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ID0816905900

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/169 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 169. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 13. September 1979 Inhalt: Verzicht der Abg. Nordlohne, Dr. von Bismarck und Wohlrabe auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag . . . . . . . 13425 A Eintritt der Abg. Erpenbeck, Dr.-Ing. Oldenstädt und Bahner in den Deutschen Bundestag 13425 A Wahl des Abg. Weiskirch (Olpe) zum stellvertretenden Mitglied im Gemeinsamen Ausschuß 13425 B Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . 13425 B Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1980 (Haushaltsgesetz 1980) — Drucksache 8/3100 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1979 bis 1983 — Drucksache 8/3101 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Zweiten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1979 (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 1979) — Drucksache 8/3099 — Dr. Häfele CDU/CSU 13427 B Westphal SPD 13436 C Hoppe FDP 13444 A Haase (Kassel) CDU/CSU 13447 D Löffler SPD 13452 C Gärtner FDP 13456 A Carstens (Emstek) CDU/CSU 13458 D Roth SPD 13461 C Dr. Kohl CDU/CSU 13464 D Schmidt, Bundeskanzler . . . . . . . 13478 C Rohde SPD 13483 B Mischnick FDP 13489 D Dr. Althammer CDU/CSU . . . . . . 13490 D Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 13495 A Franke CDU/CSU 13499 B Glombig SPD . . . . . . . . . . 13502 D Cronenberg FDP 13505 C Frau Huber, Bundesminister BMJFG . . 13507 C Burger CDU/CSU 13510 C Kuhlwein SPD 13512 A II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. September 1979 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 23 02 Tit. 896 05 — Leistung einer einmaligen finanziellen Sondermaßnahme im Rahmen der Konferenz für internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit - Drucksachen 8/2883, 8/3033 — . . . . 13516 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 60 04 Tit. 671 02 — Erstattung von Kredit- und Verwaltungskosten und Ausfällen an die Kreditanstalt für Wiederaufbau im Zusammenhang mit der Bildung eines Fonds für Direktinvestitionen und dem Erwerb von Auslandsforderungen auf Grund des deutsch-amerikanischen Devisenausgleichabkommens vom 8./19. August 1969 — Drucksachen 8/2935, 8/3034 — . . . . 13516 B Beratung des Antrags des Bundesministers für Wirtschaft Rechnungslegung über das Sondervermögen des Bundes „Ausgleichsfonds zur Sicherung des Steinkohleneinsatzes" — Wirtschaftsjahr 1978 —— Drucksache 8/3060 — 13516 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Auslieferungsvertrag vom 20. Juni 1978 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika — Drucksache 8/3107 — 13516 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 20. Juli 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über die Ergänzung des Europäischen Ubereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen und die Erleichterung seiner Anwendung — Drucksache 8/3138 — . . . . . . . 13516 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Tabaksteuergesetzes (TabStG 1980) — Drucksache 8/3114 — 13517 A Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung (AO 1977) — Drucksache 8/3142 — 13517 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung — Drucksache 8/3077 — 13517 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 6. November 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Jamaika über den Luftverkehr — Drucksache 8/3058 — 13517 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ubereinkommen vom 3. September 1976 über die Internationale Seefunk Satelliten-Organisation (INMARSAT) — Drucksache 8/3057 — . . . . . . . 13517 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung des Rates über eine Beteiligung der Gemeinschaft an Maßnahmen zur Umstrukturierung und Umstellung der Industrie Vorschlag eines Beschlusses des Rates über eine Beteiligung der Gemeinschaft an Umstrukturierungs- oder Umstellungsinvestitionen der Schiffbauindustrie Vorschlag eines Beschlusses des Rates über eine Beteiligung der Gemeinschaft an Umstrukturierungs- oder Umstellungsmaßnahmen der Textilindustrie, insbesondere der Kunstfaserindustrie — Drucksachen 8/2465, 8/2687, 8/3145 — 13517C Nächste Sitzung 13517 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordheten . . 13518*A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. September 1979 13425
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 14. 9. Amrehn ** 14. 9. Dr. Bayerl 13. 9. Blumenfeld 14. 9. Dr. Corterier *** 13. 9. Dr. Dregger 13. 9. Dr. Enders * 14. 9. Fellermaier **** 14. 9. Frau Fischer ** 14. 9. Friedrich (Würzburg) **** 14. 9. Haberl 14. 9. Dr. Hennig ** 14. 9. Hoffie 13. 9. . Dr. Holtz ** 14. 9. Dr. Jaeger ** 14. 9. Jaunich 14. 9. *) für die Teilnahme an. Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **) für die Teilnahme an der 66. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union ***) für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung ****) für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. h. c . Kiesinger 14. 9. Dr. Klepsch **** 14. 9. Klinker 14. 9. Koblitz 14.9. Dr. Köhler (Wolfsburg)** 14. 9. Dr. Kraske ** 14. 9. Kraus ** 14. 9. Dr. Kreutzmann 14. 9. . Dr. Kunz (Weiden) ** 14. 9. Lemmrich * 14. 9. Lücker **** 14. 9. Männing ** 14. 9. Mattick ** 14. 9. Dr. Meinecke (Hamburg) ** 14. 9. Dr. Mende ** 14. 9. Dr. Möller 14. 9. Dr. Müller-Hermann **** 14. 9. Polkehn ** 14. 9. Reuschenbach ** 14. 9. Schetter 14. 9. Schmidt (Würgendorf) 14. 9. Dr. Schwencke (Nienburg) **** 14. 9. Seefeld **** 14. 9. Frau Simonis 14. 9. Frau Tübler 14. 9. Voigt (Frankfurt) ** 14. 9. Dr. Wulff ** 14. 9. Wurbs ** 14. 9.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Verehrter Herr Kollege Mischnick, wir sollten uns gegenseitig zubilligen, daß wir uns allesamt an der unteren Grenze — ich nehme das jetzt einmal bescheiden für mich in Anspruch — von Erkenntnisfähigkeit bewegen können. Weil dies so ist, können Sie mir unterstellen, daß ich das auch so verstanden habe. Aber merken Sie denn nicht, daß genau Ihre Frage deutlich macht, daß alles das, was ich gesagt habe, überaus richtig und zutreffend ist?

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Franke [CDU/CSU] : Und Mischnick widerlegt Wehner!)

    Das Problem stellt sich jetzt nicht für uns, Herr Kollege Mischnick, sondern wir haben ein Millionenheer von alten Mitbürgern und Rentnern, mit denen man ehrlich umgehen und reden sollte. Meine Bitte ist nur: Schaffen Sie diese Sache aus der Welt. Wenn Sie es heute nicht können, machen Sie eine Klausurtagung Ihres Koalitonsausschusses — die FDP war immer listig genug, dabei Ausflüchte zu finden —, und dann können wir wieder darüber reden. Aber Sie müssen dem deutschen Volk hierauf eine Antwort geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU Mischnick [FDP] : Gestatten Sie eine letzte Zwischenfrage?)

    — Nein, ich möchte jetzt wirklich im Thema fortfahren.
    Ich möchte zu einem vierten wichtigen Kapitel der Innenpolitik Stellung nehmen, zum Thema der Bevölkerungsentwicklung, der Familienpolitik. Eines möchte ich gleich vorweg sagen, weil das bei unserem letzten Rededuell, Herr Bundeskanzler, von Ihrer Seite in einer Weise akzentuiert wurde, die ich nicht akzeptieren kann. Ich denke nicht daran, krisenhafte Erscheinungen, die in vielen Völkern der Welt im Hinblick auf die Familienpolitik zu beobachten sind und die vor allem auch die Völker der westlichen Welt erfaßt haben, nicht



    Dr. Kohl
    mit in Betracht zu ziehen, wenn ich über die Familienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland spreche. Die freie Welt hat hier krisenhafte Entwicklungen und Zustände, die zutiefst beklagenswert sind. Aber es ist unübersehbar, daß die Bundesrepublik gegenüber vergleichbaren Ländern und Völkern mit Abstand am schlechtesten abschneidet. Da Sie in wenigen Wochen mit großem Gepränge propagandistischer Art den zehnten Jahrestag der Errichtung der Koalition von SPD und FDP begehen werden, schlage ich Ihnen vor, daß Sie aus Anlaß dieses Jubiläums unseren Mitbürgern auch einmal deutlich machen, wie es kommt, daß wir die niedrigste, die negativste Geburtenrate überhaupt haben und daß sich die familienpolitische Entwicklung in unserem Lande besonders negativ darstellt.
    Viele nüchterne Betrachter sprechen von einer Krise der Familien, die schwerer ist und tiefer reicht als der Funktionswandel und der Trend zur Kernfamilie, der in allen hochindustrialisierten Staaten zu beobachten ist. Die nüchternen Daten sprechen für sich: Die Zahl der Eheschließungen nimmt ab, die Zahl der Ehescheidungen steigt. Es ist unübersehbar, daß wir einen dramatischen Rückgang der Geburten haben. Kinderreichtum bedeutet in der Praxis des Alltags unserer Gesellschaft zunehmend sozialen Abstieg. Die Zahl der bei Ehe- und Familienberatungsstellen Hilfesuchenden wächst immer weiter an. Das sind in Wahrheit nur die äußeren Symptome, die in Zahlen faßbaren Daten dieser Krise.
    Es gibt andere, schwerwiegendere Hinweise, die sich kaum im Zahlenwerk von Statistiken wiederfinden. Ich spreche die psychologische, moralische Verunsicherung vieler Familien an: das Gefühl der Überforderung von vielen Eltern in Fragen der Erziehung; ein Wohlstandsdenken und ein weit verbreitetes Mißverständnis von Freiheit, das die familiären Bindungen und Verpflichtungen für nicht wenige Zeitgenossen als Einengung und Belastung erscheinen läßt; die Gefühle vermeintlicher Minderwertigkeit oder gar Diskriminierung bei nicht erwerbstätigen Frauen; eine zunehmend als kinderfeindlich empfundene Welt.
    All die Bekenntnisse, die jeder von uns — ich spreche auch Sie persönlich an, Herr Bundeskanzler — jetzt im Zeichen eines wieder wachsenden Familienbewußtseins an die Adresse der Familien hier und dort abgeben mag, können nicht ungeschehen machen, daß in der Regierungszeit von SPD und FDP in diesen letzten zehn Jahren der Familie schwerer Schaden zugefügt wurde.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Seit Jahren wird in diesem Felde im Sinne einer sozialistischen Emanzipationsideologie „tiefgepflügt". In einem von der Bundesregierung herausgegebenen Bericht, der heute noch seine Wirkung tut, wurde die Familie als „Sozialisationsagentur der Gesellschaft" diffamiert. Noch immer gilt es in Ihren Reihen als progressiv, Autorität — etwa im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern — anzuzweifeln. Das ist auch ein altes sozialistisches Übel: daß man autoritär und Autorität miteinander
    verwechselt. Gerade wir wissen doch nach den Erfahrungen aus 30 Jahren Bundesrepublik, wie sehr Autorität in jedem Bereich von Staat und Gesellschaft notwendig ist. Wo sollen eigentlich die Einübung und das Erlebnis wirklicher Autorität stattfinden — wenn nicht in den Familien?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Seit über zehn Jahren sind Sie von der SPD und der FDP dabei, die Familie zunehmend unter staatliche Aufsicht und Kontrolle zu nehmen. Wir haben in diesen Sommertagen vor den Ferien im Blick auf das neue elterliche Sorgerecht ein klassisches Beweisstück erfahren. Der Entwurf für ein neues Jugendhilferecht enthält eine Vielzahl bürokratischer Detailregelungen und einen riesigen Apparat bürokratischer Betreuung und Bevormundung. Dieser Entwurf trägt Ihre Unterschrift als Kanzler, Herr Bundeskanzlr, und draußen im Lande erzählen Sie überall, daß die Zeit für die Entbürokratisierung endgültig angebrochen sei. Es wird fortlaufend neue Bürokratie erzeugt!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Mit dieser Politik betreibt die Koalition eine Politik, die die ureigensten Rechte der Familie sozialisiert, aber gleichzeitig die öffentliche und die soziale Verantwortung für die Familie privatisiert. In eindrucksvoller Weise wurde Ihnen dies in diesen Tagen im jüngsten Bericht zur Lage der Familien in der Bundesrepublik Deutschland von der Sachverständigenkommission bescheinigt. Herr Kollege Wehner, das war wiederum keine Erfindung der Opposition. Dieser Bericht ist eine einzige schallende Ohrfeige für die Arbeit der Bundesregierung,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    die eigentlich vernünftigerweise nur durch den sofortigen Rücktritt des dafür zuständigen Ministers beantwortet werden kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In diesem Bericht einer Kommission, die die Regierung selbst berufen hat, heißt es:
    Es ist bedauerlich, daß die Politik die Interessen der Familien so gering achtet. Es ist ein Phänomen der weit verbreiteten Gleichgültigkeit und Unterbewertung der Väter- und Mütteraufgaben und ihrer Bedeutung für gesellschaftliche Wohlfahrt und Lebensqualität insbesondere durch die Macht- und Führungsgruppen.
    Herr Bundeskanzler, wer ist damit gemeint? Sie bestimmen die Richtlinien der Politik. Diese Gesetze sind mit Ihrem Namen unterfertigt. Sie sind auch ganz persönlich damit gemeint, wenn es hier heißt: „ ... eine weitverbreitete Gleichgültigkeit und Unterbewertung der Väter- und Mütteraufgaben in der Gesellschaft".

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber was wir vor allem Ihnen in der Sozialdemokratie vorwerfen: Das eigentlich Unverantwortliche einer solchen Politik besteht darin, daß es, wie die geschichtliche Erfahrung und Dimension



    Dr. Kohl
    lehrt, ziemlich einfach ist, traditionelle Werte politisch zu diffamieren und zu zerstören. Es dauert aber viele Jahre, manchmal Generationen, ein angeschlagenes Wertbewußtsein durch Taten wieder aufzurichten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Im Dritten Familienbericht der Sachverständigenkommission heißt es:
    Kinder zu haben, bedeutet einen nicht unerheblichen Verzicht der Familie auf materiellen Wohlstand. Besonders betroffen sind die Arbeiterfamilien, da sich bei ihnen mit zunehmender Kinderzahl ihr Einkommensniveau dem Existenzminimum annähert.
    Herr Kollege Wehner, das ist der Arbeitnehmerpartei Sozialdemokratische Partei Deutschlands ins Stammbuch geschrieben.

    (Franke [CDU/CSU] : Der angeblichen Arbeitnehmerpartei!)

    Was ist das eigentlich für eine Politik, wenn Sie nach zehn Jahren von einer von Ihnen selbst berufenen und bestellten Kommission hinnehmen müssen

    (Wehner [SPD]: Was heißt „von Ihnen"? Ich habe sie doch nicht berufen! — Lachen bei der CDU/CSU)

    — von Ihnen mitbestimmten Kommission —, daß die Interessen der deutschen Arbeitnehmerschaft und ihrer Familien mit Füßen getreten werden?!

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Sie sind ein Untersteller!)

    Es ist Ihre Politik, Herr Bundeskanzler, die, wie in diesem Bericht deutlich zu lesen ist, den Familien die Anerkennung ihrer Leistung für die Kinder streitig macht: im Steuerrecht, im Rentenrecht, in der Diskriminierung der nichtberufstätigen Frau beim Familiengeld.
    Dennoch reden Sie immer von der Entscheidungsfreiheit der Familie und der Frauen. Herr Bundeskanzler, wie frei sind junge Ehepaare wirklich bei der Entscheidung über ihren Wunsch, Kinder zu haben, in wirtschaftlicher, sozialer und damit auch psychologischer Hinsicht? Es geht darum, ob ein oder zwei Einkommen, eine oder zwei Rentenanwartschaften zur Verfügung stehen — und um höhere Belastungen.
    Die Kommission hat auf alles hingewiesen: auf die Monatsaufwendungen von rund 600 DM je Kind, die Einbußen an persönlicher Freiheit, eine kinderfeindliche Umwelt, die Probleme bei der Erziehung und Ausbildung, die Schwierigkeiten bei der Wohnraumbeschaffung.
    Damit wir einander hier ganz klar verstehen: Die Opfer, die gerade den Müttern abverlangt werden, können kein Staat und keine Gesellschaft ersetzen — und sollen sie auch gar nicht ersetzen. Aber Staat und Gesellschaft sollen helfen, wieder vernünftigere Bedingungen für Familien mit Kindern zu schaffen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist eine Tatsache, daß, wer in der Bundesrepublik Deutschland sein persönliches Glück in der Familie mit Kindern sucht, gegenüber all jenen benachteiligt ist, die keine Kinder haben. Eine solche Politik ist töricht und unklug, weil Kinder die nächste Generation und damit die Garantie für die Zukunft sind. Eine solche Politik ist Unrecht, weil in unserem Grundgesetz die Familie aus gutem Grund einen besonderen Schutz genießt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Und eine solche Politik ist Unrecht, weil die, die sich für Kinder entscheiden, den existentiell wichtigsten Beitrag für die Zukunft unseres Volkes leisten, einen Beitrag, von dem die soziale Sicherheit und die Zukunft von uns allen abhängen.
    Ich sage dies bei der Etatberatung, weil diese Politik für uns in der Union eine klare Priorität im. Rahmen der finanzpolitischen Überlegungen besitzt. Wir haben uns in all diesen kritischen Mona- ten als Opposition sehr zurückgehalten, wenn es darum ging, eine Erhöhung der Ausgaben durchzusetzen. Aber ich finde, Herr Kollege Roth, dies ist eines der Beispiele, bei dem man sehr wohl in der Lage sein muß — wenn wir hier die gleiche Überzeugung haben —, sorgfältig und überlegt die notwendigen Mittel für die Umsetzung der Prioritäten zu finden. Wir sind dazu bereit.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Unsere Forderungen, die wir immer wieder vorgetragen haben, sind durch den Sachverständigenbericht eindrucksvoll bestätigt worden: Verbesserung und laufende Anpassung dés Kindergelds an die wirtschaftliche Entwicklung, die eigenständige soziale Sicherung der Frau unter Anrechnung von Erziehungsjahren im Rentenrecht, die Einführung eines Erziehungsgelds für nichterwerbstätige Mütter, die steuerliche Entlastung von Familien mit Kindern, die Wohnraumförderung für junge Ehepaare.
    Aber wir sind nicht der Meinung, materielle Verbesserungen seien die entscheidenden Voraussetzungen für ein familienfreundlicheres Klima. Die wichtigste Voraussetzung ist eine Trendwende unserer Gesellschaft hin zu einer Wertschätzung und Anerkennung der Familie im Bereich der Politik und der Gesellschaft. Staat und Politik ist es aufgetragen, die Familie und die sie begründenden menschlichen, kulturellen und sozialen Werte nicht nur zu respektieren, sondern aktiv für sie einzutreten. Nach all dem, was den Familien in den letzten zehn Jahren an Schaden zugefügt wurde, brauchen wir eine politische, eine moralische, eine psychologische Offensive für die Familie. Diese Aufforderung richtet sich nicht nur an den Staat, sondern an alle Institutionen unserer Gesellschaft, vor allem an jene, die in einer besonderen Weise auf diesem Felde der Gesellschaft Verantwortung tragen. Wir brauchen den Anruf und die Hilfe der Kirchen — gerade in diesem Bereich. Wir brauchen die Unterstützung der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände. Soziale Einrichtungen, freie Träger, Organisationen der Wirtschaft und der Gewerkschaften: Sie alle können dazu beitra-



    Dr. Kohl
    gen, die familien- und kinderfreundlichen Bedingungen, die wir dringend brauchen, zu schaffen.
    Ich sage noch einmal: Es wäre völlig falsch, eine dramatische Verbesserung der Situation der Familien allein vom Staat zu erwarten oder zu fordern. Eine familien- und kinderfreundliche Umwelt wird in der Bundesrepublik nur dann entstehen, wenn alle bereit sind, daran mitzuarbeiten. Die soziale Leistung und die Anerkennung der Familie, die Anerkennung der Leistung der Eltern müssen aber auch in der Politik klar zum Ausdruck kommen. Herr Bundeskanzler, Politik besteht nicht nur aus dem, was man mit Geld, Beamten und Behörden von Staats wegen machen kann. Ich wünschte mir, daß Sie zu mehr Sensibilität für die wertstiftende und werterhaltende Wirkung einer politischen Kultur fähig wären. Politiker können Familiensinn, wo er fehlt oder verlorengegangen ist, durch noch so großes Pathos nicht herbeireden. Dies ist auch nicht ihre Aufgabe.

    (Wehner [SPD]: Das merken wir jetzt!)

    Sie können aber die Anerkennung und die soziale Wertschätzung, die die Familien heute und in Zukunft verdienen, glaubhaft zum Ausdruck bringen. Herr Kollege Wehner, ich bin eigentlich erstaunt darüber,

    (Wehner [SPD] : Wer hat Ihnen denn den Satz hereingeschmuggelt?)

    daß Sie in diesem Zusammenhang offensichtlich überhaupt nicht mehr zu jener Sensibilität fähig sind, von der ich eben gesprochen habe.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Wehner [SPD])

    — Herr Kollege Wehner, Sie machen sich die Dinge sehr einfach: Alles, was für die Wahl 1980 nützt, muß jetzt geschehen; alles, was aktuell nicht nützt, wird nach dem Motto „nach mir die Sintflut" zur Seite gelegt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Liselotte Funcke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Kollege, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Wehner?

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    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Bitte schön.