Rede:
ID0816604500

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Abgeordnete: 1
    7. Ey.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/166 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 166. Sitzung Bonn, Dienstag, den 3. Juli 1979 Inhalt: Abweichung von § 60 Abs. 2 GO bei der Beratung der Verjährungsvorlagen . . . 13233 A Eintritt des Abg. Besch in den Deutschen Bundestag für den ausgeschiedenen Abg Carstens (Fehmarn) 13290 A Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . 13233 B Beratung des Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gradl, Katzer, Blumenfeld, Dr. Mikat, Dr. Biedenkopf, Josten, Dr. Müller-Hermann, Gerster (Mainz), Wohlrabe, Frau Dr. Riede (Oeffingen), Kittelmann, Breidbach, Frau Pieser, Luster, Reddemann, Schröder (Lüneburg), Dr. Pfennig, Frau Berger (Berlin), Stommel, Conrad (Riegelsberg), Dr. Stercken, Russe, Frau Dr. Wisniewski, Schartz (Trier) und Genossen Unverjährbarkeit von Mord zu der Entschließung des Europäischen Parlaments zur Unverjährbarkeit von Völkermord und Mord zu dem von den Abgeordneten Wehner, Ahlers, Dr. Ahrens, Amling, Dr. Apel und Genossen und den Abgeordneten Dr. Wendig, Gattermann, Frau Dr. Hamm-Brücher und Genossen eingebrachten Entwurf eines Achtzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes — Drucksachen 8/2539, 8/2616, 8/2653 (neu), 8/3032 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Wehner, Ahlers, Dr. Ahrens, Amling, Dr. Apel und Genossen und den Abgeordneten Dr. Wendig, Gattermann, Frau Dr. Hamm-Brücher und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Achtzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes — Drucksache 8/2653 (neu) — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Gradl, Katzer, Blumenfeld, Dr. Mikat, Dr. Biedenkopf, Josten, Dr. Müller-Her- II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 166. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 3. Juli 1979 mann, Gerster (Mainz), Wohlrabe, Frau Dr. Riede (Oeffingen), Kittelmann, Breidbach, Frau Pieser, Luster, Reddemann, Schröder (Lüneburg), Dr. Pfennig, Frau Berger (Berlin), Stommel, Conrad (Riegelsberg), Dr. Stercken, Russe, Frau Dr. Wisniewski, Schartz (Trier) und Genossen Unverjährbarkeit von Mord — Drucksache 8/2539 — in Verbindung mit Beratung der Entschließung des Europäischen Parlaments zur Unverjährbarkeit von Völkermord und Mord — Drucksache 8/2616 — Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . . 13234 A Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD . . . . 13239 B Kleinert FDP 13243 C Hartmann CDU/CSU 13247 C Dr. Vogel (München) SPD . . . . . . 13252 A Gattermann FDP . . . . . . . . . 13254 C Gerster (Mainz) CDU/CSU . . . . . . 13257 B Dr. Dr. h. c. Maihofer FDP . . . 13260 A, 13292 A Dr. Emmerlich SPD . . . . . . . 13265 B Helmrich CDU/CSU 13268 A Sieglerschmidt SPD 13269 C Frau Matthäus-Maier FDP . . . . . . 13272 B Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU 13274 D Dr. Weber (Köln) SPD 13277 D Ey CDU/CSU 13281 C Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 13282 B Blumenfeld CDU/CSU 13285 C Cronenberg FDP 13287 B Dr. Bötsch CDU/CSU . . . . . . . . . 13288 A Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU . . . 13294 B Dürr SPD 13296 C Engelhard FDP 13298 D Dr. Gradl CDU/CSU 13301 A Thüsing SPD 13303 A Dr. Wendig FDP 13305 D Namentliche Abstimmungen . . 13290 A, 13292 B, 13308 A, 13311 B Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zum Sechsten Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes — Drucksache 8/3027 — Pfeifer CDU/CSU . . . . . . . . . . 13308 B Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zum Gesetz zur Neufassung des Umsatzsteuergesetzes und zur Änderung anderer Gesetze — Drucksache 8/3028 Westphal SPD 13309 B Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zum Gesetz zur Änderung des Gesetzes über technische Arbeitsmittel und der Gewerbeordnung — Drucksache 8/3029 — Jahn (Marburg) SPD 13313 B Nächste Sitzung 13313 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 13315* A Anlage 2 Erklärung des Abg. Dr. Penner (SPD) nach § 59 GO zu Punkt 1 der Tagesordnung . . 13315*A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 166. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 3. Juli 1979 13233 166. Sitzung Bonn, den 3. Juli 1979 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Dr. Arnold 4. 7. Bayha 4. 7. Dr. Böhme (Freiburg) 4. 7. Büchner (Speyer) * 4. 7. Dr. Dübber 3. 7. Dr. h. c. Kiesinger 4. 7. Koblitz 4. 7. Dr. Müller ** 4. 7. Picard 4. 7. Scheffler ** 4. 7. Frau Schlei 4. 7. Dr. Schmitt-Vockenhausen 4. 7. Spilker 4. 7. Volmer 4. 7. Walkhoff 4. 7. Dr. Wulff 4. 7. Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Dr. Penner (SPD) nach § 59 GO zu Punkt 1 der Tagesordnung Ich stimme einer angestrebten Aufhebung der Verjährungsfrist für Mord nicht zu. Ich bin der Meinung, daß sich das abgestufte System der Verjährungsfristen im Strafgesetzbuch, in das auch schwerste Straftaten wie Mord einbezogen sind, bei allen eingeräumten Unzulänglichkeiten bewährt hat. Die zeitliche Begrenzung der staatlichen Verfolgungspflicht für Straftaten beruht auch auf der Erkenntnis, daß die Möglichkeiten der Wahrheitsfindung im Strafprozeß um so brüchiger und fragwürdiger werden, je mehr Zeit zwischen Tat und Ahndung verstrichen ist. Ich halte es daher für richtig und auch geboten, wenn der Gesetzgeber diese Regelerfahrung gesetzlich absichert und damit den Strafverfolgungsorganen eine Pflicht abnimmt, der sie auch bei bestem Wollen und Können nicht gerecht werden können. Hinweise auf ausländische Rechtsordnungen und frühere deutsche und romanische Rechtsinstitute halte ich für bemerkenswert, aber für nur bedingt aussagekräftig, da bei einem Vergleich die gesamten Verfahrensordnungen mit allen Möglichkeiten und Hemmnissen besonders des Beweisrechts gegenüber gestellt werden müssen. Der Anlaß für die Initiative ist ebenso beklemmend wie säkulär. Es geht nicht einfach um eine Neufassung des Verjährungssystems, es geht um die Frage, ob besonders Mordtaten der NS-Zeit über gesetzliche Verjährungsvorschriften einer Strafverfolgung entzogen sein können oder nicht. Das Für und Wider ist in den bewegenden Debatten der 60er * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Jahre und in den Diskussionen aus jüngster Zeit engagiert, behutsam und sorgfältig beleuchtet worden. Ich bin aber der Meinung, daß es statthaft sein darf, bei der Entscheidung auch berufsbedingte Erfahrungen miteinzubeziehen, die mehr die praktische Auswirkung der Gesetzesänderung betreffen. Ich neige mehr und mehr zu der Auffassung, daß der in den 60er Jahren beschrittene Weg der Ausdehnung der Verjährungsfristen nicht richtig gewesen ist. Dabei will ich nicht verschweigen, daß ich dies seinerzeit anders gesehen habe. Aber im Verlaufe einer beruflichen Tätigkeit, bei der ich mit der Verfolgung von NS-Gewaltverbrechen zu tun hatte, sind mir zunehmend Zweifel gekommen. Und das, obwohl die nazistische Wirklichkeit mit Genozid, mit Vernichtungs- und Konzentrationslagern, mit Massen- und Einzelmorden durch Akten und Zeugenaussagen erdrückend bestätigt wurde. Aber im Strafprozeß geht es nicht allein um Tatgeschehen, sondern auch um persönliche Verantwortung, um Schuld. Der Nachweis individueller Schuld war schon früher aus vielerlei Gründen kaum oder gar nicht möglich. Das ist auch nach der Erweiterung der Verjährungsfrist auf 30 Jahre noch problematischer geworden. Nicht nur statistische Hinweise geben darüber Aufschluß. Selbst das deutsch-französische Rechtshilfeabkommen des Jahres 1971, das die Verfolgungssperren des Überleitungsvertrages für deutsche Behörden lockerte, hat die strafrechtliche Bewältigung der Judendeportationen aus Frankreich nicht unterstützen können, wie man hört. Ich bin der Meinung, daß unter den gegebenen Umständen die Beibehaltung des geltenden Verjährungsrechts verantwortet werden kann. Nach meiner Erfahrung dürfte die Entdeckung neuer Sachverhalte mit der Folge strafrechtlicher Verurteilung zwar nicht ausschließbar, aber nahezu ausgeschlossen sein. Aller Voraussicht nach wird ein berechtigtes Sühnebedürfnis nicht mehr gestillt werden können. Daher halte ich es aus meiner Sicht nicht für erträglich, Zeugen, die Schwerstes erlitten und durchlitten haben, den Lasten und Beschwernissen, ja den Qualen von Vernehmungen über die gegebenen Unumgänglichkeiten hinaus auszusetzen. Daß nach Eintritt der Verjährungsfrist unentdeckte NS-Mörder sich ihrer Untaten öffentlich rühmen könnten, ist eine theoretische Möglichkeit, hat aber mit der Verjährungsproblematik nichts zu tun. Für schon Abgeurteilte oder außer Verfolgung gesetzte NS-Täter sind eher Stichworte wie „Leugnen", „Verkleinern", „Es war eben Krieg" und in Einzelfällen auch Reue kennzeichnend. Eine Neigung zu öffentlicher Erörterung dieser Vergangenheit besteht bei diesem Tätertyp nach den bisherigen Erfahrungen hingegen kaum. Für die Zukunft muß eine stetig zunehmende Zahl von Fehlbeurteilungen der Strafverfolgungsorgane befürchtet werden. Das wird für die schon anhängigen Verfahren unumgänglich sein. Die Gründe lie- 13316* .Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 166. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 3. Juli 1979 gen durchweg in der Beweisnot der Gerichte und Staatsanwaltschaften. Die Aufhebung der Verjährungsfrist hätte zur Folge, daß zu allen neuen Vorgängen materielle Entscheidungen über Schuld oder Unschuld erforderlich würden. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß diese durchweg Einstellungsverfügungen und Freisprüche sein werden. Ich hielte das für bedrückend, weil mit diesen staatlichen Akten, deren Qualität nicht anders ausfallen kann und wird, Geschichtslegenden gebildet und unterstützt werden können. Aus meiner Sicht ist daher das aus dem geltenden Recht folgende Offenhalten der strafrechtlichen Schuldfrage nach Ablauf der Verjährungsfrist auch der politische richtige Weg. Ich weiß, daß diese Überlegungen nur einen Teil der Fragen und Bedrängungen ausmachen. Für mich sind sie entscheidend. Eine neue gesetzliche Regelung muß sich auch an ihren Möglichkeiten und Grenzen messen lassen. Dem Anspruch der Opfer, der Betroffenen auf sühnende Gerechtigkeit kann nicht über eine Ausweitung des Verjährungsrechts Genüge geschehen. Ich meine, daß dies auszusprechen auch zur parlamentarischen Verantwortlichkeit gehört. Ich wage es daher, nein zu sagen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hubert Weber


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege von Stauffenberg, das Problem dabei ist Mord. Immer dann, wenn ich einen Mörder durch Mittel der Beweisführung verurteilen kann, muß ich es tun, und dann darf die Verjährung dabei kein Hemmschuh sein. Deswegen habe ich dieses Beispiel von gestern gebracht.
    Ein Zweites, Herr Kollege Lenz. Sie haben Professor Frowein erwähnt, um Ihre verfassungsrechtlichen Bedenken darzulegen. Deswegen, weil nicht alle Kollegen, die hier sind, Mitglieder des Rechtsausschusses sind, gestatten Sie mir, aus der Kurzfassung des Gutachtens von Herrn Professor Fro-wein den Satz zu zitieren, auf den Sie offensichtlich abstellen wollen, weil er nämlich darlegt, daß Ihre Darlegung über das, was Professor Frowein gesagt hat, nicht zutrifft. Es heißt dort — ich zitiere —:
    Dagegen taucht nach meiner Auffassung kein Problem unter Art. 103 Grundgesetz auf, da für die betreffenden Mordtaten lediglich die noch laufende Verjährungsfrist durch Aufhebung der Verjährung überhaupt verlängert würde. Die Prüfung, ob die betreffenden Mordtaten gleichzeitig Völkermord oder Kriegsverbrechen sind, würde nicht ihre Tatbestandsmäßigkeit im eigentlichen Sinne betreffen, sondern lediglich für die Aussonderung der weiter verjährenden und der nicht verjährenden Morde entscheidend sein.
    Das ist also etwas ganz anderes als das, was Sie zitiert haben; Professor Frowein sagt kein Wort von Verfassungswidrigkeit.
    Gestatten Sie eine dritte Bemerkung. Sie haben im Unterton auch die Vorschläge erwähnt, die Herr Kollege Erhard im Laufe der Beratungen des Rechtsausschusses gemacht hat.

    (Widerspruch des Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU])

    Wir haben diese Vorschläge — darauf haben Sie abgestellt,

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU] : Das habe ich selber aber nicht gehört!)

    wenn Sie auf den Täter, der heute anders ist, der viel älter ist, der sich angeblich gewandelt hat,

    (Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU] : Herr Kollege Weber, davon habe ich kein Wort gesagt!)

    zurückkamen — natürlich sehr sorgfältig geprüft und auf ihre Praktikabilität überprüft. Wir sind der Meinung, daß Umstände und Bedingungen, die im Einzelfall die Tat eines Mörders weniger verwerflich erscheinen lassen können, ausschließlich in einem ordentlichen Gerichtsverfahren festgestellt und gewürdigt werden können, nicht aber im Stadium der Ermittlungen.
    Eine letzte Bemerkung zur Frage des Rückwirkungsverbotes. Herr Kollege Lenz, Sie haben diese Frage in Ihrem Katalog von Bedenken angesprochen. Schon im 2. Band seiner Entscheidungen auf Seite 307 hat der Bundesgerichtshof angeführt — ich zitiere wörtlich —:
    Die Länge der gesetzlichen Verjährungsfrist ist nichts, worauf der Täter, der das Strafgesetz verletzt, einen unabänderlichen, verfechtbaren Anspruch gegen den Staat besäße; ihre spätere gesetzliche Verlängerung verletzt das Gebot rückwirkender Bestrafung nicht.
    An einer anderen Stelle heißt es — ich zitiere —:
    Durch eine Verlängerung der Verjährungsfrist würde die Strafbarkeit nicht neu begründet, sondern nur ein der Durchsetzung des fortbestehenden Strafanspruchs entgegenstehendes Hindernis beseitigt.
    Diese Entscheidung ist nicht nur vom Bundesgerichtshof gefällt worden, sondern auch die Praktiker, die wir im Rechtsausschuß gehört haben, an der Spitze der Präsident des Bundesgerichtshofes und die beiden Generalstaatsanwälte von Hamm und Koblenz, hatten keinerlei Zweifel daran, daß das, was wir mit der Verlängerung bzw. der Aufhebung der Verjährungsfrist zu tun beabsichtigen, verfassungskonform ist. Deswegen würde ich Sie bitten, die Kollegen, die den Gang der Beratungen im Rechtsausschuß nicht ständig verfolgen konnten, hier nicht zu irritieren.
    Unser Rechtssystem, meine Damen und Herren, und besonders das Strafrecht verlangen nicht nur der Gerechtigkeit wegen, daß der Mörder abgeurteilt wird, sondern auch in gleicher Weise, daß dem Opfer Recht zuteil wird, oder, wie Adolf Arndt es 1965 formuliert hat, daß schon allein durch den richterlichen Ausspruch, daß es sich um Mord gehandelt hat, wenigstens die Gerechtigkeit und das



    Dr. Weber (Köln)

    Vertrauen für die vielen Opfer wiederhergestellt wird. Schon allein wegen dieser Feststellung, die wir dem Opfer schuldig sind, ist es notwendig, daß wir diese Feststellung dann und immer wieder dann treffen, wenn wir es können, wenn wir es noch können. Das bedeutet, die Barriere zu beseitigen, die die Juristen als ein Verfahrenshindernis bezeichnen: die Verjährung.
    In der gleichen Debatte im Jahre 1965, als diese Worte von Adolf Arndt gesprochen wurden, hat der damalige Abgeordnete und heutige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Herr Benda, ausgeführt:
    Der Kern des Problems ist die Unerträglichkeit, Menschen, die möglicherweise des Mordes schuldig sind, für ihre Taten nicht zur Verantwortung zu ziehen.
    Warum tun sich denn manche so schwer, die Verjährung bei dem schwersten aller uns bekannten Verbrechen, dem Verbrechen gegen das menschliche Leben, aufzuheben? Da wird versucht, historische Argumente zur Begründung heranzuziehen. Wir müssen doch erkennen, daß es falsch ist, sich auf eine angebliche Rechtstradition zurückzuziehen, die es einerseits gar nicht gibt und die unter den heutigen Umständen, unter dem heutigen Erkenntnisstand, auch gar nicht mit substantiellem Bestand ausgefüllt werden kann. Wer will denn überhaupt von Verjährung reden, meine Damen und Herren, wenn wir — und wer sagt uns denn, daß uns nicht auch noch andere Fälle, die uns heute noch gar nicht bekannt sind, eines Tages offenbar werden —Sachverhalte zur Aburteilung anstehen haben, die alle Dimensionen menschlichen Denkens einfach sprengen, sie in den Schatten stellen?
    Ich habe hier den Auslieferungshaftbefehl gegen Wagner vorliegen, ausgestellt vom Amtsgericht Düsseldorf am 7. Juni 1978. Gestatten Sie mir, nur um diese kolossale Dimension einmal vorzuführen, einen Satz daraus zu verlesen:
    Er ist dringend verdächtig, — neben anderen Straftaten —
    von April 1942 bis Mitte Oktober 1943 aus niedrigen Beweggründen, teilweise auch heimtükkisch und grausam, vorsätzlich Menschen getötet zu haben, und zwar von April 1942 bis etwa Mitte Oktober 1943, in diesem Falle durch eine einheitliche gemeinschaftlich heimtückisch und grausam begangene Handlung, eine un- bestimmte Anzahl, mindestens aber 150 000 Menschen ermordet zu haben.
    Das, meine Damen und Herren, sind doch Dimensionen, die wir uns überhaupt nicht vorstellen können: Ein einzelner Mensch ist verdächtig, in einem Zeitraum von 18 Monaten 150 000 Menschen, teils allein, teils mit Hilfe anderer umgebracht zu haben. Wenn wir vor solche Dimensionen gestellt sind und sie bewältigen müssen, dürfen wir uns nicht auf formale Verfahrenshindernisse berufen können.

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU] : Es ist nicht zu fassen! — Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Ich möchte jetzt keine Fragen zulassen, Herr Kollege Lenz.

    (Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU] : Gegen diesen Angeklagten ist doch die Verjährung unterbrochen! Es besteht überhaupt kein Verfahrenshindernis!)

    — Aber Herr Kollege Lenz, dann müssen Sie aufpassen. Ich habe das doch eingangs gesagt: Wer schützt uns denn davor, daß andere Fälle bekanntwerden, die wir heute noch nicht kennen?

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)

    Ich war vorn 23. bis 26. Juni, also vor noch nicht vierzehn Tagen, in Polen und habe mit dem Leiter der Zentralen Verfolgungsstelle gesprochen, auch mit anderen hohen polnischen Justizbeamten. Ich weiß, daß im September dort ein großer wissenschaftlicher rechtshistorischer Kongreß auch unter Beteiligung von amerikanischen Historikern abgehalten werden wird, der versucht, das, was an Material noch vorhanden ist, aufzuarbeiten und die Verbrechen des Drittens Reiches zu erfassen. Ich kann Ihnen sagen, daß wir — genauso wie andere Staaten auch — in den nächsten Wochen und Monaten Material über scheußliche Verbrechen in Polen zugeschickt bekommen werden. Wenn wir diese Fälle mit unserem menschlichen Erkenntnisstand nicht aufklären können, dann ist das schon schlimm. Aber viel schlimmer wäre es, Herr Kollege Lenz, wenn wir dorthin schreiben müßten: „Wir schicken Ihnen die Akten zurück, weil wir wegen des Verfahrenshindernisses Verjährung nicht weiter aufklären dürfen."

    (Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei der CDU/CSU)

    Können wir es denn, meine Damen und Herren, dem Zufall überlassen, ob die Verjährung im 29. Jahr nach der Straftat rechtswirksam unterbrochen wird oder ein Jahr später bei dem gleichen Erkenntnisstand eine Verfolgung nicht mehr möglich ist, weil die Verjährung eben dieses eine Jahr vorher, weil der Täter zu diesem Zeitpunkt namentlich noch nicht bekannt war, nicht unterbrochen worden ist? Soll es denn, damit die Staatsanwaltschaft wenigstens in den Fällen ermitteln kann, die sie bis zum 31. Dezember dieses Jahres noch zugeschickt bekommt, durch formaljuristische Handlungen, z. B. durch die Bestimmung des Gerichtsstandes, wie dies 1969 geschehen ist, zu der Folge kommen, daß die Frist um 30 Jahre gestreckt wird? Diese juristische Technokratie wollen wir doch nicht fortsetzen. Wir wollen ein sauberes, ein ordentliches Verfahren, das letztlich auch dem Täter dient. Wir sollten uns alle bemühen, an Stelle der juristischen Technologie ein ordentliches Verfahren zu setzen.

    (V o r sitz: Präsident Stücklen)

    Soll denn die bloße Mitteilung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, auch wenn diese Mitteilung den Täter noch gar nicht erreicht, für die Verjährungsunterbrechung genügen? Gebietet es dabei nicht vielmehr die Gerechtigkeit, die gerichliche Verfolgung von Mördern nicht dem Zufall an-
    13280 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 166. Sitzung. Bonn, Dienstag den 3. Juli 1979
    Dr. Weber (Köln)

    heimzugeben, z. B. ob ein Richter durch einen Federstrich die Verjährung gerade noch unterbricht, ob es ein Beschuldigter versteht, sich den Ermittlungen zu entziehen, ob er mit Raffinesse oder unter Ausnutzung der Untätigkeit eines anderen Staates oder auch, weil sein Opfer vielleicht selbst nicht an die Öffentlichkeit treten will, sich der Bestrafung entzieht? Nein, unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit wäre dies eine nicht erträgliche Folge.
    Natürlich ist es richtig, daß wir auch bei der Verletzung anderer, minderschwerer Rechtsgüter diese Folge der Verjährung hinnehmen. Aber dort ist sie erträglich, weil sie nicht das höchste Gut, nämlich das menschliche Leben, vernichtet hat.

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU] : Wie ist das beim Totschlag?)

    — Das wissen Sie doch genau, Herr Erhard. Ich habe Ihnen eben diesen Auslieferungshaftbefehl vorgelesen. Soll ich Ihnen daraus nochmals vorlesen? Mord setzt eben voraus, daß der Täter die Tat heimtückisch, grausam oder aus niederen Beweggründen oder zur Verdeckung einer anderen Straftat begangen hat.
    Dann wird gesagt, derartige schreckliche Taten könnten die Täter nicht wiederholen, ja unser Volk könne überhaupt nicht mehr so schrecklich denken und handeln wie in der Zeit des Nazireichs. Dazu müssen wir aber wissen — das ist heute morgen schon einmal angeklungen —, daß unsere jungen Menschen, unsere Schuljugend von fast gänzlicher Unkenntnis darüber sind, zu welchen Gewalttaten Menschen — insbesondere in der Nazizeit, aber nicht nur damals — fähig waren. Niemand kann garantieren, daß diese Gefahren für immer ausgerottet sind. Wir brauchen doch nur unsere nahe Vergangenheit und unsere Gegenwart anzusehen. Da gibt es auch heute Schändungen jüdischer Friedhöfe; da werden Juden symbolisch verbrannt; da gibt es haßerfüllte Parolen in Schundblättern; da gibt es Aufmärsche von sogenannten Traditionsvereinen; da werden selbst an Bundestagsabgeordnete — wie in der vergangenen Woche geschehen — Pamphlete geschickt, in denen die Massenvernichtung von Juden als historische Lüge bezeichnet wird; da werden die Opfer zu Lügnern gestempelt; da wird von dem Film „Holocaust" als von einem „Schmierfilm" gesprochen, der, wie es wörtlich heißt, als „Gipfel zionistischer Volksverdummung" dargestellt wird.
    Wenn wir diese Reihe von Ereignissen im vorigen und in diesem Jahr ansehen, wird uns recht deutlich, daß die deutsche Vergangenheit des Nazireiches noch lange nicht bewältigt ist. Die Vergangenheit wird da wieder zur Gegenwart, wo wir das Gedächtnis am liebsten gar nicht bemühen würden. Oder wie die „Süddeutsche Zeitung" es in der vorigen Woche formuliert hat: Nicht die Vergangenheit als Vergangenheit, sondern die Vergangenheit in der Gegenwart müssen die Deutschen bewältigen.
    Deswegen, Herr Kollege Kleinert, ist es doch nicht richtig, was Sie heute morgen gesagt haben: daß man der Justiz nicht alles aufbürden könne. Diese Vergangenheit kann sicher von der Justiz allein
    nicht bewältigt werden. Besonders die im Rechtsausschuß gehörten und in der Praxis tätigen Sachverständigen haben uns die Schwierigkeiten gezeigt, die — wie es heute morgen gesagt worden ist — „Restbestände" aufzuarbeiten. Aber das bedeutet doch umgekehrt, daß dort, wo es um die Verfolgung schwerster Verbrechen geht, die Justiz aus ihrer und aller Pflicht und Schuldigkeit nicht entlassen werden kann, vor allem nicht mit dem Hinweis, die Zeit für die Verfolgung sei abgelaufen. Das gilt erst recht dann nicht, wenn wir wissen, daß — ich habe es vorhin schon angedeutet — andere Länder noch dabei sind, diese Tatbestände aufzuklären.
    Und da bleiben Sie mir mit der Justizstatistik weg, es seien nur noch soundso viele Fälle da. Selbst wenn in anhängigen Verfahren nur einer verurteilt wird und zehn freigesprochen werden, wäre es für unseren Rechtsstaat und für unsere moralisch begründete Rechtsvorstellung unerträglich, wenn dieser eine frei herumlaufen könnte.

    (Beifall bei der SPD)

    Damit aber sind Sinn und Zweck der Verjährung überhaupt angesprochen. Thomas Dehler hatte damals in der Verjährungsdebatte gemeint, derRechtssicherheit und des Rechtsfriedens wegen verzichte die Verjährung auf letzte Gerechtigkeit. Aber wäre es für den Rechtsfrieden und das Vertrauen in das Recht nicht eine schlimme Sache, wenn nach dem Eintritt der Verjährung Täter, die wir nicht namentlich kennen, bei denen also nicht unterbrochen werden konnte, Mörder, die sich in andere Kontinente geflüchtet haben und unter anderem Namen untergetaucht sind, zurückkehren würden? Wäre es nicht eine Erschütterung des Vertrauens der Bürger auf die Funktionsfähigkeit unseres Rechts, wenn sich einer dieses Mordes vielleicht sogar rühmen würde?
    Würde es nicht den Rechtsfrieden erheblich bedrohen, wenn uns Polen, wenn uns Israel und andere Staaten Material gegen Mörder liefern und wir nicht mehr ermitteln dürfen? Also gerade der Rechtsfrieden in unserem Lande, meine ich, aber auch der internationale Rechtsfrieden fordern die Aufhebung der Verjährung; denn Herstellung des Rechtsfriedens ist doch eine ganz und gar praktische Frage mit einer tatsächlichen Wirkung. Deshalb geht es die internationale Rechtsgemeinschaft durchaus etwas an, wie wir uns heute verhalten, und wir haben die Verpflichtung, an dem Zustandekommen dieses internationalen Rechtsfriedens mitzuwirken.
    Herr Lenz, wenn Sie vorhin Tatbestände in Vietnam angesprochen haben, dann lassen wir doch durch unsere heutige Entscheidung ein Signal setzen, daß wir es damit ernst meinen, daß politische Morde in der ganzen Welt geächtet werden und jeder Mord in der ganzen Welt geächtet werden muß! Geben wir ein Beispiel dafür, daß wir auch nach 30 und mehr Jahren diese Taten noch verfolgen wollen!
    Von den Bedenken rechtlicher Art, die vorgetragen wurden, bleibt letztlich nur noch übrig, daß die Verjährung nicht nur den Schuldigen schütze, sondern auch jeden Bürger, weil jeder, auch der Unschuldige, beschuldigt werden und nach langer Zeit



    Dr. Weber (Köln)

    mit der Widerlegung eines Verdachts in Beweisnot Kommen könne.
    Meine Damen und Herrn, wegen dieser Beweisprobleme hat die Verjährung ihre Bedeutung im Strafprozeß weitestgehend verloren. Die Strafprozeßordnung hat im Laufe der Rechtsgeschichte ihre Beweisregeln ebenso verfeinert wie die Kriminologie ihre tatsächlichen Beweissicherungsmöglichkeiten.
    Deshalb, Herr Kollege Maihofer, vermögen auch alle Versuche, die Verjährung nur für einen Teil von Mordtaten gänzlich aufzuheben, nicht zu überzeugen. Wo es um grundsätzliche Prinzipien des Rechtes und muß Kapitalverbrechen geht, läßt sich das Recht doch nicht aufteilen. Jeder Versuch, das Teilmotiv „Nazischergen" zu verfolgen, führt doch nur zu einer Teilregelung. Jeder dahin gehende Versuch führt auch zu einer falschen moralischen Einordnung. Jede dahin gehende Differenzierung sieht nur die Quantität des Eingriffs, aber nicht das menschliche Leben an sich, das mit diesem Eingriff zerstört worden ist.

    (Beifall, bei der SPD)

    Eine differenzierte Verjährungsregelung bei Mordtaten dürfte zudem gegen Artikel 3 Grundgestz verstoßen. Der Mordtatbestand schützt das Leben schlechthin, der Rechtsgüterschutz ist qualitativ und nicht quantitativ. Auch eine auftretende Häufigkeit von Rechtsgutsverletzungen in der NS-Zeit kann nicht zu einer unterschiedlichen Schwere einer Mordtat führen. Die Häufigkeit mag ein Argument für die Verfolgungsintensität sein, nicht jedoch für den Tatbestand selbst. Hier gilt und kann nur gelten: Mord ist Mord. Fritz Erler, der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokratischen Partei, hat 1965 wörtlich gesagt — ich möchte dies zitieren—:
    Wir alle gehören zur ganzen deutschen Geschichte und bemühen uns darum, daß unser Volk mit sich selbst ins Reine kommt, sich mit sich selbst aussöhnt. Daher spüren wir die Verantwortung dafür, daß die Schrecken der Vergangenheit sich nicht wiederholen dürfen, daß nicht vom deutschen Boden eine Drachensaat gesät werden kann. Da gilt es, Zeichen aufzurichten. Eines dieser Zeichen ist, daß Mord nicht verjähren darf.
    Dem, meine Damen und Herren, ist nichts hinzuzufügen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Meine Freunde und ich bekräftigen unsere Auffassung, daß die Verjährung bei Mord aufzuheben ist. Ich bitte Sie deshalb auch, die anstehende Entscheidung über diese Frage nicht mit Scheinlösungen zu verbinden, die juristisch, moralisch und politisch zu untragbaren Ergebnissen führen müßten.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ey.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Richard Ey


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Ich glaube, die Art und Weise, in der dieses Hohe Haus über das ernste Thema der Verjährung diskutiert, zeichnet es insgesamt aus. Darüber können wir — quer durch alle Fraktionen und bei unterschiedlichen Standorten — außerordentlich froh sein.
    Meine Damen und Herren, den vorliegenden Anträgen zur Unverjährbarkeit von Mord und Völkermord schließe ich mich nicht an, sondern ich stimme für die Beibehaltung der bestehenden Regelung, wonach auch nationalsozialistische Gewaltverbrechen am 31. Dezember 1979 verjähren. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen meines Kollegen Graf Stauffenberg in der ersten Lesung hinweisen.
    Sie werden es mir nachsehen, daß ich meine Auffassung an dieser Stelle nicht noch einmal ausführlich darlege. Das habe ich — und ich gehe davon aus, auch Sie — in den vergangenen Monaten häufig vor vielen Bürgern und in Gesprächen mit vielen Bürgern getan, und ich habe mit Vertretern insbesondere des mit uns befreundeten Staates Israel sowie auch der beiden großen Kirchen in Deutschland unser Problem erörtert. Ihnen darf ich an dieser Stelle meinen herzlichen und aufrichtigen Dank für den intensiven und hilfreichen Gedankenaustausch sagen, den ich mit ihnen haben durfte. Wir stehen sicher, auch soweit wir kontroverse Auffassungen vertraten, mit Respekt vor den jeweiligen Meinungen voreinander.
    Zusammenfassend möchte ich aber unterstreichen, daß nach meiner Überzeugung im Interesse der Rechtspflege, der Rechtssicherheit und zur Vermeidung von Fehlurteilen an dem Rechtsinstitut der Verjährung auch bei Mord festgehalten werden sollte.
    Einen Aspekt und eine Anregung möchte ich jedoch besonders hinzufügen. Wir sollten uns darüber im klaren sein, daß wir heute nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch und vor allem für die Zukunft Lösungen schaffen müssen. Mit „Zukunft" ist zwangsläufig besonders die Jugend angesprochen, die nachwachsende Generation, die künftig die Geschicke unseres Staates verantwortlich übernehmen muß. Was können wir also für die Jugend und ihre Zukunft tun?
    Bundespräsident Karl Carstens hat in seiner Antrittsrede auf die Notwendigkeit eines verstärkten Geschichtsunterrichts und damit eines fundierten Geschichtsbewußtseins hingewiesen. Geschichtsbewußtsein ist abhängig vom Wissen um die Geschichte. Clausewitz fügte einmal hinzu — ich darf dabei ein Adjektiv weglassen („lügenhaften") —, daß Geschichte nicht zu verwechseln sei mit dem Blatt einer Zeitung.
    Ich möchte daher anregen, daß der Deutsche Bundestag eine umfassende Dokumentation über diese Verjährungsdiskussion veröffentlicht. Diese Dokumentation gehört in die Schulen und in die Universitäten. Sie sollte in die Richtlinien jedes Kultusministeriums über den staatsbürgerkundlichen Unterricht aufgenommen werden.



    Ey
    Auf diese Weise möge es der Jugend gelingen, unsere vom großen Unheil überschattete Vergangenheit nicht zu verwinden, wie man einen Schmerz verwindet, sondern aktiv zu überwinden, um künftig und für alle Zeiten Lehren zu ziehen, wie sie für die Erhaltung des Weltfriedens unabdingbar sind. Um es mit Carl Friedrich von Weizsäcker in seinem bemerkenswerten Vortrag „Gedanken über unsere Zukunft" zu sagen: Er weist darauf hin, daß die Erhaltung des Weltfriedens unabdingbar sei, daß aber die Erhaltung dieses Weltfriedens auch bisher nicht gekannter Anstrengungen bedürfe. Selbst alle Investitionen oder Aufwendungen für Kriege stünden zu diesen erforderlichen Anstrengungen zur Erhaltung des Weltfriedens in keinem Verhältnis.
    Wenn diese Chance genutzt wird, heute die Entscheidung in dieser wichtigen Frage, auf die Zukunft orientiert, zu fällen, dann kann auch das aufmerksame Ausland, insbesondere auch dessen Jugend, den Zugang zu uns Deutschen finden, dessen wir bedürfen und der für eine gemeinsame Zukunft so dringend erforderlich ist. Dieses sollte auch unser Leitgedanke bei der vor uns liegenden Abstimmung sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU)