Rede von
Klaus
Gärtner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die philosophische Betrachtung über die globale Minderausgabe über den einzelnen
13912 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 177. Sitzung. — Bonn, Donnerstag, den 11. Oktober 1979
Gärtner
Daumen eines einzelnen Haushaltsobmannes wird uns wohl noch einmal beschäftigen müssen; denn so, wie es hier soeben dargestellt worden ist, ist das Verfahren nicht ausreichend gewürdigt.
Der zweite Nachtragshaushalt 1979 ist zwar sparsam, d. h., er ist Ausdruck der sparsamen Haushaltsführung, aber von einer Radikalkur in Sachen Sparsamkeit kann man natürlich noch nicht reden.
— Prinz Botho, wenn Ihre Anträge vorlägen und ich sie lesen könnte, wäre ich natürlich glücklich. Aber dieses Thema sollten wir beenden. Sie rühren gelegentlich an alte Wunden, wenn es um die Frage geht, wann, um welche Jahreszeit und mit welchen Beträgen etwas geschehen ist. So können Sie mit Sicherheit sagen, daß Sie das, was heute passiert ist, an der Geschäftsordnung des Bundestages vorbei, noch eine Zeitlang beschäftigen wird. So etwas geschieht manchmal mit gutem Recht.
Der Kollege Löffler hat die Nachtragshaushalte soeben als die Versuchung des Parlaments bezeichnet, sozusagen mehr zu tun, als ihm obliegt, indem bestimmte zusätzliche Maßnahmen mit abgewickelt werden, die selbst die Regierung nicht gesehen hat. Der Nachtragshaushalt ist aber auch die Chance der Aktualisierung, was nicht schädlich ist, und er bietet für die Regierung auch die Möglichkeit der Schwerpunktsetzung und Akzentuierung, und diese Bezeichnung hat dieser Haushalt meines Erachtens auch verdient.
Hinsichtlich der Konsolidierung und der Verschuldungspolitik, die der Kollege Prinz Botho hier wiederum vorgetragen hat, kann ich nur sagen: Natürlich bestimmen wir das Konsolidierungstempo selbst. Aber wir sollten auch ehrlich bleiben. Wer hier sagt, im Jahre 1979 müssen alle Steuermehreinnahmen dazu verwendet werden, die Verschuldung des Bundes herunterzufahren, der muß sich natürlich fragen lassen, warum das nur im Jahre 1979 geschehen soll und nicht auch im Jahre 1980.
Wer die Regierung mit ihrer Politik sozusagen der Wahlgeschenke verdächtigt, kann meines Erachtens von der Sache nur wenig verstehen. Steuersenkungen wären natürlich probate Wahlgeschenke, die man im kommenden Jahr wunderbar verkaufen könnte. Aber wenn diese Regierung auf Steuersenkungen verzichtet, hat sie auch ihren guten Grund. Ihre Politik wird im übrigen beim Wähler dazu führen, daß wir mit einer Mehrheit nach Hause kommen. Für uns wird es — das ist jedenfalls mein Eindruck — relativ sicher sein, daß Sie uns in der nächsten Wahlperiode hier im Bundestag wieder erleben und daß sich insgesamt die Verhältnisse genauso darstellen wie heute. Das haben wir, glaube ich, auch verdient.
Wenn man die Frage der Verschuldungspolitik wirklich ernsthaft diskutiert, muß man sich auch die Frage stellen, wer in den letzten sieben Jahren etwas anderes hätte tun können als das, was diese Regierung getan hat.
— Na, Vorsicht! Die Kollegen sind da unterschiedlich einzuordnen. Was die einzelnen Kollegen in den letzten sieben Jahren da so alles vorgeschlagen haben, würde relativ schwierig zu realisieren sein, wenn man dabei noch Haushaltskonsolidierung betreiben will.
Wir müssen uns das Problem eindringlich vor Augen führen: Die Politik der Verschuldung des Bundes hat mit dazu beigetragen — das kann man nicht wegdiskutieren —, daß dieses Land die niedrigsten Arbeitslosenquoten und die geringsten Inflationsraten hat. Daß das Klima in diesem Lande in Ordnung ist und daß wir einen inneren und äußeren Frieden haben, ist mit Ausdruck dieser Politik, die wir gemeinsam — zum Teil auch mit Ihnen — getragen haben.
Man sollte sich aus dieser Verantwortung auch nicht in der Form herausstehlen, daß man sagt: Wir sind die eigentlichen Sparsamkeitswächter der Nation. Das sind Sie in all Ihren einzelnen Teilen genausowenig wie wir. Das ist gar keine Frage. Was wir in den letzten sieben Jahren als Ausfluß der Rohölpreisexplosion im Jahre 1973 getan haben, ist in diesem Lande auf fruchtbaren Boden gefallen; sonst könnten Sie nämlich nicht mit den Steuermehreinnahmen der kommenden Jahre versuchen, Leute zu beglücken.
Man muß sich diesem Thema auch deshalb ernsthafter widmen, weil der Bürger in diesem Lande einen Anspruch darauf hat, sehr ernst genommen zu werden, und weil das, was man sagt, immer nach dem alten Grundsatz gehen muß: Sag, was wahr ist. Fest steht, daß das, was in unserem Lande erreicht worden ist, nicht erreicht worden wäre, — —
— Kollege Kohl, ich verstehe, daß Sie davon nicht viel verstehen. — Es ist festzustellen, daß dieses Land im Vergleich zu allen anderen Industrienationen relativ gut dasteht. Darauf kann man doch gemeinsam stolz sein. Warum kann man nicht auch einmal auf das stolz sein, was man gemeinsam erreicht hat? Warum denn nicht? Die anderen Länder sagen uns das, und jeder Bürger, der ins Ausland fährt, erlebt dies täglich neu. Warum wollen Sie denn aus diesem gemeinsamen Erlebnis so freiwillig aussteigen?
Wenn man sich die Schwerpunkte des Nachtragshaushalts noch einmal vor Augen führt, dann sind die Kürzungsanträge, die die Opposition gestellt hat, in manchen Bereichen nachdenkenswert.
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 177. Sitzung. — Bonn, Donnerstag, den 11. Oktober 1979 13913
Gärtner
Was die Rohölbevorratung angeht, so hat der Kollege Löffler bereits darauf hingewiesen, daß es schon etwas merkwürdig ist, innerhalb von wenigen Tagen plötzlich in eine andere Richtung geführt zu werden. War es doch die Opposition gewesen, die die Regierung bei den Haushaltsberatungen noch mehr verteidigt hat, als das sonst üblicherweise die Koalition tun soll oder muß; und heute stellt sie sich nach einer einzigen Auskunft der Regierung auf die andere Seite und sagt: April! April! Das muß alles weg. Gingen wir davon aus, daß der Betrag am Jahresende für den vorgesehenen Zweck wahrscheinlich nicht ausgegeben werden kann, dann würde ich sagen, daß das heute keiner von uns unterschreiben könnte, weder das eine noch das andere. Aber belassen wir doch die Möglichkeit, dieses Geld unter Umständen auch nicht auszugeben! Die Etatisierung eines Titels bedeutet ja nicht die manische Verpflichtung für die Regierung, das Geld bis zum letzten Pfennig auszugeben. Ich gehe davon aus, daß die Regierung mit jedem Titel das tut, was in der Zweckbestimmung steht. Im übrigen sollten wir uns im kommenden Jahr noch einmal die Frage mit allem Ernst stellen, ob die erhöhten Ansätze im Haushalt 1980 ausreichen oder ob sie nicht vielleicht zu hoch sind.
Was die Kapitalerhöhung bei der VEBA angeht, muß ich sagen, hat das, was der Kollege Prinz Botho gesagt hat, einiges für sich; es hat natürlich auch einiges gegen sich, weil die Frage auch sein muß: Wie hoch muß der Anteil sein, um etwas zu bewirken? Wir haben in anderem Zusammenhang einmal die Frage gestellt, ob bei der Lufthansa 74 % oder 51 % ausreichend sein würden. Wenn der Grundsatz gilt: Mehrheit ist Mehrheit, dann gilt dies auch bei 51 %. Die Frage, ob 44 % oder 36 % Anteile in der Hauptversammlung benötigt werden, ist für mich nicht so entscheidend. Die Frage ist nämlich auch, ob wir Unternehmen, an denen wir erstens beteiligt sind und von denen wir zweitens annehmen, daß sie in manchen Feldern auch unsere Politik unterstützen,
in dem notwendigen Ausmaße kapitalisieren. — In der Energiesicherung darf ein Unternehmen nicht unterstützen? Das würde ich am besten wieder aus dem Protokoll streichen lassen! Es ist ja wohl ein Aberwitz, zu behaupten, daß sich ein Unternehmen, das zu diesem Zwecke gegründet worden ist, in diesem Bereich nicht betätigen darf. Das, was ich meine, ist folgendes: Wenn ein Unternehmen jetzt kapitalisiert ist, wie ich finde, vielleicht ein bißchen zuviel — vielleicht! —, dann ist es mit Sicherheit so kapitalisiert, daß es alles das, was es unternehmenspolitisch will, auch selbst finanzieren kann. Das heißt, der Zugang zu weiteren staatlichen Förderungsinstrumentarien muß dort etwas zugemacht werden, wenn man die Kapitalerhöhung in diesem Umfange beschließt.
Wir werden uns bei der Beratung des Haushalts 1980 in diesem Jahre Wiedertreffen. Wir werden
dann wieder unsere gegenseitigen Aufrechnungen vornehmen. Ich hoffe, daß wir dennoch in der Lage sein werden, uns gegenseitig zu attestieren, daß sowohl der erste Nachtragshaushalt als auch der zweite Nachtragshaushalt die Handschrift des Parlaments tragen. Sie haben das gesagt, Prinz Botho. Ich füge hinzu: Einfach weil man die Arbeitsleistung, die man in so etwas investiert hat, gelegentlich auch einmal sehen will, ist es dieser Haushalt wert, daß man ihm zustimmt. Wir jedenfalls werden dies tun. Ich hoffe, daß Sie sich in manchen Teilen, auch in diesem Falle, nachdenklich und vielleicht auch lernfähig zeigen.