Rede:
ID0810406600

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Herr: 1
    2. Kollege: 1
    3. Kohl,: 1
    4. gestatten: 1
    5. Sie: 1
    6. eine: 1
    7. Zwischenfrage?: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/104 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 104. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 21. September 1978 Inhalt: Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1979 (Haushaltsgesetz 1979) — Drucksache 8/2150 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1978 bis 1982 — Drucksache 8/2151 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Gewerbesteuergesetzes, des Umsatzsteuergesetzes und anderer Gesetze (Steueränderungsgesetz 1979) — Drucksache 8/2100 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung für Schwerbehinderte (Fünftes Rentenversicherungs-Änderungsgesetz) — Drucksache 8/2101 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes — Drucksache 8/2102 — Strauß CDU/CSU 8173 C Hoppe FDP 8190 D Schmidt, Bundeskanzler 8195 B Dr. Jenninger CDU/CSU (zur GO) . . 8214 A Porzner SPD (zur GO) 8214 B Spitzmüller FDP (zur GO) . . . . . . 8214 C Dr. Kohl CDU/CSU 8218 C Mischnick FDP 8232 A Dr. Ehmke SPD 8235 C Dr. Biedenkopf CDU/CSU . . . . . . 8242 B Dr. Gruhl fraktionslos 8248 D Dr. Vogel, Bundesminister BMJ 8250 D Dr. Wittmann (München) CDU/CSU . . 8254 B Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 8255 B II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. September 1978 Bahr SPD 8259 C Dr. Schwarz-Schilling CDU/CSU . . . 8264 D Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 8267 B Friedrich (Würzburg) SPD 8271 D Dr. Marx CDU/CSU 8276 A Dr. Riedl (München) CDU/CSU 8277 B Löffler SPD 8282 D Gärtner FDP 8285 B Wohlrabe CDU/CSU 8288 C Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung der Antragsfrist für den Lohnsteuer-Jahresausgleich — Drucksache 8/2088 —Gaddum, Staatsminister des Landes Rheinland-Pfalz 8215 A Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über die Statistik im Handel und Gastgewerbe (Handelsstatistikgesetz) — Drucksache 8/2089 — Gaddum, Staatsminister des Landes Rheinland-Pfalz 8215 D Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Anderung des Investitionszulagengesetzes und anderer Gesetze — Drucksache 8/2090 — Büchler (Hof) SPD 8216 B Dr. Warnke CDU/CSU 8217 B Engelhard FDP 8218 A Nächste Sitzung 8291 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 8293* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. September 1978 8173 104. Sitzung Bonn, den 21. September 1978 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Dr. Lenz (Bergstraße) 22. 9. Luster * 22. 9. Möhring 29. 9. Müller (Mülheim) * 22. 9. Müller (Wadern) * 21. 9. Nordlohne 29. 9. Peter 22. 9. Russe 22. 9. Sauer (Salzgitter) 29. 9. Saxowski 29. 9. Schmidthuber 22. 9. Schmidt (München) ' 22. 9. Schmidt (Wattenscheid) 22. 9. Schreiber * 22. 9. Schulte (Unna) 22. 9. Dr. Schwencke (Nienburg) * 22. 9. Dr. Schwörer * 22. 9. Seefeld * 22. 9. Sieglerschmidt ** 22. 9. Dr. Starke (Franken) * 22. 9. Stücklen 22. 9. Frau Dr. Walz * 22. 9. Wawrzik * 22. 9: Wissmann 22. 9. Würtz * 22. 9. Ziegler 6. 10. Zink 22. 9. für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Adams * 22. 9. Dr. van Aerssen * 22. 9. Dr. Ahrens ** 22. 9. Dr. Aigner * 22. 9. Alber * 22. 9. Dr. Bangemann * 21. 9. Dr. Barzel 22. 9. Dr. Bayerl * 22. 9. Dr. Becher (Pullach) 22. 9. Blumenfeld 22. 9. Dr. Dregger 6. 10. Erhard (Bad Schwalbach) 21. 9. Dr. Eyrich 22. 9. Fellermaier * 22. 9. Dr. Fuchs * 22. 9. Haase (Fürth) 22. 9. Haberl 27. 9. Hansen 28. 9. Hoffie 21. 9. Hoffmann (Saarbrücken) * 22. 9. Ibrügger * 6. 10. Dr. Jahn (Braunschweig) * 22. 9. Dr. h. c. Kiesinger 22. 9. Kleinert 21. 9. Dr. Klepsch * 21. 9: Klinker * 21. 9. Dr.-Ing. Laermann 22. 9. Lange * 21. 9. Lemp * 22. 9.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir zunächst noch eine ganz kurze Bemerkung zu dem parlamentarischen Vorgang, den wir vor der Mittagspause erlebt haben. Vor einigen Jahren hat der damalige Bundeskanzler Willy Brandt von diesem Pult aus die These vorgetragen, es sei das Ziel der SPD/ FDP-Koalition, mehr Demokratie zu wagen. Meine Damen und Herren, wir haben heute ein Beispiel dafür bekommen, wie das ist, wenn die Sozialisten die Mehrheit haben und darüber bestimmen, wie demokratische Sitten gehandhabt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Meine Damen und Herren, uns haben Sie mit Ihrem miserablen Stil — rein parteipolitisch gesehen — einen Gefallen getan. Denn Sie glauben doch nicht im Ernst, daß irgend jemand der Millionen Zuschauer und Zuhörer des deutschen Fernsehens verstehen kann, daß der Oppositionsführer nach einer Rede des Bundeskanzlers wegen der Mittagspause nicht antworten darf!

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Aber — und das ist der Punkt, warum ich darauf überhaupt zu sprechen komme —, meine Damen und Herren, hier geht es ja nicht um eine Sache, die die jeweilige Mehrheit so oder so handhaben kann, sondern hier geht es um das Ansehen des Parlaments. Wir dürfen uns doch nicht darüber beklagen, daß der Deutsche Bundestag in seinem Ansehen draußen manches zu wünschen übrigläßt, wenn Sie ein solches miserables Beispiel geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ein Wort muß ich dazu noch sagen: Daß die Freien Demokraten alles dies mitmachen, daß nicht mehr ein Funken jenes leidenschaftlich-parlamentarischen Geistes eines Thomas Dehler in dieser Fraktion wohnt, ist eine schlimme Sache, ist ein schlimmer Tatbestand.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, diese Etatberatung ist eine Etatberatung in der Mitte der Legislaturperiode. Um es sportlich auszudrücken: Es ist Halbzeit. Herr Bundeskanzler, es wäre die natürlichste Sache der Welt gewesen — ja, unser Volk hat einen Anspruch darauf —, vom Regierungschef bei dieser Gelegenheit etwas zu den drängenden Problemen unseres Landes zu hören. Was haben wir zwei Stunden hindurch aus Ihrem Munde gehört? Hier verfängt nicht die Ausrede, daß Sie sich immer auf den Kollegen Strauß beziehen. Sie als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland haben hier Rechenschaft zu geben und nicht ein Abgeordneter des Deutschen Bundestages. Es ist Ihre Pflicht, hier Rechenschaft zu geben!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das, was Sie geboten haben, war ein schlimmes Schauspiel. Es war vor allem auch ein Schauspiel — und das ist, wie ich .neidlos zugebe, die Kunst, die Sie meisterhaft beherrschen. Denn, Herr Bundeskanzler, statt Rechenschaft über das zu geben, was



    Dr. Kohl
    in diesen Jahren oder Monaten geschah, haben Sie sich einmal mehr im Rundumschlag geübt. Sie haben versucht, die, die anders denken — im Hause oder außerhalb des Hauses —, herabzusetzen, verächtlich zu machen. Sie haben mit Unwahrheiten und mit Verdrehungen gearbeitet. Dort, wo Sie gestellt wurden, waren Sie unfähig, sofort ein mannhaftes Wort der Entschuldigung, zu finden.

    (Lachen und Zurufe von der SPD)

    Sie haben — einfach aus der Laune und aus Ihrer Strategie der Verleumdung heraus — die Behauptung aufgestellt, die CDU/CSU habe erwogen, die Sommerpause im Zusammenhang mit der Rentenfrage mit einer Sondersitzung zu unterbrechen. Dann hat der Kollege Jenninger, der es als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Union eigentlich wissen muß, Sie ganz ruhig gefragt, wer das denn gesagt habe, wo das gesagt worden sei, woher Sie das wüßten. Sie haben dann nicht gesagt — und das, Herr Bundeskanzler, ist verräterisch —: Herr Kollege Jenninger, ich habe dies jetzt nicht parat!, sondern Sie haben gesagt: Ich stehe doch nicht vor dem Volksgerichtshof!

    (Schwarz [CDU/CSU] : Das ist typisch! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, was haben Sie für ein Parlamentsverständnis,

    (Schwarz [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

    was geht in Ihnen vor, wenn Sie auf die Frage eines Kollegen eine solche Antwort geben?

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CU)

    Herr Bundeskanzler, Sie sprachen über Geschichte; ich komme noch darauf zurück. — Hinsichtlich des von Ihnen gemachten Ausspruchs kann ich nur wiederholen: Die Sprache, die Sie hier im Munde führen, ist verräterisch.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland hat als eine seiner wichtigsten Pflichten und Aufgaben, bei allem Verständnis und — wer wollte das hier im Saal leugnen — bei aller Notwendigkeit kämpferischer Auseinandersetzung zwischen den Parteien, vor allem auch die verdammte Pflicht, die vornehme Pflicht,

    (Zurufe von der SPD)

    dem inneren Frieden des Landes zu dienen. Sie, Herr Bundeskanzler, sehen Ihre Aufgabe darin — um das nackte Überleben im Amt des Kanzlers zu garantieren —, Gräben aufzureißen, möglichst zu polarisieren. Das ist das Wesen Ihrer Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie sind gar nicht mehr fähig, mit Ruhe eine andere Meinung zu ertragen. Sie sind inzwischen mit Ihrem Selbstbildnis so weit gediehen, daß Sie es als Majestätsbeleidigung betrachten, wenn nur ein anderer eine andere Meinung vorträgt. Das hat mit jenem Demokratieverständnis überhaupt nichts zu tun, das Grundlage wirklich kämpferischer Auseinandersetzung im Parlamentarismus der Bundesrepublik Deutschland ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, es war eine entlarvende Rede, und für diesen Teil bin ich dankbar. Manche meiner Freunde täuschen sich, wenn sie glauben, dies sei nur so dahingeredet. In dieser Sache ist der Bundeskanzler Helmut Schmidt ein guter Schüler Herbert Wehners. Die reden nicht so dahin, die meinen das, was so scheinbar dahingeredet ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn er nun in dieser Debatte das entlarvende Wort vom „Schlagwort ,Soziale Marktwirtschaft' gesprochen hat, dann ist das in der Tat — ich kann meine Freunde nur immer wieder darauf hinweisen — ein wahres Wort aus dem Munde des Bundeskanzlers Helmut Schmidt. Ich war nie der Überzeugung, Herr Bundeskanzler, daß Sie ein überzeugter Anhänger der Sozialen Marktwirtschaft sind.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr wohl!)

    Das bestätigt sich, wenn ich interessante, nicht in der Hitze des Gefechts, sondern nachdenklich formulierte Zitate betrachte, als Sie etwa in jener Rede vor der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in Berlin sagten, als Sie noch Finanzminister waren: „Dieses System der Marktwirtschaft ist nicht eine Ordnung, die für alle Zeiten, unter allen Bedingungen der Garant der Freiheit für die Bürger und die beste Organisationsform zur Befriedigung der ökonomischen und sozialen Bedürfnisse der Menschen sein muß." Das zweite Zitat liegt wenige Jahre zurück. Es stammt aus der „Frankfurter Rundschau", aus einem wichtigen Interview: „Es ist nicht so, daß wir den Rat einer durchgearbeiteten marxistischen Konzeption zur Anwendung auf gegenwärtige Probleme entbehren möchten."

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, diese beiden Zitate — ich könnte Ihnen mit anderen Zitaten dienen — machen deutlich, daß jener Helmut Schmidt, der in der Zeit, bevor er Kanzler wurde, gelegentlich stärker durchschimmerte, natürlich heute noch ganz und gar lebendig ist. Ich mache es mir nicht so einfach, Ihnen in diesem Zusammenhang nur zu sagen, das sei eine Verbeugung vor den Linken. Das ist ein Stück vom Geiste Helmut Schmidts, das hier durchschimmerte, das heute deutlich geworden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, ich weiß, daß das bei Unternehmergesprächen im Kanzlerbungalow ganz anders klingt. Dort sprechen Sie durchaus — Sie sind ja überhaupt ein Meister dieser Praxis — in einer Sprache und in einer Form, wie es Ihre geladenen Gäste gern hören. Nur ist die Wahrheit, Herr Bundeskanzler, daß Sie und ein Großteil der deutschen Sozialdemokraten aus dem traumatischen Erlebnis Ihres Mißerfolgs der ersten Jahre bei der Gründung unserer Bundesrepublik nie ein Verhältnis des Geistes und ides Herzens zu den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft gewonnen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Dr. Kohl
    Auch Ihre Politik ist voller Zeugnisse dafür. Es ist aber die Sache des Grafen Lambsdorff und der Freien Demokraten, wie sie mit dieser Perspektive fertig werden. Nur kann hier nicht unwidersprochen bleiben, was Sie einmal mehr entweder aus Unkenntnis unserer Verfassung oder aus drastisch gewolltem Mißverstehen zum Thema Verfassung und Soziale Marktwirtschaft vorgetragen haben.
    Jeder weiß, daß es eine geschriebene, kodifizierte und natürlich auch eine lebendige Verfassung gibt, die tradiert, die sich tief eingräbt. Es gibt wichtige freiheitliche Völker dieser Erde, die weite Bereiche ihrer Verfassungsordnung zu keinem Zeitpunkt einem geschriebenen Text anvertraut haben. Aber sie sind groß geworden und geblieben, weil sie nach dem Geist der Verfassung lebten.
    Herr Bundeskanzler, es ist doch einfach nicht zu bestreiten, daß das Grundgesetz die wichtigsten Elemente der marktwirtschaftlichen Grundlagen, des marktwirtschaftlichen Denkens garantiert. Ich will es hier mit einigen Sätzen sagen. Der Schutz des Eigentums, auch an den sogenannten Produktivmitteln, ist in Art. 14 vorgeschrieben. Die freie Entscheidung des Arbeitnehmers, in welchem Bereich der Wirtschaft und bei welchem Arbeitgeber er arbeiten will, ist natürlich geschützt. Das Recht der Unternehmer, untereinander und miteinander zu konkurrieren, und das Recht aller, über Konsum oder Konsumverzicht und über die Art des Konsums zu befinden, das alles ist — um nur weniges zu nennen — in dieser Verfassung niedergelegt.

    (Widerspruch bei der SPD)

    — Es mag natürlich sein, Herr Kollege, daß dies für Sie aufgrund Ihrer ideologischen Inspiration alles Larifari ist. Für uns ist das ein Kernstück unserer Verfassungsordnung.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Abg. Conradi [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)



Rede von Liselotte Funcke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Kollege Kohl, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Nein, ich habe nicht die Absicht.

    (Zurufe von der SPD)

    — Meine Damen und Herren, Sie haben es nicht möglich gemacht, daß wir das Gespräch mit dem Kanzler nach seiner Rede aufnahmen. Da müssen Sie es mir jetzt selbstverständlich abnehmen, daß ich nun mit dem Kanzler rede.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Einer Verfassung, Herr Bundeskanzler, die all diese entscheidenden Grundelemente der Sozialen Marktwirtschaft anerkennt, kann man doch nicht so einfach unterstellen, sie stehe dieser Wirtschaftsordnung nicht besonders positiv gegenüber oder zu ihr nicht in einem besonders engen Verhältnis, im Gegensatz zu anderen denkbaren Wirtschaftsordnungen.
    Im übrigen wären wir Ihnen dankbar, wenn Sie uns im Sinne Ihres Vortrages vor der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, da doch jetzt bei der SPD die Denkmodelle im Umgang sind, einmal das Denkmodell interpretieren könnten, das Sie dazu veranlassen könnte, die Soziale Marktwirtschaft — ob Sie das nun geschrieben oder kodifiziert betrachten — so zu verändern, daß Sie zu einem anderen Weg kommen. Das ist einer unserer Gründe, warum wir bei Ihnen immer anfragen müssen: Wollen Sie diese Republik der Bundesrepublik Deutschland, oder wollen Sie eine ganz andere Republik? Das ist doch eine der Fragen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Unerhört! Unerhört! Wir haben den Eid auf das Grundgesetz genau wie Sie geleistet!)

    — Herr Kollege Wehner, es gibt wenige in diesem Hause, die so viele Beiträge dazu geleistet haben wie Sie, daß diese Frage aufkommt. Sie sollten hier nicht dazwischenrufen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Ich will mir jede Bezeichnung Ihrer Art ersparen! — Gegenruf Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Er schreit, und uns läßt er nicht reden!)

    Ich sage das mit einer solchen Entschiedenheit auch deshalb, Herr Bundeskanzler, weil ich noch im Ohr habe, wie Sie aus Anlaß des Todes von Ludwig Erhard in Ihrer Würdigung doch eine genealogische Linie von Ludwig Erhard zu sich selbst fortsetzen wollten. Das ist ja das, was ich Ihren Opportunismus, Ihren blanken Opportunismus nenne; Sie sagen je nach Gelegenheit das, von dem Sie glauben, daß es gerade günstig aufgenommen wird. Das ist das Gegenteil von Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dann haben Sie in diesem Zusammenhang Franz Josef Strauß wegen seiner heutigen Ausführungen angegriffen. Was hat er denn eigentlich gesagt?

    (Lachen bei der SPD)

    Er hat sich darauf bezogen, Herr Bundeskanzler, daß er einer der wenigen lebenden Augen- und Ohrenzeugen der Akteure jener Jahre des Wirtschaftsrates ist, als diese Grundentscheidungen gefallen sind. Er hat auf seine Rede in der Paulskirche hingewiesen, auf die Rede von Graf Lambsdorff und auf die meine. Wie Sie in diesem Zusammenhang polemisieren, CSU und CDU redeten im Blick auf den 30. Geburtstag der D-Mark immer' nur von den Unternehmern und gar nicht von der Leistung der Gewerkschaft, so ist auch das schlicht und einfach unwahr. Wenn Sie die Reden nachlesen, die damals gehalten worden sind, und wenigstens etwas die Geschichte kennen würden, dann müßten Sie doch wissen, daß gerade jene Grundentscheidungen für Ludwig Erhard nicht zuletzt und vor allem auch durch die Stimmen unserer Freunde in der Christlich-Sozialen Arbeitnehmerschaft — Theo Blank und wie sie alle heißen — überhaupt erst möglich gemacht wurden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 104. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 21. September 1978 8221
    Dr. Kohl
    Es , waren doch nicht die Sozialisten jeglicher Provenienz, die damals diesen Durchbruch schafften, sondern es waren — zusammen mit den Stimmen der FDP; das sei in diesem Zusammenhang gerne gesagt — nicht zuletzt unsere Freunde, die aus der Gewerkschaftsbewegung gekommen sind. Deswegen verschonen Sie uns bitte mit diesen Verdächtigungen der Unternehmerpartei, die Sie auf diese Art einführen wollen. Wir waren — dies gilt für CDU wie für CSU — immer eine Partei, die glücklich ist, daß es möglich ist, in dieser Volkspartei Unternehmer und Arbeitnehmer, Gewerkschaftsführer gleichermaßen wie Freiberufler als Mitglieder zu sehen. Wenn Sie sich einmal anschauen, Herr Bundeskanzler, daß 39 % — dies wurde unwiderlegbar festgestellt — aus der organisierten Arbeiterschaft des Deutschen Gewerkschaftsbundes bei der letzten Bundestagswahl CDU/CSU gewählt haben, haben Sie einen Beweis dafür, wie töricht Ihre These ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Vom 30. Geburtstag der D-Mark könnten wir alle, aber vor allem Sie, so meine ich, doch etwas lernen. Sie könnten nämlich lernen, daß sich damals kein Wunder ereignete, sondern daß es zwei wichtige Dinge gab, die zusammenkamen: der Wille unseres Volkes in allen demokratischen Gruppen, etwas zu schaffen und zu leisten, und eine kluge Politik, die den Durchbruch brachte, nämlich eine Politik, Herr Bundeskanzler — das ist das, was man Ihnen ins Stammbuch schreiben muß —, die mehr auf Freiheit und weniger auf Bürokratie setzt. Das ist doch die Erfahrung jener Jahre. Sie betreiben genau die umgekehrte Politik. Seit den neun Jahren der Regierungszeit von SPD und FDP gehört es immer mehr zu einer der Grundüberzeugungen unserer Mitbürger, daß diese Koalition vor allem Bürokratie erzeugt, daß die Leistung bestraft wird, daß eine von Neidkomplexen besessene Gleichmacherei betrieben wird. Das ist doch die Alltagserfahrung. Bürokratiehürden, Kostenhürden, Kapitalhürden haben die Wettbewerbsfähigkeit gerade der Klein- und Mittelbetriebe erschwert. Sie haben den Marktzugang zu Neugründungen für Unternehmungen und selbständige Existenzen gesperrt. Während sich die Risiken der Unternehmer erhöht haben, sind die Möglichkeiten, selbst Risiko tragen zu können, durch Ihre Politik, Herr Bundeskanzler, eingeschränkt worden. Eine Pleitewelle sondergleichen, ohne jeden Vergleich in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, der bedrohliche Rückgang der Zahl der selbständigen Existenzen, der dramatische Rückgang des lebensnotwendigen Wunsches der jüngeren Generation, sich selbständig zu machen — das sind die Signale Ihrer Regierungszeit, die jedermann erkennen kann.
    Graf Lambsdorff, ich habe das Thema „Paulskirche" hier nicht eingeführt. Wenn wir aber schon darüber reden: Ich möchte mir wünschen, daß Sie und Ihre Freunde sich nicht nur in der Paulskirche mit ordnungspolitischen Ausführungen dieser Art beschäftigen. Das war eine ausgezeichnete Rede, die unseren vollen Beifall findet. Machen Sie doch solches endlich einmal nicht nur im Reden, sondern setzen Sie Signale bei den Abstimmungen, wenn es darum geht, solche Reden in entschlossene Politik umzusetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber dies ist ja Ihr Problem: Die Sozialdemokraten, Ihr mächtiger Partner im Bündnis der Koalition, haben diese Soziale Marktwirtschaft insgesamt — ich rede jetzt nicht von den Sozialdemokraten allgemein, wohl aber von wichtigen Teilen der Sozialdemokraten — nie geschützt. Sie haben auch im Geiste nie die Chancen und die Möglichkeiten erfaßt. Die meisten Sozialdemokraten haben der marktwirtschaftlichen Ordnung eben nicht verziehen, daß sie so erfolgreich war und daß sie alle sozialistischen Prognosen der frühen 50er Jahre überwunden und über den Haufen gerannt hat. Das war doch die Erfahrung, die Sie machen mußten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Was wir brauchen, sind frischer Wind, Anreiz zur Leistung, mehr Selbständigkeit, Zukunftsperspektiven, eine Kurskorrektur der Politik der Bundesrepublik.

    (Zuruf des Abg. Wolfram [Recklinghausen] [SPD])

    — Ich meine, das sollten wir ruhig den Wählern überlassen. Bis jetzt sind Sie mit Ihrem Kurs nur von Wahlniederlage zu Wahlniederlage gestolpert und haben sich nur im gegenseitigen Festhalten, wie es Franz Josef Strauß beschrieben hat, hier auf den Regierungsbänken halten können.
    Herr Bundeskanzler, im Rahmen Ihrer Darstellung haben Sie sich wieder einmal die Länder vorgenommen. Wissen Sie: Ich finde, es ist auf die Dauer unerträglich, daß Sie eine derartig profunde Nichtkenntnis einfachster Tatsachen vortragen. Ich will jetzt nicht auf jenes Beispiel mit Ihrer Gas- und Wasserrechnung zurückkommen. Franz Josef Strauß hat dazu das Nötige gesagt. Aber daß Sie es wagen können, vor mündigen Bürgern, die doch ein normal entwickeltes Gedächtnis besitzen, hier das Thema Hessen in die Debatte einzuführen, das zeigt doch, welches Maß von Unverfrorenheit hier obwaltet. Auch das muß einmal klar und deutlich ausgesprochen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, eine einfache Frage: Warum schreibt eigentlich die Partei, deren 2. Vorsitzender Sie sind, die SPD, auf ihre Plakate nicht mehr jenen alten Slogan Georg August Zinns: „Hessen vorn!"? Doch nur deswegen, weil sich ein homerisches Gelächter in der Bundesrepublik erheben würde. Es gab doch kein Bundesland in den letzten Jahren, das so von Skandalen und Filzokratie gezeichnet war wie Hessen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Jenninger [CDU/CSU] : HeLaBa!)

    Und dann kommen Sie hierher, Herr Bundeskanzler, und rechnen den Bayern den Länderfinanzausgleich vor.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Das war ein tolles Stück!)

    B

    Dr. Kohl
    Dann schieben Sie natürlich gleich Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein — offensichtlich ist das Saarland im Text untergegangen — nach. Auch dazu noch ein Wort. Wenn ich die Entwicklung des Bruttosozialproduktes in diesen Bundesländern von der Ausgangsposition „Stichtag DM" bis zum heutigen Tag betrachte, kann ich nur sagen: Das ist eine stolze Leistung. Alle, die da mitgearbeitet haben, können stolz darauf sein, welch eine enorme Entwicklung des Aufstiegs diese Länder genommen haben. Bloß: Wer darüber redet, der muß eben — —

    (Immer [Altenkirchen] [SPD] : In Prozent!)

    — Ja; natürlich. Das ist ja das alte sozialistische Prinzip.

    (Immer [Altenkirchen] [SPD] : Nein!)

    Sie sehen ja nicht, obwohl der Kanzler es hier behauptete, den geschichtlichen Zusammenhang. Sie versuchen, allein über Ihre öde Gleichmacherei nach Prozenten ein Problem zu erläutern. Und das geht eben in diesem Zusammenhang nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie werden doch nicht im Ernst behaupten wollen, daß die Menschen, die nach dem Krieg etwa in Schleswig-Holstein Hand angelegt und den Aufbau betrieben haben, die Einheimischen wie die Flüchtlinge, weniger klug waren und weniger Chancen nutzten als die Menschen in anderen Teilen. Sie hatten eine viel, viel schlechtere Ausgangsposition. Wenigstens das muß doch ein Bundeskanzler wissen, wenn er über diese Dinge redet, statt derart leichtfertiges Geschwätz hier auf der Bühne des Bundestags von sich zu geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Damit es auch zwischen uns ganz klar ist, Herr Bundeskanzler, stelle ich fest: Ich kann mich sehr wohl mit meiner Regierungsleistung auch auf diesem Gebiet vor meinen Bürgern in Rheinland-Pfalz sehen lassen. Wir wollen einmal sehen, wie die Bürger der Bundesrepublik Deutschland bei Ihrem Abgang über Ihre Tätigkeit reden werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Was die Bayern betrifft, frage ich mich nur: Wenn das alles in Bayern so schlimm ist, wie Sie es geschildert haben, so finster und so schwarz, warum will eigentlich alles nach München ziehen? Warum ist im Rahmen der Binnenwanderung der Bundesrepublik Deutschland Bayern der Punkt, wo alles hin will? Und nur der Bundesjustizminister Vogel ist weggegangen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber der hatte doch ganz andere Gründe. Der ist doch nicht wegen der schwarzen Politik der CSU weggegangen. Der ist doch weggegangen, weil er von den Hexengeistern der Jusos aus dem Rathaus vertrieben wurde!

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Franz Josef Strauß hat heute einen dieser Münchner sozialistischen Herrenreiter zitiert,

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    einen Mann, der unentwegt über Sozialismus redet, aber in seinem ganzen Gehabe das genaue Gegenteil eines Vertreters der Arbeiterklasse ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Diese Art und Weise, hier Politik seitens des Regierungschefs der Bundesrepublik Deutschland vorzutragen, ist doch ganz und gar unerträglich. Wie stellen Sie sich das eigentlich vor, Herr Bundeskanzler? Sie sind Repräsentant eines Verfassungsorgans, nämlich des Verfassungsorgans Bundesregierung. Ob Sie die Verfassung mögen oder nicht — was Sie dazu sagen, ist völlig egal —, Sie haben, wie Herbert Wehner eben ganz mit Recht dazwischenrief — und ich respektiere das, weil es richtig ist —, Ihren Amtseid geleistet. Wie können Sie denn eigentlich fortdauernd so über den Bundesrat reden, wie Sie es heute wieder getan haben? Alle Bundeskanzler — ich habe das früher schon einmal gesagt — hatten ihr Problem mit der föderalen Ordnung. Das hat nichts mit der Partei zu tun, sondern mit der Einschätzung des eigenen Verfassungsorgans, das man vertritt. Das war bei Adenauer nicht anders als bei Erhard und bei Kiesinger und bei Brandt. Bloß: So miserabel war die Beziehung, so absolut unerträglich war das Reden des Regierungschefs über ein anderes Verfassungsorgan noch nie wie bei Ihnen, Herr Bundeskanzler.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Leider wahr!)

    Das wäre vielleicht auch noch nicht einmal der Rede wert, aber Sie behandeln ja alle Verfassungsorgane so, weil Sie von sich selbst glauben, Sie seien der Größte. Es hat doch noch nie ein Regierungschef gewagt — und das ist ein Verstoß gegen den Geist unserer Verfassung —, so über das Bundesverfassungsgericht herzuziehen, es so moralisch unter Druck zu setzen, wie Sie das immer wieder tun, wenn Sie dort eine Entscheidung erfahren müssen, die Ihnen nicht gefällt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Lassen Sie mich auch hier das Entlarvende Ihrer Aussagen genau und ruhig vortragen. Sie haben sich bitter über das beklagt, was Gerhard Stoltenberg gesagt hat. Ja, was hat er denn eigentlich gesagt? Was hat er denn gesagt? Er hat darauf hingewiesen, Herr Bundeskanzler, daß es ein unerträglicher Zustand ist

    (Westphal [SPD] : Nein, das hat er nicht! Er hat das Wort „Verfassungsbruch" gebraucht!)

    — ich komme noch darauf —, daß der Bundesrat am kommenden Freitag zu einer Sondersitzung veranlaßt wird — man ist dort voll guten Willens gewesen —, und gleichzeitig unterlaufen Sie die Argumentation und die Auseinandersetzung in dieser Kammer, die notwendig ist, indem Sie die Gesetzesvorlage über die Fraktion vorziehen.
    Er hat noch etwas gesagt.

    (Erneuter Zuruf des Abg. Westphal [SPD])

    — Das müßten Sie doch noch besser wissen als jeder andere von uns, Herr Kollege.



    Dr. Kohl
    Gerhard Stoltenberg hat darauf hingewiesen, was das eigentlich für eine schludrige Politik ist — jetzt sage ich es mit meinen Worten —: noch im Juni haben Sie von diesem Pult aus erklärt, es sei ganz und gar unmöglich, daß man die Tarifverbesserungen im Steuersystem zum 1. Januar 1979 einführe. Sie haben dafür die ganze Amtsautorität der Regierung in Anspruch genommen. Wer es bezweifelte, von dem wurde gesagt, er wisse es nicht besser, er sei provinziell, um in der Sprache des Kanzlers zu bleiben.
    Jetzt haben Sie zehn, zwölf wichtige Arbeitswochen wegen Ihrer Unfähigkeit vergeudet, Notwendiges zur rechten Zeit zu tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Jetzt werfen Sie den Ländern vor, sie seien nicht hinreichend gefügig.
    Meine Damen und Herren, es gab noch nie eine so liederliche Gesetzgebung wie unter diesem Bundeskanzler und dieser Bundesregierung!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die markigen Worte stehen doch in schreiendem Gegensatz zur Wirklichkeit. Wo gibt es denn eine Gesetzgebung in irgendeinem Landtag, bei der noch nicht einmal die dritte Lesung zu Ende ist und schon die Novellierung des Textes vorbereitet wird? Das ist doch ein Signum Ihrer Politik.

    (Zuruf des Abg. Kiechle [CDU/CSU])

    Man muß auch in folgendem Punkt noch einmal auf die Rede Bezug nehmen, die wir gerade hörten. Es wurde als staatsmännische Leistung gepriesen, daß der Kanzler vor dem Bonner und dem Bremer Gipfel zum Thema Steuern nichts gesagt habe. Der Kanzler hat zwar in eine andere Richtung geschaut, aber gemeint hat er offensichtlich den Grafen Lambsdorff, der ja auch aus fernen Erdteilen seine Stimme erklingen läßt. Aber je mehr er sich dem Kanzleramt nähert, desto leiser wird seine Stimme, bedenklich leiser, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, Sie werden doch keinem Ihrer Gesprächspartner gesagt haben, die alle sachkundig sind — es fiel mir übrigens auf, daß Sie vorhin Callaghan nicht aufgezählt haben; sonst zählen Sie ja bei solchen Gelegenheiten alle wichtigen Repräsentanten der westlichen Welt auf, damit jedermann erkennen kann, wie der Kontakt und die Beziehungen zu den jeweiligen Persönlichkeiten sind —, daß das, was Sie jetzt hier vorhaben — die Beseitigung des Inflationsgewinns —, etwas mit dem versprochenen Wirtschaftswachstum zu tun hat.
    Sie wissen doch so gut wie ich — Ihr Finanzminister hat es in der Zwischenzeit selbst gesagt —, daß das nicht das Kernstück der Politik sein kann. Es ist doch gestern des langen und breiten erklärt worden, daß in dieser Beziehung eine Ungerechtigkeit besteht, und zwar eine ganz unerträgliche Ungerechtigkeit. Wenn man dann heute bei Ihnen den Zwischenruf „Das ist heute nicht von Strauß zu sagen, weil es gestern in langer Rede in der Steuerdebatte vorgetragen wurde" macht, Herr Bundeskanzler, dann erklären Sie, an dieser Debatte konnten Sie nicht teilnehmen. Ich mache Ihnen keinen Vorwurf daraus. Aber jeder, der daran teilgenommen hat, ist also einer, der keine Beschäftigung hat. Wenn Sie eine Regierung hätten, wie wir sie in der Bundesrepublik Deutschland brauchten, wären sie wenigstens über das informiert, was gestern hier besprochen wurde.

    (Beifall bei der CDU/CSU)