Meine Damen und Herren, ich habe sechs Wochen geschwiegen; jetzt bin ich dran! Sie können sich darauf verlassen!
Die ganzen Lügen und Verleumdungen haben Sie sechs Wochen lang in die deutsche Presse gegossen. Die Leute wußten es nicht anders und haben das geschrieben. Heute kriegen Sie gesagt, was ist.
— Ich will Ihnen nur sagen: Sie können noch soviel — —
— Ich will Ihnen nur sagen, meine Damen und Herren: Ich halte die ganzen Attacken, die Sie seit Wochen gegen mich reiten, aus. Ich halte sie aus!
Auch wenn das nicht immer leicht ist. Ich werde auch weiterhin meinen Buckel hinhalten.
Und ich nehme an, Sie werden auch weiterhin darauf dreschen. Nur: Umbringen werden Sie mich nicht!
Ich habe auf wankenden Gerüsten gestanden und dort mauern gelernt. Ich halte auch auf festem Boden durch, meine Damen und Herren; dessen können Sie ganz sicher sein.
Aber, wissen Sie, bei allem, was da aufregt — —
— Hören Sie mal, Sie haben dem Herrn Bundeskanzler dieser Tage Vorwürfe gemacht, seine Verfassungstreue in Frage gestellt. Das war viel schlimmer als das, was ich Ihnen heute sage. Wissen Sie überhaupt, was das bedeutet?
Sie haben dem Herrn Bundeskanzler vorgeworfen, er hätte seinen Eid gebrochen — und viele Dinge mehr. Wissen Sie überhaupt, was das bedeutet? Haben Sie überhaupt noch klare Vorstellungen, was das bedeutet, wenn Sie so etwas sagen? Und da regen Sie sich auf, wenn ich Ihnen einmal hier die Wahrheit sage!
Ich will Ihnen noch etwas sagen, meine Damen und Herren: Jeden Tag, wenn ich hier bin — ab jetzt wird es vielleicht nicht mehr so deutlich sein — und von dort drüben herübergehe, um mein Kärtchen zu holen — meistens ist das blau —, mit dem ich abstimme, dann kommen meistens drei oder vier — es sind nicht alles meine Feinde, die in der CDU sind — zu mir — gestern abend waren es vier Herren; sie sitzen hier — und sagen: Na, Herr Leber, wie geht es Ihnen dann? Sind Sie noch gesund, haben Sie noch die Kraft, um das durchzustehen? Ich wünsche Ihnen, daß Sie das durchstehen. Bleiben Sie bloß fest.
Meine Damen und Herren, das bleibe ich. Da brauchen Sie sich keine Sorge zu machen. Nur: arme Teufel sind Sie, daß Sie mir das sagen müssen und nicht den Mut haben, das in Ihrer eigenen Fraktion zu sagen. Um mich brauchen Sie sich keine Sorge zu machen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich bitte noch etwas sagen. Ich sage Ihnen jetzt etwas, was mir nicht leichtfällt, aber ich sage das, weil ich es
5480 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn,. Donnerstag, den 26. Januar 1978
Bundesminister Leber
für sehr ernst und wichtig halte — auch wenn ich weiß, daß dies eine sehr harte Debatte ist.
— Sie schenken uns ja auch nichts. Ich denke, Sie sind im Nehmen doch halbwegs so stabil wie im Geben, meine Herren von der CDU!
Unsere Bundeswehr ist eine gute Armee. Sie hat einen guten Ruf, und sie genießt in der ganzen Welt hohes Ansehen, nicht nur im Westen. Das ist viel wert für unsere Sicherheit.
— Na já, eine gute Armee kann zur Not mal einen schlechten Minister vertragen — so gut ist die.
Sehen Sie, unsere Armee besteht aus treuen und guten Soldaten, die unter schwierigen Umständen sogar am Heiligen Abend ihre Pflicht erfüllen.
— Auch sonst, nicht nur an diesem Tag.
Gegen unsere Bundeswehr, meine Damen und Herren und gegen unsere Sicherheit — dies ist, wie Sie wissen, richtig, was ich hier sage; es wäre unnatürlich, wenn es anders wäre —, gegen diese gute Armee gibt es laufend auch den Versuch der Spionage, der Subversivität, der Zersetzung, der Sabotage und anderer Dinge. Gegenwärtig — ich gestatte mir, Ihnen einige Dinge zu sagen, damit Sie das richtig einordnen — gibt es 165 Fälle, die dort -in Arbeit sind — nicht einer irgendwo. Sie könnten mir sagen: Wenn irgendwo irgendjemandem etwas geschieht, muß natürlich der Verteidigungsminister dafür geradestehen. Ich kann die alle gar nicht kennen, die ereignen sich dort oder dort oder dort. Das war schon immer so. Niemand kann das.
Dieser Kampf gegen unsere Sicherheit auf dem Gebiet der Spionage, der Subversivität, der Zersetzung, der Sabotage vollzieht sich im Sumpf und im Schlamm, die andere vor unsere Sicherheit, vor unsere Rechtsordnung gelegt haben.
Den schwierigen und oft erfolgreichen Kampf gegen diese Angriffe auf unsere Sicherheit führen Tag und Nacht rund 2 000 Frauen und Männer. Das sind überwiegend Offiziere und Unteroffiziere, die dafür besonders ausgebildet sind. Diese Männer und auch diese Frauen — es sind wenige — müssen bei ihrer Arbeit in diesen Sumpf hinein, in dem Spionage betrieben wird und hinein in den Schmutz, in dem Spionage, Subversion, Sabotage, Zersetzung gegen uns betrieben wird. Dies, meine Damen und Herren, ist keine feine Arbeit. Das läßt sich nicht mit den Methoden tun, wie sie in den Räumen feiner Leute üblich sind. Diese Arbeit ist schwierig und sie führt oft auch diese Männer, die sie in unserem Auftrag zu tun haben — so einen Hauptfeldwebel oder so einen jungen Oberleutnant oder einen gestandenen Oberstleutnant — vor schwierige persönliche Fragen auf schlüpfrigem Boden.
Diese Arbeit ist für jeden einzelnen von denen, die vor Ort tätig sind, oft voller Risiken, nicht nur für Leben und Gesundheit — es ist ein Kampf; hier ist der Frieden der Ernstfall —, sondern auch ihre Arbeit selber ist mit Risiken belastet. Ihre Arbeit ist Risiko, und zwar — ich bitte das sehr gut zu verstehen, was ich sage — oft in einer grauen Zone an der äußersten Grenze einer in unserem Lande besonders eng gezogenen Legalität auf diesem Gebiet. Der Bundestag muß sich das einmal anhören.
Ich rede hier offen darüber, nicht, weil ich mich reinwaschen will, indem ich Ihnen das beschreibe, sondern weil es mir um etwas geht, worauf ich nachher komme, was ganz wichtig ist für unser Land, für Sie sowie für die und für mich auch. Ich rede darüber, obwohl ich weiß, daß es sogar problematisch ist, daß ich darüber rede. Aber das muß einmal geschehen. Ich muß das sagen, weil ich in großer Sorge bin.
Das Parlament ist verpflichtet, sich meine Sorge auch anzuhören, denke ich, weil es auf diesem Gebiet um unseren Staat geht. Ich spüre vieles, meine Damen und Herren. Ich weiß aber noch mehr, als ich spüre.
Aber ich kann das hier nicht offen belegen, und zwar mit Rücksicht auf unsere Sicherheit.
Das ist schwer für diese Offiziere und Unteroffiziere, die diesen Dienst verrichten und für die der Frieden ununterbrochen ihr Auftrag ist, diese Arbeit zu tun. Für diese Männer ist es schwer, diesen Kampf oft in diesem Nebel voller Ungewißheiten, den sie nicht fragen können, vor Ort zu tun. Sie können nicht in Bonn anrufen, wenn sie in 10 Minuten dort etwas machen müssen. Wenn diese Männer, die in dieser Arbeit stehen, nicht das Gefühl haben, daß sie die volle Rückendeckung des Staates haben, der ihr Auftraggeber ist,
des Staates und seiner Organe, auch für den Fall, daß sie einmal irren — und die irren bestimmt auch; das sind nicht welche, die nicht irren können! —, daß sie im guten Willen und in guter Absicht einmal irren, dann ist es doch wohl schwer zu vermuten, daß jemand bereit ist, solche Risiken einzugehen. Es wäre doch eine Menschenkraft überfordert; für diese Offiziere und Unteroffiziere, die immer auch bei dem, was sie tun, vor dem Abgrund stehen, wäre es auch schwer, diesen Kampf zu führen und ihn zu bestehen, wenn sie das Gefühl bekommen, daß der eigene Staat, für den sie vor dem Abgrund stehen — mit all den Möglichkeiten, sich auch zu irren oder auch Fehler zu machen —, ihnen nicht voll in die Hand gibt, was ihr Gegner in dieser Auseinandersetzung mit ihnen in die Hand bekommt und in der Hand hat. Es ist auch bedrückend für sie, wenn sie erleben, daß die Kameraden aus anderen Ländern, aus dem gleichen Bündnis, eher etwas und mehr in die Hand bekommen, uni sich
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Bundesminister Leber
gegen einen Gegner zu wehren, der alles in der Hand hat, was es gibt. Woher sollen wir eigentlich standfeste Männer und Frauen gewinnen, die solche Aufgaben übernehmen, wenn sie von hinten gelähmt werden, wenn es solche Leute gibt, die das aus anderen Gründen seit Wochen zu tun im Begriff sind?
Ich komme noch darauf zu sprechen. Für wen ist es eigentlich zumutbar, Risiken einzugehen, die unvermeidbar und unumgänglich sind, weil sie nicht bei jedem Schritt fragen und nach oben absichern können, was sie tun müssen? Wo darf man eigentlich die menschliche Kraft und die Motivation vermuten, ohne die solche Aufgaben nicht erfüllt werden können? Wo darf man das Vertrauen vermuten, das auf den Plakaten in allen Kasernen geschrieben steht und vorausgesetzt wird? Dort steht: MAD — der bessere Weg; wenn du in Not bist, wenn dir so etwas passiert und du in eine Falle gegangen bist, wende dich an den MAD; du kannst Vertrauen zu ihm haben, du kannst dich ihm anvertrauen.
Ich will Ihnen einen Fall nennen. Es gibt auf allen Seiten dieses Hauses genügend Damen und Herren, die wissen, was ich darunter verstehe, und die nicht weniger besorgt sind als ich. Herr Kollege Voss von der CSU hat kürzlich — ich bin ganz sicher, auch bei verdeckter Anwesenheit von Mitarbeitern ausländischer Dienste — öffentlich Fragen gestellt, von denen jeder Sachkenner sofort und unverzüglich wissen mußte, daß sie nur aus dem inneren Zirkel schutzbedürftiger Arbeit der Bundeswehr kommen konnten, von denen jeder Sachkenner unverzüglich, nachdem sie ausgesprochen waren, wissen konnte, daß sie nur aus der Arbeit kommen konnten, die schutzbedürftig und schutzwürdig ist und die im Interesse unserer Sicherheit bedeckt bleiben muß. Wer sich so verhält, wie der Kollege Voss sich verhalten hat — nur diesen Fall nenne ich hier — fügt unserem Gemeinwesen und seiner Sicherheit schweren Schaden zu.
Ich bin sehr in Sorge, weil ich sehr genau sehe und registriere, daß wir in den letzten Wochen auf diesem Gebiet schon sehr weit auf einen schlimmen Weg abgerutscht sind.
Ich bin angesichts dessen, was alles offenbart wird — jeder für sich, soviel er gerade kann und weiß —, und angesichts der Offenbarungen, die gefordert werden, sehr in Sorge, weil nur noch wenig fehlt, bis wir unsere Dienste von dem abgekoppelt bekommen, wovon sie nicht abgekoppelt werden dürfen, weil es sonst schlimm für die uns gemeinsam anvertraute Sicherheit unseres Landes mit seinen spezifischen Risiken, in die es eingebettet ist, wird.
Wer alles gesagt haben will, was diese Dienste tun, kann sie abschaffen. Dann braucht man sie nicht mehr.
Wer täglich Gift in die Augen dieser Dienste streut, macht sie blind. Daran gehen Staaten kaputt.
Meine Damen und Herren, ich weiß, daß ich mit dieser öffentlichen Aussage weit gegangen bin. Mir ist es aber auch sehr ernst. Es gibt keine höhere Instanz als das Plenum des Deutschen Bundestages. Da muß man schließlich hingehen können und hingehen müssen, wenn es keine andere Möglichkeit gibt.
Ich weiß, daß ich mit dieser öffentlichen Aussage weit gegangen bin. Ich weiß, daß ich bis hart an die Grenze dessen gegangen bin, was meine Amtspflichten mir erlauben, aber nicht darüber. Ich mußte das aber jetzt hier sagen, damit sich jeder darüber im klaren ist, was auf dem Spiele steht, wenn die Agitation weitergeht. Ich wollte es sagen, damit es im Protokoll des Deutschen Bundestages steht und nicht in drei Jahren vielleicht jemand kommt und mir, wenn es schiefgegangen ist, vorwirft, ich hätte es ja sagen können.
An mich, meine Damen und Herren von der Koalition, brauchen Sie nicht zu denken. Ich denke selber nicht einmal zuerst an mich. Der Umgang mit mir gehört auch nicht unbedingt und zwingend zu dem, was dem Gebot der Nächstenliebe entspricht. Ich bin Parlamentarier wie Sie und bin auch zu nehmen gewohnt, auch wenn es manchmal ein bißchen hart ist. Ganz gewiß gehört bei allen Dingen zwischen Mehrheit und Minderheit das, was uns gemeinsam anvertraut ist, in den Bereich der gemeinsamen Fürsorge. Ich habe das gesagt, weil einige offenbar nicht wissen, was sie tun.