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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/166 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 166. Sitzung Bonn, Dienstag, den 3. Juli 1979 Inhalt: Abweichung von § 60 Abs. 2 GO bei der Beratung der Verjährungsvorlagen . . . 13233 A Eintritt des Abg. Besch in den Deutschen Bundestag für den ausgeschiedenen Abg Carstens (Fehmarn) 13290 A Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . 13233 B Beratung des Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gradl, Katzer, Blumenfeld, Dr. Mikat, Dr. Biedenkopf, Josten, Dr. Müller-Hermann, Gerster (Mainz), Wohlrabe, Frau Dr. Riede (Oeffingen), Kittelmann, Breidbach, Frau Pieser, Luster, Reddemann, Schröder (Lüneburg), Dr. Pfennig, Frau Berger (Berlin), Stommel, Conrad (Riegelsberg), Dr. Stercken, Russe, Frau Dr. Wisniewski, Schartz (Trier) und Genossen Unverjährbarkeit von Mord zu der Entschließung des Europäischen Parlaments zur Unverjährbarkeit von Völkermord und Mord zu dem von den Abgeordneten Wehner, Ahlers, Dr. Ahrens, Amling, Dr. Apel und Genossen und den Abgeordneten Dr. Wendig, Gattermann, Frau Dr. Hamm-Brücher und Genossen eingebrachten Entwurf eines Achtzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes — Drucksachen 8/2539, 8/2616, 8/2653 (neu), 8/3032 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Wehner, Ahlers, Dr. Ahrens, Amling, Dr. Apel und Genossen und den Abgeordneten Dr. Wendig, Gattermann, Frau Dr. Hamm-Brücher und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Achtzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes — Drucksache 8/2653 (neu) — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Gradl, Katzer, Blumenfeld, Dr. Mikat, Dr. Biedenkopf, Josten, Dr. Müller-Her- II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 166. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 3. Juli 1979 mann, Gerster (Mainz), Wohlrabe, Frau Dr. Riede (Oeffingen), Kittelmann, Breidbach, Frau Pieser, Luster, Reddemann, Schröder (Lüneburg), Dr. Pfennig, Frau Berger (Berlin), Stommel, Conrad (Riegelsberg), Dr. Stercken, Russe, Frau Dr. Wisniewski, Schartz (Trier) und Genossen Unverjährbarkeit von Mord — Drucksache 8/2539 — in Verbindung mit Beratung der Entschließung des Europäischen Parlaments zur Unverjährbarkeit von Völkermord und Mord — Drucksache 8/2616 — Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . . 13234 A Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD . . . . 13239 B Kleinert FDP 13243 C Hartmann CDU/CSU 13247 C Dr. Vogel (München) SPD . . . . . . 13252 A Gattermann FDP . . . . . . . . . 13254 C Gerster (Mainz) CDU/CSU . . . . . . 13257 B Dr. Dr. h. c. Maihofer FDP . . . 13260 A, 13292 A Dr. Emmerlich SPD . . . . . . . 13265 B Helmrich CDU/CSU 13268 A Sieglerschmidt SPD 13269 C Frau Matthäus-Maier FDP . . . . . . 13272 B Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU 13274 D Dr. Weber (Köln) SPD 13277 D Ey CDU/CSU 13281 C Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 13282 B Blumenfeld CDU/CSU 13285 C Cronenberg FDP 13287 B Dr. Bötsch CDU/CSU . . . . . . . . . 13288 A Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU . . . 13294 B Dürr SPD 13296 C Engelhard FDP 13298 D Dr. Gradl CDU/CSU 13301 A Thüsing SPD 13303 A Dr. Wendig FDP 13305 D Namentliche Abstimmungen . . 13290 A, 13292 B, 13308 A, 13311 B Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zum Sechsten Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes — Drucksache 8/3027 — Pfeifer CDU/CSU . . . . . . . . . . 13308 B Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zum Gesetz zur Neufassung des Umsatzsteuergesetzes und zur Änderung anderer Gesetze — Drucksache 8/3028 Westphal SPD 13309 B Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zum Gesetz zur Änderung des Gesetzes über technische Arbeitsmittel und der Gewerbeordnung — Drucksache 8/3029 — Jahn (Marburg) SPD 13313 B Nächste Sitzung 13313 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 13315* A Anlage 2 Erklärung des Abg. Dr. Penner (SPD) nach § 59 GO zu Punkt 1 der Tagesordnung . . 13315*A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 166. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 3. Juli 1979 13233 166. Sitzung Bonn, den 3. Juli 1979 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Dr. Arnold 4. 7. Bayha 4. 7. Dr. Böhme (Freiburg) 4. 7. Büchner (Speyer) * 4. 7. Dr. Dübber 3. 7. Dr. h. c. Kiesinger 4. 7. Koblitz 4. 7. Dr. Müller ** 4. 7. Picard 4. 7. Scheffler ** 4. 7. Frau Schlei 4. 7. Dr. Schmitt-Vockenhausen 4. 7. Spilker 4. 7. Volmer 4. 7. Walkhoff 4. 7. Dr. Wulff 4. 7. Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Dr. Penner (SPD) nach § 59 GO zu Punkt 1 der Tagesordnung Ich stimme einer angestrebten Aufhebung der Verjährungsfrist für Mord nicht zu. Ich bin der Meinung, daß sich das abgestufte System der Verjährungsfristen im Strafgesetzbuch, in das auch schwerste Straftaten wie Mord einbezogen sind, bei allen eingeräumten Unzulänglichkeiten bewährt hat. Die zeitliche Begrenzung der staatlichen Verfolgungspflicht für Straftaten beruht auch auf der Erkenntnis, daß die Möglichkeiten der Wahrheitsfindung im Strafprozeß um so brüchiger und fragwürdiger werden, je mehr Zeit zwischen Tat und Ahndung verstrichen ist. Ich halte es daher für richtig und auch geboten, wenn der Gesetzgeber diese Regelerfahrung gesetzlich absichert und damit den Strafverfolgungsorganen eine Pflicht abnimmt, der sie auch bei bestem Wollen und Können nicht gerecht werden können. Hinweise auf ausländische Rechtsordnungen und frühere deutsche und romanische Rechtsinstitute halte ich für bemerkenswert, aber für nur bedingt aussagekräftig, da bei einem Vergleich die gesamten Verfahrensordnungen mit allen Möglichkeiten und Hemmnissen besonders des Beweisrechts gegenüber gestellt werden müssen. Der Anlaß für die Initiative ist ebenso beklemmend wie säkulär. Es geht nicht einfach um eine Neufassung des Verjährungssystems, es geht um die Frage, ob besonders Mordtaten der NS-Zeit über gesetzliche Verjährungsvorschriften einer Strafverfolgung entzogen sein können oder nicht. Das Für und Wider ist in den bewegenden Debatten der 60er * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Jahre und in den Diskussionen aus jüngster Zeit engagiert, behutsam und sorgfältig beleuchtet worden. Ich bin aber der Meinung, daß es statthaft sein darf, bei der Entscheidung auch berufsbedingte Erfahrungen miteinzubeziehen, die mehr die praktische Auswirkung der Gesetzesänderung betreffen. Ich neige mehr und mehr zu der Auffassung, daß der in den 60er Jahren beschrittene Weg der Ausdehnung der Verjährungsfristen nicht richtig gewesen ist. Dabei will ich nicht verschweigen, daß ich dies seinerzeit anders gesehen habe. Aber im Verlaufe einer beruflichen Tätigkeit, bei der ich mit der Verfolgung von NS-Gewaltverbrechen zu tun hatte, sind mir zunehmend Zweifel gekommen. Und das, obwohl die nazistische Wirklichkeit mit Genozid, mit Vernichtungs- und Konzentrationslagern, mit Massen- und Einzelmorden durch Akten und Zeugenaussagen erdrückend bestätigt wurde. Aber im Strafprozeß geht es nicht allein um Tatgeschehen, sondern auch um persönliche Verantwortung, um Schuld. Der Nachweis individueller Schuld war schon früher aus vielerlei Gründen kaum oder gar nicht möglich. Das ist auch nach der Erweiterung der Verjährungsfrist auf 30 Jahre noch problematischer geworden. Nicht nur statistische Hinweise geben darüber Aufschluß. Selbst das deutsch-französische Rechtshilfeabkommen des Jahres 1971, das die Verfolgungssperren des Überleitungsvertrages für deutsche Behörden lockerte, hat die strafrechtliche Bewältigung der Judendeportationen aus Frankreich nicht unterstützen können, wie man hört. Ich bin der Meinung, daß unter den gegebenen Umständen die Beibehaltung des geltenden Verjährungsrechts verantwortet werden kann. Nach meiner Erfahrung dürfte die Entdeckung neuer Sachverhalte mit der Folge strafrechtlicher Verurteilung zwar nicht ausschließbar, aber nahezu ausgeschlossen sein. Aller Voraussicht nach wird ein berechtigtes Sühnebedürfnis nicht mehr gestillt werden können. Daher halte ich es aus meiner Sicht nicht für erträglich, Zeugen, die Schwerstes erlitten und durchlitten haben, den Lasten und Beschwernissen, ja den Qualen von Vernehmungen über die gegebenen Unumgänglichkeiten hinaus auszusetzen. Daß nach Eintritt der Verjährungsfrist unentdeckte NS-Mörder sich ihrer Untaten öffentlich rühmen könnten, ist eine theoretische Möglichkeit, hat aber mit der Verjährungsproblematik nichts zu tun. Für schon Abgeurteilte oder außer Verfolgung gesetzte NS-Täter sind eher Stichworte wie „Leugnen", „Verkleinern", „Es war eben Krieg" und in Einzelfällen auch Reue kennzeichnend. Eine Neigung zu öffentlicher Erörterung dieser Vergangenheit besteht bei diesem Tätertyp nach den bisherigen Erfahrungen hingegen kaum. Für die Zukunft muß eine stetig zunehmende Zahl von Fehlbeurteilungen der Strafverfolgungsorgane befürchtet werden. Das wird für die schon anhängigen Verfahren unumgänglich sein. Die Gründe lie- 13316* .Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 166. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 3. Juli 1979 gen durchweg in der Beweisnot der Gerichte und Staatsanwaltschaften. Die Aufhebung der Verjährungsfrist hätte zur Folge, daß zu allen neuen Vorgängen materielle Entscheidungen über Schuld oder Unschuld erforderlich würden. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß diese durchweg Einstellungsverfügungen und Freisprüche sein werden. Ich hielte das für bedrückend, weil mit diesen staatlichen Akten, deren Qualität nicht anders ausfallen kann und wird, Geschichtslegenden gebildet und unterstützt werden können. Aus meiner Sicht ist daher das aus dem geltenden Recht folgende Offenhalten der strafrechtlichen Schuldfrage nach Ablauf der Verjährungsfrist auch der politische richtige Weg. Ich weiß, daß diese Überlegungen nur einen Teil der Fragen und Bedrängungen ausmachen. Für mich sind sie entscheidend. Eine neue gesetzliche Regelung muß sich auch an ihren Möglichkeiten und Grenzen messen lassen. Dem Anspruch der Opfer, der Betroffenen auf sühnende Gerechtigkeit kann nicht über eine Ausweitung des Verjährungsrechts Genüge geschehen. Ich meine, daß dies auszusprechen auch zur parlamentarischen Verantwortlichkeit gehört. Ich wage es daher, nein zu sagen.
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    Rede von Hellmut Sieglerschmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Bitte schön.


Rede von Benno Erhard
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Sieglerschmidt, würden Sie bestätigen, daß wir uns im Rechtsausschuß die Akten sämtlicher Fälle, die seit 1970 zur Erhebung von Anklagen geführt haben, haben vorlegen lasen und daß sich aus den Akten, die noch nicht abgeschlossen, also noch nicht mit Urteil erledigt sind, ergeben hat, daß, wenn überhaupt, allenfalls ein Fall unter die Regelung gefallen wäre, die ich vorgeschlagen habe?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hellmut Sieglerschmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Dies kann ich so nicht bestätigen, Herr Kollege Erhard.

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU] : Weil Sie sich die Akten nicht angesehen haben!)

    — Nein. Es ist so, daß durchaus auch andere Verfahren von den anhängigen Verfahren hätten darunterfallen können. Aber wir können das jetzt nicht im einzelnen klären, weil wir dann die Akten vornehmen müßten.

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU] : Wir haben sie doch alle gehabt!)

    Jedenfalls besteht die Befürchtung, daß nicht nur
    ein Verfahren hätte eingestellt werden müssen. Herr



    Sieglerschmidt
    Kollege Erhard, ich meine, dazu würde vielleicht noch etwas zu sagen sein, wenn man die Akten, die ich jetzt natürlich nicht hier habe, heranzöge.
    Wenn wir uns vergegenwärtigen, daß weder eine differenzierende Regelung, so, wie sie uns der Kollege Maihofer empfohlen hat, noch etwas in der Richtung, wie ich es eben hier behandelt habe, zu einem Ergebnis führt, das — jedenfalls für mich — annehmbar ist, bleibt die Entscheidung, entweder die Unverjährbarkeit von Mord allgemein einzuführen oder den Eintritt der Verjährung bei nationalsozialistischen Gewaltverbrechen in Kauf zu nehmen. Dies ist die Entscheidung, vor der wir stehen.
    Ich habe in der ersten Lesung davon gesprochen, daß die Stunde der Wahrheit in dieser Frage herannahe. Nun stehen wir vor dieser Stunde der Wahrheit und haben uns zwischen diesen beiden Möglichkeiten zu entscheiden. Ich möchte hier sehr deutlich sagen: Auch der Versuch, etwa durch weiteres Hinausschieben dieser Entscheidung zu einer besseren Regelung kommen zu wollen, kann uns nicht weiterhelfen. Wir haben lange genug im Rechtsausschuß danach gesucht, wie wir zu der optimalen Regelung — nicht „Lösung", sondern „Regelung" — kommen könnten. Außer dem, was heute hier auf dem Tisch liegt bzw. in der Diskussion ist, hat sich nichts gezeigt. Es ist also auch für die Zukunft kaum zu erwarten, daß, neue Elemente hinzukommen werden. Deswegen möchte ich hier mit al- ler Deutlichkeit sagen: Jeder Versuch einer Verschiebung dieser Entscheidung wäre ihrer Bedeutung und dieses Parlaments nicht würdig.
    Meine Damen und Herren, es gibt Entscheidungen, die in die geschichtliche Zukunft fortwirken. Man merkt das häufig erst hinterher, wenn nach einer solchen Entscheidung eine unwiderrufliche Veränderung eingetreten ist. Wir haben heute hier — ich gestehe das ganz freimütig zu — auch viele gute Gründe gehört, die für einen Eintritt der Verjährung sprechen könnten. Wir haben wiederum — wie schon in der ersten Lesung — von den Schwierigkeiten gehört, die Bestrafung weiterer NS-Verbrecher zu erreichen. Wir haben sicherlich übereinstimmend festgestellt, daß die Möglichkeiten dazu nach so langer Zeit begrenzt sind.
    Dennoch muß ich Ihnen sagen: Wir würden meiner Meinung nach nicht die gleiche Republik sein, wenn wir im Namen des deutschen Volkes einen Schlußpunkt für die Strafverfolgung dieser Verbrechen setzten.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das geht etwas zu weit!)

    Die Aufhebung der Verjährung von Mord allgemein sollte auch nicht schwerfallen. Ich will hier noch einmal deutlich machen, was andere Kollegen vorher schon in anderer Form geäußert haben. Wenn wir erkennen, daß die Abschaffung der Todesstrafe ein erster Schritt war, an den sich die Aufhebung der Verjährung als logischer zweiter Schritt anschließt, dann, meine ich, könnte es doch auch den Kollegen, die sich noch nicht in dieser
    Richtung entschieden haben, leichter fallen, diesen Schritt mit uns zu tun. Es waren doch die Erfahrungen am Ende der NS-Gewaltherrschaft, die in Feuer und Blut zu Ende ging, die zu jener Wertentscheidung geführt haben, daß das Recht auf Leben ein höchstes Gut ist. Ich will noch einmal eine Verbindung zwischen den beiden Entscheidungen deutlich machen. Die eine damals getroffene Entscheidung war die auf Abschaffung der Todesstrafe, die andere, nämlich für Unverjährbarkeit von Mord, steht heute vor uns. Der Staat hat nicht das Recht, Leben zu vernichten — so war damals diese Grundentscheidung —, auch nicht auf Grund eines Richterspruches. Wer aber Leben durch Mord vernichtet, den hat der Staat ohne zeitliche Begrenzung zu verfolgen und seinem Richter zuzuführen.
    Eine solche Ethik, Herr Kollege Mertes, steht für mich aus bitterer Erfahrung heraus höher — das sage ich ganz offen — als die Ethik des Rechtsfriedens, die Sie erwähnt haben.
    Welche Rolle hat in dieser Diskussion nun das Ausland zu spielen? Welche Rolle hat es gespielt? Ich sage Ihnen, verehrte Kollegen, ganz freimütig: Wenn ich nicht mit gutem Gewissen für die Aufhebung der Verjährung von Mord eintreten könnte, würde keine Mahnung, keine Forderung aus dem Ausland mich beeinflussen können. Weil aber mit der Entscheidung für eine Aufhebung der Verjährung von Mord, so meine ich, zumindest nichts Rechtsstaatswidriges verlangt wird — wie immer man auch die Frage beurteilen mag —, haben wir auf diese Stimmen aus dem eigenen Land und aus dem Ausland, insbesondere auf die Stimmen der Opfer, ihrer Angehörigen und ihrer Hinterbliebenen zu hören.
    Herr Kollege Mertes, Sie haben hier eine Formulierung gebraucht, die ich gern zwischen uns hier vom Tisch bekäme, wenn es geht. Sie haben gesagt, es dürfe nicht der Eindruck entstehen, daß statt des Rechtes bei uns die politische Anpassung regiere. Ich will mich vorsichtig ausdrücken: Ich halte eine solche Formulierung zumindest für mißverständlich und gefährlich. Denn sehen Sie: So wie Sie mit Recht jeden Verdacht zurückweisen, daß Ihre Haltung interpretiert werden könne, als wollten Sie damit Naziverbrecher unterstützen oder fördern, so haben wir natürlich jeden Verdacht zurückzuweisen, daß wir hier etwa aus Gründen der politischen Anpassung handeln.

    (Beifall bei der SPD)