Rede von
Prinz
Botho
zu
Sayn-Wittgenstein-Hohenstein
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich komme mit der Zeit nicht aus, Herr Präsident.
Offensichtlich sind Vergütungsvereinbarungen mit den Betreuungsverbänden und Entgelte für die Teilnahme an Einführungslehrgängen sowie Zuschüsse an Beschäftigungsstellen so hoch angesetzt worden, daß sie entweder zur Verschwendung verleiten oder zu unangemessenen finanziellen Vorteilen bei den Begünstigten führen. Die unzureichende Ausnutzung vorhandener Ausbildungskapazitäten, etwa an den Zivildienstschulen des Bundes, steht im Widerspruch zum Gebot der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit bei der Verwendung öffentlicher Mittel.
Zahlreiche Manipulationen, die nur dazu dienen, die Bilanz der Tätigkeit des Bundesbeauftragten für
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag den 13. Dezember 1979 15315
Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein
den Zivildienst zu frisieren, gehen zu Lasten des Steuerzahlers, der schon eine große Zahl von Potemkinschen Dörfern der Bundesregierung mit zu finanzieren hat.
Wir geben Ihnen, Herr Minister Ehrenberg, Gelegenheit, einen Wandel zum Besseren eintreten zu lassen. Unser Kürzungsvorschlag stellt hierzu die richtigen Weichen, um den auch vom Bundesrechnungshof festgestellten Fehlentwicklungen künftig einen Riegel vorzuschieben.
Von dem zuständigen Berichterstatter auch für den Teilbereich Gesundheit im Einzelplan 15 könnten Sie, meine Damen und Herren, noch einige kritische Anmerkungen zu diesem Bereich und zu der Verantwortung von Frau Bundesminister Huber für die Gesundheitspolitik erwarten. Aber ich muß Sie enttäuschen; denn Gesundheitspolitik findet im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit nicht statt.
Alle gesundheitspolitisch relevanten Initiativen der Bundesregierung der letzten Zeit kamen mehr oder weniger ausschließlich aus dem Arbeitsministerium.
Diese Feststellung möchte ich allerdings nicht als ein Gütesiegel mißverstanden wissen, im Gegenteil! Denn was z. B. als systemerhaltende und kosten- dämpfende Maßnahmen im Bereich der Arzneimittelversorgung, einem wesentlichen Teil unseres — so Herr Ehrenberg — „hervorragenden Gesundheitssystems mit hohem medizinischen Leistungsniveau" von ihm verkauft wurde, wird sich zumindest mittel- und langfristig als gesundheitspolitisch fatale Systemveränderung und als Kostensteigerung in der gesetzlichen Krankenversicherung auswirken.
Lassen Sie mich dafür aus der Fülle der Beispiele eines herausgreifen. Die ausgabenorientierte Beitragspolitik der gesetzlichen Krankenversicherung soll durch eine einnahmenorientierte Ausgabenpolitik ersetzt werden. Das ist ein eklatanter Systembruch, weil damit auch ein interventionistisches Eingreifen des Staates verbunden ist. Wir alle, auch Sie, Herr Jaunich, sollten aus Erfahrung wissen, daß Interventionen kaum jemals die erhoffte Wirkung haben, vielmehr nur einen Rattenschwanz dirigistischer Eingriffe nach sich ziehen.
Von Systemerhaltung kann — damit beantworte ich wahrscheinlich Ihre Frage — vor allem dann nicht die Rede sein, wenn ein entscheidendes Glied des Systems, nämlich der Patient, von allen Maßnahmen verschont bleibt.
Schon 1977 hat die Weltgesundheitsorganisation,
die nun wirklich über jeden Verdacht erhaben ist,
sie vernachlässige etwa die Interessen des Kranken, das mangelnde Kostenbewußtsein als wesentliche Ursache der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen herausgestellt.
Aber das Thema „Selbstbeteiligung", meine Damen und Herren gerade von der SPD, ist ja nach Auffassung Ihres Obmanns, Herrn Egert, aus der gesundheitspolitischen Rumpelkammer ans Tageslicht gefördert worden. Mit Selbstbeteiligung, so sagen Sie, sei eine Kostendämpfung im Gesundheitswesen nicht erreichbar. Der zuständige Abteilungsleiter im Ministerium sagt, das wäre sinnlos.
Trotzdem — und das halte ich für richtig — werden wissenschaftliche Untersuchungen gemacht, damit man eine solche Frage wirklich erst einmal beantworten kann. Beantworten kann man sie nur dann, wenn differenzierende Aussagen und Untersuchungsergebnisse vorliegen. Sie fällen Ihr Urteil aber schon vorher.
Dabei führen Sie praktisch doch eine Selbstbeteiligung des Patienten, aber auf dem Umweg über die sogenannte Negativliste ein, mit der Sie zahlreiche Medikamente aus der Erstattungspflicht herausnehmen wollen.
— Natürlich!
Die geschilderten Fehlentwicklungen und Versäumnisse, meine Damen und Herren, sind für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion Anlaß, den Einzelplan 11 auch in diesem Jahr abzulehnen.
Diese Ablehnung richtet sich nicht gegen die Grundstrukturen des sogenannten Netzes der sozialen Sicherheit, die von uns geschaffen wurden, und auch nicht gegen wesentliche Verbesserungen, die wir mitgetragen haben. Wir lehnen aber die Politik des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung und der Bundesregierung ab, die in zahlreichen Fällen durch Fehlentscheidungen mittel- und langfristige Fehlentwicklungen zu verantworten hat, von denen wir uns ganz entschieden distanzieren.