sich in dieser Partei Menschen zusammenfinden, die gemeinsam politische Ziele verfolgen, getragen sei es aus dem Geiste der Bergpredigt, sei es aus dem der klassischen Philosophie, sei es aus dem des Humanismus. Sie werfen uns vor, wir wollten gegen das verstoßen, was über Jahrhunderte und Jahrtausende gewachsen ist. Bitte, Herr Kollege Burger, tun Sie das doch nicht!
Sehen Sie, ich könnte ja nun auch in Ihren Unterlagen kramen und könnte etwas hervorholen. So respektiere ich z. B., daß Sie in der Drucksache 8/478 die Bundesregierung nach der Entwicklung der Bevölkerung in unserem Lande gefragt haben. Dann aber fragt Ihre Fraktion nach der Nettoreproduktionsrate des deutschen Volkes;
Herr Kollege Burger, welch ein Geist spricht aus dieser Sprache!
Unter Nr. 12 dieser Anfrage sagen Sie,
daß die sich zur Zeit abzeichnende Entwicklung der deutschen Bevölkerung Anlaß zu größten Besorgnissen nicht nur im Hinblick auf Wachstum, Beschäftigung und Gewährleistung unseres Systems der sozialen Sicherung, sondern den weiteren Weg der Bundesrepublik Deutschland und die langfristige Wahrnehmung ihrer nationalen und übernationalen Aufgaben gibt.
Herr Kollege Burger, ich frage Sie: Sind denn Kinder nur dazu da, wirtschaftliches Wachstum zu sichern? Das haben Sie nämlich an die erste Stelle gesetzt.
Oder sind Kinder dazu da, die nationalen Aufgaben langfristig wahrzunehmen? Nein, Herr Kollege Burger, Kinder haben für uns eine ganz andere Aufgabe. Kinder sind entscheidend für das Glück von Familien in unserem Lande.
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 15339
Fiebig
Es kommt darauf an, daß sich in unseren Familien Liebe und Geborgenheit entwickeln können, daß die Menschen da ein Zuhause finden. Und da, so meinen wir, kann Politik helfen.
Das ist z. B. auch eine Frage der Wohnverhältnisse. Schauen wir uns doch einmal die schrecklichen Wohnsilos mit 12 und mehr Stockwerken an!
Wie unmenschlich ist es doch, daß dort Familien mit Kindern wohnen. Da müssen wir ansetzen,
damit wir Bedingungen entfalten, unter denen Familien leben können.
— Ich glaube, es gibt in der Bundesrepublik sehr verschieden regierte Bundesländer, und wir alle gemeinsam könnten uns fragen, wer denn in den einzelnen Bundesländern eine solche Wohnungsbaupolitik zu verantworten hat.
Herr Kollege Burger, nehmen Sie doch bitte, wenn Sie die sozialdemokratischen Positionen abfragen, unsere Papiere zur Hand. Ich habe hier ein Papier, das wir auf dem Berliner Parteitag eingebracht haben. Es trägt den Titel „Grundsatzfragen der Familienpolitik" und enthält Diskussionsvorschläge zu Fragen der Familienpolitik. Dieses Papier wird jetzt in unserer Partei diskutiert und wird auf dem nächsten Parteitag im Jahre 1980 vor den Bundestagswahlen behandelt. Dann werden wir prüfen, welche Vorschläge aus diesem Papier realisierbar sind.
Ich habe Ihnen versprochen, die Auseinandersetzung im Grundsätzlichen zu führen. Deshalb zitiere ich aus dem ersten Teil dieses SPD-Papiers „Grundsatzfragen der Familienpolitik”:
Familie und Ehe sind tragende Formen menschlichen Zusammenlebens. Trotz aller Wandlungen, die sich auch im Bereich der Familie vollzogen haben, sucht der einzelne in der Familie Geborgenheit, Verständnis und verläßliche menschliche Beziehungen. Die SPD bejaht die Ehe und die Familie und sieht in ihnen erstrebenswerte Formen des Zusammenlebens. Besondere Aufmerksamkeit sozialdemokratischer Familienpolitik gilt dem Kind als dem schwächsten Glied der Gesellschaft.
Herr Kollege Burger, wenn Sie sich mit uns Sozialdemokraten auseinandersetzen wollen, dann beziehen Sie sich bitte auf diese Aussagen und erklären nicht, wir wollten die Familie durch andere Funktionen ersetzen! Nichts liegt uns ferner als das.