Rede:
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Metadaten
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  • date_rangeDatum: 21. September 1978

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/104 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 104. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 21. September 1978 Inhalt: Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1979 (Haushaltsgesetz 1979) — Drucksache 8/2150 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1978 bis 1982 — Drucksache 8/2151 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Gewerbesteuergesetzes, des Umsatzsteuergesetzes und anderer Gesetze (Steueränderungsgesetz 1979) — Drucksache 8/2100 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung für Schwerbehinderte (Fünftes Rentenversicherungs-Änderungsgesetz) — Drucksache 8/2101 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes — Drucksache 8/2102 — Strauß CDU/CSU 8173 C Hoppe FDP 8190 D Schmidt, Bundeskanzler 8195 B Dr. Jenninger CDU/CSU (zur GO) . . 8214 A Porzner SPD (zur GO) 8214 B Spitzmüller FDP (zur GO) . . . . . . 8214 C Dr. Kohl CDU/CSU 8218 C Mischnick FDP 8232 A Dr. Ehmke SPD 8235 C Dr. Biedenkopf CDU/CSU . . . . . . 8242 B Dr. Gruhl fraktionslos 8248 D Dr. Vogel, Bundesminister BMJ 8250 D Dr. Wittmann (München) CDU/CSU . . 8254 B Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 8255 B II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. September 1978 Bahr SPD 8259 C Dr. Schwarz-Schilling CDU/CSU . . . 8264 D Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 8267 B Friedrich (Würzburg) SPD 8271 D Dr. Marx CDU/CSU 8276 A Dr. Riedl (München) CDU/CSU 8277 B Löffler SPD 8282 D Gärtner FDP 8285 B Wohlrabe CDU/CSU 8288 C Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung der Antragsfrist für den Lohnsteuer-Jahresausgleich — Drucksache 8/2088 —Gaddum, Staatsminister des Landes Rheinland-Pfalz 8215 A Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über die Statistik im Handel und Gastgewerbe (Handelsstatistikgesetz) — Drucksache 8/2089 — Gaddum, Staatsminister des Landes Rheinland-Pfalz 8215 D Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Anderung des Investitionszulagengesetzes und anderer Gesetze — Drucksache 8/2090 — Büchler (Hof) SPD 8216 B Dr. Warnke CDU/CSU 8217 B Engelhard FDP 8218 A Nächste Sitzung 8291 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 8293* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. September 1978 8173 104. Sitzung Bonn, den 21. September 1978 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Dr. Lenz (Bergstraße) 22. 9. Luster * 22. 9. Möhring 29. 9. Müller (Mülheim) * 22. 9. Müller (Wadern) * 21. 9. Nordlohne 29. 9. Peter 22. 9. Russe 22. 9. Sauer (Salzgitter) 29. 9. Saxowski 29. 9. Schmidthuber 22. 9. Schmidt (München) ' 22. 9. Schmidt (Wattenscheid) 22. 9. Schreiber * 22. 9. Schulte (Unna) 22. 9. Dr. Schwencke (Nienburg) * 22. 9. Dr. Schwörer * 22. 9. Seefeld * 22. 9. Sieglerschmidt ** 22. 9. Dr. Starke (Franken) * 22. 9. Stücklen 22. 9. Frau Dr. Walz * 22. 9. Wawrzik * 22. 9: Wissmann 22. 9. Würtz * 22. 9. Ziegler 6. 10. Zink 22. 9. für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Adams * 22. 9. Dr. van Aerssen * 22. 9. Dr. Ahrens ** 22. 9. Dr. Aigner * 22. 9. Alber * 22. 9. Dr. Bangemann * 21. 9. Dr. Barzel 22. 9. Dr. Bayerl * 22. 9. Dr. Becher (Pullach) 22. 9. Blumenfeld 22. 9. Dr. Dregger 6. 10. Erhard (Bad Schwalbach) 21. 9. Dr. Eyrich 22. 9. Fellermaier * 22. 9. Dr. Fuchs * 22. 9. Haase (Fürth) 22. 9. Haberl 27. 9. Hansen 28. 9. Hoffie 21. 9. Hoffmann (Saarbrücken) * 22. 9. Ibrügger * 6. 10. Dr. Jahn (Braunschweig) * 22. 9. Dr. h. c. Kiesinger 22. 9. Kleinert 21. 9. Dr. Klepsch * 21. 9: Klinker * 21. 9. Dr.-Ing. Laermann 22. 9. Lange * 21. 9. Lemp * 22. 9.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Sitzung ist eröffnet.
Wir fahren in der Aussprache über die Tagesordnungspunkte 1 bis 4 fort:
1. a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaus haltsplans für das Haushaltsjahr 1979 (Haushaltsgesetz 1979)

— Drucksache 8/2150 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß
b) Beratung des Finanzplans des Bundes 1978 bis 1982
— Drucksache 8/2151 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß
2. Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Gewerbesteuergesetzes, des Umsatzsteuergesetzes und anderer Gesetze (Steueränderungsgesetz 1979 — StÄndG 1979)

— Drucksache 8/2100 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Finanzausschuß (federführend)

Ausschuß für Wirtschaft
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
3. Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung für Schwerbehinderte (Fünftes Rentenversicherungs-Änderungsgesetz — 5. RVÄndG)

— Drucksache 8/2101 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
4. Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Ach-
ten Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes
— Drucksache 8/2102 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend) Finanzausschuß
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Strauß.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsidentl Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundesminister der Finanzen hat mit seiner gestrigen Rede den Anforderungen einer Haushaltsrede nicht Genüge getan.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es mag sein, daß das Nachdenken über die wirklichen Probleme in der Bundesregierung zu den raren Aktivitäten gehört, bei denen sie tunlichst nicht gestört werden darf. In einer Haushaltsrede hätte man aber schon erwarten können, daß wenigstens Spurenelemente davon sichtbar werden.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie wirkte mehr wie ein Nachtrag zu einer nicht gehaltenen Rede, ein Nachtrag, der von einem Rezitator pflichteilig vorgelesen wird. Es fehlte nämlich eine Aufzählung und 'Beschreibung der bestehenden Probleme. Es fehlte eine Darlegung ihrer Ursachen als Voraussetzung ihrer Lösung. Es fehlte eine Analyse dieser Probleme mit Angabe konkreter Vorsätze für die Zukunft, z. B. für den Abbau der Verschuldung. Es fehlten eine Erhellung der für die Zukunft bestehenden Absichten und eine Aufklärung über die geplanten Lösungen dieser Probleme. Es fehlte jede Aussage — das hat mich besonders gewundert— über die sogenannten Gipfelkonferenzen in Bremen und Bonn, bei denen die Kluft zwischen Erwartung und Ergebnis, zwischen Verheißung und Erfüllung schon zur Routine geworden ist. Dabei sind gerade Erklärungen und Beschlüsse dieser Konferenzen für die wirtschaftliche und finanzielle Lage unseres Landes in der Zukunft — siehe europäischer Währungsverbund — von einer nicht zu unterschätzenden Bedeutung. Es fehlte jede Aussage über die Sicherheit und Ausgestaltung unseres Rentensystems — verständlich) Es fehlte



    Strauß
    ein klärendes Wort über die Grenze der Machbarkeit, d. h. der Finanzierbarkeit. Es fehlte jede echte Aussage über den Anteil der öffentlichen Hand am Bruttosozialprodukt und die weitere Entwicklung auf diesem Gebiet.
    Wir haben in diesem Jahre zwei zeitlich fast zusammenfallende 30jährige Geburtstage gefeiert, den Geburtstag der Sozialen Marktwirtschaft und den Geburtstag der D-Mark. Im Juni dieses Jahres haben wir — auch der Kollege Matthöfer, der Kollege Kohl, ich und andere — in der Paulskirche in Frankfurt aus diesem Anlaß gesprochen. Ich möchte hier dieses Anlasses gedenken und, wenn auch nur mit einem Satz, einen Dank an Ludwig Erhard aussprechen,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    dessen im politischen Raume durchgesetzte Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft den Namen einer echten, epochalen, entscheidenden Reform auch tatsächlich verdient. Es ist angebracht, ein Werk, das man wirklich als Reform bezeichnen kann, hier im Zusammenhang mit der Marktwirtschaft zu erwähnen. Damals fiel die Entscheidung: Marktwirtschaft statt Planwirtschaft. Damals war Deutschland der größte Trümmerhaufen der Weltgeschichte. 15 bis 20 Jahre nach diesem Ereignis war es die stärkste Wirtschaftsmacht Europas und die zweitgrößte Welthandelsmacht; ja, zur Zeit ist es, weil die Wirtschaft auf den Export drängt, da die Binnennachfrage immer noch zu schwach ist, die größte Welthandelsmacht. Das war der Anlaß, der Beginn des Aufstiegs der breiten Massen unseres Volkes. Hier hat sich die Architektur eines modernen, freiheitlichen, leistungsfähigen sozialen Rechtsstaats ergeben. Und wir halten nun einmal an der Einheit fest: demokratischer Rechtsstaat — parlamentarische Demokratie — Soziale Marktwirtschaft.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Man kann keines dieser Elemente herauslösen, ohne daß die beiden anderen — wenn auch nicht sofort, so doch schrittweise — ausgehöhlt und zum Einsturz gebracht werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist hier nicht an der Zeit, eine Definition oder eine Geschichte der Sozialen Marktwirtschaft aus Anlaß dieser Haushaltsrede zu geben. Wohl aber ist es angebracht, zu erwähnen, daß sie bedeutet: Freiheit der Wahl des Arbeitsplatzes, Freiheit der Entscheidung über den persönlichen Verbrauch, Recht auf Privateigentum, auch an Produktionsmitteln — das ist wohl die entscheidende Frage — sowie unternehmerische Investitionsentscheidung.
    Die Soziale Marktwirtschaft ist damals gegen die SPD erkämpft und durchgesetzt worden. Das wäre heute nicht mehr bemerkenswert. Denn es ist vieles gegen die SPD erkämpft und durchgesetzt worden, was so selbstverständlich geworden ist, daß das Zustandekommen schon dem Bewußtsein und auch dem Erinnerungsvermögens entglitten ist. Aber nach 30 Jahren zeigt sich doch, daß die Soziale Marktwirtschaft von weiten Teilen der SPD als aufgezwungenes, widerwillig übernommenes und weitgehend unverstandenes, jedenfalls nicht verarbeitetes, innerlich abgelehntes Ordnungssystem betrachtet und behandelt wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Auf allen Parteitagen der SPD und in allen programmatischen Entschließungen nicht nur der Jungsozialisten kehren wieder: der Vorrang des Sozialstaats vor dem Rechtsstaat — als ob nicht beides den gleichen Rang hätte —, der Vorrang der Gleichheit vor der Gerechtigkeit, der Vorrang der Staatswirtschaft, notfalls auch der Gemeinwirtschaft, vor der Privatwirtschaft, der Ruf nach mehr staatlichen Eingriffen, die Forderung nach Ausdehnung des öffentlichen Dienstes, der Schrei nach mehr Kontrolle statt nach mehr Verantwortung — nach dem Motto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser" —, die Ankündigung neuer Instrumente der Wirtschafts- und Sozialpolitik — siehe Willy Brandt —, der Ruf nach Investitionsplanung, Investitionslenkung und Investitionskontrolle durch die öffentliche Hand — einzuleiten durch ein Investitionsmeldesystem mit Zwangscharakter —, der Ruf nach Strukturräten für öffentliche und private Investitionen unter dem Zauberwort „vorausschauende Strukturpolitik" — es gibt ja immer wieder neue Maskeraden für ein und dieselben steinzeitsozialistischen Vorstellungen —.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Im Hintergrund steht dann etwas, was man zwar als den idealen Endzustand betrachtet, heute aber leider noch nicht erreichen kann, weshalb man sich
    mit der unzulänglichen Marktwirtschaft noch abplacken muß, nämlich die Vergesellschaftung oder Verstaatlichung der Produktionsmittel. Und das ist doch die Frage, die wir hier immer wieder stellen müssen, weil es ja zwei Politiken der SPD gibt, die offizielle Regierungspolitik — oft sehr forsch ausgedrückt, manchmal auch mit einigen Slalomkurven und einigen Widersprüchen —, vertreten durch Helmut Schmidt und seine Minister, soweit sie sich ihm unterordnen,

    (Lachen bei der SPD)

    und dazu parallel — na, „parallel" würde bedeuten: gleichsinnig; aber das kann man nicht einmal sagen — eine zweite Politik, die von ganz anderen Grundvorstellungen ausgeht, ganz andere Zielvorstellungen verfolgt und ganz andere Methoden empfiehlt.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das gilt auch für die Außenpolitik der SPD!)

    Und wenn man dann fragt: „Wie verhalten sich die zwei zueinander?", dann heißt es eben: Parteiprogramme sind das eine, Regierungspolitik ist das andere. Wie lange man das auf die Dauer aushalten kann, gehört zu den Mysterienspielen unserer Zeit. Aber einmal kommt ein Ende dieses Mysterienspiels, weil diese Rechnung nicht mehr aufgeht.
    Und das ist eben das Thema: Marx und sein Erbe. Die SPD ist unfähig, sich von Marx zu trennen, aber außerstande, sich offen zu ihm zu bekennen. Und das schafft Verklemmungen.

    (Lachen und Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Soziale Marktwirtschaft mit ihrem Eigentums-
    und Leistungssystem ist ein unwillkommenes, aber



    Strauß
    eben nicht mit einem Schlag abzuschaffendes System, dessen Funktionsunfähigkeit erhofft, dessen Überwindung angestrebt, dessen Abschaffung als Zukunftsplanung betrieben wird. Im Dienst dieses Ablaufs stehen dann auch die klassenkämpferische Diskussion, die Schaffung eines unternehmerischen Feindbildes, die Einschüchterung des Bundesverfassungsgerichts, die Planung eines sozialistischen Europas.
    Unter den unzähligen Zeugnissen, die es dafür gibt, möchte ich mich auf die Äußerungen eines Mannes beschränken, eines Gewerkschaftsführers im zweiten Glied, der aber weitgehend das Geschehen im vordersten Glied bestimmt, nämlich des Herrn Dr. Detlev Hensche vom März dieses Jahres. Er sagt:
    Schließlich sei die Frage hinzugefügt, wie lange wir uns noch den Luxus privater Unternehmungen leisten können.
    Oder:
    Marktwirtschaft ist ein Märchen aus längst vergangenen Zeiten. Hier helfen nur politische Weichenstellungen: gesellschaftliche Kontrolle der Investitionen und Vergesellschaftung der größten Konzerne.
    Oder:
    Die Aufhebung des Eigentums ist eine Frage der weiteren Rechtsentwicklung und damit eine Machtfrage.
    Oder:
    Der soziale Kampf bleibt politischer Kampf, auch wenn er sich juristischer Mittel bedient. Oder:
    Schon am Anfang der 50er Jahre setzten sich Unternehmer und politische Reaktion durch. Dies blieb nicht ohne Folge für das politische Verfassungsverständnis. Heute stehen wir vor der Gefahr, daß eigentumsbestimmte Herrschaftspositionen rechtlich abgesichert werden. Das Grundgesetz steht in Gefahr, zum Unternehmerstatut zu werden.
    Und wie ähnliche Erzeugnisse eines verwirrten, wenn auch akademisch gebildeten Geistes lauten.
    Man kann die deutsche Nachkriegspolitik in drei Phasen einteilen. Das eine war die pragmatische Phase der Jahre 1948 — Beginn der Währungsreform — und 1949 — erste Bundesregierung —, reichend bis in die zweite Hälfte der 60er Jahre. Diese pragmatische Phase bedeutete Wiederaufbau und Neubau zugleich.
    Schon innerhalb der ersten sechs Jahre wurden 6 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen, wurden 6 Millionen Vertriebene und Flüchtlinge eingegliedert — später noch mehr —, wurde die Arbeitslosigkeit als Folge von Krieg und Vertreibung, als Folge der Zerstörung in unserem Lande von 11 % und mehr auf praktisch Null gesenkt
    Davon profitierten auch die Staatsfinanzen. Es war möglich, den Lastenausgleich durchzuführen, die Auslandsverschuldung abzubauen, die Wiedergutmachung, die ja wesentlich höhere Beträge erforderte, als jemals auch nur erahnt werden konnte,
    abzuwickeln die Überwindung der Wohnungsnot durch den sozialen Wohnungsbau herbeizuführen, die Kriegsopferversorgung zu regeln usw.
    Eine solide soziale Sicherung konnte geschaffen und ausgebaut werden, so die Dynamisierung der Rentenversicherung 1957, die ich als die sinnvolle Ergänzung der großen Reform, genannt Soziale Marktwirtschaft, deuten würde. Es konnte der Generationenvertrag der dynamischen Altersrente geschaffen werden, der aber auf einer expandierenden, im Wachstum befindlicher, mit Vollbeschäftigung laufenden und modern arbeitenden Wirtschaft aufgebaut ist. Ansonsten ist die dynamische Altersrente einfach nicht aufrechtzuerhalten; da mögen Sie Pläne vorlegen, wie Sie wollen. Sie werden immer wieder nach Ablauf von spätestens vier, fünf Jahren zugeben müssen, daß Sie sich geirrt haben. Aber dann ist der nächste Wahltermin vorbei, und dann fällt Ihnen etwas Neues ein, um wieder neue Termine zu setzen.
    Diese pragmatische Phase der deutschen Nachkriegspolitik war gekennzeichnet durch Vernunft und Augenmaß, durch sozialen Frieden, durch die Förderung und Ermunterung der freiheitlichen Kräfte in unserer Wirtschaft. Sie war außenpolitisch begleitet durch die Einbindung in das westliche Bündnis, durch die Schaffung und den Ausbau einer europäischen Gemeinschaft. Sie dauerte, wie gesagt, knappe 20 Jahre.
    Diese Phase wurde abgelöst durch eine visionäre Phase. Die darauf folgende visionäre Phase — seherische Phase sozialistischer Träume —, gekennzeichnet durch immer neue Heilspläne und schärfer werdende Verteilungskämpfe, ging schon nach viereinhalb Jahren zu Ende. Sie fiel zeitlich zusammen mit der Regierung Brandt. Das war die Zeit, in der von mehr Gerechtigkeit, mehr Menschlichkeit, mehr Glückseligkeit, mehr Gleichheit gesprochen wurde, in der höhere Lebensqualität verkündet worden ist, in der man sagte, man müsse jetzt „das Unternehmen Demokratie wagen„, jetzt beginne eigentlich erst die Demokratie, mehr Information, weniger Geheimniskrämerei usw., wie alle diese — ich muß es leider so ausdrücken — Sprüche gelautet haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD)

    — Ich bin dankbar, Herr Kollege, daß Sie mich hier zu langsamerem Reden auffordern. Aber ich wollte es deshalb schnell sagen, weil ich Verständnis dafür habe, daß Sie es nicht mehr hören wollen; ich auch nicht

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Denn es hängt Ihnen mit der Zeit genauso zum Halse heraus, wie es bei uns schon von Anfang an der Fall war.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Am Ende steht seit 1974 eine hohe Dauerarbeitslosigkeit. Sie wird auch für die Finanzen unseres Staates immer teurer. 1 Million Arbeitslose kosten Jahr für Jahr rund 20 Milliarden DM: 10 Milliarden DM für Unterstützungen, 10 Milliarden DM an Ausfällen an Steuern und Beiträgen. Es gibt überhaupt



    Strauß
    keine Lösung des Rentenproblems, wenn es nicht gelingt, den größten Teil dieser Millionen von Unterstützungsempfängern umzuwandeln in Steuer-
    und Beitragszahler. Das ist die Hauptvoraussetzung.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Seit 1969 sind 1,3 Millionen Arbeitsplätze verlorengegangen. Insgesamt fehlen uns sogar 2 Millionen Arbeitsplätze, wenn man das Niveau von 1969, das allerdings eine Überhitzung des Arbeitsmarktes bedeutete, zugrunde legen würde.
    Mit dem Wandel von Brandt zu Schmidt kam der Wandel von der Vision zur Labilität, die labile Phase.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Denn seit dem Rücktritt des gescheiterten ersten Bundeskanzlers des Bündnisses von SPD und FDP leben wir in einer labilen Phase, die sich erstaunlich lange hinzieht. Eine Orientierung an wirklichen festen Werten — wenn auch nur an vermeintlichen Werten — ist nicht mehr zu erkennen. Lediglich die Orientierung an einem Wert ist zu erkennen: für die Regierenden um jeden Preis die Macht zu erhalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das ist so ein „Helmut-Schmidt-Rettungsring e. V. auf Gegenseitigkeit".

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Politik ständiger Gleichgewichtsstörungen ist gerade das Gegenteil einer stabilen Politik. Es regiert ein Kanzler, der sich mit seiner Vorstellungswelt immer weiter von der Basis seiner Partei entfernt, von der er gewählt wurde und die von ihm abhängt, oder umgekehrt: von dem sich seine Partei in ihrer Mehrheit immer weiter entfernt, was auf das gleiche hinauskommt. Seine Regierung ist — so ein nicht gerade mit der CDU verbündeter Soziologe, Professor Scheuch — zunehmend nur noch damit beschäftigt, Krisen eigener Produktion zu meistern: Beschäftigungskrise, Abgabenbelastungskrise, Finanzkrise des Staates, Rentenkrise, Wachstumskrise, innere Krisen als Folge der Investitionsschwäche.
    Als großen Erfolg feiert man dann, wenn ein Teil dessen, was in der pragmatischen Phase auf die Dauer gesichert erschien, mit viel Aufwand gehalten werden kann. Das gilt heute schon als ein großer Erfolg. Darüber können und dürfen auch spektakuläre Treffen mit führenden Staatsmännern nicht hinwegtäuschen, die als Super-Shows inszeniert werden. Mögen die Erklärungen noch so banal, die Ergebnisse noch so belanglos sein, eines ist sicher: daß das Programm in der nächsten Konferenz gleicher Art wiederkehren wird, mit denselben Erklärungen am Anfang und mit denselben Zusagen während des Verlaufes und mit derselben Verlautbarung am Ende. Und das ist das konservative Element dieser Regierung.

    (Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Das ist nun einmal eine Politik, der man zehn schwere Fehler auf dem Gebiet der Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik vorhalten muß. Einmal ist
    da der gerade vom Bundeskanzler immer wieder verkündete Zweckoptimismus, der in einem schreienden Gegensatz zur Wirklichkeit steht. Wenn man diese Kluft dann nicht mehr, auch beim besten Willen unter Ausnutzung des ganzen Vertrauensspielraums nicht mehr verheimlichen kann, dann tritt der Herr Bundeskanzler vor das Fernsehen, wie weiland bei der Verleihung des Theodor-Heuss-Preises, wo er eigentlich etwas außerhalb der Tagesordnung zu unserer aller Überraschung erklärte, er sein kein Betrüger, was wir ihm eigentlich gar nicht so vorgeworfen hatten. Er meinte aber, er sei deshalb kein Betrüger, weil er zwar während des. Wahlkampfes
    — siehe damals diese große Vier-Stunden-Sendung
    — die Unwahrheit über die Rentenlage und -entwicklung gesagt habe, aber zum Betrug der Vorsatz und zum Vorsatz das Wissen gehöre. Da er aber das Wissen nicht gehabt habe, habe der Vorsatz gefehlt, und weil der Vorsatz gefehlt habe, könne die Tat nicht begangen worden sein.

    (Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Dieser Zweckoptimismus wurde z. B. in der Regierungserklärung am 30. Juni 1976 im Bundestag verkündet. Damals sagte Helmut Schmidt:
    Ich stelle mit Genugtuung fest, daß nach allgemeiner Überzeugung in Puerto Rico die Rezession in den führenden Industrieländern nunmehr überwunden ist.
    Die zweite Sünde sind Versprechen und Täuschungen. Immer neue und dann doch nicht gehaltene Versprechungen führten zu einer Inflation der Ansprüche, der die Inflation des Geldwertes und die Zerrüttung der Staatsfinanzen folgten. Der engste Berater des damaligen Bundeskanzlers in der visionären Phase, der letzte stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Horst Ehmke, kündigte für jeden Tag eine neue Reform an.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Willy Brandt propagierte in der Debatte über seine erste Regierungserklärung als Leitsatz seiner Politik: Keine Angst vor Experimenten! Wir hören heute von seinem Nachfolger: Um Gottes willen, ja keine Experimente! Aber die folgende Experimentierpolitik ließ leichtfertig simpelste wirtschaftspolitische Erkenntnisse, jede Solidität in der Finanzpolitik, jede Rücksichtnahme auf die Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft und auch jede Rücksichtnahme auf die folgende Generation — wenn ich an die Verschuldung denke — außer acht. Diese Entwicklung hat doch bereits Anfang der 70er Jahre zum Rücktritt von zwei Finanzministern, nämlich von Finanzminister Alex Möller und von Finanz-
    und Wirtschaftsminister Karl Schiller, geführt. Herr Möller hat ja einen Brief geschrieben, der als Geheimsache behandelt worden ist, und er hat doch erklärt, er habe mit seinem Rücktritt ein großes Unheil verhindert, weil er ein Zeichen gesetzt habe.
    Karl Schiller schrieb einen Rücktrittsbrief; der kam auf dem Wege der bekannten Veröffentlichungsmöglichkeiten der Bundesregierung in eine
    ' Illustrierte, diesmal allerdings nicht nach dem Willen der Machthaber, sondern dieser Brief wurde so als Geheimsache behandelt, daß gleich die Redak-



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    tionsräume wegen dieses Rücktrittsbriefs eines Ministers untersucht worden sind, worauf Staatsanwaltschaften in einer Reihe von großen Städten der Bundesrepublik tätig geworden sind, um den schrecklichen Ursprung dieses Abgrunds an Landesverrat zu erforschen.
    Höhepunkt dieser unerfreulichen Entwicklung sind aber die schweren Verfassungsverstöße bei der Verfügung über Milliardenbeträge; doch über dieses Thema haben wir uns hier schon einmal unterhalten.
    Zu den leichtfertigsten Versprechungen gehören die wiederholten Vollbeschäftigungsgarantien des Kanzlers Brandt und seines Finanzministers Helmut Schmidt. In der Zeit der Überbeschäftigung Vollbeschäftigungsgarantien zu geben und daraus dann noch konkrete, politische, insbesondere wirtschafts-
    und finanzpolitische Schlußfolgerungen abzuleiten war ein Meisterstückchen besonderer Art. Damit nahm der Staat den Tarifpartnern das Arbeitsplatzrisiko ab; eine Million Dauerarbeitslose seit 1974/75 sind die Folge.
    Auch wenn eine Zäsur zwischen dem Finanzminister und dem Bundeskanzler liegt, wissen Sie, Herr Schmidt, doch sicher auch noch, daß Sie damals, am 22. September 1972, gesagt haben:
    Das heißt, daß unsere gestrigen Rentenbeschlüsse, besonders die flexible Altersgrenze, in Zukunft nur dann finanziert sein werden, wenn Sozialdemokraten bis 1985 für kontinuierliche Vollbeschäftigung in unserem Lande sorgen.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Nur dann sind sie finanziert. Aber sie werden
    finanziert sein, denn wir werden dafür sorgen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Genauso war es!)

    In einer mit Ihrem Bild veröffentlichten Anzeige hieß es:
    Die CDU ist bereit, eine Arbeitslosenquote von 2 % in Kauf zu nehmen.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Jeder Deutsche soll wissen, was das bedeuten würde: eine halbe Million Arbeitslose,

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Jeder Deutsche soll es wissen, Herr Schmidt!)

    Existenzangst, Radikalismus. Dazu darf es nicht kommen. Sorgen Sie dafür, daß Sozialdemokraten weiter regieren, dann bleiben die Arbeitsplätze sicher.

    (Zurufe von der CDU/CSU) Kommentar überflüssig!

    Die dritte Sünde, die hier zu erwähnen wäre, sind maßlose Fehlplanungen, Fehlplanungen, die 'nicht nur auf Bundesebene begangen werden, aber die auf Bundesebene initiiert, nach unten, in die Länder und die Gemeinden hinein ausstrahlen. Heute erweist es sich doch einfach als Unfug, wenn man eine Bildungspolitik propagiert, nach der jeder zweite Schüler Abitur haben und jeder zweite Abiturient ein Hochschulstudium abschließen soll. Was
    machen denn diese Abiturienten, die vor den verschlossenen Toren der Hochschulen stehen, was machen die Hochschulabsolventen, die vor den verschlossenen Toren der Berufswelt stehen?
    Herr Kollege Brandt, ich habe nicht vergessen, daß Sie damals zu mir gesagt haben: „In der Zeit, in der Sie regierten, konnte ein Arbeitersohn nur Schlosser werden." — Erstens stimmt es nicht, aber das ist man bei Ihnen ja sowieso gewohnt, und zweitens: Was heißt denn „nur Schlosser"?

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Bravo! Typisch für die Sozialisten: „nur Schlosser"! Das ist die deutsche Arbeiterpartei! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU und Gegenrufe von der SPD)

    Die vierte Sünde, die hier zu erwähnen wäre, ist eine Entwicklung, die man mit den Worten „immer mehr Staat" beschreiben kann. Die öffentlichen Ausgaben sind seit 1970 schneller gestiegen als die Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft. Der Staatsanteil ist in diesen neun Jahren von 37 auf 48 % gestiegen. Fast jede zweite D-Mark, die bei uns verdient wird, läuft über öffentliche Kassen. Trotzdem — oder vielleicht gerade deswegen — sind wachsende Finanzierungsdefizite die Folge. Die Ausgabenpolitik der Bundesregierung ist zu einem Dauerkrisenmanagement ausgeartet. Neuerdings werden auch Transferleistungen wie Gehälter und Sozialleistungen jedenfalls zum Teil mit Krediten finanziert.
    Alle öffentlichen Ausgabenprogramme können aber die privaten Investitionen nicht ersetzen. 85 °/o der in der Bundesrepublik getätigten Investitionen werden in privaten Unternehmungen vorgenommen.
    Man kann diese Entwicklung, wie sie seit 1969 eingetreten ist, mit ganz wenigen Zahlen geradezu signifikant an die Wand malen. Unser Bruttosozialprodukt ist in der Zeit von 1970 bis 1977 von 679 Milliarden auf 1 193 Milliarden gestiegen, in jeweiligen Preisen ausgedrückt; also ein Zuwachs von 75,7 %.
    Das Steueraufkommen ist von 154,1 Milliarden auf 299 Milliarden gestiegen; ein Zuwachs von 94,3 %. Die Lohnsteuer ist von 35,1 auf 90,8 gestiegen, obwohl in einem Jahr ein Stillstand wegen der von uns erzwungenen, dem Zeitpunkt nach vorgezogenen Steuerermäßigungen war. Die Lohnsteuer ist um 158,7 % in diesem Zeitraum gestiegen, die veranlagte Einkommensteuer um 121,9 %, nämlich von 16,0 auf 35,3. Die Körperschaftsteuer von 8,7 auf 16,8 um 93 %. Die Gewerbeertragsteuer von 9,0 auf 19,3 Milliarden, das sind 114,4 %.
    Gleichzeitig ist folgendes gestiegen. Bei einem Anstieg des Sozialprodukts um 75,7 % sind die Ausgaben der Gebietskörperschaften um 96 % und deren Verschuldung um 156 % angestiegen, die Einnahmen des Staates einschließlich Sozialversicherung um 103 %, die Ausgaben um 121 %.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Ich möchte keine weiteren Zahlen nennen. Aber diese Zahlen zeigen in ihrer ganz nüchternen Spra-



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    die, wie hier eine Fehlentwicklung, systematisch eingeleitet oder aus Blindheit im frommen Reformeifer verschuldet, dann von Jahr zu Jahr fortwälzend neue Übel hervorgerufen hat. Die Politik der Bundesregierung orientiert sich ja nur an vordergründigen Umverteilungszielen, statt Leistungsanreize in ausreichendem Maße. zu setzen. Das Spiegelbild dieser Entwicklung stellt die Struktur der öffentlichen Ausgaben dar. Wir hatten im Jahr 1970 einen Staatsverbrauch von 108,1 Milliarden, im Jahr 1937 einen Staatsverbrauch von 241,8 Milliarden. Das heißt, der Staatsverbrauch hat um 123,7 % zugenommen, während das Bruttosozialprodukt, wie vorhin erwähnt, um 75 0/o zugenommen hat. Die Transferleistungen haben im gleichen Zeitraum von 112,2 auf 263,8 Milliarden zugenommen, also um 135 0/o, die Zinsen von 6,6 Milliarden auf 21,2 Milliarden; das sind 221 % Zuwachs. Die Bruttoinvestitionen haben sich von 30,9 Milliarden auf 39,9 Milliarden entwickelt, d. h., sie haben nur um 29 % zugenommen. Erhöht haben sich der Staatsverbrauch um 123, Transfer um 135, Zinsen um 221 und Bruttoinvestitionen um 29 Milliarden.
    Allein diese Zahlen zeigen eben die Fehlentwicklung. Hier, Herr Bundesfinanzminister, hätten wir erwartet, daß Sie, der Sie doch die ganze Materie von Anfang an miterlebt und mitgestaltet haben, uns hierzu etwas gesagt hätten. Es genügt doch nicht, einfach einen Haushalt vorzulegen, so wie man das Küchenbuch einer Familie vorlegt und dann darunter schreibt „Es langt nicht". Sondern das sind doch die eigentlichen Probleme, um die es bei der Finanzpolitik, um die es bei der Haushaltspolitik,
    I um die es bei dieser Grundsatzdebatte nun einmal geht.

    (Rawe [CDU/CSU] : Er liest Zeitung, der Finanzminister!)

    — Vielleicht hilft ihm das, die Probleme zu erkennen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es zeigt sich, daß seit 1970 die Umverteilung immer mehr zum Staatszweck geworden ist. Von 1970 bis 1977 haben sich die vom Staat geleisteten Übertragungen mehr als verdoppelt. Aber noch höher hat sich die Zinszahlung entwickelt: sie hat sich verdreifacht, beim Bund sogar mehr als vervierfacht. Von 1973 bis 1977 sind die Personalaufwendungen aller Gebietskörperschaften siebenmal so schnell gestiegen wie die Investitionsausgaben, deren Anteil am öffentlichen Gesamthaushalt von 15 auf 11 % zurückgefallen ist. Im Jahr 1977 gingen 78 % der gesamten staatlichen Transferzahlungen an die privaten Haushalte. Das waren im Durchschnitt etwa 8 500 DM je Haushalt. Rund ein Fünftel des verfügbaren Einkommens der privaten Haushalte wird damit nicht mehr am Markt mit Leistung erzielt, sondern als Transfereinkommen über den Staat zugeteilt. Von großem Interesse wäre eine Statistik — auch wenn sie noch nicht vorliegt —, die ausweist, wie viele von denen, die Transfereinkommen erhalten, vorher diese spätere Transferleistung durch ihre Steuern und Abgaben finanziert haben. Wenn man hier eine Bilanz, einen Saldo ziehen könnte, ergäbe sich ein höchst interessantes Bild.
    Der in den letzten Jahren beschleunigte Trend zum Gefälligkeitsstaat, zum Wohlfahrtsstaat mußte auf Kosten der Investitionen gehen. Das dynamische Element der Volkswirtschaft wurde damit gedämpft. Wohltaten, wie man manchmal soziale Leistungen bezeichnet, können manchmal auch zur Plage werden, nämlich dann, wenn sie zu einer rückläufigen Beschäftigung führen.
    Ich darf als sechste Sünde die Steuerpolitik als Mittel der Gleichmacherei und als Torso nennen. Die Steuerdiskussion der gegenwärtigen Bundesregierung dreht sich seit Jahren nicht mehr darum, was sachlich vernünftig und richtig ist, sondern darum, ob die Verteilungswirkung wünschenswert ist. Daran orientiert sich die Steuerpolitik nunmehr seit einer Reihe von Jahren. Die Bundesregierung weiß sicher sehr genau, daß der Satz eines amerikanischen Staatsrechtlers seine Bedeutung hat, der lautet: Die Macht, zu besteuern, bedeutet auch die Macht, zu zerstören. Diese zerstörende Wirkung haben auch weite Teile der Steuer- und Abgabenpolitik im Laufe der letzten Jahre gehabt. Die hohen Konkurszahlen sind ja nicht etwa nur Ausdruck unternehmerischen Versagens, sondern sind auch Ausdruck einer Datenkonstellation, mit der eben ein großer Teil der mittleren und kleineren Betriebe nicht mehr zurechtgekommen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Über dieses Thema ist gestern ja eingehend gesprochen worden. Ich möchte die gestern von meinem Freund Häfele und anderen Rednern der CDU/ CSU gebrachten Argumente nicht wiederholen. Aber ich darf fünf Grundsätze erwähnen, von denen wir ausgehen.
    Erstens: Maßnahmen zur Förderung der Nachfrage nach Investitionsgütern haben den Vorrang vor Maßnahmen zur Förderung der privaten Nachfrage nach Verbrauchsgütern, nicht weil eine Steigerung des Verbrauches nicht erwünscht wäre, sondern weil die Steigerung der Verbrauchsnachfrage erfahrungsgemäß ein Strohfeuer bedeutet, während die Steigerung der Nachfrage nach Investitionsgütern eine langanhaltende Wirkung hat und - das haben alle Konjunkturzyklen bewiesen — mit der Steigerung der Nachfrage nach Investitionsgütern die Belebung der Nachfrage nach Verbrauchsgütern automatisch erfolgt, Hand in Hand geht.
    Das zweite ist die Tarifreform. Sie wissen, was wir darunter verstehen und was wir meinen.
    Das dritte ist die Änderung der Steuerstruktur, u. a. der Abbau der ertragsunabhängigen Steuern wie auch der Lohnsummensteuer, der Gewerbekapitalsteuer.
    Hinzu kommt ein weiterer Grundsatz: daß eine einschlägige Steuersenkung den Vorrang vor noch so gut begründbaren Mehrausgaben hat.
    Schließlich etwas, was wie eine Utopie klingt — aber manches muß als Utopie angepackt werden, damit es überhaupt zum Teil verwirklicht werden kann —: Die Zuwachsraten der öffentlichen Haushalte müssen sich wieder an den Zuwachsraten des realen Bruttosozialproduktes orientieren; sonst wer-



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    den Sie die Verschuldung nie mehr in den Griff bekommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich sage das nicht etwa leichtfertig, d. h., ich stelle keine Forderungen auf, die unerfüllbar sind oder die unzumutbare politische Konsequenzen bedeuten würden. Aber die Tatsachen müssen doch auch in den Raum gestellt werden. Wo ist die Grenze der Schuldenaufnahme? Nach der Meinung eines berühmten deutschen Bankfachmanns, Hermann Josef Abs, endet die Schuldenaufnahme dort, wo die neu aufzunehmenden maximalen Schulden nicht mehr ausreichen, die Zinsen für die bisher aufgenommenen Schulden zahlen zu können. Das ist eine Grenze, die wir etwa um das Jahr 1990 erreicht haben werden.
    Ich weiß, welche Belastungen in dieser Forderung stecken. Aber wenn die öffentlichen Haushalte im Durchschnitt der Jahre — im Durchschnitt der Jahre! — nicht wieder eine Zuwachsrate erhalten, die nicht höher ist als die Zuwachsrate des realen Bruttosozialproduktes, ist das Problem der Verschuldung nicht mehr in den Griff zu kriegen. Alle Bekenntnisse des Haushaltsausschusses, des Bundestages oder alle Deklamationen der Bundesregierung, daß man die Konsolidierung der Schulden nunmehr — jeweils im nächsten Jahr — in Angriff nehmen werde sind — entschuldigen Sie dieses legere Wort — nichts anderes als Larifari, das ist Singen im Walde, um sich die Angst zu vertreiben, das sind fromme Vorsätze, hinter denen nichts, aber auch gar nichts an Wirklichkeit oder an Erfüllungsabsicht steht. Das sind die Probleme, die auf jede Regierung zukommen werden, sie mag gestellt werden von wem auch immer.
    Wir brauchen bei uns — und das betrifft die siebte Sünde — wieder mehr Willen zur Selbständigkeit, mehr Mut zur Eigeninitiative, mehr Bereitschaft zur Eigenverantwortung. Die Politik der Bundesregierung hat diese schönen Eigenschaften empfindlich geschwächt. Die Gründe sind einmal Mangel an Kapital, steigende Steuerlast, steigende Abgabenlast einschließlich der hohen Lohnnebenkosten, bürokratische Reglementierungen auf allen Gebieten, erdrückende Fülle an immer komplizierter werdenden Vorschriften, Schrumpfung der Gewinne, Überalterung der Bevölkerung, politische Zukunftsangst, Zerfall des Vertrauens in die Qualität und Solidität der politischen Führung, deren Zusagen gegenüber der Wirklichkeit nicht standhalten, Belastung, ja, Verprügelung der Selbständigen durch klassenkämpferische Diskussionen mit Reizwörtern der Schimpfsprache.
    Darf ich mich bei der Gelegenheit teilnahmsvoll erkundigen, Herr Bundeskanzler, ob Sie jetzt in der Lage sind, Ihre eigene Stromrechnung, Ihre Gas-
    und Wasserrechnung zu lesen, welche Maßnahmen Sie ergriffen haben, um dieses für alle Bürger interessante politische Ziel zu erreichen?

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Darf ich Sie einmal fragen, ob Sie einmal das umfängliche Gesetz- und Verordnungsblatt allein des Bundes im Jahre 1977 durchgesehen haben? Wenn Sie das getan haben, wenn Sie die Fülle der Gesetze
    und Verordnungen auch nur den Überschriften nach gelesen haben, gelegentlich den Texten Kostproben entnommen haben, dann werden Sie bemerken, daß Sie auf diesem Gebiet eigentlich gar nichts mitzureden haben. Was Sie hier sagen, steht in schreiendem Gegensatz zu dem, was in Ihrer Regierung unter Ihrer Aufsicht und Ihrer oberhirtlichen Stabführung in Wirklichkeit geschieht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, die achte Sünde ist Klassenkampf statt sozialer Marktwirtschaft, schon durch meine letzten Bemerkungen angedeutet. Das gesellschaftspolitische Klima ist völlig sinnlos und überflüssigerweise verschlechtert worden durch Verteufelung der Gewinne als wucherische Profite, Verteufelung der Unternehmerschaft schlechthin, „Aktion gelber Punkt", durchgeführt vom damaligen Bundesgeschäftsführer der SPD und heutigen hessischen Ministerpräsidenten Börner, beschlossen vom SPD-Bundesvorstand, Stellvertretender Vorsitzender Helmut Schmidt, „Helfershelferhandbuch", Initiator ebenfalls Börner. „Alle Sünden rächen sich auf Erden" ist noch die harmloseste Fassung. Wenn ich heute erlebe, wie Herr Börner in feierlicher Kleidung, durchaus auf Kapitalisten-Look getrimmt,

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    in Hessen bei allen feierlichen Anlässen, nicht zuletzt bei Unternehmern in Erscheinung tritt, begütigende Worte zu ihnen spricht, ihnen versichert, daß er sie vor den bösen Jusos beschützen werde, ihnen testiert, welch großartige Leistungen sie im Aufbau vollzogen hätten, ja, sogar sagt, daß ihre Funktion unentbehrlich sei, dann muß ich sagen, in der SPD gibt es tatsächlich Wunder. Da gibt es nämlich nicht nur Gehirnverpflanzungen, da gibt es auch Seelenverpflanzungen; denn das ist der Börner, der damals die Aktionen „Gelber Punkt" und „Helfershelferhandbuch" als Chefagitator durchgeführt hat. Sie wissen doch noch: Verteufelung aller Unternehmer als Preistreiber, als Wucherer, als Ausbeuter, als Betrüger.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Bei der Aktion „Helfershelferhandbuch" wurden alle, die es wagten, eine andere Meinung zu haben als die jeweiligen Serenissimi da droben und ihre Einpeitscher da unten, gleich als Betreiber eines unsittlichen Gewerbes, als unsittliche und unlautere Elemente, als Staatsfeinde und Volksschädlinge angeprangert. Wie gesagt, der Weg vom Chefagitator — — Ich möchte wissen, was Herr Bahr in Zukunft einmal machen wird.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Der wird dann wahrscheinlich Generalsekretär der NATO werden.

    (Erneute Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich darf fortfahren: Die Erprobung der Belastungsfähigkeit der Wirtschaft durch Abgaben, Löhne, Lohnnebenkosten, zunehmende Reglementierungen, Verbreitung von Klassenkampfparolen, Untergra-



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    bung jeglicher Autorität bis hin zum Elternhaus sogar in Schulbüchern, die Verseuchung der Jugend durch Konflikttheorie und Ausbeutungshetze. In diesem Hause sind schon mehrfach Kostproben dieser Art geboten worden.
    Ich darf wiederum Herrn Börner zitieren. Er hat vor kurzem verkündet, daß man endlich die parteipolitische Auseinandersetzung aus den Schulen heraushalte• solle. Die Politik habe in den Schulen nichts verloren. In den Schulen müsse Erziehung, Bildung und Wissen vermittelt werden. Die Schulen dürften auf keinen Fall zum Austragungsort politischer Konflikte gemacht werden. Ja, wer hat denn das in Hessen gemacht?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Weil wir das in Bayern nicht mitgemacht haben, Herr Brandt, darum meinen Sie, bei uns herrschten vordemokratische Zustände.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir bleiben aber lieber bei diesen von Ihnen so bezeichneten vordemokratischen Zuständen, als Schulpolitik à la Hessen und Nordrhein-Westfalen mit dem Aufstand der Eltern und mit einem Volksbegehren zu betreiben, das die Regierung in Düsseldorf gezwungen hat, ihr Gesetz schleunigst wieder zurückzuziehen.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn sich allerdings Mitglieder des Kabinetts immer skeptischer äußern, wenn sie immer stärkere Zweifel an der Möglichkeit äußern, die Wirtschaftsprobleme in der Bundesrepublik mit marktwirtschaftlichen Instrumenten zu lösen, dann möchte ich einmal wissen: wie sollen denn dann diese Proleme gelöst werden? Ich kann dazu nur eines sagen: Wenn man die Marktwirtschaft wieder arbeiten läßt, wenn man sie wieder funktionsfähig macht, dann ist sie auch in der Lage, mit den relativ kleinen Problemen — gemessen an denen, die wir 1948/49 hatten — fertig zu werden. Man darf aber die Marktwirtschaft nicht so behandeln wie ein Rennstallbesitzer, der einem Pferd die Vorderbeine zusammenbindet, es dann auf die Rennbahn treibt und prügelt, wenn es nicht den ersten Platz belegt. Genauso behandeln Sie doch die Marktwirtschaft.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Lassen Sie sie wieder funktionsfähig werden, und dann wird sie auch die Probleme lösen können.
    Damit geht natürlich Hand in Hand die dauernde Suche nach Sündenböcken. Sündenböcke waren abwechselnd einzelne Berufsstände, zum Schluß die Unternehmen in ihrer Gesamther. Sündenbock ist natürlich die Opposition, die nach Meinung des Herrn Brandt schon im Jahre 1970 durch ihre Äußerungen zur Lohnpolitik einen Generalstreik provozieren wollte, ein Unternehmen, das etwas blamabel zu Ende ging, weil der Wunschzeuge Wischnewski nicht hinhielt, weshalb der Bundeskanzler zurückziehen mußte. Der eine stand nicht hin, der andere zog sich zurück; aber das ist man ja bei diesem „Unternehmen" gewohnt. Dann wird natürlich dem Ausland der Schwarze Peter zugeschoben,
    die Weltwirtschaft sei schuld. Das ist das Lieblingssteckenpferd des Herrn Bundeskanzlers, das er immer rundum reitet, weil er nicht vom Fleck kommt.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Aber das Ganze muß als Entschuldigung für das Versagen der Bundesregierung herhalten.
    Der Anteil der deutschen Exporte am Welthandelsvolumen betrug 1977 10,5 % Die Bundesrepublik hat damit die USA erstmalig aus der Position des größten Exporteurs der Welt verdrängt. Das heißt nicht, daß unsere Exportwirtschaft sorgenfrei ist; denn wegen der mangelnden Nachfrage im Inland drängt die Wirtschaft, um die Arbeitsplätze zu erhalten, auf den Export und verkauft auch dann, wenn durch hohe Kosten und durch Währungsentwicklungen auf den Exportmärkten nurmehr niedrige, zum Teil überhaupt keine Gewinne mehr — mit gewissen Ausnahmen natürlich — zu erzielen sind. Bloß, eines kann man nicht behaupten, wenn wir an der Spitze des Exports unter sämtlichen Industrienationen der Welt — einschließlich der USA, Japans, Englands, Frankreichs, Italiens usw. — stehen, nämlich daß der Export, daß die weltwirtschaftliche Nachfrageschwäche an den hausgemachten, an den hausgestrickten Problemen schuld seien.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das zehnte, das ich hier erwähnen möchte, ist das kurzfristige Wursteln in den Tag hinein statt der Zukunftssicherung. Alle Probleme unserer Zeit, Arbeitslosigkeit, Unterbeschäftigung, Bildungskrise, Finanzkrise von Staat und Sozialversicherung, verlangsamtes Wirtschaftswachstum, Bevölkerungsrückgang, Zerfall der Familie, werden, wenn überhaupt, nur mit kurzatmigen Lösungen angegangen. Eine Analyse dieser Probleme hinsichtlich ihrer Ursachen, ihres Standes, ihrer Entwicklungsmöglichkeiten, der Chancen, der Gefahren, der Risiken, der Lösungsmöglichkeiten, hören wir doch nie, und genau das müßte von einer Regierung, die ausgezogen ist, höhere Lebensqualität auf die Dauer zu bringen, schon sozusagen als Voraussetzung überhaupt bewältigt werden.
    Ein Beispiel. Um die Renten ist es nach drei Sanierungsprogrammen seit 1976 zwar zunächst immer stiller geworden, aber alle Rechnungen beziehen sich nur auf vier oder fünf Jahre. Für die Mehrzahl der Bürger, die nicht Anwärter auf eine Versorgung als Beamte oder Berufspolitiker sind, die kein großes Sachvermögen besitzen, ist die Regelung der Renten eine der Grundlagen, nach denen sie ihr Leben langfristig einrichten. Man kann sagen: der Verbraucher weicht aus, wenn das Benzin teurer wird; er versucht dann, weniger Auto zu fahren, benzinsparendere Autos zu betreiben, wie Scheuch geschrieben hat. Aber einem kann er nicht ausweichen: er möchte im Laufe seines Arbeitslebens, vor allen Dingen der letzten zehn Jahre seines Arbeitslebens, wissen, mit welchem Einkommen er rechnen kann, soweit es sich aus den von ihm gezahlten Beiträgen ableitet. •

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)




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    Hier ist die Zusicherung, daß ab 1982 die bruttolohnbezogene Rentenformel wieder eingeführt wird, nichts anderes als Täuschung der Öffentlichkeit.,

    (Beifall bei der CDU/CSU — Franke [CDU/ CSU] : Herr Schmidt [Kempten] sagt, das fände sowieso nicht statt!)

    Ich wage es schon fast nicht mehr zu wiederholen, weil es allmählich gegen das Tierschutzgesetz oder gegen das Gesetz der Nächstenliebe verstößt, aber: Wenn Herr Schmidt wenige Tage vor den Bundestagswahlen sagte, die Anhebung um 10 % werde mit Sicherheit kommen, die Beiträge würden nicht erhöht, die Renten seien sicher, die Bruttolohnbezogenheit der Renten bleibe, die regelmäßige Anpassung bleibe, so ist ihm zu entgegnen: Niemand von uns hat gesagt, daß die Renten abgeschafft werden. Aber wir haben bezweifelt — mit Recht bezweifelt —, daß das von uns 1957 eingeführte Rentensystem, auf das sich die Arbeitnehmer felsenfest — auch mit Recht — verlassen haben, erhalten bleibt. Und das bleibt nicht erhalten, das kann auch nicht wiederhergestellt werden, wenn nicht die Mindestvoraussetzung — funktionierende Marktwirtschaft mit Vollbeschäftigung, hohen Investitionszuwachsraten und ausreichenden wirtschaftlichen Wachstumsraten — wiederhergestellt wird.
    Hier stehen Sie mit Ihrer. Politik Ihren eigenen Versprechungen im Wege. Wir bräuchten ja nur abzuwarten, bis wir Ihnen nachweisen werden, daß es 1982 wieder nicht stimmt. Aber warum 1982? 1980 sind die Wahlen. Über 1980 kommt man hinweg, reitet man hinweg, und dann denkt man: Bis 1982 kommt schon wieder irgend etwas, was uns eine neue Ausrede ermöglicht, mit der wir der Öffentlichkeit dann sagen können, warum sich die Einhaltung der damaligen Zusage eben leider als unrealisierbar erwiesen hat. Diese Methode, Herr Bundeskanzler, ist mehr als einzelne Fehler geeignet, das Vertrauen der Bürger in die Solidität der Politik, in die Zuverlässigkeit der parlamentarischen Demokratie und in die Ehrlichkeit des Staates zu untergraben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich darf mich noch kurz mit einem Punkt befassen, der in der Debatte sicher noch eine Rolle spielen wird, nämlich mit dem Thema: Schulden über Schulden. Ich habe vorhin schon von dem Problem der Konsolidierung gesprochen. Ich habe vorhin schon gesagt, welche Voraussetzung erfüllt werden muß, nämlich die, die Zuwachsrate der öffentlichen Haushalte auf die Zuwachsrate des realen Bruttosozialprodukts zu begrenzen, wenn das Problem der Verschuldung überhaupt unter Kontrolle gebracht werden soll. Mit 35,5 Milliarden DM soll der Schuldenzuwachs im nächsten Jahr einen traurigen Nachkriegsrekord erreichen. Ich weiß, was Sie sagen werden. Sie werden sagen: Sie wollen ja noch mehr Steuersenkungen, also müßte dann die Schuldenaufnahme noch höher werden. Das ist nicht das Thema.

    (Lachen bei der SPD)

    Sie müssen vielmehr einmal in einer längerfristigen Betrachtung darangehen, die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft, die Leistungsfähigkeit unserer öffentlichen Hand, des Staates und der parafiskalischen Körperschaften, zu untersuchen. Dann werden Sie endlich dazu kommen, das zuzugeben, was Sie ja in der Praxis schon lange betreiben: daß nämlich der Sozial- und Bildungsstaat seine Grenzen erreicht und teilweise überschritten hat. Haben Sie denn nicht schon eine Reihe sozialer Leistungen zurückgenommen?

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : So ist es!)

    Haben Sie denn nicht vorher viele Selbständige in die Rentenversicherung hineingelockt, um ihnen nachträglich zu sagen, daß die Gründe, weshalb sie eintreten sollten, nicht mehr gelten, weil man verschiedene Leistungen, da nicht finanzierbar, wieder zurückgenommen hat, und so weiter? Das sind doch die Gründe, warum es zu dieser Atmosphäre des Mißtrauens, der Unsicherheit und der Ungewißheit kommt, weshalb man dem Staate nicht mehr glaubt.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Schuldenberg ist mittlerweile der höchste Berg Deutschlands geworden. Allein der Schuldenzuwachs des Jahres 1979 von 35,5 Milliarden DM — das habe ich mir gestern ausgerechnet — würde, wenn man — ich rede jetzt nicht von 100-Mark-Scheinen, sondern ich rede von 1 000-Mark-Scheinen; ich habe hier früher einmal davon gesprochen, daß dann, wenn man das in Fünf-Mark-Stücken beförderte, sogar die Bundesbahn noch gesundete,

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    wenn sie diesen Transportauftrag bekäme — 1 000Mark-Scheine aufeinanderlegte, einen Berg von 3 550 Meter oder, wenn man 100-Mark-Scheine nähme, einen Berg von 35 Kilometer Höhe ergeben. Das ist eine Höhe, in der sich heute nur mehr Weltraumschiffe bewegen; in dieser Höhe können nicht einmal Flugzeuge fliegen. Dieser Berg übertrifft den höchsten deutschen Berg, die Zugspitze, erheblich, nämlich um das Vierfache der Höhe des Kölner Doms. Das reine Papiergewicht dieser Geldmenge beläuft sich auf 2 800 000 Kilogramm oder 2 800 Tonnen. Stellen Sie sich einmal vor, in 100-MarkScheinen wären das 28 000 Tonnen!

    (Westphal [SPD] : Vom bargeldlosen Zahlungsverkehr haben Sie wohl noch nichts gehört!)

    Nur für den Anteil des Bundes, ohne Länder, ohne Gemeinden, ohne Bahn, ohne Post, allein in 1 000Mark-Scheinen befördert, würde man 186 Waggons je 15 Tonnen brauchen. Das sind mehr als drei Güterzüge mit der Höchstzahl von 120 Achsen. Bei 100-Mark-Scheinen wären es 120 Güterzüge.

    (Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Lassen Sie mich nach dieser humorvollen und nicht gehässig formulierten Darstellung etwas Ernsteres sagen. Wir haben hier in diesem Hause viele Jahre den Vorwurf gehört, der Bund würde sich zu wenig verschulden. Das war der klassische Vorwurf vor allem gegen den Finanzminister Schäffer und



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    gegen seinen Nachfolger Herrn Etzel. Bei mir war es etwa ausgeglichen, nicht zuletzt deshalb, weil der Kollege von der anderen Fakultät ebenfalls die Verantwortung zu tragen hatte. Heute ist es umgekehrt. Damals haben Sie von der. Sozialdemokratie gefragt: Warum soll die gegenwärtige Generation alles tragen? Auch die nächste Generation soll sich plagen, auch sie soll ihren Teil an den Investitionen abtragen, die wir für sie heute tätigen. Ich habe dieses Argument immer gewürdigt; ich habe es nie als ein leeres, hohles Scheinargument vom Tisch gewischt. Aber Sie haben jetzt umgekehrt, um in der Gegenwart über die Runden zu kommen, um sich von Wahl zu Wahl zu retten, eine Verschuldungspolitik betrieben. Um Ihre haltlosen Versprechungen, Ihre Reformeuphorie scheinbar zu erfüllen, haben Sie Kredite in einer Höhe aufgenommen, daß die kommende Generation diese Kredite in einem Ausmaß abzahlen muß, daß ihr nur die Wahl bleibt: erhebliche Einschränkungen oder eine Reform unseres Geldsystems, was auch wieder Einschränkungen bedeuten würde. Hören Sie endlich auf, die nächste Generation in einem unerträglichen Ausmaß zu belasten!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Was ist zu tun? Ich sage es in Stichworten. Wir brauchen erstens ein Klima des Vertrauens, das dem Leistungsgedanken wieder Resonanz, der unternehmerischen Leistung wieder Respekt verschafft, einen Verzicht auf hektisches Überreagieren mit stop and go, siehe Investitionsstrafsteuer und Investitionszulage, zweitens einen Abbau der leistungshemmenden, investitionsfeindlichen Steuerbelastungen, besonders der ertragsunabhängigen Steuern, drittens eine Lohnpolitik, die sich nach dem Produktivitätszuwachs richtet, viertens einen Verzicht auf staatliche Eingriffe in die Branchenstruktur, fünftens einen Abbau der hohen Schuldenzuwächse des Staates — bereits eingehend behandelt — und sechstens eine Beschränkung des Zuwachses — ich betone: des Zuwachses — an Sozialausgaben und an Sozialabgaben.
    Die Zerstörung der Demokratie durch Gefälligkeitspolitik, die Korrumpierung der Volkswirtschaft durch Inflation, die Überforderung der Arbeitnehmer und der Unternehmer durch überhöhte Belastungen haben bereits zum Verlust von mehr als einer Million Arbeitsplätze geführt. Sie werden weitere Arbeitsplätze vernichten, die soziale Sicherung gefährden und damit die Zukunftschancen der kommenden Generation erheblich beeinträchtigen. Der Kanzler kommt aber aus dem Teufelskreis der von ihm mit geschaffenen Verstrickungen, Verwirrungen und Verwerfungen nicht mehr heraus. Weil er das weiß, flieht er in das Spektakel der großen Welt, flieht er vor der zunehmenden Unregierbarkeit unseres Staates durch die Koalition und die von ihr gestellten Regierungen.
    Ich habe eingangs meiner Ausführungen bedauert, daß wir jedenfalls als Parlament, über den europäischen Währungsverbund überhaupt nichts gehört haben. Es wäre an der Zeit, daß der Bundeskanzler hier den Vorhang einmal etwas lüftet. Ich weiß es nicht, aber vielleicht geht es ihm so, wie Bertolt
    Brecht es einmal beschrieben hat: Der Vorhang auf und alle Fragen offen.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Wir wissen, warum das Bretton-Woods-System der festen Wechselkurse zusammengebrochen ist: wegen der Gefälligkeitsdemokratie, wegen der Überforderung des Sozialproduktes, wegen der sträflichen Vernachlässigung der notwendigen Zahlungsbilanzdisziplin. Wir haben in der Europäischen Gemeinschaft Inflationsraten zwischen 2,5 und 12,5 °/o. Soll aus dem Währungsverbund ein Mittelweg werden? Da kann man nur sagen: Nein; denn wir würden damit niemandem helfen. Wir würden damit nur den Trinkern noch mehr Alkohol geben, aber wir würden keine Sanierung erreichen. Der einzige Weg — an dem kommt man nicht vorbei, Herr Bundeskanzler — ist die Koordinierung und Harmonisierung der Wirtschafts-, Finanz-, Sozial-, Industrie- und Agrarpolitik. Allein mit einem Pool von 100 bis 120 Milliarden DM ist das nicht zu schaffen. Welches sind die Disziplinierungsinstrumente, welches sind die Kreditauflagen? Soll der Fonds ein Selbstbedienungsladen werden? Man hat zwar den Schwur auf mehr Stabilität abgelegt und damit sozusagen Schilder mit der Aufschrift „Rauchen verboten, Waldbrandgefahr" aufgestellt, will aber andererseits einen Stabilisierungsfonds errichten und sagt damit: Weiterrauchen, weil wir eine Feuerwehr haben, nämlich den Stabilisierungsfonds.
    Das sind die Bremer Stadtmusikanten: Unten ist der Esel, dann kommt der Hund, dann die Katze und dann der Hahn. Der Hahn ist ein Wappentier, das für eine bestimmte Nation ein sehr gefälliger Ausdruck ist. Unten steht aber einer, der alles tragen muß.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Der Esel!)

    Mit dem beginnt dann das Konzert der Bremer Stadtmusikanten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber wandlungsfähig, wie der Bundeskanzler ist — wenn er doch entwicklungsfähig wäre! —, ist es doch erstaunlich, was man von ihm im Laufe der letzten Jahre — nicht in früheren Jahren — gelesen hat. Da lautete z. B. in einem Interview in „Neewsweek" eine Frage an ihn: Ist eine europäische Währungsunion ohne engere Zusammenarbeit der getrennten Wirtschaften denkbar? Antwort des damaligen Finanzministers:
    Absolut nicht. Wir benötigen eine solide Funddierung, worauf wir sie bauen könnten, und das erfordert Koordinierung.
    Im Oktober 1973 sagte er im Bundestag:
    Schon gar nicht könnten wir die Schlange durch die Schaffung neuer Kreditmechanismen am Leben halten oder durch eine Poolung von Währungsreserven. Wir würden damit möglicherweise eine gefährliche Inflationsmaschinerie einrichten.
    In der „Zeit" führte er im Mai 1974 aus:
    Wir dürfen die Stabilität unserer Volkswirtschaft und den Wohlstand unserer Bürger und



    Strauß
    ihr Vertrauen in ihre wirtschaftliche Zukunft nicht einer handlungsunfähigen Europäischen Gemeinschaft opfern. Wir dürfen weder unsere Währungsreserven zum Verbrauch an andere . ausgeben noch ihnen zusätzliche Kassenzahlungen in zu Buche schlagender Höhe leisten.
    Am 8. April 1976 sagte er im Bundestag:
    Ich will in diesem Zusammenhang auch sagen, daß die währungs- und stabilitätspolitische Aufgabe des Wechselkursverbundes, der Schlange, unweigerlich beeinträchtigt wird, wenn in diesem Verbund Währungen von Ländern aneinandergebunden sind, deren wirtschaftliche Grunddaten nicht einigermaßen parallel, sondern auseinanderstrebend verlaufen.
    So haben Sie sich früher geäußert.
    Sie haben laut „Financial Times" gesagt:
    Deutschland war bereit und muß auch künftig bereit sein, Risiken auf sich zu nehmen, wenn es der Stabilität in Europa und der Welt wirklich dienen will.
    Ich will dem letzteren Satz gar nicht widersprechen. Aber wenn es schon nicht möglich ist, die verschiedenen einschlägigen politischen Bereiche der Mitgliedsländer vorher so zu koordinieren, daß ein Währungsverbund kein untragbares Risiko darstellt, dann müßten zumindest mit der Schaffung des Währungsverbundes die Koordinierung und Harmonisierung der wirtschaftspolitischen Bereiche Hand in Hand gehen. Die Hoffnung, daß allein durch Schaffung eines Währungsverbundes die wirtschaftliche Integration zwangsläufig folgt, ist ein großer, gefährlicher, mit dem Spargeld der Bürger und der Stabilität unserer Währung bezahlter Aberglaube, Herr Bundeskanzler; und dagegen wenden wir uns.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Auseinandersetzung spielt auch eine andere Frage eine Rolle, die bei der Gesamtwürdigung einer Politik, gerade der Politik der Bundesregierung, erwähnt werden muß — darüber wird von anderen Diskussionsrednern noch mehr gesagt werden —, nämlich die innere Sicherheit. Darüber ist ja viel gesprochen worden. Hier sind große Zusagen gemacht worden, und es ist sehr wenig gehalten worden.
    Aber interessant ist mir doch, daß z. B. der Bundesjustizminister in der „Neuen Juristischen Wochenschrift" 1978 über die Gesetzgebung des Bundestages, d. h. über die von einer kleinen Mehrheit herbeigeführte, unter dem Druck der Linken weiterhin besonders beeinflußte Gesetzgebung, geschrieben hat:
    Die dogmatische Bedeutung des Ausschlusses der Beschlagnahme von Zufallsfunden ist nicht ganz einfach zu erschließen.
    Das heißt, wenn die Polizei bei der Durchsuchung von Terroristenwohnungen nicht nur Sprengstoff, sondern daneben auch ein Rauschgiftdepot findet, tann darf sie dieses Rauschgiftdepot nicht in ihre
    Ermittlungen einbeziehen,. weil es sich hier nicht um terroristische Taten handelt. Dabei weist er nach' dem Motto „mein Name ist Hase, ich weiß von nichts" darauf hin, daß Gesetzesmaterialien hierzu nicht existieren, da diese Änderung erst in der zweiten Lesung im Plenum ohne Begründung beschlossen worden ist. Er verschweigt dabei, daß er und seine Fraktion hier dem Druck ihrer Linksaußen nachgegeben haben, ohne die unsinnigen Auswirkungen zu überdenken. Um das unglaubliche Ergebnis zu vermeiden, daß die Polizei vor einer strafbaren Handlung die Augen zumachen muß, muß der Bundesjustizminister rechtliche Hilfskonstruktionen versuchen, die bei der einfachen Ausgangslage als Theatrum absurdum anzusehen sind. Auch bei der Identitätsfeststellung gab es einige Pannen. Der normale Bürger, der in eine Razzia gerät, wird, wenn er keinen Führerschein dabei hat und sonst nicht amtsbekannt ist, zur Polizeiwache zur Identitätsfeststellung gebracht. In anderen Fällen braucht man anscheinend einen Vergleich der Täterfotos mit der Wirklichkeit, auch wenn die Täter in der Wirklichkeit Masken tragen und deshalb natürlich das Fahndungsfoto nicht mehr stimmt. Deshalb ist hier besondere Vorsicht am Platze. Wenn man jeden Bürger, den man sonst festnimmt, drei Tage lang observieren würde, um festzustellen, ob es wirklich der Gesuchte ist, würde unser ganzer Apparat stillstehen.
    In der gleichen Ausgabe schreibt Herr Vogel:
    Auffallend an dieser gesetzlichen Regelung ist die äußerste Behutsamkeit, mit der der Gesetzgeber die Eingriffsgrenzen insbesondere bei Unverdächtigen beschrieben hat und die die Grenzen der Praktikabilität erreicht. Die Anwendung in der Praxis wird zeigen, ob hiermit ein hinreichend effizientes Mittel für die Aufklärung von Straftaten gegeben ist.
    Ist das das, was von den Schwüren übriggeblieben ist, die im September und Oktober letzten Jahres von allen politisch Verantwortlichen geleistet worden sind?

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Warum haben Sie denn nicht mit uns gemeinsam die Einführung der Sicherungsverwahrung bei terroristischen Verbrechen schon nach der ersten Verurteilung durchgesetzt, die Erhöhung des Höchstmaßes der zeitigen Freiheitsstrafe von 15 auf 20 Jahre für schwerste, gegen Leib und Leben gerichtete Verbrechen, die Erhöhung der Mindeststrafe bei erpresserischem Menschenraub und bei Geiselnahme von drei auf fünf Jahre, die Verbesserung der Strafvorschriften zum Schutz unserer Polizeibeamten, die Verbesserung der Strafbestimmungen gegen die Propagierung von Gewalttaten, die Wiederherstellung eines wirksamen Demonstrationsstraf- und Versammlungsrechtes — auch mit Vermummungsverbot —, die Ein- bzw. Wiedereinführung eines wirksamen Melderechtes?
    Insbesondere verstehe ich nicht, warum man im Sommer jenes Sommernachtsspiel, jenes Mysterientheater mit Herrn Albrecht aufgezogen hat. Herr Albrecht hat doch im Bundestag zu Recht gesagt,



    Strauß
    daß es Aussagen von einzelnen Terroristen gäbe, die darauf schließen lassen, daß sie nach der Entlassung ihr mörderisches Tun fortsetzen werden. Die Unterlagen, auf die Herr Albrecht sich dabei bezogen hat — es sind Unterlagen aus der niedersächsischen Justiz —, sind doch auch dem Bundesjustizminister bekannt. Warum dann das demonstrative Theater, Herrn Rebmann mit großem Spektakel nach Hannover zu schicken, um Herrn Albrecht zu vernehmen, um zu erfahren, woher er seine Informationen habe? Sie sollten weniger an Spektakel und Show machen, sondern mehr wirksame Maßnahmen auf diesem Gebiet ergreifen!

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Der sozialistische Rechtswahrer Vogel!)

    Sie wissen doch, daß rund 20 Täter schon gefaßt waren, dann nach den gegenwärtigen Gesetzen wieder aus der Untersuchungshaft bzw. Strafhaft entlassen und wieder einschlägig tätig wurden. Ist denn das nichts? Weiß man denn nicht, daß Brigitte Monhaupt, im Februar 1977 aus der Strafhaft entlassen, im März in der Terrorszene untergetaucht, bereits im April, Juli und im September/Oktober an der Vorbereitung, Planung und generalstabsmäßigen Durchführung dieser großen, unsere ganze Nation bewegenden Verbrechen — seinerzeit als Chefin der Bande, in Funktion der Nachfolge der Frau Meinhof — tätig war? Reicht denn das nicht aus, um mit der Opposition gemeinsam — vergessen Sie dann ein paar Randgruppen bei Ihnen — hier ein wirksames Recht zu schaffen, das dieser Seuche das Handwerk legt?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Welche Versäumnisse hier begangen worden sind — nicht zuletzt deshalb, weil es überhaupt keine echte Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei gegeben hat —, mögen Sie feststellen, wenn Sie einmal die Namen lesen, die bei dem „Komitee gegen Folter", bei den Hamburger Hausbesetzern, dem Heidelberger Sozialistischen Patientenkollektiv und ähnlichen Einrichtungen fest- zustellen sind. Dort kommen diese Namen doch alle schon vor vielen Jahren vor: Susanne Albrecht, Knut Folkerts, Christian Klar, Roland Mayer, Adelheid Schulz, Detlef Schulz, Günter Sonnenberg, Willy Peter Stoll, Lutz-Manfred Taufer, Ralf-Baptist Friedrich, Angelika Speitel, Volker Speitel usw. Die Namen sind doch längst bekannt. Sie sind doch längst in Erscheinung getreten. Sie waren doch polizei- und amtsbekannt. Warum hat man sie nicht so weit erfaßt, daß ihr Überwechseln von gewalttätigen Demonstrationen und Hausbesetzungen zur Schwerkriminalität verhindert werden konnte? Das geschah doch deshalb nicht, weil man das Problem jahrelang unterschätzt hat. Wir haben im Jahre 1972 gehört, es gebe keine terroristische Gefahr mehr, die meisten Terroristen säßen jetzt, und die anderen hätten ihre Tätigkeit eingestellt.
    Auf derselben Ebene bewegt es sich — und hier können wir einfach leider keine gemeinsame Politik machen —, wenn weite Teile der Sozialdemokraten — ich muß sagen: leider — in verbaler Gleichheit oft draußen in Aktionsgemeinschaften mit den Kommunisten von den „Berufsverboten" sprechen. Das Wort „Berufsverbot" ist ein Reizwort aus der psychologischen Kriegführung der Kommunisten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In den Ländern, in denen einer, der mit dem dort herrschenden System nicht einverstanden ist und es offen ausdrückt, überhaupt keine Chance hat, eine Schule zu besuchen, eine höhere Ausbildung zu genießen, einen Platz in der normalen Wirtschaft und Gesellschaft zu bekommen, redet man von „Berufsverboten", wenn bei uns Feinde der Freiheit, Gegner der verfassungsmäßigen Ordnung, nicht in den Staatsdienst eingestellt werden. Drüben wird zum Schluß noch die Psychiatrie als Disziplinierungsinstrument für Andersdenkende bei Dissidenten usw. verwendet. Darüber regt man sich nur am Rand oder in gelegentlichen sanften Äußerungen auf, durch die aber ja nicht die Entspannung gestört werden darf.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber wenn man hier Kommunisten und Nazis aus dem Staatsdienst fernhält, dann ist das „Schnüffelei", dann sind das „Berufsverbote", dann sind das „vordemokratische Zustände" usw.
    Herr Koschnick hat doch einfach die Unwahrheit gesagt, als er behauptete, daß erstmals im Jahr 1933 durch die Nazis eine Gesinnungsprüfung eingeführt worden sei. Das stimmt doch nicht. Schon in der Gesetzgebung der Weimarer Republik

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

    gab es nach den damaligen Fememorden an Erzberger und Rathenau eine Gesetzgebung — die deutsche Beamtengesetzgebung —, nach der die Zuverlässigkeit des Beamten und seine Treue zur republikanischen Verfassung festgestellt werden mußte.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Kohl [CDU/CSU] : Von Severing eingebracht!)

    Sie wissen doch ganz genau, daß im Jahre 1933 die Gesinnungsprüfung den umgekehrten Zweck hatte, nämlich Freunde der Freiheit aus dem Staatsdienst möglichst fernzuhalten.

    (Dr. Ritz [CDU/CSU]: So ist es!)

    Unsere Gesetzgebung und unsere Praxis laufen darauf hinaus, Feinde der Freiheit aus dem Staatsdienst fernzuhalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir halten auch gar nichts davon, wenn man sagt, hoheitlicher und nichthoheitlicher Bereich müßten getrennt werden. Ein Lokomotivführer, ein Postfacharbeiter, ein Nachrichtentechniker und ein Portier können in Zeiten der Krise, wenn es um Sein oder Nichtsein unserer freiheitlichen Ordnung geht, eine größere Gefährdung darstellen und mehr an Sabotage im Sinne revolutionärer Umtriebe leisten als etwa ein Regierungsrat, der im Archivdienst tätig ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Darum kann man nicht nach diesen Schablonen vorgehen.



    Strauß
    Dazu gehört auch — hier komme ich abschließend auf ein Kapitel der jüngsten Zeit zu sprechen — die Vergiftung des innenpolitischen Klimas im Zusammenhang mit dem — in Anführungszeichen —„Spionagefall Pacepa". Es war der Kollege Brandt, der seine zur Zeit natürlich nach Wasser dürstenden Genossen in Bayern zu trösten versuchte, als er von den „vordemokratischen Zuständen" sprach, die beendet werden müßten, und der dann in der gleichen Postille schrieb:
    Es war doch jene unheilige Allianz, jene Verschwörergruppe von einigen ungetreuen Staatsdienern, von sogenannten Journalisten und von CSU-Leuten, die sich einer der übelsten Methoden im politischen Geschäft, nämlich des Denunziantentums, bedienten, um führende deutsche Sozialdemokraten zu verleumden und das politische Klima zu vergiften.

    (Beifall bei der SPD)

    Das ist, Herr Brandt, Ihre sattsam bekannte Art der psychologischen Bürgerkriegführung.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir haben noch in Erinnerung die Worte vom „Schreibtischtäter", vom „Holzen", vom „Betriebe Mobilisieren", von der CDU/CSU als Gefahr für den Frieden und als Gefahr für den Rechtsstaat.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich fordere Sie hier auf: Nennen Sie Roß und Reiter! Welche Journalisten, welche Politiker und welche Dienste — die Namen dort können Sie ja wahrscheinlich nicht wissen, obwohl die Dienste ja von Ihnen geschaffen und in der heutigen Form personell besetzt worden sind — sind es gewesen, die sich hier zu einer „unheiligen Allianz der Verschwörung". zusammengefunden haben? Nennen Sie hier Roß und Reiter!

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Daß aus den Behörden, auch aus den Sicherheitsbehörden, immer wieder Indiskretionen in die Öffentlichkeit gelangen, ist eine Erscheinung, die im Laufe der letzten Jahre aus ganz gewissen Gründen noch zugenommen hat. Aber daraus abzuleiten, daß diese Indiskretionen, die aus weiß Gott welchem Motiv zugunsten gewisser Publikationsorgane betrieben werden, sich in Form einer „konspirativen Aktion" abspielen, einer „Dreieraktion", einer „Seilschaft" — „da sitzen die einen in den Sicherheitsbehörden, die anderen in der Presse und die eigentlichen Drahtzieher bei der CDU/CSU" —, ist eine Verleumdung, und das nennt man „den politischen Gegner denunzieren", Herr Brandt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Völlig blödsinnig — nun sage ich wirklich „blödsinnig"; ich nenne nicht jemanden so, aber es ist blödsinnig — wird es aber dann, wenn ein Mitglied Ihrer Fraktion — ich kann ihn auch nennen: Paul Neumann — im Sozialdemokratischen Pressedienst schreibt:
    Die Ermittlungen der Behörden gegen die Spionage sind seit 1969 stets begleitet vom Verrat
    aus den amtlichen Unterlagen. Keine Partei ist
    davor gefeit, daß sich ihre Anhänger fanatisieren bis zur Kriminalität.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Wen meint er denn eigentlich? Unglaublich!)

    Wenn es bei uns Anhänger oder Mitarbeiter gäbe, die sich bis zur Kriminalität fanatisieren ließen, hätten wir sie erstens längst hinausgeschmissen, und zweitens ist bei uns die Gefahr, daß so etwas aufkommt, wesentlich geringer als anderswo.
    Es heißt weiter:
    Wir glauben nicht, daß sich für die Union das auszahlt. Der deutsche Wähler wird nämlich den wählen, der die bessere Politik macht, nicht den, der sich zum geistigen Hehler krimineller Landesverräter macht.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Unglaublich!) Dann sagt er:

    Minister Apel wird gut daran tun, sich nicht dazu zu äußern. Wir appellieren an die Union, ihren Einfluß geltend zu machen, den permanenten Landesverrat zu ihren Gunsten endlich einzudämmen. .

    (Zurufe von der CDU/CSU: Unerhört!)

    So geschrieben von einem Mitglied dieses Hauses in der offiziellen Pressekorrespondenz der Sozialdemokratischen Partei.
    Was hier steht, nämlich „krimineller Landesverrat zugunsten der CDU", ist ein juristischer Blödsinn, ist eine politische Brunnenvergiftung, und es ist im übrigen eines Abgeordneten unwürdig, so etwas überhaupt zu formulieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Fest steht doch, daß der rumänische Überläufer Pacepa Hinweise auf wirkliche oder vermeintliche deutsche Ostagenten gegeben hat. Das steht unbestreitbar fest; denn wenn es nicht so wäre, warum sind dann Verfassungsschutz und Generalbundesanwalt überhaupt tätig geworden? Die handeln doch nicht im Auftrag der Opposition zur Verleumdung der SPD!
    Zweitens. Es ist feststehend, daß am Mittwoch, dem 30. August, die Wohnung des Persönlichen Referenten des Kollegen Bahr, die Wohnung des Herrn Broudré-Gröger, wegen Spionageverdachts durchsucht worden ist; drittens, daß der Dritte Strafsenat des BGH mit Beschluß vom 30. August 1978 die richterliche Anordnung der Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten, seines Arbeitsplatzes im Deutschen Bundestag und anderer von ihm benutzten Räume und der ihm gehörenden Sachen angeordnet hat. Das geschieht ja nur, wenn der Generalbundesanwalt einen dringenden Tatverdacht hat. Den haben doch nicht wir geäußert!
    Wenn dann allerdings in Verlautbarungen der Opposition wegen des Geheimnisschleiers, der darüber gebreitet wird, wegen des Mysterienspiels, das man daraus gemacht hat, von einem „Spionageskandal" gesprochen wird, ist das sicherlich eine Vorwegnahme eines Sachverhalts, der nicht bewiesen ist und nach meiner Überzeugung — aber ich



    Strauß
    bin nicht informiert — auch nicht so ohne weiteres bewiesen werden kann. Ich habe mich hier sehr vorsichtig ausgedrückt. Aber die ganze Weltpresse hat doch geschrieben „Neuer Spionageskandal in Bonn!". Sie haben sich auf diesem Gebiet im Laufe der Jahre doch schon einen einschlägig „guten" Ruf erworben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das Ausland ist doch hellhörig, ist doch allergisch geworden.
    Der einzige Fehler der Union — das sage ich auch hier — besteht darin, daß man statt von „Spionageverdacht" mit Fragezeichen von einem „Spionageskandal" gesprochen hat. Aber damit hat man nur die Ausdrucksweise der gesamten Weltpresse übernommen, die vom „Spionageskandal" — mit Ausrufe-
    oder Fragezeichen versehen — geschrieben hat.
    Sie brauchen sich hier ja nicht zu empören. Ich habe erlebt, daß Beschuldigung, Anklage, Verurteilung und Hinrichtung schon erfolgt sind, bevor überhaupt auch nur der leiseste Tatverdacht geäußert werden konnte; Stichwort: Lockheed-Kampagne.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Immunitätsausschuß hat einstimmig die Immunität des Kollegen Holtz aufgehoben, und es steht fest — so jedenfalls wurden wir unterrichtet, nicht im Ausschuß, sondern durch Presseverlautbarungen, denen nicht widersprochen worden ist —, daß der Kollege Bahr seinen Referenten vorher, am Vorabend, gewarnt hat.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU] : Unglaublich!)

    Falls der wirklich konspirative Kontakte gehabt haben sollte und sich darüber Unterlagen in seinem Büro oder in seinen Privaträumen befanden, dann müßte er nicht der Sekretär von Herrn Bahr sein, wenn er sie über Nacht dort ließe, bis am Morgen jemand kommt; denn Herr Bahr nimmt doch keinen Dummkopf als seinen persönlichen Referenten.
    Ich glaube, daß Herr Pacepa, der so hoch stand, daß er keine Namen kannte, Hinweise auf jemanden gegeben hat. Je höher man im Geheimdienst steht, desto weniger kennt man Namen und kann im übrigen nicht einmal nachfragen, weil das schon von vornherein Verdacht erwecken würde. So wird es in sämtlichen Nachrichtendiensten der Welt gehandhabt. Ich glaube, daß Herr Pacepa nach östlichen Vorstellungen Hinweise auf Vorgänge gegeben hat, die für die Praxis in östlichen Ländern schon den Spionageverdacht ergeben würden, bei uns aber noch unter die Rubrik freie Meinungsäußerung fallen. Ich habe bei Herrn Bahr nicht — das war eine Verfälschung in der Zeitung — von politischem Verrat gesprochen. Ich habe gesagt: Herr Bahr ist nicht ein Verräter, schon gar nicht ein Spion, der etwa über die Laderampen militärisch wichtiger Bahnhöfe der anderen Seite etwas mitteilt. Nein, Herr Bahr betreibt — wenn auch mit viel Versteckspiel und mit vielen Nebel- und Rauchkerzen — eine Politik in einer ganz bestimmten Richtung, und zwar im Hinblick auf die zukünftige Gestaltung der beiden Teile Deutschlands. Das ist eine Richtung, die nicht mit der
    offiziellen, vom Bundeskanzler bekräftigten Politik übereinstimmt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich nehme an, daß der Kollege Marx im Laufe der Debatte noch über die Einzelheiten der Vorstellungen des Herrn Bahr berichten und sich dann damit auseinandersetzen wird. Dann kann ich es mir ersparen, darauf in den letzten Minuten meiner Rede noch einzugehen. Herr Bahr hat eine Vorstellung in Richtung auf eine Herauslösung der beiden Teile Deutschlands aus ihren jeweiligen Bündnissen — in Erweiterung eines europäischen Sicherheitssystems und mit ganz bestimmten gegenseitigen Garantien. Er sagt, das sei keine Neutralisierung. Das ist dann aber eine Frage der Definition. Die außenpolitischen Konzeptionen des Herrn Bahr Laufen aber möglicherweise in eine Zukunftsplanung hinein, für die vielleicht Herr Wehner in Prag den Rahmen gegeben hat, als er — ich bin leider auf Presseberichte angewiesen — von einem „großen sozialistischen Bündnis in Europa" gesprochen hat.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Dieses große sozialistische Bündnis in Europa heißt nicht kommunistische Bundesrepublik Deutschland, heißt aber eine so enge Zusammenarbeit der verschiedenen Nachfahren von Karl Marx in Europa, daß darüber ein großes überwölbendes Dach, das gemeinsame Bekenntnis zum Sozialismus trotz verschiedener Gesellschaftsformen, noch gedacht werden kann.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    In der SPD gibt es — und das können Sie ganz einfach nicht bestreiten — nicht nur organisatorisch gesehen zwei Gruppen mit einer U-Bootflotte. Die eine Gruppe sind die Marxisten, die andere sind die, die sich in einer gewissen Begriffs- und Sprachverwirrung „demokratische Sozialisten" nennen. Daneben gibt es noch die, die auf dem Boden sitzen, das Sehrohr ausgefahren haben und warten, welche Gruppe die stärkere sein wird, um da aufzutauchen.