Gegen Zwischenrufe habe ich überhaupt nichts. Ich habe mich sogar mit meinem Kollegen Mitberichterstatter — —
— Ich beziehe mich überhaupt nicht auf den Entwicklungsdienst, sondern ich beziehe mich auf die Familienabteilung, und da kann ich etwas anderes nicht sehen. Ich habe überhaupt den Eindruck, meine Damen und Herren, daß diese Art von Familienpolitik nicht unbeabsichtigt ist. Der Bundesregierung scheint es nicht mehr um die Stärkung der Kraft der Familien, sondern um eine Neubewertung nach sogenannten modernen Kriterien zu gehen. Danach ist ja auch nicht mehr die intakte Familie, die Familie mit Kindern der Orientierungspunkt, sondern das mehr oder weniger lose Zusammenleben von Erwachsenen. Die Familie wird gar als Hindernis einer neuen Gesellschaftspolitik betrachtet und als Stabilisator der Klassenstruktur diffamiert.
Meine Damen und Herren, wer — wie Frau Huber kürzlich vor den Sozialistischen Frauen Osterreichs in Wien — nur von der Sorge geplagt ist — ich zitiere wörtlich, was sie da gesagt hat —, „unter dem Vorwand der Kinderfreundlichkeit könnten traditionelle Lebenswege der Frau festgeschrieben wer-
15320 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979
Dr. Rose
den", steht natürlich in ständigem Konflikt mit der Tradition Familie.
Wer in der Erziehung der Kinder eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sieht und die Eltern für diese Aufgabe als Amateure, als beruflich nicht vorgebildet betrachtet, bringt diesen Eltern natürlich ein grundsätzliches Mißtrauen entgegen. Wer die Rolle der Mutter und der sogenannten Nur-Hausfrau als voremanzipatorisch abwertet,
wird natürlich nie ein richtiges Verständnis für die wichtige und unverzichtbare Aufgabe einer Erzieherin haben, die noch dazu blutsverwandt ist.
Meine Damen und Herren, wer all das so betrachtet, wird dem Grundgesetzauftrag des besonderen Schutzes von Ehe und Familie nicht gerecht. Uns geht es — um das deutlich zu sagen — nicht um eine Verurteilung der berufstätigen Frau; im Gegenteil!
Aber wir halten auch die Tätigkeit als Hausfrau und Mutter für voll emanzipatorisch,
dies um so mehr, wenn sich diese Frau wegen schon vorhandener Kinder voll um die Familie kümmert oder wenn sie sich zwar nicht als Arbeitnehmerin, aber doch als Mitarbeiterin im eigenen Betrieb oder auf dem Bauernhof mit abrackert. Das ist der Grund, warum wir von der CDU/CSU-Fraktion den Entwurf eines Gesetzes über die Einführung eines Familiengelds eingebracht haben. Insgesamt erwarten wir vom Familiengeld — man könnte es auch Erziehungsgeld nennen, wenn es für die ersten drei Lebensjahre gezahlt wird —, daß die soziale Indikation, d. h. der Schwangerschaftsabbruch aus wirtschaftlicher Not, völlig wegfällt.
Auch hier möchte ich nicht verurteilen. Es geht uns nicht um eine Strafexpedition. Wir wollen ein Sozialprogramm, das die Bejahung des Kindes auch in schwierigen Situationen ermöglicht.
Es kann uns — und wenn ich sage: uns, meine ich uns alle hier in diesem Hohen Hause, alle Fraktionen — doch nicht gleichgültig sein, daß, wenn die Entwicklung so weitergeht, bis zu 301)/0 eines Geburtenjahrgangs am Erblicken des Lichts der Welt gehindert werden. Hiergegen anzugehen, müßte unser aller selbstverständliche Aufgabe sein.
Warum machen wir uns Gedanken um die Familie? Warum machen wir uns Sorgen um die Kinderzahl? Doch nicht, wie Herr Staatssekretär Zander unlängst andeutete, um Kanonenfutter zu produzieren. Herr Staatssekretär, das ist eine schlimme Entgleisung.
Sie haben das einmal geschrieben oder in einem solchen Zusammenhang gebracht, als planten wir etwas in dieser Richtung. Allerdings sind wir nicht der Ansicht eines weiteren Mitglieds der Bundesregierung, daß weniger Kinder bessere Chancen für alle bedeuten.
Da könnte man ja gleich sagen: Gäbe es uns nicht, dann gäbe es keine Probleme mehr.
— Das ist Ihre logische Konsequenz, die Sie ständig bringen.
Wir machen uns Sorgen, weil mit der Entwicklung der Bevölkerungszahl unser ganzes soziales System steht und fällt. Wir machen uns Sorgen, weil die volkswirtschaftlichen Folgen unvorhersehbar sind. Dazu gehören auch leerstehende Schulen, verfallende Fabriken und unbenutzte Wohnungen. Und wir machen uns Sorgen, weil durch fehlende Kinder das gegenseitige Verständnis der Generationen verlorengeht.
Die Krise der heutigen Familie wird leider nicht nur in der Bevölkerungsentwicklung sichtbar, sondern auch in der Zunahme der Anzahl verhaltensgestörter Kinder, in der Jugendkriminalität, im Drogenmißbrauch, in der Anfälligkeit für Jugendreligionen und in der zunehmenden Zahl von Kindesmißhandlungen.
Es gäbe für die Bundesregierung unendlich viel zu tun. Was aber macht sie? Sie produziert einen gewaltigen Ausstoß an bedrucktem Papier mit häufig ideologisch verzerrtem Inhalt und betätigt sich in der Verschwendung von Steuergeldern für die eigene Wahlpropaganda.
Da sind in einer bekannten deutschen Wochenzeitung 24 ganzseitige und vier doppelseitige Anzeigen erschienen, die vor Klugheit geradezu strotzen.
Einmal wird für 28000 DM gefragt: Was essen wir bloß dieses Mal? Das nächstemal wird festgestellt: Frag nicht so dumm! Schließlich verlautet das Ministerium in einer weiteren Anzeige: Was kümmern uns die blöden Leute? Alles in allem eine Anzeigenserie für sage und schreibe 700000 DM. Ich habe sie hier. Die Überschriften sind echt haarsträubend.
Das tut bestimmt nicht den Familien in der Bundesrepublik gut. Das mag höchstens der Zeitung und umgekehrt wiederum der Regierung gutgetan haben, wenn sie in der entsprechenden Zeitung gut erwähnt wird.
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Lassen Sie mich noch einen Bereich aus dem Ministerium herausgreifen, der auch einen mißglückten Start darstellt. Es ist der Arbeitsstab Frauenpolitik. Die bisherige Arbeit besteht leider nicht in der Arbeit für die Frau, nicht im Heraussuchen der Probleme, die auf die Frauen zukommen, und in der Lösung dieser Probleme. Die bisherige Arbeit besteht in der Verfassung von Flugblättern und Broschüren.
In den „Tagesthemen" des Deutschen Fernsehens vom 29. Juni 1979 wurde die neue Leiterin vorgestellt und von Frau Huber als aktive Gewerkschaftlerin qualifiziert, die sich kein X für ein U vormachen lasse. Das ist die Qualifikation gewesen. Diese Leiterin des Arbeitsstabes Frauenpolitik wollte aber dem Haushaltsausschuß ein U für ein X vormachen und Geld für einen neuen Abschnitt des Klassenkampfes bekommen, dieses Mal für den Kampf zwischen Mann und Frau. Sie wollte den Titel „Wehr dich; du hast Rechte" für 730000 DM als Flugblatt herausgeben, die Frauen dort auffordern, ihre Rechte zu erkennen und diese Rechte auch wahrzunehmen,
und zwar nicht nur die Rechte am Arbeitsplatz, sondern — das geht aus der Zusammensetzung der Leute, die dort mitgearbeitet haben, hervor — auch die Rechte der Frau in der Familie. Mann gegen Frau in Stellung zu bringen, das ist für mich nicht die richtige Familienpolitik.
Wohlgemerkt, das ging auch den SPD-Kollegen zu weit. Sie lehnten die zusätzlich begehrten Mittel ab. Der Herr Kollege Mitberichterstatter wird nichts anderes bestätigen können.
Meine Damen und Herren, was bleibt vom Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit zu berichten? Herzlich wenig. Die politische Führung erweist sich als unfähig, die entscheidenden Zukunftsprobleme anzupacken. Mit der politischen Führung meine ich aber nicht bloß die Führung des Hauses, sondern ich meine die Führung des ganzen Kabinetts. Ich meine den Bundeskanzler selber. Er zeigt sich als Gipfelkanzler, als Gipfelstürmer, der auch verantwortlich wäre für die Familienpolitik, die sich in einem Wellental befindet.
Statt Labsal in Guadeloupe ist ihm die Mühsal in der Familienpolitik natürlich nicht so angenehm. Weil wir diese schlechte Politik nicht mitmachen können, meine Damen und Herren, lehnen wir den Einzelplan 15 ab, und ich bitte Sie, auch so zu verfahren.