Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir alle miteinander tragen heute eine große Verantwortung, ein sehr wichtiges und zukunftentscheidendes Thema, das zu vieler Gewalttätigkeit und zu viel Auseinandersetzung in unserem Lande Anlaß war, in einer Form zu behandeln, daß die Bürger wissen: dieses Thema wird im Deutschen Bundestag ernsthaft behandelt.
Die Bürger in unserem Lande wissen, zu keiner Zeit ging es uns — jedenfalls im großen und ganzen gesehen — so gut wie heute. Aber dennoch stellen nicht nur fremde Beobachter unserer Gesellschaft ein tiefsitzendes Gefühl wachsender Unsicherheit, ja teilweise der Angst vor der Zukunft fest. Diese merkwürdige Mischung von materiellem Wohlstand und existentieller Angst, die unsere Zeit prägt, hat, wie ich meine, auch mit dem zu tun, was Gegenstand der heutigen Debatte zur Zweiten Fortschreibung des Energieprogramms ist, nämlich Forschung, Entwicklung der Wissenschaft und Nutzung neuer Technologien. Wissenschaftstechnik und neue Technologien haben den Menschen die Mittel an die Hand gegeben für eine geradezu atemberaubende wirtschaftliche Entwicklung in den letzten hundert Jahren: sie haben aber auch Gefahrenpotentiale geschaffen, die erstmals die Vernichtung der Menschheit und die Zerstörung jeglichen Lebens auf der Erde in den Rahmen des Vorstellbaren rücken lassen, die zu einer ernsten Bedrohung auch des einzelnen menschlichen Lebens werden können. Seveso und Contergan sind nur zwei Namen, die nachdenklich stimmen.
Dieser. Grundwiderspruch betrifft uns alle; da gibt es kein Entrinnen. Das gilt mehr oder weniger für jede technische Entwicklung. Chancen und Risiken, Schaden und Nutzen sind oft untrennbar miteinander verknüpft. Deswegen müssen wir als politisch Verantwortliche im demokratischen Staat sorgfältig abwägen, gründlich nachdenken, bevor wir entscheiden. Niemandem ist mit naßforschen Parolen und Kraftmeierei gedient.
Wer wollte dies leugnen, wenn wir an Probleme denken wie Bevölkerungsexplosion, Umweltverschmutzung, moderne Waffentechnik, Zivilisationskrankheiten und unwürdige Arbeitsplätze! Doch, wer glaubt — und dies möchte ich gleich hinzufügen —, wir könnten durch radikale Abwendung von
technischen Entwicklungsprozessen weiterkommen, der verkennt oder verschweigt, daß wir Schutz vor Umweltverschmutzung und Humanisierung des Arbeitslebens und eine sichere Energieversorgung und Vollbeschäftigung nur mit Hilfe von neuen Technologien erzielen können und nicht ohne sie.
Wissenschaft, Forschung, Entwicklung und Einsatz neuer Technologien werden in wachsendem Maße zur Überlebensvoraussetzung für unsere Gesellschaft.
— Aber eben nur dann, Herr Kollege Lenzer, wenn wir einen verantwortlichen Gebrauch davon machen. Ich möchte dazu einige Beispiele anführen: z. B. in der pharmazeutischen Forschung im Hinblick auf den Schutz der Rechte anderer, insbesondere des Lebens und der Gesundheit, z. B. bei der Anwendung der Datenverarbeitung im Hinblick auf die Sicherung verfassungsrechtlicher Grundwerte wie der Würde des Menschen und der Freiheitlichkeit,
z. B. bei den zunehmend brisanter werdenden Problemen von neuen Technologien für militärische Zwecke im Hinblick auf die Erhaltung der internationalen Friedensordnung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, an der heutigen Debatte über Energiepolitik und Energieforschung zeigt sich, wie schwierig im demokratischen Staat dieses Thema zwischen Parlament und Regierung, zwischen Politikern und Bürgern, zwischen Parteien und gesellschaftlichen Gruppen sachlich und mit Anstand zu behandeln ist. Es geht um sachlich sehr, sehr schwierige und zeitlich, fast wäre ich geneigt zu sagen, ungeheuer langfristige Entwicklungsprozesse. Deswegen brauchen wir auch klare Prioritäten. Die Forschungspolitik auf dem Energiesektor hat klare Prioritäten und orientiert sich an den Prinzipien der Energiepolitik der Bundesregierung.
Erstens. Neue Versorgungssysteme, neue Verfahren und, Materialien sollen dafür sorgen, daß die verfügbare Energie rationeller genutzt wird, daß also bei der Anwendung von Energie im Haushalt, in der Industrie und im Verkehr der gleiche Zweck mit einem verminderten Verbrauch an Primärenergie erreicht werden kann. Dies ist die große Herausforderung, vor der nicht nur die Ingenieure stehen und die nicht nur Bonn betrifft, meine Damen und Herren. Die Debatte über die rationelle Energieverwendung müssen wir in stärkerem Maße auch in die anderen Ebenen der Politik hinaustragen. Dies ist eine Aufforderung an die Landespolitik und an die Kommunalpolitik, die hier aufgerufen ist, echte Beiträge zu liefern.
Zweitens. Neue Technologien sollen dazu beitragen, daß die heimische Kohle besser und effizienter genutzt wird. Dazu ist es erforderlich, die Arbeitsbedingungen der Bergleute zu verbessern, die
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Verbrennung der Kohle in Kraftwerken umweltfreundlicher zu machen und durch Technologien zur Kohlevergasung und Kohleverflüssigung das Einsatzspektrum der Kohle selbst zu erweitern.
Drittens. Neue, vor allem regenerative Energiequellen sollen durch technische Entwicklungen erschlossen werden. Das gilt nach unserem heutigen Kenntnisstand für die Bundesrepublik insbesondere im Hinblick auf die Solarenergie. Nur sollte sich davon auch niemand Wunder erwarten. Aber wir sollten auch keinen Glaubenskrieg darum führen, wie eigentlich Ende der 80er Jahre der Anteil der Solarenergie aussieht, denn keiner von uns weiß, wie hoch dann das Preisniveau für das Erdöl ist. Dies können wir ja miteinander in Ruhe abwarten und versuchen, die Entwicklung rational insofern zu beeinflussen, als wir entsprechende technische Angebote durch staatliche Förderung in Gang setzen.
Viertens. Die Option der Kernenergienutzung soll offengehalten werden. Dazu zählen die Bemühungen, die Sicherheit des Reaktorbetriebes und des Kernbrennstoffkreislaufes weiter zu erhöhen und das Potential der Kernenergie zur PrOzeßwärme durch den Hochtemperaturreaktor und zur Stromerzeugung durch den Schnellen Brutreaktor zu erschließen.
Meine Damen und Herren, wir wissen heute noch nicht, welche Technologien sich aus dieser Vielfalt später bewähren werden und welche dann einen nennenswerten Beitrag zu unserer Energiebedarfsdeckung übernehmen können. Dafür sind andere Bedingungen als heute maßgeblich: die künftige Verfügbarkeit der Energie, das künftige Preisniveau von Energie, die künftigen Umweltanforderungen und nicht zuletzt — das füge ich als Forschungsminister hinzu — der Erfolg der wissenschaftlichen Entwicklungsarbeiten in unserem eigenen Lande. Wenn wir auch noch nicht wissen, auf welche Energietechnologien wir uns künftig zusätzlich stützen können, noch weniger wissen wir jedoch heute, auf welche wir vollständig verzichten können.
Die Ernsthaftigkeit, mit der wir die Probleme bei diesen neuen Technologien bearbeiten, läßt sich daran messen, ob wir jedem sachlichen und ehrlichen Argument eine faire Chance in der Diskussion geben, vor allem dann, wenn wir es nicht teilen, wenn wir anderer Meinung sind. Denn wenn wir dies nicht tun, dann landen wir bei den allzu einfachen Formeln, die derzeit noch in einem verhängnisvollen Maß die öffentliche Diskussion beherrschen. Die einen sagen: Kernenergie, nein danke! und die anderen: Steinzeit, nein danke! Als ob das eine angemessene Antwort auf die Probleme wäre, vor denen wir stehen!
Das gilt vor allem auch für die Entscheidung im Zusammenhang mit dem Schnellen Brüter. Wenn wir heute über die Entwicklung schneller Brutreaktoren im Zusammenhang mit der Energiepolitik reden, so hat das seinen guten Grund. Es ist die Sorge um die Energieversorgung der Zukunft, die uns heute zu technischen und auch enormen finanziellen Anstrengungen dieser Art bewegt. Der Schnelle Brüter zählt
zu den potentiell wirksamsten Instrumenten, die die Forschung von heute der Wirtschaft von morgen zur Verfügung stellen kann.
Eine Technologie, die den sonst nicht nutzbaren geringen deutschen Uranreserven den Energieinhalt der deutschen Steinkohlenvorräte oder libyscher Erdölfelder verleiht, verdient große Aufmerksamkeit in ihren Chancen, aber sie hat eben auch ihre enormen Risiken.
Bei diesem Reaktortyp, der ins Rampenlicht der forschungspolitischen Diskussion gerückt ist, stehen wir frühestens in 20 Jahren vor der Frage der kommerziellen Nutzung. Der Einstieg in die von manchem etwas plakativ benannte Plutoniumökonomie steht hier und heute nicht zur Entscheidung an.
Die Bundesregierung hat dies schon vor über einem Jahr gesagt. Meine Damen und Herren, wer sich die Mühe gemacht hat — und ich füge hinzu: wer sich bitte die Mühe macht —, einmal das Buch „Schneller Brüter — Pro und Contra" zu lesen, das wir — Hans Matthöfer und ich — vor weit über einem Jahr veröffentlicht haben, der wird feststellen, daß dies damals bereits die Position des Bundesforschungsministeriums war. Damals hat mein Vorgänger sinngemäß ausgeführt — ich darf mit Genehmigung des Präsidenten zitieren —: Der SNR 300 wird erst 1982 ans Netz gehen und voraussichtlich — nach einer Anlaufzeit — 300 MWe liefern. Dann werden wir ein Jahr Betriebserfahrung sammeln, bevor wir uns entscheiden, ob wir dann den SNR II — also den Nachfolgereaktor — bauen oder nicht, oder ob wir einen anderen bauen wollen. Das ist noch ganz offen. — Im Mai 1977 von der Bundesregierung als ihre Position vertreten!
— Bitte, Herr Spies von Büllesheim, seien Sie doch nicht nur selbstgerecht, fragen Sie sich doch einmal, wie Ihre Position zur Enquete-Kommission aussieht. Wir sollten doch, was Energiepolitik angeht, nun wirklich jeder zunächst vor seiner eigenen Türe kehren. Da haben wir alle miteinander Probleme gehabt.
Falls wir zu einer positiven Entscheidung kommen, was den eventuellen nächsten schnellen Brutreaktor angeht, wäre eine Bauzeit von mindestens zehn Jahren zu veranschlagen. Er könnte also frühestens 1995. in Betrieb, ans Netz gehen. Erst danach stellt sich die Frage der breiten Nutzung dieses Reaktors und damit die Frage seiner Kommerzialisierung. So langfristig — das läßt sich nicht ändern — sind die Entscheidungsprozesse, vor denen wir stehen.
Ich meine, wenn wir diesen zeitlichen Ablauf der möglichen Entwicklung und des Einsatzes dieser neuen Technologie ehrlich, fair und ernsthaft sehen, dann sollten wir uns zumindest darauf verständigen können, daß ein Weiterbau des SNR 300 in Kalkar
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bis zu seiner Fertigstellung und ohne die Beladung mit Brennelementen noch keinen Einstieg in die sogenannte Plutoniumökonomie bedeutet.
Ich stehe deshalb auch zu dem Ergebnis der Diskussion, die der Deutsche Bundestag in seinem Haushaltsausschuß und im Ausschuß für Forschung und Technologie im vergangenen Jahr begonnen und die zu der jetzt vorliegenden Form einer Entschließung des Deutschen Bundestags geführt hat. Mit dieser Entschließung nimmt sich das Parlament das Recht, über die spätere Nutzung der Brütertechnologie zu einem geeigneten Zeitpunkt zu befinden, befürwortet aber gleichzeitig die Fortsetzung der Forschung, der internationalen Kooperation und die Fertigstellung des SNR 300. Selbstverständlich sollte man in dieser Zeit auch Alternativen sehr gründlich überlegen, die in die Diskussion gekommen sind, teils auch in die internationale Diskussion. Wenn ich dabei einen Wusch äußern darf: Vielleicht ist das auf etwas weniger spektakulärem Wege möglich, als das in den letzten Wochen geschehen ist. Das würde dem Ansehen der Forschungspolitik auf diesem Gebiet nur nutzen.
Ich zähle mich nicht zu denen, die glauben, schon heute die Antworten auf alle Fragen, die zur Kernenergie, speziell zur Brütertechnologie gestellt werden, zu haben, weder positiv noch negativ. Aber für mich ist das auch kein Grund, mit der Erforschung und Entwicklung einer aussichtsreichen Technik aufzuhören. Es ist vielmehr eine Verpflichtung, diese Antworten zu erarbeiten. Niemand soll diese Bereitschaft zum Gespräch und zur Offenheit im Gespräch mit Meinungslosigkeit oder mit Entscheidungsschwäche verwechseln. Ich persönlich hielte es gegenüber kommenden Generationen für unverantwortlich, heute auf Forschung und Technik im Zusammenhang mit dem Brutreaktor zu verzichten. Aber ich füge sofort hinzu: Eine verantwortliche demokratische Politik erfordert in meinen Augen von uns allen zunächst die Bereitschaft zu einer klaren Analyse der Sachlage und der anstehenden Entscheidungen.
Ich meine, daß über zwei Grundfeststellungen ein breiter Konsens zu erreichen sein müßte:
Wir stehen in der Frage der künftigen Energieversorgung unseres Landes im allgemeinen und der Bewertung der Technologien der fortgeschrittenen Reaktoren im besonderen mitten in einem noch nicht abgeschlossenen, in einem komplizierten und schwierigen Erkenntnisprozeß. Niemand von uns kann heute behaupten, die Techniken und wirtschaftlichen Risiken und Probleme der neuen Reaktortechnologie mit all ihren gesellschaftlichen Folgewirkungen schon mit hinreichender Sicherheit überschauen und abschätzen zu können.
Niemand kann aber auch von sich behaupten, er habe angesichts der sich immer deutlicher abzeichnenden Grenzen der verfügbaren fossilen Energiequellen die Lösung für die Energieversorgung der
Zukunft gefunden. Weil dies so ist, ist es vernünftig, eine Enquete-Kommission einzusetzen.
Andererseits können wir es uns aber auch nicht leisten, einfach untätig abzuwarten in der Hoffnung, daß sich diese Probleme schon irgendwann einmal irgendwie lösten. Dazu steht zuviel auf dem Spiel:
nicht nur zahlreiche Arbeitsplätze von Arbeitern, Technikern und Wissenschaftlern, nicht nur die Konkurrenzfähigkeit technisch anspruchsvoller Industriezweige, sondern möglicherweise auch die sichere Energieversorgung unseres Landes für künftige Generationen und die Erhaltung unserer Umwelt. Auch bloßes Abwarten würde in einer Situation raschen technisch-wirtschaftlichen Wandels eine Entscheidung bedeuten, die Entscheidung nämlich, den Anschluß an die Entwicklungen in anderen Ländern zu verpassen und sich damit zukünftig eigene Optionen möglicherweise endgültig zu verbauen.
Damit, meine Damen und Herren, ist die Frage nach der politischen Handlungsfähigkeit unserer demokratischen Institutionen aufgeworfen: in Bonn, Düsseldorf und auch in Hannover. Konkret geht es darum, ob wir zu demokratischem politischem Handeln in einer Lage fähig sind, bei der die Folgen dieses Handelns im einzelnen nur bis zu genau definierten Zwischenschritten abgeschätzt werden können. Ich sehe in dieser Situation nur einen vernünftigen und verantwortbaren Weg: Wir müssen versuchen, die Unsicherheiten schrittweise zu verringern. Das bedeutet, die Wahlmöglichkeiten zwischen einem Für und Wider solange offenzuhalten, bis eine abschließende Bewertung der Chancen, der Risiken und der Alternativen möglich erscheint.
Dies setzt voraus, daß wir den Entscheidungsprozeß in einzelne Teilschritte untergliedern und uns darüber einig sind, daß keine dieser Teilentscheidungen die spätere Endentscheidung endgültig präjudizieren darf.
Man kann diesen Weg auch als den Versuch ansehen, bei diesen äußerst komplexen Technologien technologische Entscheidungsprozesse in ihrem Ablauf der Lern- und Urteilsfähigkeit des Menschen anzupassen. Es ist der Versuch, der angeblichen Eigendynamik und den Sachzwängen technisch-wirtschaftlicher Entwicklungen Widerstand entgegenzusetzen, indem man Entscheidungspunkte definiert, indem man technologische Prozesse unter demokratische, öffentliche Kontrolle bringt und sich an jedem Entscheidungspunkt Umkehrmöglichkeiten offenhält.
Dies heißt auf der anderen Seite auch — ich bitte jeden, der sich zu diesem Weg bekennt, dies auch selbst ehrlich zu bedenken —, daß wir das Risiko einzukalkulieren haben, später einmal einen Irrtum eingestehen zu müssen, einen Irrtum jedoch, der — darin sehe ich eben die besondere Chance und den
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Vorteil dieses Verfahrens — reversibel ist. Nur könnte der Irrtum unabsehbar viel größer sein, wenn wir diesen Weg überhaupt nicht einschlügen, wenn wir uns heute schon aus Angst vor den möglichen Folgen zurückzögen und wenn wir Entwicklungen einfach ihren freien Lauf ließen.
Nein, meine Damen und Herren, wir dürfen nicht die Hände in den Schoß legen. Wir müssen die Ärmel hochkrempeln. Die Wissenschaftler, die Techniker und die Ingenieure müssen die Ärmel hochkrempeln, damit wir auch über Fragen der Sicherheit und der Umweltverträglichkeit in der Zukunft besser als heute Bescheid wissen.
Wer von uns weiß wirklich, wie die 90er Jahre tatsächlich aussehen? Ich sehe in einem solchen Verfahren, wie es hier von den Koalitionsfraktionen vorgeschlagen wird und wie es von der Bundesregierung geteilt wird, die Chance, Politik in neuer Weise gegenüber dem Bürger glaubwürdig zu machen. Voraussetzung dafür ist, 'daß es gelingt, den Bürger zu überzeugen, daß es sich um ein ehrliches, um ein faires Angebot handelt. Wir treffen zwar Entscheidungen und führen damit Entwicklungen, die noch nicht abschließend überschaubar sind, ein Stück fort. Doch wir bemühen uns gleichzeitig, jeden einzelnen Schritt und den Entscheidungsprozeß in seinem Gesamtablauf so durchsichtig wie nur irgend möglich zu machen. Indem wir dies tun, geben wir dem Bürger die Möglichkeit, an diesem Such-, Bewertungs- und Entscheidungsprozeß, bei dem .wir alle selbst letztlich keine Experten sind, aktiv teilnehmen zu können. Anders ausgedrückt: Diese Politik ist der Versuch, technologiepolitische Probleme, deren Tragweite weit über die Technik im engeren Sinne hinausreichen, zum Gegenstand öffentlicher kontroverser Diskussionen zu machen, ohne dabei die Handlungsfähigkeit zu verlieren.
Lassen Sie mich zum Schluß feststellen: Ich halte den hier skizzierten Weg für einen Weg der Vernunft und der Bereitschaft zu verantwortlichem politischem Handeln. Wir sollten diesen Weg gehen, meine ich, und zwar ruhig und behutsam und, wenn irgend möglich, auch gemeinsam. Das wäre kein Schaden für unser Land.