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ID0816602000

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    Plenarprotokoll 8/166 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 166. Sitzung Bonn, Dienstag, den 3. Juli 1979 Inhalt: Abweichung von § 60 Abs. 2 GO bei der Beratung der Verjährungsvorlagen . . . 13233 A Eintritt des Abg. Besch in den Deutschen Bundestag für den ausgeschiedenen Abg Carstens (Fehmarn) 13290 A Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . 13233 B Beratung des Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gradl, Katzer, Blumenfeld, Dr. Mikat, Dr. Biedenkopf, Josten, Dr. Müller-Hermann, Gerster (Mainz), Wohlrabe, Frau Dr. Riede (Oeffingen), Kittelmann, Breidbach, Frau Pieser, Luster, Reddemann, Schröder (Lüneburg), Dr. Pfennig, Frau Berger (Berlin), Stommel, Conrad (Riegelsberg), Dr. Stercken, Russe, Frau Dr. Wisniewski, Schartz (Trier) und Genossen Unverjährbarkeit von Mord zu der Entschließung des Europäischen Parlaments zur Unverjährbarkeit von Völkermord und Mord zu dem von den Abgeordneten Wehner, Ahlers, Dr. Ahrens, Amling, Dr. Apel und Genossen und den Abgeordneten Dr. Wendig, Gattermann, Frau Dr. Hamm-Brücher und Genossen eingebrachten Entwurf eines Achtzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes — Drucksachen 8/2539, 8/2616, 8/2653 (neu), 8/3032 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Wehner, Ahlers, Dr. Ahrens, Amling, Dr. Apel und Genossen und den Abgeordneten Dr. Wendig, Gattermann, Frau Dr. Hamm-Brücher und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Achtzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes — Drucksache 8/2653 (neu) — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Gradl, Katzer, Blumenfeld, Dr. Mikat, Dr. Biedenkopf, Josten, Dr. Müller-Her- II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 166. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 3. Juli 1979 mann, Gerster (Mainz), Wohlrabe, Frau Dr. Riede (Oeffingen), Kittelmann, Breidbach, Frau Pieser, Luster, Reddemann, Schröder (Lüneburg), Dr. Pfennig, Frau Berger (Berlin), Stommel, Conrad (Riegelsberg), Dr. Stercken, Russe, Frau Dr. Wisniewski, Schartz (Trier) und Genossen Unverjährbarkeit von Mord — Drucksache 8/2539 — in Verbindung mit Beratung der Entschließung des Europäischen Parlaments zur Unverjährbarkeit von Völkermord und Mord — Drucksache 8/2616 — Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . . 13234 A Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD . . . . 13239 B Kleinert FDP 13243 C Hartmann CDU/CSU 13247 C Dr. Vogel (München) SPD . . . . . . 13252 A Gattermann FDP . . . . . . . . . 13254 C Gerster (Mainz) CDU/CSU . . . . . . 13257 B Dr. Dr. h. c. Maihofer FDP . . . 13260 A, 13292 A Dr. Emmerlich SPD . . . . . . . 13265 B Helmrich CDU/CSU 13268 A Sieglerschmidt SPD 13269 C Frau Matthäus-Maier FDP . . . . . . 13272 B Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU 13274 D Dr. Weber (Köln) SPD 13277 D Ey CDU/CSU 13281 C Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 13282 B Blumenfeld CDU/CSU 13285 C Cronenberg FDP 13287 B Dr. Bötsch CDU/CSU . . . . . . . . . 13288 A Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU . . . 13294 B Dürr SPD 13296 C Engelhard FDP 13298 D Dr. Gradl CDU/CSU 13301 A Thüsing SPD 13303 A Dr. Wendig FDP 13305 D Namentliche Abstimmungen . . 13290 A, 13292 B, 13308 A, 13311 B Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zum Sechsten Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes — Drucksache 8/3027 — Pfeifer CDU/CSU . . . . . . . . . . 13308 B Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zum Gesetz zur Neufassung des Umsatzsteuergesetzes und zur Änderung anderer Gesetze — Drucksache 8/3028 Westphal SPD 13309 B Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zum Gesetz zur Änderung des Gesetzes über technische Arbeitsmittel und der Gewerbeordnung — Drucksache 8/3029 — Jahn (Marburg) SPD 13313 B Nächste Sitzung 13313 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 13315* A Anlage 2 Erklärung des Abg. Dr. Penner (SPD) nach § 59 GO zu Punkt 1 der Tagesordnung . . 13315*A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 166. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 3. Juli 1979 13233 166. Sitzung Bonn, den 3. Juli 1979 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Dr. Arnold 4. 7. Bayha 4. 7. Dr. Böhme (Freiburg) 4. 7. Büchner (Speyer) * 4. 7. Dr. Dübber 3. 7. Dr. h. c. Kiesinger 4. 7. Koblitz 4. 7. Dr. Müller ** 4. 7. Picard 4. 7. Scheffler ** 4. 7. Frau Schlei 4. 7. Dr. Schmitt-Vockenhausen 4. 7. Spilker 4. 7. Volmer 4. 7. Walkhoff 4. 7. Dr. Wulff 4. 7. Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Dr. Penner (SPD) nach § 59 GO zu Punkt 1 der Tagesordnung Ich stimme einer angestrebten Aufhebung der Verjährungsfrist für Mord nicht zu. Ich bin der Meinung, daß sich das abgestufte System der Verjährungsfristen im Strafgesetzbuch, in das auch schwerste Straftaten wie Mord einbezogen sind, bei allen eingeräumten Unzulänglichkeiten bewährt hat. Die zeitliche Begrenzung der staatlichen Verfolgungspflicht für Straftaten beruht auch auf der Erkenntnis, daß die Möglichkeiten der Wahrheitsfindung im Strafprozeß um so brüchiger und fragwürdiger werden, je mehr Zeit zwischen Tat und Ahndung verstrichen ist. Ich halte es daher für richtig und auch geboten, wenn der Gesetzgeber diese Regelerfahrung gesetzlich absichert und damit den Strafverfolgungsorganen eine Pflicht abnimmt, der sie auch bei bestem Wollen und Können nicht gerecht werden können. Hinweise auf ausländische Rechtsordnungen und frühere deutsche und romanische Rechtsinstitute halte ich für bemerkenswert, aber für nur bedingt aussagekräftig, da bei einem Vergleich die gesamten Verfahrensordnungen mit allen Möglichkeiten und Hemmnissen besonders des Beweisrechts gegenüber gestellt werden müssen. Der Anlaß für die Initiative ist ebenso beklemmend wie säkulär. Es geht nicht einfach um eine Neufassung des Verjährungssystems, es geht um die Frage, ob besonders Mordtaten der NS-Zeit über gesetzliche Verjährungsvorschriften einer Strafverfolgung entzogen sein können oder nicht. Das Für und Wider ist in den bewegenden Debatten der 60er * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Jahre und in den Diskussionen aus jüngster Zeit engagiert, behutsam und sorgfältig beleuchtet worden. Ich bin aber der Meinung, daß es statthaft sein darf, bei der Entscheidung auch berufsbedingte Erfahrungen miteinzubeziehen, die mehr die praktische Auswirkung der Gesetzesänderung betreffen. Ich neige mehr und mehr zu der Auffassung, daß der in den 60er Jahren beschrittene Weg der Ausdehnung der Verjährungsfristen nicht richtig gewesen ist. Dabei will ich nicht verschweigen, daß ich dies seinerzeit anders gesehen habe. Aber im Verlaufe einer beruflichen Tätigkeit, bei der ich mit der Verfolgung von NS-Gewaltverbrechen zu tun hatte, sind mir zunehmend Zweifel gekommen. Und das, obwohl die nazistische Wirklichkeit mit Genozid, mit Vernichtungs- und Konzentrationslagern, mit Massen- und Einzelmorden durch Akten und Zeugenaussagen erdrückend bestätigt wurde. Aber im Strafprozeß geht es nicht allein um Tatgeschehen, sondern auch um persönliche Verantwortung, um Schuld. Der Nachweis individueller Schuld war schon früher aus vielerlei Gründen kaum oder gar nicht möglich. Das ist auch nach der Erweiterung der Verjährungsfrist auf 30 Jahre noch problematischer geworden. Nicht nur statistische Hinweise geben darüber Aufschluß. Selbst das deutsch-französische Rechtshilfeabkommen des Jahres 1971, das die Verfolgungssperren des Überleitungsvertrages für deutsche Behörden lockerte, hat die strafrechtliche Bewältigung der Judendeportationen aus Frankreich nicht unterstützen können, wie man hört. Ich bin der Meinung, daß unter den gegebenen Umständen die Beibehaltung des geltenden Verjährungsrechts verantwortet werden kann. Nach meiner Erfahrung dürfte die Entdeckung neuer Sachverhalte mit der Folge strafrechtlicher Verurteilung zwar nicht ausschließbar, aber nahezu ausgeschlossen sein. Aller Voraussicht nach wird ein berechtigtes Sühnebedürfnis nicht mehr gestillt werden können. Daher halte ich es aus meiner Sicht nicht für erträglich, Zeugen, die Schwerstes erlitten und durchlitten haben, den Lasten und Beschwernissen, ja den Qualen von Vernehmungen über die gegebenen Unumgänglichkeiten hinaus auszusetzen. Daß nach Eintritt der Verjährungsfrist unentdeckte NS-Mörder sich ihrer Untaten öffentlich rühmen könnten, ist eine theoretische Möglichkeit, hat aber mit der Verjährungsproblematik nichts zu tun. Für schon Abgeurteilte oder außer Verfolgung gesetzte NS-Täter sind eher Stichworte wie „Leugnen", „Verkleinern", „Es war eben Krieg" und in Einzelfällen auch Reue kennzeichnend. Eine Neigung zu öffentlicher Erörterung dieser Vergangenheit besteht bei diesem Tätertyp nach den bisherigen Erfahrungen hingegen kaum. Für die Zukunft muß eine stetig zunehmende Zahl von Fehlbeurteilungen der Strafverfolgungsorgane befürchtet werden. Das wird für die schon anhängigen Verfahren unumgänglich sein. Die Gründe lie- 13316* .Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 166. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 3. Juli 1979 gen durchweg in der Beweisnot der Gerichte und Staatsanwaltschaften. Die Aufhebung der Verjährungsfrist hätte zur Folge, daß zu allen neuen Vorgängen materielle Entscheidungen über Schuld oder Unschuld erforderlich würden. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß diese durchweg Einstellungsverfügungen und Freisprüche sein werden. Ich hielte das für bedrückend, weil mit diesen staatlichen Akten, deren Qualität nicht anders ausfallen kann und wird, Geschichtslegenden gebildet und unterstützt werden können. Aus meiner Sicht ist daher das aus dem geltenden Recht folgende Offenhalten der strafrechtlichen Schuldfrage nach Ablauf der Verjährungsfrist auch der politische richtige Weg. Ich weiß, daß diese Überlegungen nur einen Teil der Fragen und Bedrängungen ausmachen. Für mich sind sie entscheidend. Eine neue gesetzliche Regelung muß sich auch an ihren Möglichkeiten und Grenzen messen lassen. Dem Anspruch der Opfer, der Betroffenen auf sühnende Gerechtigkeit kann nicht über eine Ausweitung des Verjährungsrechts Genüge geschehen. Ich meine, daß dies auszusprechen auch zur parlamentarischen Verantwortlichkeit gehört. Ich wage es daher, nein zu sagen.
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    Rede von Dr. Werner Maihofer


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    Bitte.


Rede von Johann Peter Josten
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Herr Kollege Maihofer, teilen Sie nicht meine Meinung, daß gerade in den letzten Jahren eine derartige Veränderung in unserer Gesellschaft eingetreten ist, wo das Morden doch heute praktisch an jedem Tag in einer Form geschieht, daß wir — wir haben uns auch damals anders entschieden — konsequenterweise zu einer anderen Entscheidung kommen mußten?

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    Rede von Dr. Werner Maihofer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
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    Nun, dies kann ich — und nicht nur ich und nicht nur die Antragsteller, die sich meinem Antrag verbunden haben, sondern auch meine Fachkollegen, die sich mit diesen Fragen seit Jahren beschäftigen —nicht feststellen. Den grundlegenden Wandel der Wertüberzeugungen, der dazu nötigen würde, die Unverjährbarkeit der Mordverbrechen einzuführen, gibt es nicht. Ganz im Gegenteil — um dies ganz klar zu sagen —, selbst die Regelstrafe für Mordverbrechen läuft heute auf eine eindeutig unter Resozialisierungsgesichtspunkten zu gestaltende, etwa durchschnittlich 15jährige Gesamtstrafe hinaus.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das ist eine richtige Darstellung!)

    Das ist einfach ein Widerspruch in sich.
    Zweitens. Die Antragsteller gehen mit ihrem Änderungsantrag den zweiten Weg, den einer Unverjährbarerklärung der früher begangenen Mordverbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, soweit sie die Voraussetzungen der schon in unserem geltenden Recht enthaltenen Straftatbestände des Völkermordes oder der Kriegsverbrechen erfüllen. Zwar schließt das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 unserer Verfassung die rückwirkende Anwendung dieser erst später in unser Recht aufgenommenen Straftatbestände selber aus, wie Sie alle wissen. Die Strafbarkeit kann sich immer nur nach dem bereits zur Tatzeit geltenden Mordtatbestand richten. Darüber gibt es zwischen uns
    keinen Streit. Nicht vom Rückwirkungsverbot berührt sind dagegen nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 1969 die Verjährungsvorschriften. Deshalb steht es dem Gesetzgeber frei, diejenigen Mordverbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft unverjährbar zu stellen, welche die oben dargelegten völkerstrafrechtlichen Voraussetzungen, bestimmter Völkermordverbrechen oder Kriegsverbrechen, also von Staatsverbrechen, erfüllen.
    Man hat eine solche differenzierende Verjährungsregelung für NS-Verbrechen auf der Rechtsgrundlage des Völkerstrafrechts von verschiedenen Seiten — auch von der Ihren — für verfassungsmäßig nicht möglich erklärt. Demgegenüber haben die beiden — das ist in der Öffentlichkeit nicht durchgedrungen — im Rechtsausschuß gehörten wissenschaftlichen Sachverständigen, übereinstimmend insoweit, einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 unseres Grundgesetzes in seiner vom Bundesverfassungsgericht gegebenen verbindlichen Auslegung ausdrücklich verneint. Vielmehr betreffe die von einer differenzierenden Verjährungsregelung angestellte Prüfung, ob bestimmte Mordtaten gleichzeitig Völkermord oder Kriegsverbrechen seien, nicht ihre Tatbestandsmäßigkeit, sondern sei lediglich, wie Professor Frowein herausgearbeitet hat, die für eine Aussonderung der weiter verjährenden und der nicht verjährenden Morde entscheidende prozessuale Vorfrage. Wenn deshalb der Gesetzgeber verfassungsrechtlich in. der Lage sei, die Verfolgungsverjährung bei Mord generell zu beseitigen, so könne es ihm nicht verwehrt sein, im Rahmen einer prozessualen Verjährungsvorschrift auch eine weniger weitgehende Regelung zu treffen. Die einzige Voraussetzung dabei ist, daß die Differenzierung sachgemäß ist. Diese Sachgemäßheit, aber auch die Verhältnismäßigkeit etwa unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebots nach Art. 3 unseres Grundgesetzes wird von Frowein gerade für eine differenzierende Lösung durch ihre Anknüpfung der deutschen Verjährungsregelung an die geschilderte völkerrechtliche Entwicklung ausdrücklich bejaht. Fazit: Wenn überhaupt Änderung des geltenden Rechts, dann in Richtung auf eine allein als sachangemessen und verhältnismäßig aufgefaßte differenzierende Verjährungsregelung.
    Zu demselben Gesamtergebnis gelangt auch der zweite wissenschaftliche Sachverständige, Professor Böckenförde, wenn auch von ganz anderer Position aus. Er sieht, wie Sie auch seinen veröffentlichten Darlegungen entnehmen können, entgegen dem Verfassungsgerichtsurteil in jeder nachträglichen Verjährungsänderung eine auch materiellrechtliche und nicht nur formell-rechtliche Neubewertung mit Rückwirkung für den davon Betroffenen.
    Stelle man sich dagegen auf den vom Bundesverfassungsgericht eingenommenen Standpunkt einer rein prozessualen Rechtsnatur der Verjährungsvorschriften, welche das Rückwirkungsverbot nach Art. 103 Abs. 2 unberührt lasse, dann gelte es, durch eine von Böckenförde als verfassungsgemäß erachtete Sonderregelung „die rechtsstaatlichen Auswirkungen so eng begrenzt wie möglich" zu halten.



    Dr. Dr. h. c. Maihofer
    So seine wörtliche Ausführung auf ausdrückliche Nachfrage bei den Beratungen im Rechtsausschuß des Bundestages.
    Dies fordert im Prinzip ebenso eine differenzierte Verjährungsregelung, wobei es bei deren Differenzierung auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 GG allerdings — und das war ein sehr bedeutsamer Gesichtspunkt, den Herr Böckenförde in die Beratung eingeführt hat — entscheidend darauf ankommen muß, ob sich die daraus folgende verschiedene Behandlung verjährender und nicht verjährender Mordtaten nach völkerstrafrechtlichen Gesichtspunkten auch aus unterschiedlichen Strafzwecken begründen läßt. Eben hier in den unterschiedlichen Strafzwecken, neben dem für beide Bereiche wichtigen Zweck der Sühne für Schuld, liegt, wie ich eingangs dargelegt habe, für eine differenzierte Verjährungsregelung der eigentliche Unterschied zwischen der letztlich auf Resozialisierung abzielenden Bestrafung des gemeinen Mordes als Einzelverbrechen und der auf internale Prävention gerichteten Bestrafung von Völkermord und Kriegsverbrechen als Staatsverbrechen.
    Drittens. Die Antragsteller sind der Überzeugung, daß mit einer differenzierenden Verjährungsregelung die Fälle aus dem Kernbereich des Völkermordes und der Kriegsverbrechen erfaßt werden, die auch nach 1979 auf Grund neuer Unterlagen neu zur Verhandlung anstehen könnten, ohne daß zuvor eine vorsorgliche Unterbrechung der Verfolgungsverjährung durch gerichtliche Akte möglich war.
    Die Frage, die sich hier zunächst nüchtern stellt, ist die: Um welche Zahl, aber auch um welche Art von Fällen geht es bei dem Für und Wider einer Verjährungsaufhebung?
    Durch die, wie ich sagen möchte, irrealen Diskussionen der vergangenen Wochen sind in unserer Bevölkerung völlig falsche Vorstellungen darüber vorhanden, um welche Größenordnungen, aber auch um welche Fallbereiche es sich nach unseren bisherigen Erfahrungen in den künftigen NS-Verfahren handeln dürfte, die von unserer Verjährungsentscheidung 1979 betroffen sein könnten.
    Es sind nach den nachprüfbaren Erfahrungen des vergangenen Jahrzehnts von 1969 bis 1979 nicht, wie viele meinen, Tausende, auch nicht Hunderte von neuen NS-Verfahren, mit denen wir werden rechnen müssen.
    Nach den vorliegenden Verfahrensakten sind von 1969 bis 1979 insgesamt drei Verurteilungen und zwei Freisprüche ergangen, die ohne eine Verjährungsverlängerung nicht hätten ergehen können. Ebenso sind es für diesen Zehnjahreszeitraum insgesamt weitere 18 neu zur Anklage gebrachte Fälle, von denen inzwischen sieben in die Hauptverhandlung gelangt, die übrigen elf entweder eingestellt oder noch nicht eröffnet sind.
    Gerade wenn man die Verjährungsentscheidung nicht für eine Frage der Quantität, sondern des Prinzips hält, wird man andererseits an Hand dieser ernüchternden Zahlen den völlig falschen Erwartungen entgegentreten müssen — gerade auch unter dem Vorzeichen der Aufhebung der generellen
    Mordverjährung —, denen man draußen in der Öffentlichkeit begegnet.
    Um es einmal ganz scharf zu sagen: Hier geht es darum, in einigen ganz wenigen Fällen, in denen zureichende Beweisunterlagen für ein Strafverfahren vorhanden sind, Anklage zu erheben — wohl in weniger als zwanzig Fällen in zehn Jahren — oder Urteile zu erlangen — wohl in weniger als fünf Fällen in zehn Jahren —, wobei alle Fachleute übereinstimmend erklärt haben, daß es in den nächsten Jahrzehnten eher weniger Fälle sein werden als mehr.
    Das ist für alle Standpunkte hier in der Verjährungsdebatte wichtig. Deshalb möchte ich mit gebührender Deutlichkeit daran erinnern.
    Ebenso wie bei der Größenordnung ist, nach den irrealen Diskussionen der vergangenen Wochen, aber auch in Hinsicht auf die Fallgruppen, die von solchen NS-Verfahren noch erfaßt werden könnten, die Vorstellung verbreitet, als ob es sich hier wie in früheren Zeiten um das ganze Spektrum der Kriminalität unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft handelte. Die Wahrheit ist auch hier, daß die sich aus den gerichtlichen Unterlagen ergebenden tatsächlichen Fälle des vergangenen Jahrzehnts fast ausnahmslos Morde an Juden, an Zigeunern, an polnischen Häftlingen, an polnischen Zivilpersonen durch KZ-Personal oder Polizeiorgane zum Gegenstand haben, die in den Kernbereich, sei es der Völkermordverbrechen, sei es der Kriegsverbrechen, fallen.
    Angesichts dieser Sachlage erwies sich nach Auffassung der Antragsteller zwar die — auch in der Europaratskonvention vorgesehene — Einbeziehung schwerster Kriegsverbrechen in eine differenzierende Verjährungsregelung als angemessen, aber auch als ausreichend, um die nach den Erfahrungen des vergangenen Jahrzehnts tatsächlich zukünftig neu zur Ahndung gelangenden NS-Verbrechen zu erfassen.
    Wenn demgegenüber gerade gegen eine differenzierende Verjährungsregelung die Lückenfrage aufgeworfen wird — und das ist hier in den Beiträgen auch dieser Debatte geschehen und geschieht auch im Bericht des Rechtsausschusses, etwa an Hand einer Übersicht von Fällen, denen teilweise schon die Mordqualität überhaupt fehlt, die also von keiner Verjährungsregelung erfaßt werden könnten —, dann ist dem entgegenzuhalten, daß es eine lückenlose Abgrenzung in keiner Verjährungsregelung überhaupt gibt.
    Schon das seit 1975 geltende Recht weist gerade bei der entscheidenden Ahndung der hauptverantwortlichen Schreibtischtäter verhängnisvolle Lükken auf, die Herrn Rückerl nach seiner eigenen Aussage dazu veranlaßt haben, den schon vorbereiteten Prozeß gegen die Hauptverantwortlichen für die „Endlösung der Judenfrage" im Reichssicherheitshauptamt einzustellen.
    Was hier so einzig — und dies ist für mich die Folgerung aus alledem — bleibt, ist die Anknüpfung der Unverjährbarkeit der NS-Verbrechen an die völkerstrafrechtlichen Tatbestände des Völker-



    Dr. Dr. h. c. Maihofer
    mords und der Kriegsverbrechen, denen nicht nur wegen der Schwere der Tat, sondern auch der Schwierigkeit der Verfolgung solcher Staatsverbrechen nach der in der Völkergemeinschaft sich abzeichnenden Entwicklung der Unverjährbarkeit zukommen muß. Nur damit stellen wir unsere Verjährungsregelung 1979 auf eine allseits unbestreitbare Grundlage. Alle anderen Grundlagen, selbst die einer generellen Mordverjährungsaufhebung, haben hier oder dort ihre fragwürdigen Lücken.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das gilt auch für die!)

    Viertens. Die Antragsteller sind durch die Beratungen im Rechtsausschuß aber auch in ihrer Überzeugung bekräftigt worden, daß nur die in ihrem Änderungsantrag vorgeschlagene differenzierende Verjährungsregelung zu einer nicht nur sachangemessenen und verhältnismäßigen, sondern auch zu einer dauerhaften Lösung der Verjährungsfrage führt. Eben auf diesen Gesichtspunkt, den letzten, den ich hier vortrage, kommt es mir entscheidend für den Abschluß dieser Beratungen an. Denn: nur eine solche Verjährungsentscheidung, die sich in die oben geschilderten Rechtsentwicklungen der Völkergemeinschaft einfügt, schafft nach meiner Überzeugung, wie im Bericht des Rechtsausschusses im einzelnen dargelegt, zugleich die gesetzlichen Voraussetzungen in unserem Strafrecht, die es der Bundesrepublik Deutschland ohne erneute Verjährungsdebatte und neuerliche Rechtsänderungen gestatteten, die vorliegende Europaratskonvention über die Unverjährbarkeit von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zu ratifizieren. Wie immer man sich in dieser Frage endgültig entscheidet, die Frage ist: ,Muß dies alles nicht, jedenfalls vorsorglich, mitbedacht werden, wenn wir heute eine Verjährungsentscheidung treffen?
    Zur Sicherstellung der Unverjährbarkeit von Völkermord und Kriegsverbrechen hält diese Europaratskonvention — und ich kann mir nicht ersparen, Ihnen dies hier noch einmal im einzelnen vorzustellen — eine vierfache innerstaatliche Regelung bei den Mitgliedstaaten des Europarats für erforderlich — alles im Text der Konvention nachzulesen —:
    Erstens. Unverjährbarerklärung des Völkermords. Das steht in Art. 1 Nr. 1 der Europaratskonvention. Dies hat, wie Sie wissen, die Bundesrepublik Deutschland bereits mit der letzten Verjährungsentscheidung 1969 getan.
    Zweitens. Unverjährbarkeitserklärung der in den Genfer Konventionen von 1949 als „schwere Verletzungen" bezeichneten Kriegsverbrechen, sofern sie „besonders schwerer Art" sind — Art. 1 Nr. 2 der Europaratskonvention.
    Drittens die Anwendbarerklärung dieser Unverjährbarkeit des Völkermords und — viertens — der Kriegsverbrechen auch auf früher begangene Taten, wenn die Verjährungsfrist „zu der Zeit nicht abgelaufen" war. So Art. 2 Ziffer 2 der Europaratskonvention, was heute nurmehr für die noch unverjährten Verbrechen des Mordes in Betracht
    kommt, wogegen alle Fälle des Totschlags oder der Körperverletzung längst verjährt sind.
    Mit einer differenzierten Verjährungsregelung auf der Rechtsgrundlage dieses Völkerstrafrechts wären zugleich eben diese drei noch ausstehenden innerstaatlichen Entscheidungen mit getroffen. Sie führt zu einer Unverjährbarerklärung — in den Artikeln des Änderungsantrags nachzulesen — derjenigen Verbrechen des Mordes unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, welche die Voraussetzungen dieser internationalen Konventionen gegen Völkermord und Kriegsverbrechen erfüllen.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    Eine solche differenzierte Verjährungsregelung, welche bei der Erklärung der Unverjährbarkeit früher begangener Mordverbrechen ausdrücklich an völkerstrafrechtliche Tatbestände anknüpft, bewegt sich nicht nur nach Aussage der gehörten wissenschaftlichen Sachverständigen innerhalb der durch das Rückwirkungsverbot unserer Verfassung gezogenen Grenzen, sie erfaßt zugleich den Kernbereich der Fälle von schwersten Völkermordverbrechen und Kriegsverbrechen, die nach den Erfahrungen des vergangenen Jahrzehnts auch in den kommenden Jahrzehnten zur Verfolgung anstehen können.
    Demgegenüber stellt die vorgeschlagene Aufhebung der Mordverjährung allenfalls — ich meine dies wörtlich — eine Zwischenlösung dar, mit der die hier gebotene Unverjährbarerklärung der NS-Verbrechen unter dem völkerstrafrechtlichen Vorzeichen des Völkermordes und der Kriegsverbrechen gerade nicht erfolgt, sondern umgangen wird. Sie würde uns in absehbarer Zeit, so wie die früheren Verjährungsentscheidungen von 1965 und 1969 auch, eine erneute Verjährungsdebatte bescheren. Herr Kollege Gerster, deshalb hinterläßt nicht etwa eine differenzierte Verjährungsregelung ungelöste Probleme, sondern, wie ich meine, eben die von Ihnen mit befürwortete pauschale Verjährungsregelung. Sie hinterläßt uns eben dieses ungelöste Problem der Einfügung unserer Verjährungsentscheidung in die völkerstrafrechtlichen Entwicklungen.
    Ich versage es mir, schon beim jetzigen Stand der Aussprache auf die Erläuterung der Einzelanträge unseres Abänderungsantrags einzugehen. Worum es den Antragstellern bei dieser einführenden Begründung geht, ist, Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, vor Ihrer freien Gewissensentscheidung die rechtlichen Gründe und die werthaften Überzeugungen darzulegen, die uns zum Vorschlag einer differenzierten Verjährungsregelung bewogen haben. Wir halten sie für die beste mögliche Antwort auf die uns gestellte Frage. Sie führt zu einer sachangemessenen, verhältnismäßigen und dauerhaften Regelung der Verjährungsfrage, ohne die rechtsstaatliche Errungenschaft der zeitlichen Verjährung für die Straftatbestände unseres innerstaatlichen Rechts anzutasten.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Genau das bezweifle ich!)

    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — .166. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 3. Juli 1979 13265
    Dr. Dr. h. c. Maihofer
    I Damit treffen wir zugleich auch eine Entscheidung, die sagt, was sie will, und tut, was sie sagt, die sich ehrlich zu unserer unverjährbaren Verantwortung als Nachfolgestaat für die Verfolgung der Mordverbrechen der NS-Gewaltherrschaft bekennt, die unter diese völkerstrafrechtlichen Vorzeichen fallen.
    Damit treffen wir auch eine Entscheidung, die diese Verjährungsregelung in die Rechtsentwicklung der Völkergemeinschaft einfügt dadurch, daß sie die Lösung dieser nicht nur unsere nationale Rechtsordnung, sondern auch den internationalen Rechtsfrieden berührenden Frage auf die gesicherte Grundlage des Völkerstrafrechts stellt. Nur damit werden wir der von uns geforderten stellvertretenden Verantwortung für die heutige Völkergemeinschaft und ihre zukünftige Entwicklung gerecht.
    Dies zum Ausgangspunkt der von uns geforderten Verjährungsregelung zu machen, dies aber auch in den Mittelpunkt der Verjährungsentscheidung dieses Hauses zu stellen, ist die Absicht, die dem von uns gestellten Änderungsantrag für eine differenzierende Verjährungsregelung zugrunde liegt, um deren Unterstützung ich Sie in den folgenden Abstimmungen bitte.

    (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und der CDU/CSU)