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ID0810403400

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    Plenarprotokoll 8/104 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 104. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 21. September 1978 Inhalt: Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1979 (Haushaltsgesetz 1979) — Drucksache 8/2150 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1978 bis 1982 — Drucksache 8/2151 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Gewerbesteuergesetzes, des Umsatzsteuergesetzes und anderer Gesetze (Steueränderungsgesetz 1979) — Drucksache 8/2100 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung für Schwerbehinderte (Fünftes Rentenversicherungs-Änderungsgesetz) — Drucksache 8/2101 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes — Drucksache 8/2102 — Strauß CDU/CSU 8173 C Hoppe FDP 8190 D Schmidt, Bundeskanzler 8195 B Dr. Jenninger CDU/CSU (zur GO) . . 8214 A Porzner SPD (zur GO) 8214 B Spitzmüller FDP (zur GO) . . . . . . 8214 C Dr. Kohl CDU/CSU 8218 C Mischnick FDP 8232 A Dr. Ehmke SPD 8235 C Dr. Biedenkopf CDU/CSU . . . . . . 8242 B Dr. Gruhl fraktionslos 8248 D Dr. Vogel, Bundesminister BMJ 8250 D Dr. Wittmann (München) CDU/CSU . . 8254 B Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 8255 B II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. September 1978 Bahr SPD 8259 C Dr. Schwarz-Schilling CDU/CSU . . . 8264 D Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 8267 B Friedrich (Würzburg) SPD 8271 D Dr. Marx CDU/CSU 8276 A Dr. Riedl (München) CDU/CSU 8277 B Löffler SPD 8282 D Gärtner FDP 8285 B Wohlrabe CDU/CSU 8288 C Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung der Antragsfrist für den Lohnsteuer-Jahresausgleich — Drucksache 8/2088 —Gaddum, Staatsminister des Landes Rheinland-Pfalz 8215 A Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über die Statistik im Handel und Gastgewerbe (Handelsstatistikgesetz) — Drucksache 8/2089 — Gaddum, Staatsminister des Landes Rheinland-Pfalz 8215 D Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Anderung des Investitionszulagengesetzes und anderer Gesetze — Drucksache 8/2090 — Büchler (Hof) SPD 8216 B Dr. Warnke CDU/CSU 8217 B Engelhard FDP 8218 A Nächste Sitzung 8291 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 8293* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. September 1978 8173 104. Sitzung Bonn, den 21. September 1978 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Dr. Lenz (Bergstraße) 22. 9. Luster * 22. 9. Möhring 29. 9. Müller (Mülheim) * 22. 9. Müller (Wadern) * 21. 9. Nordlohne 29. 9. Peter 22. 9. Russe 22. 9. Sauer (Salzgitter) 29. 9. Saxowski 29. 9. Schmidthuber 22. 9. Schmidt (München) ' 22. 9. Schmidt (Wattenscheid) 22. 9. Schreiber * 22. 9. Schulte (Unna) 22. 9. Dr. Schwencke (Nienburg) * 22. 9. Dr. Schwörer * 22. 9. Seefeld * 22. 9. Sieglerschmidt ** 22. 9. Dr. Starke (Franken) * 22. 9. Stücklen 22. 9. Frau Dr. Walz * 22. 9. Wawrzik * 22. 9: Wissmann 22. 9. Würtz * 22. 9. Ziegler 6. 10. Zink 22. 9. für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Adams * 22. 9. Dr. van Aerssen * 22. 9. Dr. Ahrens ** 22. 9. Dr. Aigner * 22. 9. Alber * 22. 9. Dr. Bangemann * 21. 9. Dr. Barzel 22. 9. Dr. Bayerl * 22. 9. Dr. Becher (Pullach) 22. 9. Blumenfeld 22. 9. Dr. Dregger 6. 10. Erhard (Bad Schwalbach) 21. 9. Dr. Eyrich 22. 9. Fellermaier * 22. 9. Dr. Fuchs * 22. 9. Haase (Fürth) 22. 9. Haberl 27. 9. Hansen 28. 9. Hoffie 21. 9. Hoffmann (Saarbrücken) * 22. 9. Ibrügger * 6. 10. Dr. Jahn (Braunschweig) * 22. 9. Dr. h. c. Kiesinger 22. 9. Kleinert 21. 9. Dr. Klepsch * 21. 9: Klinker * 21. 9. Dr.-Ing. Laermann 22. 9. Lange * 21. 9. Lemp * 22. 9.
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    Bitte sehr.


Rede von Dr. Alois Mertes
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Bundeskanzler, können Sie dem Hause bestätigen, daß das Wort „Finnlandisierung" von Ihrem Parteifreund Professor Richard Löwenthal vor einigen Jahren geprägt worden ist?

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


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    Ich kann es nicht bestätigen; ich weiß davon nichts. Aber ich wiederhole, wenn Ihnen das als Antwort reicht: Wer auch immer es benutzt, sei es in Amerika, sei es in Deutschland, der beleidigt unsere finnischen Nachbarn.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die Unionsparteien oder einige ihrer Sprecher — ich habe durchaus bemerkt, daß sich einige hervorragende Personen völlig frei gehalten haben von der Beteiligung an diesen Manövern — haben im Laufe der letzten Wochen — und das ist dann auch heute morgen dem Sinne nach bei Herrn Strauß wieder vorgekommen — die Frage aufgeworfen, Herr Kohl hat sich da besonders hervorgetan, ob etwa in der Bundesregierung eine Änderung der Außen- oder Sicherheitspolitik beabsichtigt sei. Herr Kohl hat gesagt, die Weltöffentlichkeit sei irritiert. — Die Weltöffentlichkeit hat Sie noch gar nicht zur Kenntnis genommen, Herr Kohl!

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Reddemann [CDU/CSU] : Jetzt wird er schon wieder so billig! — Dr. Kohl [CDU/CSU] : Arroganz, dein Name ist Helmut Schmidt!)

    Solche Rede und solche Schreibe ist genau das, was Herr Strauß gesagt hat: Vergiftung des politischen Klimas.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Da wird Sozialdemokraten oder gar der Bundesregierung vorgeworfen, sie seien dabei, eine alternative Strategie der Außenpolitik zu entwickeln. Herr Strauß hat gesagt: Wenn die so stark ist, daß sie die Mehrheit hat, dann wird sie die Führung übernehmen, und dann wird die gegenwärtige Außenpolitik der Bundesregierung beiseite' geschoben werden. Wissen Sie, das ist doch nichts anderes als die Umkehrung der Argumentation der französischen Kommunisten; die beschuldigen diese Bundesregierung, daß sie nichts anderes sei als der Agent des amerikanischen Imperialismus. Sie machen es umgekehrt, und beide sind sie an der Wahrheit um 100 % vorbei, beide lügen sie.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Wir stehen nicht für die Interessen eines anderen großen Staates. Wir stehen für die Interessen unseres Staates, unseres Volkes und darüber hinaus für die Interessen der deutschen Nation. Dafür suchen wir Freunde in der Welt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Dafür suchen wir Freunde und Partner. Es ist uns im Laufe der letzten zehn Jahre gelungen, ein paar zusätzliche Partner zu finden und ein paar mehr Freundschaften zu schließen, als wir vorgefunden haben, als wir die Regierung übernahmen.
    Daß Führer der Opposition z. B. auch in der anderen großen Hauptstadt empfangen werden oder mit dem Chef der anderen Großmacht hier in Bonn so reden und anschließend im Parlament so darüber berichten, wie es Herr Strauß vor der Sommerpause getan hat, das halte ich für einen Fortschritt.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Hat Adenauer nicht auch mit Chruschtschow gesprochen?)

    — Lieber Herr Marx, es ist nur ein ganz kleines Zeichen des Fortschritts, an dem wir uns als sozialliberale Koalition insgesamt allerdings einen erheblichen Teil des Verdienstes zurechnen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Was nun diesen Herrn Pampa angeht, Herr Strauß: Ich an Ihrer Stelle würde Spione und auch übergelaufene Spione nicht mit der Zuckerzange anfassen wollen. Ich habe den Eindruck, diese von einigen der Ihren — nicht von allen — und von einigen Zeitungen, zumal hier in Bonn, mit Eifer betriebene Affäre ist, soweit sie die Bundesrepublik Deutschland angeht, offensichtlich ein Rohrkrepierer. Ich gehe davon aus, daß nach dem Abschluß der Ermittlungen die zuständigen Stellen, die solche Feststellungen zu treffen haben, diese in anderen Worten, in verwaltungsförmigerem Deutsch, dann auch feststellen werden.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Wer hat denn die Ermittlungen beschlossen, Herr Bundeskanzler?)

    — Beschließen muß jeder, dem ein Verdacht angezeigt wird, Herr Kollege.
    Es könnte sein, daß auch Sie davon wissen, daß vielfältig auf Menschen Verdacht fällt, bei denen hinterher von den Verdächtigen nichts nachbleibt.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Das könnte passieren. Es passiert offenbar auch, daß auf Menschen Verdacht geworfen wird, um sie zu schädigen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Z. B. im Wahlkampf gegen Herrn Strauß! — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Aber doch nicht vom BGH!)

    In diesem Fall war es wohl so, daß jemand, der übergelaufen ist, seinen Wert, auch seinen finanziellen Wert, im Westen zu steigern sich bemüht hat.

    (Wehner [SPD] : Sehr wahr!)

    Ich halte es hier — das darf ich dem Zwischenrufer von vorhin sagen — mit einer Bemerkung des



    Bundeskanzler Schmidt
    Herrn Robert Leicht in der „Süddeutschen Zeitung" — das ist ungefähr 14 Tage her —, wo steht:
    Ist es schon ein ziemliches Bubenstück, jemanden ohne seriösen Anhaltspunkt zu verdächtigen, so gehört doch einige Unverfrorenheit dazu, ihm nachher auch noch vorzuhalten, es sei ihm nicht gelungen, zu beweisen, daß er etwas nicht getan habe.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    In Klammern schreibt Herr Robert Leicht dahinter:
    Diese Art der Rufschädigung entspricht der hinterlistigen Frage, ob man etwa aufgehört habe, seine Frau zu verprügeln.
    Dann fährt er fort:
    Wie soll jemand darauf antworten, der seine Frau nie verprügelt hat?
    Weiter sagt er:
    Just von dieser Qualität ist aber die Behauptung des CDU-Sprechers, Egon Bahr sei es bis heute nicht gelungen, den Verdacht auszuräumen, er betreibe Außenpolitik auf eigene Faust — und in welche Zielrichtung, das darf sich jeder denken.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Dies ist alles ganz unpolemisch, aber es ist alles ganz zutreffend, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Herr Bahr ist vor einem Jahrzehnt im Auswärtigen Amt als Leiter des Planungsstabes tätig gewesen, und da war ja einiges neu zu planen. Wir konnten ja mit der Hallstein-Doktrin nicht bis in die 70er und die 80er Jahre weitermachen, meine Damen und Herren!

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Da war also einiges neu zu überlegen. — Da ist er im Planungsstab tätig gewesen und hat langfristige Entwicklungsmöglichkeiten aller Art für Europa und für Deutschland mit anderen durchdebattiert und auch zu Papier gebracht. Darüber ist auch mit anderen außerhalb Deutschlands gesprochen worden, etwa mit Amerikanern, was übrigens nicht darauf schließen läßt, daß Herr Bahr ein ausgesprochen gestörtes Verhältnis zu Amerikanern hätte. Er selber hat ja das, was Sie heute immer wieder hochziehen, als eine von mehreren Denkmöglichkeiten einem Amerikaner gegenüber erstmalig ausgebreitet.
    Heute, neun Jahre später, tut die Opposition so, als ob das etwas mit dem Überläufer Pacepa zu tun hätte, tut so, als ob es etwas Neues sei. Herr Kohl wirft die Frage auf, ob es eine Änderung der Außen- und Sicherheitspolitik gebe. Herr Kohl, wieviel verstehen Sie eigentlich von uns? Wieviel verstehen Sie eigentlich von uns?

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Ich verstehe von Ihnen etwas!)

    Sie wollen doch nichts anderes als herabsetzen und verdächtigen, weil Sie von der Sache selber nicht genug wissen!

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Vielleicht darf ich auf diesem Punkte noch ein bißchen beharren. Es ist ja nicht das Privileg von Bahr und von Planungsstäben in den Außen- und Verteidigungsministerien der ganzen westlichen Welt, über denkbare zukünftige Entwicklungen nachzudenken; es gehört dies zu ihrer Pflicht und zur Pflicht verantwortlicher Politiker überhaupt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aber nicht, die Unwahrheit zu sagen!)

    — Nein, nicht die Unwahrheit. — Ich will Ihnen einen sehr verantwortlichen Politiker Ihrer eigenen Partei zitieren, der ebenfalls über die Zukunft nachgedacht hat. Das war Bundeskanzler Konrad Adenauer, der hier, von diesem Pult sprechend, 1960, also noch acht Jahre früher als Egon Bahr, folgendes gesagt hat: — Sie können es im Protokoll des Bundestages nachlesen —
    Wenn wir eines Tages zu einer Verständigung auch mit Sowjetrußland kommen — und ich hoffe, daß wir dies mit viel Geduld erreichen werden—, dann werden Warschauer Pakt und NATO der Vergangenheit angehören. Das müssen Sie sich doch einmal klarmachen.

    (Wehner [SPD]: Einflußagent! — Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das sind doch keine Ewigkeitsinstitutionen. Aber jetzt haben wir die NATO nötig, und deswegen sind wir ihr beigetreten.
    Ich kann das alles unterschreiben. Das war acht Jahre vor Bahr. Gesagt hat das der Mann, von dem Sie, Herr Kohl, sich immer rühmen, Sie seien sein Nachfolger. Mein Gott, was für ein Nachfolger! Mein Gott!

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Dieser Mann hat genau dasselbe getan, was wir alle tun müssen, nämlich über die Zukunft nachzudenken. Ich respektiere Beweise eigenen Nachdenkens. Ich habe auch gegen Herrn Zimmermann vorhin nicht polemisiert, obwohl ich seine Meinung nicht teilen kann. Wenn Sie, Herr Abgeordneter Kohl, jemandes Meinung nicht teilen können, ist das prima, ist das in Ordnung; daraus entsteht ja möglicherweise eine Synthese. Aber warum müssen Sie ihn als Person verdächtigen?

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Herr Strauß hat hier eine große Rede gegen die Konflikttheorien an unseren Ausbildungsstätten und Schulen gehalten. Sie vergessen übrigens, daß die meisten Schulen unter der Aufsicht von schwarzen, von christdemokratischen Schulministern stehen, Herr Strauß.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Gott sei Dank!)

    8206 Deutscher Bundestag — 8 Wahlperiode — 104. Sitzung. florin, Donnerstag, den 21. September 1978
    Bundeskanzler Schmidt
    Wenn das mit der Vermeidung der Übertreibung der Konflikte ernst gemeint ist — —

    (Strauß [CDU/CSU] : Wenn man wie Sie in Rom war und so fromm gekniet hat — in Wahlversammlungen haben Sie doch erzählt, daß Sie hingekniet sind! —, muß man mit dem Begriff „schwarz" vorsichtig sein! — Zurufe von der SPD: Sprechen Sie einmal hochdeutsch! — Reden Sie klar!)

    — „Schwarz" ist ja noch keine Beleidigung, Herr Strauß!

    (Strauß [CDU/CSU] : Aber Sie meinen es ja so!)

    — Nein, nein, ihr teilt euch ja auf in Schwarze und Blaue, und Sie gehören zu den Schwarzen, und mit dem Wort will ich Sie nicht beleidigen, nicht mit diesem Wort, Herr Strauß!

    (Heiterkeit bei der SPD)

    Aber zurück zu Ihren Konflikten, Herr Strauß: Wenn Sie hier heute morgen mit Recht gesagt haben, daß Sie ein Übermaß an Schürung von Konflikten verurteilen — so habe ich Sie verstanden —, dann darf es, finde ich, nicht geschehen, daß in Ihrem Namen geschrieben wird, die Bundesregierung habe „der Regierung in Washington mit Methoden hart an der Grenze der Erpressung die Erklärung abgenötigt", daß ihr keinerlei Hinweise, aus welcher Quelle auch immer, über das vorliegen, was Sie Herrn Bahr vorwerfen möchten. Dann dürfte in Ihrem Namen nicht geschrieben werden, daß „die Bundesregierung der Regierung Carter einen offenen Streit in dieser Sache und eine abgrundtiefe Trübung der deutsch-amerikanischen Beziehungen in Aussicht gestellt" habe, "wenn Washington nicht offiziell eine Rehabilitierung des ersten Funktionärs der Bonner Regierungspartei SPD vornehme". Dann dürfte in Ihrem Namen nicht gedruckt werden, daß „die Bundesregierung und die SPD bei ihrer Pression auf Carter rücksichtslos dessen innenpolitische Schwäche und dessen außenpolitische Schwierigkeiten ausnutze". Was sind das für sprachliche Elemente, Herr Strauß, in der von Ihnen jede Woche gedruckten Zeitung „Bayernkurier"?

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Mir ist ganz klar, wo das herkommt. Wenn es jemanden gibt, der als einzelner den größten Beitrag zur Steigerung des innenpolitischen Konflikts, zur Verschärfung der Auseinandersetzung geleistet hat, dann war es derjenige, der heute vor vier Jahren gesagt hat: „Man muß eben immer die anderen identifizieren damit, daß sie den Sozialismus und die Unfreiheit repräsentieren und daß ihre Politik auf die Hegemonie der Sowjetunion über Westeuropa hinausläuft." Das ist allerdings Originalton Strauß in Sonthofen. Das ist das Rezept.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Herr Kohl hat sich lange gesträubt. Inzwischen hat er sich dem Rezept unterworfen.

    (Dr. Ehmke [SPD] : Was bleibt ihm übrig? — Heiterkeit bei der SPD)

    Der Herr Biedenkopf hat recht, daß die außenpolitischen Positionen der CDU im Ausland so gut wie unbekannt seien. Das wäre nicht so schlimm; schlimmer ist es, daß sie nicht nur im Ausland unbekannt sind, Herr Biedenkopf, sondern auch hier im Inland. Wir hören nur Polemik. Das ist schon sehr viel schlimmer.
    Schlimm ist auch, daß wir die nationale Trompete aus ihren Reihen meistens dann hören, wenn es gegen Osten geht, und die europäische Trompete nur dann hören, wenn es sich um Westeuropa handelt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Aber auch das ist ja halbherzig! Siehe Ihre Bemerkung zum Währungssystem, auf die ich in der Auseinandersetzung mit Ihren Ausführungen, Herr Kollege Strauß, eingehen möchte. Um Sie politisch einzubetten, möchte ich zunächst auf eines hinweisen: Die sozialliberale Koalition hat auf manchen Feldern außenpolitische Entwicklungslinien vorgefunden, sie übernommen und sie fortgesetzt, erfolgreich fortgesetzt. Andere hat sie selber geschaffen und zu einem erheblichen Erfolge geführt, wie z. B. die Entspannungs- und Vertragspolitik gegenüber unseren östlichen Nachbarn. Zu den erfolgreich fortgesetzten, vorgefundenen Linien gehört die Pflege des partnerschaftlichen, des freundschaftlichen Verhältnisses zu Frankreich. Diese Beziehungen zwischen Franzosen und Deutschen haben nach 15 Jahren des Vertrages, den Adenauer und de Gaulle seinerzeit herbeigeführt haben, einen Stand erreicht, auch ein Klima geschaffen, die man schon als fest begründet, als dauerhaft bezeichnen darf. Das ist eine Sache, die mich persönlich sehr beglückt, weil für mich dabei auch persönliche Freundschaft im Spiel ist. Ich hoffe sehr, daß wir dies eines Tages auch in andere Hände weitergeben — oder vielleicht sogar, man darf es nicht ausschließen, zurückgeben können in Ihre Hände — als ein verpflichtendes Erbe, das es weiterzuführen gilt.
    Ebenso ist es mit der europäischen Integration. Sie sollten sich bei Ihrer Polemik gegenüber gemeinsamer Währungspolitik mit Frankreich und mit anderen europäischen Partnern der geschichtlichen Qualität des Rahmens bewußt sein, innerhalb dessen Sie polemisieren. Es geht darum, den Gemeinsamen Markt, der 1957 unter der Voraussetzung fester Währungsbeziehungen zwischen Italienern und Luxemburgern und Holländern und Deutschen und Franzosen und Belgiern — die Dänen gehörten noch nicht dazu — geschaffen wurde, nicht degenerieren zu lassen.
    Kein Mensch hat sich bei all den Gemeinsamkeitseinrichtungen, die im Römischen Vertragswerk vorgesehen und inzwischen auch schrittweise verwirklicht worden sind — nicht alle sind bisher verwirklicht worden —, jemals vorgestellt, daß wir in eine solche Zerrissenheit des Währungssystems kommen würden.
    Ein Gemeinsamer Markt ohne feste, für jeden Teilnehmer zuverlässige Währungs- und Geldverhältnisse ist auf die Dauer nicht haltbar. Wenn aber der Gemeinsame Markt nicht hält, dann hält die Europäische Gemeinschaft nicht; wenn die Europäische



    Bundeskanzler Schmidt
    Gemeinschaft nicht hält, fehlt eine der beiden Säulen — nämlich hier Bündnis und dort Europäische Gemeinschaft —, auf der die ganze deutsche Entspannungspolitik ruht.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Für uns Deutsche, die wir das nationale Ziel verfolgen, eines Tages doch alle deutschen Menschen wieder unter einem Dach zusammen zu haben, ist es noch gefährlicher als für alle anderen Europäer, wenn die Europäische Gemeinschaft degenerierte und eines Tages zugrunde ginge.
    Da es doch einmal so ist, daß uns andere für gegenwärtig wirtschaftlich stärker halten als sich selbst, haben wir mit Hilfe dieser wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, über die wir verfügen, auch etwas für die Gemeinschaft zu leisten. Wir werden auf die Dauer das Wachstum auch unserer deutschen Volkswirtschaft nur dann sichern können, wenn wir zumindest im Gemeinsamen Markt wieder stabile geldpolitische und stabile währungspolitische Verhältnisse schaffen. Deshalb sollten, Herr Strauß, die Entscheidungen des Bremer Gipfels für ein europäisches Wirtschaftssystem nüchtern und sachlich geprüft werden. Natürlich stecken auch Risiken darin.
    Der Vorwurf, wir hätten das Parlament vorher nicht unterrichtet, geht irre; denn die Sitzungen fanden statt — sowohl die in Bremen und Bonn als auch die in Aachen —, nachdem der Bundestag seine Sommerferien angetreten hatte. Er hat sie unterbrochen zwecks eines einzigen — rechtlich wahrscheinlich gebotenen, seinem Inhalt nach im übrigen höchst zweifelhaften — Fünf-Minuten-Treffens.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich wäre bereit gewesen, Ihnen in den Ferien über die Ergebnisse von Bremen, von Bonn und von Aachen zu berichten. Ich hatte auch mit der Möglichkeit gerechnet, das während der Ferien vor Ihnen ausbreiten zu können. Sie hatten ja eine Sondersitzung des Deutschen Bundestages der Renten wegen angekündigt. Plötzlich kamen Sie auf die Idee: nein, dann sähe die Bundesregierung zu gut aus, und dann haben Sie die Sondersitzung des Bundestages wieder abgeblasen.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Kein Mensch hat eine Sondersitzung angekündigt. Was Sie sagen, ist einfach unwahr!)

    Heute ist der erste Tag nach den Sommerferien, an dem ich darüber reden kann. Sie haben keinen Grund, sich über eine verspätete Berichterstattung zu beklagen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)