Rede von
Lothar
Löffler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Sehr geehrter Herr zu Sayn-Wittgenstein, die Opposition kann alles zum Anlaß nehmen, ihre Haltung zu überdenken. Wenn Sie Ihre Haltung überdenken, kann das immer nur positiv sein, denn Ihre Haltung ist so, daß sie des Nachdenkens ständig würdig ist.
Herr zu Sayn-Wittgenstein hat dann vorgeschlagen, wir sollten die Kapitalerhöhung in Höhe von 320 Millionen DM bei der VEBA ebenfalls streichen. Die VEBA ist die größte deutsche Mineralölgruppe. Sie hält unter anderem 54 % der Anteile an der Deminex, einer Firma, die weltweit nach neuen Erdölfeldern forscht. Ein solches Vorhaben ist natürlich risikoreich. Ich glaube nicht, daß sich der Staat bei diesem risikoreichen Geschäft zurückziehen sollte, denn das müßte auch eine Signalwirkung auf private Anleger haben.
Man sollte sich einmal überlegen, wie sich unser Verhalten, wenn wir von unseren Bezugsrechten bei der Kapitalerhöhung der VEBA nicht Gebrauch machten, auf die Kurse der VEBA auswirken müßte und wie dann letztlich die Kapitalausstattung dieses für die gesamte Volkswirtschaft wichtigen Unternehmens dastünde. Das hat gar nicht allzuviel mit der Mehrheit zu tun, obwohl wir faktisch die Mehrheit bei dieser Firma behalten wollen. Wir befinden uns hier, nebenbei gesagt, in Übereinstimmung mit Herrn Dr. Dollinger, der als Bundesschatzminister 1965, als eine Teilprivatisierung dieser Firma vorgenommen wurde, davon ausging, daß der Mehrheitseinfluß des Bundes gewahrt bleibe. Ich glaube, das war auch nicht der richtige Vorschlag.
Über den Zuschuß zur Bundesanstalt für Arbeit lieber Herr zu Sayn-Wittgenstein, haben wir so viel gesprochen, daß ich es mir erspare, hier darauf noch einmal einzugehen. Dort stehen noch 200 Millionen DM im Ansatz. Ein bißchen Sicherheit, ein bißchen Reserve muß natürlich im Haushalt bleiben; darauf komme ich aber noch zurück.
— Das werde ich jetzt gleich darlegen. Für den Bundesfinanzminister ist sie nicht. Der Bundesfinanzminister hat nichts davon. Vielmehr muß Sicherheit für die Menschen vorhanden sein, für die wir hier Verantwortung tragen.
Reden Sie doch nicht so, als hätte der Bundesfinanzminister etwas davon, wenn im Haushalt irgendein Titel mit Geld ausgestattet ist.
Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Mai 1977 ist nun — darauf hat Herr SaynWittgenstein auch hingewiesen — die Stellung des Parlaments gegenüber der Regierung in der Haushaltspolitik zweifelsohne gestärkt worden.
Dadurch, daß die Regierung nur noch in genau festgelegten Grenzen überplanmäßige und außerplanmäßige Ausgaben von sich aus tätigen darf, ist sie verpflichtet, durch Nachtragshaushalte neue Ausgabenermächtigungen vom Parlament einzuholen. Damit hat das Parlament die Möglichkeit erhalten, die Haushaltsentwicklung zu verfolgen und
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 177. Sitzung. — Bonn, Donnerstag, den 11. Oktober 1979 13911
Löffler
aus dieser Entwicklung entsprechende Konsequenzen für den Nachtragshaushalt zu ziehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese stärkere Einwirkungsmöglichkeit auf der einen Seite bedingt jedoch auf der anderen Seite eine größere Verantwortlichkeit des Parlaments. Ein gesundes Mißtrauen des Parlaments gegenüber der Regierung ist eine Haltung, die für die Demokratie geradezu wesentlich ist. Sie darf allerdings nicht so weit getrieben werden, daß der Regierung haushaltspolitisch so enge Fesseln angelegt werden, daß sie bewegungsunfähig wird; das wäre nämlich zum Schaden des gesamten Volkes.
Nachtragshaushalte dürfen nicht dazu führen, daß wir permanente Haushaltsberatungen betreiben, die mehr verwirren als klären, und sie dürfen auch nicht dazu führen, daß wir die Regierung durch neue Beschlüsse daran hindern, die Politik durchzuführen, für die sie am Anfang des Haushaltsjahres von uns die haushaltsrechtliche Ermächtigung bekommen hatte. Das wäre dann nämlich eine Politik, die auf dem Prinzip beruhte, mit der einen Hand zu geben und mit der anderen wieder zurückzunehmen. Das ist keine klare Linie. Der Haushaltsausschuß ist — das möchte ich hier betonen — dieser Versuchung bei der Beratung des Zweiten Nachtragshaushalts nicht erlegen, aber er war manchmal nahe daran, insbesondere was die verschiedenen Anträge angeht, die die Opposition im Haushaltsausschuß stellen wollte oder stellte.
Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang noch ein Wort zur globalen Minderausgabe, für die ich, wie jedermann in diesem Hause weiß, nicht allzuviel übrig habe. Um die Neufestsetzung der globalen Minderausgabe ist besonders intensiv gerungen worden. Wenn ich „besonders intensiv" sage, bedeutet das nicht, daß besonders sachkundig gerungen worden wäre. Denn da gab es zunächst die Zahl von 3 Milliarden DM, dann waren es 2 750 000 000 DM, dann 2,5 Milliarden DM,' und dann haben wir uns, glaube ich, auf 2 300 000 000 DM geeinigt. Das alles waren keine Ergebnisse tiefgründiger Rechenoperationen, sondern Vorgänge, wie sie sich bei einer Rinderversteigerung abspielen, wo etwas über den Daumen gepeilt wird.
— Ja, sehr geehrter Herr Kollege Wehner, so ist die Welt, so ist sie auch bei den Haushaltspolitikern, die ja für sich immer in Anspruch nehmen, daß sie diejenigen sind, die alles besonders genau betrachten und die die Politik mit Hilfe ihrer Zahlenmanipulationen sehr gut im Griff haben.
Dieses Verfahren der Opposition bei der Festsetzung der globalen Minderausgabe erinnerte mich immer an den absurden Satz: abgeschnitten, abgeschnitten und immer noch zu kurz. Die globale Minderausgabe eignet sich nach meinem Verständnis nicht als Instrument für die Haushaltspolitik.
Sie haben hier ein Wort erwähnt, das ich im Haushaltsausschuß verwandt habe, und ich wiederhole es: Die globale Minderausgabe ist lediglich ein Auffangtitel in buchungstechnischer Hinsicht. Die Haushaltswahrheit und die Haushaltsklarheit müßten ja darunter leiden, wenn man mit der globalen Minderausgabe wesentliche Teile der Politik zurücknehmen wollte, die man vorher mit Zahlen in mehreren Tausend Titeln des Haushaltsplanes festgelegt hatte. Das ist eine unaufrichtige Politik. Denken Sie bitte darüber nach, und lassen Sie uns zu der gemeinsamen Auffassung kommen, daß die globale Minderausgabe das ist, was im Haushaltsvollzug anfällt, ohne daß die Regierung besondere Anstrengungen unternehmen muß, um die globale Minderausgabe erwirtschaften zu müssen.
Als Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion möchte ich dieses Rednerpult nicht verlassen, ohne ein Wort zur Nettokreditaufnahme gesagt zu haben. Wir haben hier in diesem Hause häufig dargelegt, daß eine hohe Nettokreditaufnahme in einer schlechten Konjunkturlage ökonomisch geboten ist. Ich muß aber genauso deutlich sagen, daß wir uns davor hüten müssen, uns an eine hohe Nettokreditaufnahme zu gewöhnen. Eine hohe Nettokreditaufnahme ist für einen_ längeren Zeitraum keine normale Möglichkeit der Finanzierung des Haushalts.
Denn die Zinsen wachsen natürlich an. Herr von Sayn-Wittgenstein hat diese Zahlen bereits genannt, und ich möchte an seine Zahlen einige Betrachtungen anknüpfen. So werden im Jahre 1981 — ich wiederhole diese Zahl — nach der mittelfristigen Finanzplanung 16,9 Milliarden DM an Zinsen zu zahlen sein. Die Zinszahlungen stellen natürlich eine Umverteilung von den unteren Einkommensschichten zu den höheren dar. Das ist also eine ungerechte Umverteilung. Es liegt in der Natur der Sache, daß nur diejenigen Geld ausleihen können, die Geld übrig haben, und das sind in der Regel die Wohlhabenderen und nicht diejenigen, die ihren Verdienst voll in den Konsum fließen lassen müssen. Bei der gegenwärtigen Schuldenstruktur des Bundes bedeutet das, daß etwa 80 % unserer Zinszahlungen den Großbanken, Versicherungen und anderen Geldanlegern zugute kommen, während nur ein verhältnismäßig kleiner Teil dem normal verdienenden Bürger zuzurechnen sein wird. Aus diesem Grunde muß mit diesem Finanzierungsinstrument in Zeiten der wirtschaftlichen Erholung sehr behutsam und vorsichtig umgegangen werden. Das haben wir im Zweiten. Nachtragshaushalt gehabt, und deshalb werden wir Sozialdemokraten diesem Dokument der gesamtwirtschaftlichen Verantwortung aus vollster Überzeugung zustimmen.