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ID0810415200

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    Plenarprotokoll 8/104 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 104. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 21. September 1978 Inhalt: Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1979 (Haushaltsgesetz 1979) — Drucksache 8/2150 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1978 bis 1982 — Drucksache 8/2151 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Gewerbesteuergesetzes, des Umsatzsteuergesetzes und anderer Gesetze (Steueränderungsgesetz 1979) — Drucksache 8/2100 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung für Schwerbehinderte (Fünftes Rentenversicherungs-Änderungsgesetz) — Drucksache 8/2101 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes — Drucksache 8/2102 — Strauß CDU/CSU 8173 C Hoppe FDP 8190 D Schmidt, Bundeskanzler 8195 B Dr. Jenninger CDU/CSU (zur GO) . . 8214 A Porzner SPD (zur GO) 8214 B Spitzmüller FDP (zur GO) . . . . . . 8214 C Dr. Kohl CDU/CSU 8218 C Mischnick FDP 8232 A Dr. Ehmke SPD 8235 C Dr. Biedenkopf CDU/CSU . . . . . . 8242 B Dr. Gruhl fraktionslos 8248 D Dr. Vogel, Bundesminister BMJ 8250 D Dr. Wittmann (München) CDU/CSU . . 8254 B Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 8255 B II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. September 1978 Bahr SPD 8259 C Dr. Schwarz-Schilling CDU/CSU . . . 8264 D Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 8267 B Friedrich (Würzburg) SPD 8271 D Dr. Marx CDU/CSU 8276 A Dr. Riedl (München) CDU/CSU 8277 B Löffler SPD 8282 D Gärtner FDP 8285 B Wohlrabe CDU/CSU 8288 C Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung der Antragsfrist für den Lohnsteuer-Jahresausgleich — Drucksache 8/2088 —Gaddum, Staatsminister des Landes Rheinland-Pfalz 8215 A Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über die Statistik im Handel und Gastgewerbe (Handelsstatistikgesetz) — Drucksache 8/2089 — Gaddum, Staatsminister des Landes Rheinland-Pfalz 8215 D Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Anderung des Investitionszulagengesetzes und anderer Gesetze — Drucksache 8/2090 — Büchler (Hof) SPD 8216 B Dr. Warnke CDU/CSU 8217 B Engelhard FDP 8218 A Nächste Sitzung 8291 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 8293* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. September 1978 8173 104. Sitzung Bonn, den 21. September 1978 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Dr. Lenz (Bergstraße) 22. 9. Luster * 22. 9. Möhring 29. 9. Müller (Mülheim) * 22. 9. Müller (Wadern) * 21. 9. Nordlohne 29. 9. Peter 22. 9. Russe 22. 9. Sauer (Salzgitter) 29. 9. Saxowski 29. 9. Schmidthuber 22. 9. Schmidt (München) ' 22. 9. Schmidt (Wattenscheid) 22. 9. Schreiber * 22. 9. Schulte (Unna) 22. 9. Dr. Schwencke (Nienburg) * 22. 9. Dr. Schwörer * 22. 9. Seefeld * 22. 9. Sieglerschmidt ** 22. 9. Dr. Starke (Franken) * 22. 9. Stücklen 22. 9. Frau Dr. Walz * 22. 9. Wawrzik * 22. 9: Wissmann 22. 9. Würtz * 22. 9. Ziegler 6. 10. Zink 22. 9. für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Adams * 22. 9. Dr. van Aerssen * 22. 9. Dr. Ahrens ** 22. 9. Dr. Aigner * 22. 9. Alber * 22. 9. Dr. Bangemann * 21. 9. Dr. Barzel 22. 9. Dr. Bayerl * 22. 9. Dr. Becher (Pullach) 22. 9. Blumenfeld 22. 9. Dr. Dregger 6. 10. Erhard (Bad Schwalbach) 21. 9. Dr. Eyrich 22. 9. Fellermaier * 22. 9. Dr. Fuchs * 22. 9. Haase (Fürth) 22. 9. Haberl 27. 9. Hansen 28. 9. Hoffie 21. 9. Hoffmann (Saarbrücken) * 22. 9. Ibrügger * 6. 10. Dr. Jahn (Braunschweig) * 22. 9. Dr. h. c. Kiesinger 22. 9. Kleinert 21. 9. Dr. Klepsch * 21. 9: Klinker * 21. 9. Dr.-Ing. Laermann 22. 9. Lange * 21. 9. Lemp * 22. 9.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Christian Schwarz-Schilling


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Nein.
    Dann können Sie sich doch nicht wundern, wenn die Eigenkapitaldecke der Unternehmungen im Jahre 1970 von 26,2 — schon niedrig genug — auf 23 % sinkt und der Fremdkapitalanteil der Bilanzen von 73,8 % auf 77 % steigt.
    Meine Damen und Herren, das sind alles nur dürre Zahlen. Was sich in Wirklichkeit an Schicksalen in diesen Bereichen abspielt, sieht noch ganz anders aus. Zunächst einmal ist es so, daß ein verheirateter Arbeitnehmer mit einem jährlichen Bruttolohn von 30 000 DM 4 229 DM an Lohn- und Kirchensteuer und ein Gewerbetreibender mit gleich hohem Gewinn 4 848 DM, also 619 DM mehr, bezahlt. So können Sie die gesamten Tarifquoten der Steuerbelastung durchgehen. Dann müssen Sie noch einrechnen, daß der, der dieses als freier Gewerbetreibender verdient, meistens für den gleichen Verdienst 60 bis 70 Stunden in der Woche arbeitet, während das beim Arbeitnehmer heute zwischen 38 und 42 Stunden sind.
    Dann werden wir immer weiter verunsichert durch Ankündigungen von Festlegungen reduzierter Arbeitszeiten, von Begrenzung von Überstunden. Meine Damen und Herren, wer soll denn eigenlich die Betriebe noch führen, flexibel anpassen, wenn die Anpassung nicht mehr gerade in diesem mittleren Bereich vorgenommen werden kann? Die Großbetriebe leisten dies nicht mehr. Gerade weil sich die Konjunkturausschläge bei den mittleren und kleinen Unternehmen doppelt niederschlagen, werden diese dazu gezwungen.

    (Löffler [SPD] : Das stimmt doch auch nicht!)

    — Sie sagen, das alles stimme nicht. Wenn ich die Diskussion hier höre, wünsche ich mir manchmal, daß mehr Menschen dieses Parlaments einmal draußen in Betrieben Verantwortung tragen. Sie wüßten dann, wovon sie reden.

    (Beifall und Zurufe bei der CDU/CSU - Erneuter Zuruf des Abg. Löffler [SPD])

    Sie wüßten dann, daß nicht dieses Gerede in der Theorie, sondern die Praxis draußen, wo das Sozialprodukt erarbeitet wird, dafür verantwortlich ist, daß wir hier sitzen können und unser Geld verdienen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Denken Sie weiter daran, daß genau in dieser Zeit, in der die Gewinnraten rapide nach unten gegangen sind, ab 1970/71 die Sozialdemokratische Partei mit Vehemenz mit einer Verteufelung des Gewinns, insbesondere bei den Gewerbetreibenden, begonnen hat. Holger Börner hat eine besondere Prämie dafür bekommen, daß er als Bundesgeschäftsführer der SPD die Aktion „Gelber Punkt" gegen das Handwerk, gegen die Gewerbetreibenden in dieser Zeit in Gang gesetzt hat.
    Als diese Bundesregierung erst einmal kapiert hatte, daß die Inflation nicht weitertreiben kann, hat sie durch die entsprechenden Beschlüsse der Bundesbank mit einer Hochzinspolitik auf der einen Seite, auf der anderen Seite durch hohe Besteuerung der Unternehmungen bewußt die Beschränkung der Investitionsmöglichkeiten als der einzigen noch übrigbleibenden Möglichkeit, die Stabilität wiederherzustellen, auf Kosten dieser einen Gruppe unserer Gesellschaft in Kauf genommen. Sie selbst hat nicht die Kosten reduziert, sie hat nicht allgemein die Lasten verteilt, sie hat vielmehr die Unternehmungen zum Prügelknaben ihrer Stabilitätspolitik gemacht und wundert sich heute, daß sie die Investitionen nicht mehr in Gang bringt. Das ist doch die heutige Situation.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich darf noch einmal vorlesen, was damals in dieser Aktion „Gelber Punkt" stand:
    Die Bundesregierung hat das härteste Stabilitätsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik durchgesetzt. Die Besserverdienenden müssen eine Stabilitätsabgabe zahlen. Investitionen der Unternehmen werden gedrosselt. Viele Milliarden Mark werden zwangsweise in den Tresoren der Bundesbank festgelegt.
    Das wurde hier als Siegesfeier verkündet, ohne zu merken, was man mit den Unternehmen auf lange Sicht angestellt hatte. Fragen Sie mich also bitte nicht, warum die Konkursquoten so angestiegen sind!

    (Westphal [SPD] : Was haben Sie damals geredet, als es um die Hochkonjunkturbekämpfung ging!)

    Lassen Sie mich noch auf ein weiteres eingehen, was Graf Lambsdorff gesagt hat. Herr Minister, ich freue mich darüber, daß es gewisse Punkte gibt, wo man durchaus Übereinstimmungen hat:

    (Cronenberg [FDP] : Überraschend!)

    — das mag für Sie überraschend sein, das ist aber Ihr Problem.
    Nachfrage nach Investitionsgütern, die Frage des Schuldenabbaus in der Zukunft ohne Inflation, worüber wir uns alle sehr viele Gedanken machen, wo wir aber bei Ihnen noch keine Ansätze sehen. Grund-



    Dr. Schwarz-Schilling
    sätzlich möchte ich aber die Frage stellen, Herr Minister, ob das, was Sie gemacht haben, nicht zu spät kommt.
    Warum haben Sie damals, als Sie noch der Wirtschaftssprecher der FDP gewesen sind, den Empfehlungen des Sachverständigenrates aus dem Jahre 1976 für das Haushaltsjahr 1977, als er ein „Programm zur wachstumspolitischen Vorsorge" entworfen hat, zugestimmt und in gleicher Weise das Programm der Bundesregierung akzeptiert, obwohl das zwei grundverschiedene Konzeptionen waren? Sie hätten sich damals dazu äußern müssen, warum Sie die Priorität nicht so sahen wie der Sachverständigenrat. Sie haben so getan, als wäre es dasselbe. Ich habe das bereits damals hier im Deutschen Bundestag angemerkt. Sie haben darauf nie geantwortet. Sie haben im Grunde genommen mit den jetzigen Beschlüssen einen ersten Einstieg zur Entlastung der privaten Wirtschaft begonnen, der bereits damals nach Auffassung aller Sachverständigen, nach Auffassung der Bundesbank, nach Auffassung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und, glaube ich, auch nach Ihren wirklichen Auffassungen angebracht gewesen wäre.
    ,Meine Damen und Herren, deswegen, glaube ich, müssen wir wieder zu einer Zeit zurückkehren, wo es sich in Deutschland lohnt, zu arbeiten, tüchtig zu sein und Risiken auf sich zu nehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn Sie das dem Bürger draußen und dem Gewerbetreibenden nicht mehr vermitteln können, dann werden Sie auch nicht in der Lage sein, die entscheidenden Probleme des Mittelstands so zu lösen, daß er wieder eine der Wachstumssäulen unserer Bundesrepublik wird.
    Ich möchte zum Schluß folgendes sagen, Herr Minister. Es mag sein, daß Sie in verschiedenen Gremien keine unterschiedlichen Auffassungen haben. Aber eines gilt mit Sicherheit: Sie haben in den Beschlüssen der Bundesregierung nicht das umgesetzt, was Sie sehr oft in verschiedenen Gremien verkündet haben. Es nutzt nichts, wenn ein Minister seine Stimme erhebt und die Bundesregierung und dieses Parlament genau das Gegenteil beschließen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Dr. Hermann Schmitt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Mertes.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alois Mertes


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich mit einigen Ausführungen an den Kollegen Egon Bahr wenden.
    Herr Kollege Bahr, Nachdenken über die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit ist selbstverständliche Pflicht eines jeden Abgeordneten in diesem Hause. Aber wir haben auch die Pflicht, dabei an einige Gesichtspunkte zu denken, die ebenso wesentlich sind. Deshalb möchte ich Ihnen sagen, wo der Grund für unsere besondere Wachsamkeit, ja für unser Mißtrauen Ihnen gegenüber liegt.
    Dieses Mißtrauen ist nicht in einer Sorge begründet, Sie hätten in Moskau ein Papier über den Austritt der Bundesrepublik Deutschland aus der NATO übergeben. Ich habe diese Meldung jederzeit für unglaubwürdig gehalten. Aber es zeichnet sich doch in Ihrem Verhalten in den letzten Jahren ganz deutlich ab, daß Sie in wesentlichen Fragen der Außenpolitik unsere deutschen Interessen anders definieren als die Mehrheit der Mitglieder dieses Hauses, vor allem auch anders als die Bundesregierung. Das liegt doch alles offen zutage, wir brauchen heute gar keine geheimen Papiere zu sehen oder zu vermuten. In der Einschätzung der Bedrohung durch die Sowjetunion und des Wesens unserer Sicherheit unterscheiden wir uns von Ihnen. Auch dafür haben Sie die Beweise in der Praxis erbracht. Wir unterscheiden uns von Ihnen in der Auffassung, wie wir am besten und zweckdienlichsten auf die Sowjetunion einwirken, damit Sicherheit und Freiheit für alle Deutschen gleichzeitig Ziele der deutschen Politik bleiben.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Herr Kollege Bahr, es gibt einen zweiten Punkt, der zu unserer Wachsamkeit und zu unserem Mißtrauen geführt hat. Das ist Ihre Art, Kontakte und Verhandlungen mit der DDR, mit führenden Vertretern der KPdSU und der UdSSR neben der amtlichen Politik zu haben, die einfach auf breite Kreise der deutschen Öffentlichkeit — vielleicht unberechtigt — den Eindruck der Kungelei und der konspirativen Absprache macht.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Das ist eine maßgebliche Tatsache, Herr Kollege Bahr! Es geht hier gar nicht darum, daß wir glauben, Sie übten Verrat, sondern darum, daß Sie so, wie Sie in den letzten zehn Jahren Politik gehandhabt haben, einfach Mißtrauen wecken! Dabei glaube ich immer noch, daß Baron Guttenberg recht hatte, als er von dieser Tribüne aus im Mai 1970 dem Sinn nach sagte, Ihr Hauptirrtum sei Ihre Selbstüberschätzung im Umgang mit der Sowjetunion.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die sowjetische Staatsführung und die sowjetische Diplomatie praktizieren eine äußerste Disziplin bei der Durchsetzung ihrer defensiven und ihrer offensiven Ziele. Solcher Disziplin gegenüber muß auch der Abgeordnete, muß auch der Politiker — bei aller Bereitschaft zum Gespräch mit Vertretern der Sowjetunion — jenes Ausmaß an Disziplin üben, das für die Wahrung unserer Interessen in diesem Zusammenhang einfach notwendig ist.
    Herr Kollege Bahr, wir können schließlich auch nicht vergessen, daß Sie selbst immer wieder Ihre Positionen verändert haben. Seit eh und je definieren Sie die möglichen Wege zur Wiedervereinigung Deutschlands in einer Weise, die mit der amtlichen Politik — nicht einmal Ihrer Partei — übereinstimmt. Was Sie im Laufe der letzten Jahre praktisch getan haben, bestätigt all das; ich sagte es schon.
    Sie haben im übrigen eben die Unwahrheit gesagt, als Sie erklärten, daß die von Ihnen inspi-



    Dr. Mertes (Gerolstein)

    rierte Politik des Kabinetts Brandt immer mit den Alliierten abgesprochen worden sei.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Im „Spiegel”-Gespräch ist zugegeben worden, daß das Gegenteil der Fall ist!)

    Die Regierung Brandt hat Art. 7 des Deutschlandvertrages mißachtet, als sie ohne jede Konsultation mit der Allianz eine der entscheidenden westlichen Positionen preisgegeben hat, nämlich die Ein-Deutschland-Position. Die zwanzig Jahre lang von uns allen hier im Hause vertretene EinDeutschland-Position gegen die sowjetische ZweiStaaten-Forderung hat diese Regierung über Nacht und — ich wiederhole es — ohne Konsultation mit den Alliierten über Bord geworfen.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Nicht einmal das Kabinett war unterrichtet! Nicht einmal das!)

    Zweitens, Herr Kollege Bahr: Ihre als „Gespräche" oder als „Meinungsaustausch" mit dem sowjetischen Außenminister deklarierten Verhandlungen vom Frühjahr 1970 haben Sie in ihren entscheidenden konkreten Abläufen nicht mit den Drei Mächten und den ' anderen Verbündeten abgesprochen. Nicht umsonst hat der damalige französische Botschafter erklärt, das Ergebnis der Bahr-Verhandlungen mit Gromyko habe die westliche Position in den damals laufenden Berlin-Verhandlungen erheblich geschwächt.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Hört! Hört!)

    Es ist nachzulesen, wie der damalige Außenminister Ende Mai 1970 — Sie können es in der „Welt am Sonntag" nachlesen — berichtet,

    (Wehner [SPD] : Ja! „Welt am Sonntag" war es!)

    er habe die westlichen Außenminister niemals mit so hochroten Köpfen gesehen wie in dem Augenblick, als er ihnen das Ergebnis der Bahr-Verhandlungen in Moskau mitteilte.
    Und was alles ist in Oreanda 1971 abgesprochen worden? Das war eine Politik, die Sie noch maßgeblich mitgestaltet haben. Und dann, Herr Kollege Bahr, waren Sie im März 1974 in Moskau und haben dabei über Berlin-Fragen gesprochen, die von größter Tragweite sind, nämlich im Zusammenhang mit dem sowjetisch-deutschen Abkommen über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU] : Wo ist er denn jetzt?)

    Ihre Lösungsvorstellung konnte damals nicht durchdringen — das muß jetzt anerkennend gesagt werden —, weil die Regierung Schmidt/Genscher dann eine Position bezogen hat, die gegenüber den Einwirkungen von Egon Bahr in dieser Frage einfach eine Barriere aufrichtete. Wir haben diese Position der Regierung bis zur Stunde auch immer mitgetragen.

    (Wehner [SPD] : Ha! Was haben Sie mitgetragen?!)

    — Jawohl, die richtige Position der Bundesregierung haben wir als Opposition mitgetragen!

    (Wehner [SPD] : Ein Angeber sind Sie! — Lachen bei der CDU/CSU — Dr. Marx [CDU/CSU]: Das ist ein besonders hübscher parlamentarischer Zwischenruf!)

    — Herr Wehner! Ob Sie mich einen Angeber nennen oder was sonst, folgendes gilt: Wenn Sie es bedauern, wenn Sie zornig darüber sind, daß ich feststelle, daß wir in einer wesentlichen Sache die Berlin-Position der Regierung bisher mitgetragen haben,

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Haben wir jedenfalls besser mitgetragen als Herr Bahr!)

    dann muß ich Ihnen sagen: Sie haben sie leider nicht mitgetragen, sondern Sie werfen der Regierung in der Berlin-Frage immer wieder — sogar über den Moskauer Rundfunk oder über das Leningrader Fernsehen — Knüppel zwischen die Beine.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Schlimmer geht es gar nicht! — Wehner [SPD] : Endlich kommen Sie dahin! Sie sind ja so ein Knüppel!)

    — Können Sie bitte Ihren freundlichen Ausdruck noch einmal wiederholen?

    (Wehner [SPD] : Das geht Sie gar nichts an!)

    — Er hat mich einen Knüppel genannt!

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Das ist vielleicht eine Form des Umgangs von Kollegen!)

    Herr Wehner, ich nehme Ihre Sprache zur Kenntnis!
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, und was war im Jahre 1978? In einer entscheidenden Frage des westlichen Bündnisses und der westlichen Abschreckung, nämlich der Neutronenwaffe, hat der Kollege Bahr eine Position vertreten, die subjektiv aus seiner Sicht möglicherweise moralisch — ich weiß bis heute nicht recht, wie eigentlich — begründet war. Aber es zählen in der Politik nicht die subjektiven Motive, sondern die objektiven Wirkungen. Ich stelle die Motive des Kollegen Bahr hier überhaupt nicht zur Debatte. Ich glaube, daß er die Wiedervereinigung Deutschlands will.

    (Wehner [SPD] : Das ist die „feine" Art! Das ist die besonders üble Art eines „feinen" Herrn!)

    Herr Abgeordneter Wehner, gerade Sie wissen, daß es in der Politik eine Notwendigkeit ist, zwischen den subjektiven Motiven und den objektiven Wirkungen zu unterscheiden.

    (Wehner [SPD] : Wer hat das notwendig? Das brauchen Sie für Ihre Anschwärzung!)

    Ich stelle fest: der Abgeordnete Wehner hat in den letzten Jahren mehrfach mit subjektiven Motiven, die ich nicht kenne und daher nicht analysieren oder gar bewerten will, Äußerungen getan, die objektiv den Interessen der Sowjetunion genützt haben. Dies ist eine politische Tatsache.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Marx [CDU/CSU] : So ist es!)

    Ich qualifiziere es auch im einzelnen. Es handelt
    sich um Berlin, es handelt sich um das, was Sie über



    Dr. Mertes (Gerolstein)

    bestimmte westliche Positionen bei MBFR gesagt haben,

    (Wehner [SPD] : Machen Sie immer so weiter!)

    was Sie zu den Vorschlägen der Sowjetunion in der KSZE geäußert haben, was Sie zu den Vorschlägen des Warschauer Paktes über den Nichtersteinsatz von nuklearen Waffen gesagt haben. Das waren Positionen, Herr Abgeordneter Wehner, die objektiv den Interessen der Sowjetunion genützt haben und im übrigen vom Osten auch mit entsprechendem Beifall bedacht worden sind.

    (Dr. Ehmke [SPD] : Das ist auch die Tradition von 1945!)

    Wir kämen in dieser Sache übrigens zu einer sachlich weiterführenden Sprache in diesem Hause, wenn wir uns einmal über einen anderen Aspekt der Politik der Kollegen Bahr, Wehner und Brandt verständigen könnten. Adenauer hat zu Recht darauf hingewiesen, daß in unserer Verfassung der Regierung, der Exekutive, in der Außenpolitik eine sehr starke Stellung eingeräumt ist.

    (Zuruf von der SPD: Keiner im Volk will diesen Schmutz hören!)

    Diese starke Stellung ist notwendig, weil die deutsche Außenpolitik berechenbar sein muß und weil man ohne die Methode der Vertraulichkeit keine verantwortungsbewußte Außenpolitik betreiben kann. Infolgedessen ist es höchst problematisch, wenn es neben der amtlichen Außenpolitik der Bundesregierung auch noch eine Nebenaußenpolitik der Sozialdemokratischen Partei gibt, die eine Koalitionspartei ist. Wir werden uns nicht davon abbringen lassen, dieses Grundelement unserer Verfassung, nämlich die Notwendigkeit der Berechenbarkeit und der Geschlossenheit der deutschen Außenpolitik, vertreten durch die Bundesregierung, als ein Gut unserer Verfassung anzusehen.

    (Dr. Ehmke [SPD] : Über das, was Sie sagen, kann man nur lachen!)

    Die Klarheit der Kompetenzen und die Repräsentativität der Aussagen in der Außenpolitik der Regierung sind Grundelemente unserer Verfassung, deren Beachtung wir auch als Opposition von der Regierung verlangen.

    (Dr. Ehmke [SPD] : Darum stimmt Ihr immer dagegen!)

    Es ist für die Berechenbarkeit der Außenpolitik unseres Landes, die durch den Außenminister und den Bundeskanzler zu vertreten ist, einfach schlecht, wenn Elemente der Verunsicherung und der Verunklarung von führenden Mitgliedern der Regierungskoalition eingeführt werden.
    Herr Kollege Bahr, ich möchte hier auf Grund Ihres früheren Verhaltens einmal zwei ganz konkrete Fragen an Sie richten, deren offene und wahrheitsgemäße Beantwortung durch Sie Oder durch den Außenminister oder durch den Bundeskanzler im Auswärtigen Ausschuß, vielleicht auch im Plenum des Deutschen Bundestages, hilfreich für eine angemessene Klärung Ihrer Rolle in der deutschen Außenpolitik wäre.
    Erstens. Haben die Gespräche, die Sie kurz vor dem Breschnew-Besuch in Moskau mit maßgeblichen Vertretern der KPdSU und der UdSSR führten, irgendeinen schriftlichen Niederschlag gefunden? Wenn es den gibt, sollte er uns vorgelegt werden, dann können wir offener miteinander diskutieren.

    (Wehner [SPD] : Fingerabdrücke!)