Rede von
Ulrich
Berger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der heute in erster Lesung zur Beratung anstehende Entwurf der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes sieht die Einführung eines Spitzenamtes — A 9 plus Zulage von 225 DM — für den gesamten mittleren Dienst vor. Diese Regelung, die allerdings für höchstens 30 °/o der Beamten in der Spitzengruppe des mittleren Dienstes gilt, besteht seit Anfang des Jahres nur für die Polizeivollzugsbeamten.
Meine Fraktion ist der Auffassung, daß aus Gründen der Gleichbehandlung und aus dem Gesichtspunkt der funktionsgerechten Besoldung das neue Spitzenamt auf den gesamten mittleren Dienst ausgedehnt werden muß. Sicherheitsaufgaben werden beispielsweise auch von den Beamten des Strafvollzugsdienstes, der Zollverwaltung und der Sicherheitsbehörden wahrgenommen. Auch in anderen Bereichen des mittleren Dienstes werden entsprechende quantitative und qualitative Leistungsanforderungen gestellt.
Lassen Sie mich ein Wort zu den Kosten des Gesetzentwurfes sagen. Die zusätzlichen jährlichen Ausgaben im Bund, Ländern und Gemeinden werden ca. 65 Millionen DM betragen. In aller Bescheidenheit kann ich feststellen, daß wir uns damit im Rahmen des Möglichen und Erträglichen gehalten haben, besonders wenn man dazu die Kosten einer linearen Gehaltserhöhung in Vergleich setzt. Eine Besoldungserhöhung von 1 % für den
Gesamtbereich des öffentlichen Dienstes kostet nämlich 1,8 Milliarden DM.
Die von uns vorgeschlagene Strukturverbesserung beträgt demnach — in Prozenten ausgerechnet — noch nicht einmal ganz 0,02 %. Die vorgeschlagene Strukturmaßnahme ist sachlich geboten und haushaltsmäßig vertretbar. Die Fürsorgepflicht gegenüber den betroffenen Beamten fordert eine alsbaldige gesetzliche Regelung.
Nun ist es nicht so, daß diese Erkenntnis meiner Fraktion allein vorbehalten gewesen sei. Der Bundesrat hat bereits in seiner Empfehlung vom 21. Dezember 1978 die gleiche Feststellung getroffen und die Bundesregierung aufgefordert, umgehend einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem ein neues Spitzenamt für den gesamten mittleren Dienst geschaffen werden solle.
Der Bundesregierung ist diese Erleuchtung bereits am 6. Februar 1978 gekommen. Denn sie hat in ihrer Stellungnahme zur Einführung des neuen Spitzenamtes im Polizeivollzugsdienst erklärt, die vom Bundesrat vorgeschlagene Amtszulage für das Spitzenamt des mittleren Polizeivollzugsdienstes werde im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtlösung der anstehenden strukturellen Besoldungsfragen behandelt werden. Ferner hieß es, die Bundesregierung beabsichtige, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Sogar der Bundesminister der Finanzen hat im Januar dieses Jahres seinen Zollbeamten versprochen, ihnen alsbald das neue Spitzenamt zukommen zu lassen. Trotzdem haben die Bundesregierung sowie die SPD und die FDP es bis auf den heutigen Tag nicht geschafft, ihr Versprechen wahrzumachen und einen Gesetzentwurf zur Einführung eines neuen Spitzenamtes im gesamten mittleren Dienst einzubringen.
Meine Fraktion war nicht mehr länger gewillt, dieses Versteckspiel weiter mitzumachen. Sie hat deshalb im Mai dieses Jahres den heute zur Erörterung stehenden Entwurf eingebracht. Die Initiative der CDU/CSU kann erst jetzt beraten werden, weil im Ältestenrat die Vereinbarung getroffen war, sie gemeinsam mit dem Entwurf eines Strukturgesetzes der Bundesregierung zu beraten. Aber auch der Ältestenrat sah wohl ein, daß man nun nicht mehr länger auf die Regierung warten kann.
Wie recht die CDU/CSU damit hatte, einen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen, zeigt die Behandlung des von dem Bundesinnenminister jetzt den Verbänden zugeleiteten Entwurfs eines Strukturgesetzes. Dieser Referentenentwurf ist ein getreues Spiegelbild der Beamtenpolitik dieser Regierung. Er ist dürftig, mager und eine lästige Pflichtübung. Die Regierung scheut sich nicht, diesem Entwurf öffentlich den Namen „Strukturgesetz" zu geben. In Wirklichkeit handelt es sich um ein reines Blendwerk. Die Seiten und Paragraphen dieses sogenannten „Jahrhundertwerks" sind weitgehend damit gefüllt, daß Zulageregelungen, die in anderen Rechtsvorschriften enthalten sind, in das neue Besoldungsgesetz übernommen werden. Dies ist allen-
14006 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 177. Sitzung. — Bonn, Donnerstag, den 11. Oktober 1979
Berger
falls für Besoldungsexperten und Perfektionisten von Interesse. Bei den wenigen vorgesehenen strukturellen Maßnahmen ist die Regierung heillos zerstritten.
Selbst der für die Besoldung zuständige Bundesinnenminister hat ein öffentliches Bekenntnis der Unfähigkeit dieser Regierung zur Lösung der anstehenden Probleme abgelegt. Statt einen wohlabgewogenen und abgestimmten Entwurf der Regierung an die beteiligten Verbände zu verschicken, hat er in dem Übersendungsschreiben zugeben müssen, daß in wichtigen Fragen Bundesinnenminister, Bundesfinanzminister und Bundesarbeitsminister heillos zerstritten sind.
Dies gilt leider auch für das neue Spitzenamt A 9 plus Zulage. Hier hat sich — für alle Beteiligten unverständlich — der Bundesfinanzminister gegen das neue Spitzenamt bei den Soldaten ausgesprochen. Diese Einschränkung können wir nicht mitmachen. Es muß bei der Einbeziehung des gesamten mittleren Dienstes verbleiben. Auch die Soldaten haben einen Anspruch auf gerechte Behandlung. Sie sollten mit dem gleichen Prozentsatz wie der sonstige mittlere Dienst an den Zulagen in A 9 beteiligt werden.
Durch das zögernde und unentschlossene Verhalten der Bundesregierung ist schon viel kostbare Zeit verstrichen. Wir fordern deshalb die Kollegen von der SPD und FDP auf, mit dazu beizutragen, daß die Gesetzesinitiative der Union in den Ausschüssen zügig beraten wird. Die betroffenen Beamten hätten zu Recht kein Verständnis dafür, wenn die Verabschiedung noch weiter hinausgezögert würde. Hierzu besteht auch keinerlei Veranlassung. Der zu regelnde Sachverhalt ist eindeutig, ist unbestritten. Außerdem sind Regierung und Koalitionsfraktionen im Wort.
In gleicher Weise muß die Regierung unverzüglich den Entwurf eines echten Strukturgesetzes einbringen, damit dieser noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden kann. Statt redaktioneller Mätzchen, die der bisherige Gesetzentwurf des Bundesinnenministers enthält, muß das Gesetz einen Beitrag zur Lösung der zahlreichen noch offenen Probleme auf dem Gebiet des Besoldungsrechts bringen. Hierzu gehören insbesondere folgende Schwerpunktbereiche: Verwirklichung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom März 1977 zur besoldungsmäßigen Gleichstellung von Beamten mit drei und mehr Kindern, Einführung einer familienpolitischen Komponente beim Urlaubsgeld, Bereinigung des Haushaltsstrukturgesetzes — soweit kein Bedürfnis für die im Jahre 1975 verfügten Restriktionen mehr besteht, müssen sie aufgehoben werden —, Verwirklichung der notwendigen strukturellen Maßnahmen für die Versorgungsempfänger.
Meine Fraktion hat bereits mehrfach auf diese noch offenen und regelungsbedürftigen Strukturprobleme hingewiesen. Leider haben Regierung, SPD und FDP die Ohren fest verschlossen und den öffentlichen Dienst mit Leerformeln hingehalten, so etwa der anwesende Staatssekretär von Schoeler,
der gesagt hat, es werde eine „ausgewogene Gesamtlösung der anstehenden besoldungs- und versorgungsrechtlichen Fragen" herbeigeführt. Dabei möchte ich deutlich herausstellen, daß die Herbeiführung einer ausgewogenen Gesamtlösung struktureller Besoldungs- und Versorgungsprobleme ohne die Regelung „A 9 plus Zulage" nicht denkbar ist und daß daher im Hinblick auf die Vordringlichkeit und nicht zuletzt auf Grund der Empfehlung des Bundesrates vom 21. Dezember 1978 eine isolierte Behandlung des Antrages der CDU/ CSU-Fraktion erforderlich wird, wenn der Entwurf der Bundesregierung für ein Besoldungsstrukturänderungsgesetz nicht spätestens zu Beginn des nächsten Jahres vorliegt.
Ich bin jedoch von Hause aus ein optimistischer Mensch und lasse insbesondere hach den Ausführungen meiner Vorredner zum vorangegangenen Tagesordnungspunkt trotz vieler leidvoller Erfahrungen mit dieser Regierung und den Koalitionsfraktionen die Hoffnung nicht fahren, daß sie wenigstens in letzter Minute auf den Pfad der Tugend zurückkehren. Ich verlange ja nicht, daß sie all ihre hochtrabenden Versprechungen erfüllen. Mir würde es schon ausreichen, wenn wenigstens die dringlichsten Strukturprobleme angepackt würden. Die Unterstützung der Union wird ihnen dabei sicher sein.