Rede von
Ulrich
Berger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes wird ein Problembereich erfaßt, der durch das Haushaltsstrukturgesetz im Jahr 1975 geschaffen worden ist. Seinerzeit ist im Versorgungsrecht festgelegt worden, daß Beamte ihre Pension nur aus dem Amt erhalten, das sie zwei Jahre vor der Zurruhesetzung bekleidet haben. Diese Regelung ist praktisch ein Beförderungsverbot zwei Jahre vor der Pensionierung. Sinn und Zweck dieser Regelung war es, Geld einzusparen und sogenannte Gefälligkeitsbeförderungen kurz vor Ruhestandseintritt auszuschließen.
In den zurückliegenden vier Jahren hat sich gezeigt, daß diese Bestimmung rechtlich bedenklich, problematisch in der Praxis und altenfeindlich ist. Rechtlich bedenklich ist die Begrenzung, weil sie den Grundsatz der amtsgemäßen Versorgung einschränkt. Es gehört zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums, daß der Beamte die Pension grundsätzlich aus dem zuletzt ausgeübten Amt erhält. Problematisch in der Praxis ist die Regelung, weil sie dann zu ungerechten Ergebnissen führt, wenn neue Beförderungsämter durch Gesetz geschaffen werden.
Im Gegensatz zu der üblichen Beförderung, die von der Leistung des Beamten und der Beurteilung durch seinen Vorgesetzten abhängig ist, ist diese Beförderungsmöglichkeit an einen rein zufälligen Tatbestand geknüpft: an das Inkrafttreten des Gesetzes. Hier muß der Beamte dafür büßen, daß — wofür er nichts kann — das Gesetz nicht zu einem früheren Zeitpunkt erlassen worden ist. Zahlreiche Härten hat es in diesem Zusammenhang nach der Einführung des neuen Spitzenamtes — bekannt unter dem Stichwort A 9 plus Zulage — im Polizeivollzugsdienst gegeben. Dieses neue Spitzenamt, das Anfang 1979 im Polizeibereich eingeführt wurde, ist nicht zuletzt für ältere Beamte gedacht, weil diese häufig herausgehobene Dienstposten seit vielen Jahren wahrnehmen. Gerade diese Beamten können aber nach der jetzt geltenden Rechtslage von einer Beförderung nicht mehr für ihren Lebensabend profitieren, weil sie nach dem Gesetz zu alt waren. Das ist ungerecht.
Die Zwei-Jahres-Frist ist auch altenfeindlich. Sie diskriminiert den älteren Beamten gegenüber dem jüngeren. Sie folgt damit dem Vorurteil unserer ju-
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 177. Sitzung. — Bonn, Donnerstag, den 11. Oktober 1979 14003
Berger
gendbesessenen Zeit. In den öffentlichen Medien und in der Werbung wird uns weisgemacht, daß nur die jugendlichen Menschen leistungsfähig und leistungsbereit seien. Dieses Vorurteil ist falsch. Jeder, der in Behörden oder Betrieben gearbeitet hat, weiß, daß gerade ältere Menschen auf Grund ihrer unersetzbaren Erfahrung wertvolle Dienste leisten können, die denen der jüngeren Beschäftigten in nichts nachstehen.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt deshalb die Initiative des Bundesrats. Die Zurückführung der Wartefrist von bisher zwei Jahren auf ein Jahr trägt den von mir soeben dargelegten Bedenken Rechnung. Andererseits werden durch diese Bestimmung die früher hier und da vorgenommenen Gefälligkeitsbeförderungen ausgeschlossen. Der Dienstherr wird es sich genau überlegen, ob er einen unfähigen Beamten — auch solche soll es ja geben — auf einen höherwertigen Dienstposten befördern und dort ein Jahr ertragen will. Durch die Befreiung von der einjährigen Wartefrist für die Fälle, denen die Schaffung eines neuen Beförderungsamtes durch Gesetz zugrunde liegt, werden die dargelegten Härten, wie sie bei der Einführung des Spitzenamtes im mittleren Polizeivollzugsdienst eingetreten sind, beseitigt. Der Gesetzentwurf des Bundesrates ist sachgerecht und in sich ausgewogen.
Dem Bundesrat ist vom Bund der Steuerzahler der Vorwurf gemacht worden, er verfolge mit seiner Gesetzesinitiative eine „Aktion Abendsonne", die den Pensionären des öffentlichen Dienstes Vorteile bringen soll. Dieser Vorwurf ist grotesk und unhaltbar. Ich glaube, in meinem Beitrag bereits nachgewiesen zu haben, daß keine Privilegien geschaffen, sondern vorhandene Ungerechtigkeiten beseitigt werden sollen.
Auch die Haltung der Bundesregierung zu dem Gesetzentwurf ist mir unverständlich. Sie räumt einerseits selbst ein, daß infolge der Zwei-JahresFrist Schwierigkeiten eingetreten sind. Andererseits hat sie in ihrer Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf des Bundesrats ohne jegliche Begründung erklärt, sie möchte an dieser Frist festhalten. Für diese Erklärung nimmt die Bundesregierung auch noch — wie bei ihren Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen des Bundesrates leider vielfach üblich geworden — die verfassungsrechtlich höchstzulässige Frist von drei Monaten in Anspruch und macht dann eine Kabinettsvorlage im Umlaufverfahren mit dem Hinweis, daß die Frist abläuft. Dann war also am Ende der drei Monate noch Eile vonnöten.
Bei den weiteren Beratungen in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages wird die Bundesregierung die Gründe im einzelnen nennen müssen, die nach ihrer Auffassung für die Beibehaltung der Zwei-Jahres-Frist sprechen. Die älteren Beamten haben einen Anspruch darauf, daß ihre Interessen auch von der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen, die sich auf Wahlveranstaltungen gerne als altenfreundlich bezeichnen, wahrgenommen werden. Es geht nicht an, daß sie mit pauschalen Erklärungen abgespeist werden.
Lassen Sie mich zum Abschluß noch auf eines hinweisen. Es stehen noch zahlreiche ungelöste Probleme im Bereich der Versorgung an. Ich nenne nur beispielhaft und ohne Anspruch auf Vollständigkeit die Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Bundesbeamte — meine Damen und Herren, Sie wissen sicher, daß die Betroffenen die durch das Haushaltsstrukturgesetz beschlossene Verschlechterung um ein Jahr als „sozialliberales" Jahr bezeichnen —, die Begrenzung der zumutbaren Eigenleitsung durch Beiträge für eine beihilfenkonforme — das heißt: für eine restkostendeckende — Krankenversicherung, die Gewährung ausreichender Beihilfen bei notwendiger Unterbringung von Versorgungsempfängern in Alten- und Altenpflegeheimen, eine Verbesserung der Situation der sogenannten nachgeheirateten Witwen. — Ursprünglich soll das von Ihnen, Herr Staatssekretär, einmal vorgesehen gewesen sein. Doch ich habe dann zu meinem Entsetzen gehört, es handele sich nur um Spielmaterial; diese Formulierung ist mir gegenüber in dem Zusammenhang gebraucht worden. Und nun steht es im Entwurf wohl nicht mehr, obwohl gerade dieses Problem besonders dringend ist. — Der seit März 1978, also seit. mehr als eineinhalb Jahren, überfällige Disparitätenbericht der Bundesregierung wird wegen des verfassungsgerichtlichen Verfahrens zur Pensionsbesteuerung noch immer zurückgehalten. Dies darf jedoch kein Hindernis dafür sein, wenigstens die notwendigen Neuregelungen in Angriff zu nehmen, die von der zu erwartenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht berührt werden. Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen haben sich bisher stets um eine Regelung dieser Problembereiche gedrückt.
Die CDU/CSU fordert die Bundesregierung auf, endlich auch die noch offenen Strukturprobleme auf dem Gebiet der Versorgung noch in dieser Legislaturperiode zu lösen, anstatt die älteren Mitbürger mit leeren Versprechungen hinzuhalten.