Rede von
Richard
Stücklen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Rose.
Dr. Rose Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich habe zum erstenmal die Aufgabe, zum Einzelplan 15 des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit zu sprechen. Spätestens seit Montag dieser Woche weiß ich, daß ich mir damit einiges a ufgehalst habe.
Da steht im „Handelsblatt" — wörtlich zitiert —, daß mein Vorgänger aus den ihm unwirtlichen Etatverhältnissen des Hauses Huber und in die ordentlicheren Gefilde des Lambsdorff-Ministeriums floh. Das zweite kann ich nicht bestätigen; ich glaube auch nicht, daß es dort ordentlicher zugeht. Aber ich habe eigens den Duden bemüht, um festzustellen, was unwirtlich heißt. Da steht — siehe da —: Unwirtlich ist gleichbedeutend mit nicht einladend oder unfruchtbar.
Genauso kommen mir der Einzelplan 15 und die dahinterstehende Politik vor. Sie sind in der Tat nicht einladend, und trotz der Bedeutung der Familienpolitik in der heutigen Zeit stellen sie sich auch als höchst unfruchtbar dar. Ich gebe zu: Der Einzelplan schließt mit fast 19 Milliarden DM ab. Er steht damit dem Volumen nach an vierter Stelle aller Einzelpläne und wird — das kann ich von den Rednern der Koalition erwarten — bestimmt wieder als große Leistung angepriesen. Die Koalition sieht überhaupt alles rosarot. Wenn wir der Bundesregierung glauben dürfen, so gehen wir herrlichen Zeiten entgegen. Da hat der Herr Bundesfinanzminister in der Einbringungsrede des Haushalts 1980 ungerührt gesagt, mit diesem Entwurf werde alles besser, schöner, sicherer, solider. Er sehe — so strahlte er die Leute an — die Bürger mit Zuversicht in die Zukunft blicken. Auch der zuständige Ressortminister und die heute noch antretenden Redner der Koalition werden wieder sagen, daß noch nie so viel getan wurde, noch nie so gezielte und wirkungsvolle Maßnahmen ergriffen wurden.
Die Wirklichkeit sieht ganz anders aus. Sie entspricht nicht diesem Monumentalgemälde. Rein fi-
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 15319
Dr. Rose
nanzpolitisch entspricht sie dem nicht, denn solider und sicherer ist auch der Haushalt 1980 nicht. Auch familienpolitisch entspricht das überhaupt nicht der Wirklichkeit, denn die Probleme des Jahres 1978 haben sich 1979 nur verstärkt und werden sich mit den geplanten Bemühungen der Bundesregierung im Jahre 1980 nicht lösen, sondern im Gegenteil ausweiten. Bei der Politik des Hauses Huber ist das auch kein Wunder. Die Frau Minister selbst fällt bei ihren eigenen Genossen zunehmend in Ungnade und ist mehr mit Dementis zum bevorstehenden Rücktritt als mit zukunftsweisender Arbeit beschäftigt.
Den Bereich Gesundheitspolitik hat man ihr in praxi schon genommen. Mein Kollege Berichterstatter für Gesundheitsfragen, Prinz Botho, hat deshalb auf Ausführungen zu diesem Einzelplan verzichtet. Gesundheitspolitik findet im Ministerium an der Kennedyallee nicht mehr statt.
Was 1968 unter Frau Strobel großartig eingeführt wurde, fällt heute bei dieser Regierung unter den Hammer.
Aber auch Jugendpolitik ist zum Fremdwort geworden. Der 5. Jugendbericht ist wegen der Versäumnisse der Bundesregierung eine einzige Anklage — Sie brauchen sich den Bericht bloß durchzulesen —, und kein Land ist in Sicht.
Es bliebe also die Familienpolitik. Hier könnte sich die Ministerin verdient machen. Sie könnte ihr ganzes Augenmerk diesem Schwerpunkt der deutschen Politik widmen. Was aber geschieht in Wirklichkeit?
Rein vom Zahlenansatz her erkennt man schon, daß dem Hause Huber sowohl der kreative Geist und Weitblick als auch das Durchsetzungsvermögen fehlen. Während der Gesamthaushalt um mehr als 5 % ansteigt, fallen für das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit nicht einmal 2 ab. Diese unbedeutende Steigerung kommt auch nicht der Familienpolitik, sondern weitgehend anderen Bereichen zugute, z. B. den Vietnam-Flüchtlingen oder dem einmaligen Heizölkostenzuschuß; darüber brauche ich aber jetzt nichts zu sagen.
Familienpolitisch wird zwar viel geredet, aber weit weniger getan.
Mich wundert das nicht. Denn wer die Personalpolitik des Hauses kennt, wird gar nichts anderes erwarten. Das Herz des Ministeriums, nämlich die Familienabteilung, wird ausgerechnet jetzt, da die Familienpolitik in aller Munde ist, einem Wechsel in der Leitung unterzogen.
Ich weiß nicht, warum das so ist. Nachdem sich der
ursprünglich aufgabenfremde ehemalige Persönliche Referent des ehemaligen Bundeskanzlers
Brandt in seine Tätigkeit eingelebt zu haben schien, streicht er schon wieder die Segel. Neu kommt ein Bilderbuchkarrierist, dem die Familienpolitik ebenso vertraut ist wie der Sahara ein Eisberg.
Es ist ein Skandal, wie dem ehemaligen Persönlichen Referenten eines ehemaligen Staatssekretärs im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit wieder einmal die Sprungleiter nach oben gereicht wird. Kaum zum Regierungsdirektor befördert, wird dieser bisherige Chef des Deutschen Entwicklungsdienstes auf eine A 16-Stelle geschoben und auf die Warteliste zu B 6 gesetzt. Warteliste heißt bekanntlich nicht bloß bei der Lufthansa, daß man bei nächst passender Gelegenheit seinen Sessel auch bekommt. Auf diesem Sessel wird man zum nächsten angestrebten Ziel befördert.