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    1. tocInhaltsverzeichnis
      Plenarprotokoll 8/69 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 69. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 26. Januar 1978 Inhalt: Abwicklung der Tagesordnung 5395 A Pairing-Vereinbarungen . . . 5395 B, 5493 B Amtliche Mitteilung ohne Verlesung . . 5395 A Erweiterung der Tagesordnung 5452 C Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1978 (Haushaltsgesetz 1978) — Drucksachen 8/950, 8/1285 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/1371 — Prinz zu Sayn-WittgensteinHohenstein CDU/CSU . . . . . . . 5395 D Grobecker SPD 5399 C Katzer CDU/CSU 5403 A Rappe (Hildesheim) SPD . . . . . . 5410 A Schmidt (Kempten) FDP . . . . . . 5415 C Kraus CDU/CSU . . . . . . . . . 5420 A Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 5423 A Franke CDU/CSU 5427 C Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksache 8/1375 — Glos CDU/CSU 5429 B Frau Simonis SPD 5433 A Eimer (Fürth) FDP 5435 C Frau Dr. Wex CDU/CSU 5437 B Hauck SPD 5441 A Frau Funcke FDP 5443 C Prinz zu Sayn-WittgensteinHohenstein CDU/CSU 5445 C Frau Huber, Bundesminister BMJFG . . 5447 A Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksache 8/1374 — Hauser (Bonn-Bad Godesberg) CDU/CSU 5458 B Blank SPD 5461 B II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Januar 1978 Weiskirch (Olpe) CDU/CSU 5463 D Möllemann FDP . . . . . . . . 5467 A Leber, Bundesminister BMVg 5471 C Dr. Kohl CDU/CSU 5481 D Wehner SPD 5485 C Mischnick FDP 5488 A Schmidt, Bundeskanzler 5489 D Dr. Zimmermann CDU/CSU 5493 C Vizepräsident Frau Funcke 5489 D Namentliche Abstimmung . . . 5495 A, 5501 D Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau — Drucksache 8/1379 — Dr. Schneider CDU/CSU 5497 B Stöckl SPD 5498 C Gattermann FDP 5499 C Ravens, Bundesminister BMBau 5500 B Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — Drucksache 8/1381 — Dr. Stavenhagen CDU/CSU 5501 D Dr. Dübber SPD 5503 A Dr.-Ing. Laermann FDP 5504 A Matthöfer, Bundesminister BMFT . . . 5505 A Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Drucksache 8/1382 — Westphal SPD 5507 A Dr. Stavenhagen CDU/CSU 5508 C Rohde, Bundesminister BMBW . . . . 5509 D Haushaltsgesetz 1978 — Drucksachen 8/1388, 8/1426 — Gerster .(Mainz) CDU/CSU . . . . . . 5511 B Löffler SPD 5512 B Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Einsetzung eines Untersuchungsausschusses — Drucksache 8/1470 — Röhner CDU/CSU . . . . . . . . . . 5452 D Becker (Nienberge) SPD . . . . . . 5455 A Engelhard FDP 5456 D Nächste Sitzung 5512 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 5513* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Januar 1978 5395 69. Sitzung Bonn, den 26. Januar 1978 Beginn: 9.00 Uhr
    2. folderAnlagen
      Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens *' 26. 1. Dr. Fuchs * 26. 1. Dr. Geßner ** 26. 1. Dr. Gruhl 26. 1. Hoffmann (Saarbrücken) * 26. 1. Hoppe 26. 1. *für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Klinker * 26. 1. Dr. Kraske 27. 1. Frau Krone-Appuhn 27. 1. Lampersbach 26. 1. Lücker * 26. 1. Dr. Mende ** 26. 1. Dr. Müller ** 26. 1. Offergeld 27. 1. Reddemann ** 26. 1. Seefeld ' 26. 1. Dr. Starke (Franken)*' 26. 1. Dr. Todenhöfer 24.2. Dr. Vohrer ** 26. 1. Baron von Wrangel 27. 1.
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      Rede von Rudolf Hauck


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

      Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es zutreffend ist, daß der Haushalt in Zahlen gegossene Politik darstellt, steht es um die Familie, optisch gesehen, nicht schlecht. Die Kindergeldleistungen in Höhe von 15,4 Milliarden DM machen rund 8 % des gesamten Bundesetats aus und umfassen 95,5 % des gesamten Einzelplans 15. Das Bundeskindergeldgesetz ist das vom Volumen her größte Bundesleistungsgesetz, und durch die am 1. Januar 1978 in Kraft getretenen Verbesserungen wurde das Kindergeld für Familien mit zwei Kindern um 8,3 °/o, für Familien mit drei Kindern um 16,6 %, für Familien mit vier Kindern um 19,4 °/o und für Familien mit fünf Kindern um 20,8 % erhöht. Diese Erhöhungen schlagen sich mit Mehrausgaben von 1,7 Milliarden DM im Haushalt 1978 nieder.
      Im übrigen ist mir im Verlauf dieser Gesamtdebatte, in der von Steuerlastquote und vom Staatskorridor so viel die Rede ist, der Gedanke gekommen, daß, optisch gesehen, die Steuerlastquote um 0,7 bis 1 % niedriger wäre und der öffentliche Korridor um rund 15 Milliarden DM enger wäre, hätten wir uns damals bei der Neuregelung des Familienlastenausgleichs für die steuerrechtliche Lösung und nicht für die Lösung über die Arbeitsämter entschieden.

      (Beifall bei der SPD)

      Aus diesem Beispiel ersieht man, wie einfache Organisationsentscheidungen Gesamtbilder verändern können.

      (Zuruf von der SPD: So ist es!)

      Aber dies ist nur der haushaltsrechtliche Einstieg, an den ich aus sozialdemokratischer Sicht einige Aussagen zur Familienpolitik insgesamt anschließen möchte. Wir alle wissen, daß die wirtschaftliche Sicherung der Familie von großer Bedeutung ist, daß aber Familienpolitik umfassender gesehen werden
      muß. Für uns Sozialdemokraten ist Politik für die Familie ein entscheidender Bestandteil einer umfassenden Gesellschaftspolitik. Verantwortliches politisches Handeln muß auf rationalen Erkenntnissen, kritischen Einsichten und gesetzten Zielen beruhen. Dies gilt auch für die Familienpolitik der SPD, die Bedingungen schaffen will, die es unseren Familien ermöglichen, die in sie gesetzten Erwartungen zu erfüllen und ihr Leben in eigener Verantwortung nach eigenen Vorstellungen zu gestalten und zu erfüllen. Dabei berücksichtigen wir die geschichtliche Entwicklung und die gegenwärtigen Möglichkeiten unserer Gesellschaft, sind aber für neue Formen und Inhalte offen.
      Auch für die Bundesregierung ist die Erhaltung, Förderung und Stärkung der Familie eine vorrangige Aufgabe, weil die Familie wie keine andere Gemeinschaft der Isolation des einzelnen in einer an sozialen Bezügen ärmer gewordenen Arbeits- und Berufswelt entgegenwirkt. Die Familie hat auch großen Einfluß darauf, daß sich Kinder zu Bürgern entwikkeln, die unsere demokratische Grundordnung bejahen und fähig sind, auf Grund eigener Wertorientierung an der Fortentwicklung unserer Gesellschaft konstruktiv mitzuwirken.

      (Beifall bei der SPD)

      Die überragende Bedeutung der Frau und Mutter im Erziehungsbereich der Familie ist bekannt, wird anerkannt und ist unbestritten. Lassen Sie mich aber in diesem Zusammenhang betonen, daß es auch entscheidend darauf ankommt, daß sich die Väter verstärkt an Familienaufgaben, insbesondere auch an der Erziehung, beteiligen, und daß die Sorge für die Kinder als Aufgabe beider Elternteile gesehen werden muß.

      (Beifall bei der SPD)

      Deshalb wird auch im Familienpolitischen Programm meiner Partei die Situation und Aufgabenstellung der Frau, des Mannes u n d der Kinder dargestellt.

      (Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : In Hamburg habt ihr das Thema vertagt!)

      — Wir haben es beschlossen!

      (Frau Eilers [Bielefeld] [SPD] : Genau, es ist verabschiedet!)

      Unsere Familienpolitik ist in das gesellschaftliche Gesamtkonzept, welches auf Chancengleichheit, Solidarität, soziale Sicherheit und sozial gebundene Freiheit gerichtet ist, eingebunden. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann man zwar über manche Vorstellungen, Formulierungen, Auslegungen und Ansichten streiten und diskutieren — wir leben ja in einer parlamentarischen Demokratie —, aber es hilft keinem, wenn man mit pauschalen Vorwürfen und Unterstellungen durchs Land zieht und behauptet, die Bundesregierung und die SPD vernachlässigten die Familie, und ihre Reformen seien auf Aushöhlung, ja, sogar Zerstörung der Familie gerichtet.

      (Beifall bei der SPD)

      Sie wissen doch genau, daß dies nicht stimmt und
      daß wir genauso viele für Kinder und Familien enga-



      Hauck
      gierte Frauen und Männer in unseren Reihen haben wie Sie!

      (Beifall bei der SPD — Zuruf von der SPD: Mehr! — Zurufe von der CDU/CSU)

      Wir sollten also. unqualifizierte Verdächtigungen, die doch im Grunde die Familie nicht stärken, sondern verunsichern, unterlassen. Herr Glos, es war kein gutes Beispiel, was Sie heute geliefert haben!

      (Erneuter Beifall bei der SPD)

      Es führt doch kein Weg daran vorbei, daß im Mittelpunkt aller sozialen Reformen der letzten Jahre bei uns das Wohl der Familie und des Kindes gestanden hat. Dies gilt auch für die jetzt im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Vorhaben. Lassen Sie mich bitte einmal am Beispiel der Neuregelung der elterlichen Sorge darstellen, an welch falschen Fronten und mit welch falschen Vorstellungen wir oftmals miteinander und gegeneinander kämpfen. Da wird nach außen hin so getan, als wollten die Koalitionsfraktionen mit der Neufassung des § 1666 BGB dem Staat das Recht des unbegrenzten Eingriffs in die Familie eröffnen. Es ist erschütternd, mit welchen Schlagworten und Diffamierungen da oftmals umgegangen wird. Wenn man dann aber versucht, sachlich zu argumentieren, stellt sich sehr oft heraus, daß man die Zusammenhänge gar nicht kennt und vielfach den genauen Wortlaut überhaupt noch nicht gelesen hat.
      Gestatten sie mir deshalb bitte, daß ich diesen Paragraphen einmal zitiere. Es heißt in Abs. 1:
      Wird das persönliche Wohl des Kindes gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat • das Vormundschaftsgericht die erf order-lichen Maßnahmen zu treffen. Es kann erforderliche Erklärungen der Eltern, eines Elternteils oder des Kindes ersetzen, wenn dies zur Abwendung einer Gefahr für die Person des Kindes notwendig ist.
      Sinn dieser Änderung ist es also, Möglichkeiten zu schaffen, gerichtliche Maßnahmen einzuleiten, auch wenn ein Verschulden der Eltern nicht vorliegt.
      Diese Neuregelung wird aber seit fast 20 Jahren gefordert und spielte schon bei der ersten großen Reform des Kindschaftsrechtes — ich meine die verfassungsmäßig gebotene Reform des Nichtehelichenrechtes — eine wichtige Rolle. Damals im Herbst 1967, also vor über zehn Jahren, hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Regierung folgendes gefordert:
      Im Laufe des weiteren Gesetzgebungsverfahrens sollte § 1666 BGB dahin gehend geändert werden, daß von der Voraussetzung des Verschuldens abgesehen wird . . . Der Bundesrat verfolgt damit ein Reformanliegen, das seit längerer Zeit von Rechtsprechung und Rechtslehre vertreten wird. Aus Anlaß der Neuregelung der elterlichen Gewalt der unehelichen Mutter ist dieses Problem von besonders aktueller Bedeutung. . .
      Das war vor zehn Jahren.
      Die Bundesregierung hat damals wie folgt erwidert:
      Eine Neuordnung der §§ 1628, 1629 und 1666 BGB ist zwar sachlich geboten. Es erscheint jedoch nicht empfehlenswert, diese Vorschriften schon mit dem Unehelichenrecht, über dessen Bereich sie weit hinausgehen, neu zu regeln. Besonders eine Änderung ,des § 1666 BGB erfordert umfangreiche Vorarbeiten, welche die Neuordnung des Unehelichenrechts erheblich verzögern könnten.
      Aus rein arbeitstechnischen Gründen also ist damals
      diese dringend notwendige Neufassung vom Gesetzgeber nicht vorgenommen worden. Meine sehr
      verehrten Damen und Herren, Sie sehen an diesem
      Beispiel, daß es sich bei der Neuregelung des Rech-
      tes der elterlichen Sorge um eine Maßnahme handelt,
      die schon vor zehn Jahren als dringend empfunden
      wurde, und nicht um eine Maßnahme zur Schaffung
      von sozialistischen Einfallstoren im Familienbereich.

      (Beifall bei der SPD — Abg. Hasinger [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

      — Herr Hasinger, ich halte es so wie meine Vorgänger. Im Ausschuß sprechen wir ja sehr offen miteinander; das freut mich immer. Hier im Plenum will ich aber ohne Unterbrechung vortragen.
      Daher sollten wir die Problematik sachlich und emotionsfrei diskutieren und gemeinsam um sachgemäße und praktikable Lösungen ringen. Daß sich dabei auch andere Aspekte eröffnet haben, haben die Beratungen der letzten Monate gezeigt. Die schon zitierte Forschungsgruppe „Familienrecht" der Deutschen Forschungsgemeinschaft unter Leitung der Professoren Dr. Simitis, Dr. Rosenkötter und Dr. Vogel kommt in einer Studie über das Kindeswohl in der vormundschaftsgerichtlichen Praxis zu der Feststellung, daß sich die Vormundschaftsgerichte im wesentlichen darauf beschränken, die physisch-materiellen Lebensbedingungen zu gewährleisten. Nach dieser Untersuchung steht in der Praxis das körperliche Wohl des Kindes zu sehr im Mittelpunkt der Entscheidungen, während die psychische Dimension, nämlich das geistige Wohl des Kindes, weitgehend
      zurücktritt.
      Tatsache ist also, daß das geistige Wohl des Kindes in den Ermittlungen nur unzureichend erfaßt wird und in den Entscheidungen kaum Berücksichtigung findet.

      (Beifall bei der SPD)

      Es würde jetzt zu weit führen, die Gründe, die zu dieser Feststellung geführt haben, im einzelnen zu erläutern. Vereinfacht dargestellt, läuft es aber auf das gleiche hinaus, was wir im Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit bei vielen Diskussionen und Anhörungen immer wieder festgestellt haben: mangelhafte Ausstattung der Jugendämter, Fehlen von Erziehungsberatungsstellen, unzureichendes Vorhandensein von sozialen Diensten, zu wenig Angebote für Eltern- und Familienbildung, Fehlbedarf im Be- reich der familienergänzenden Einrichtungen. Dieses unbestrittene Defizit bezieht sich sowohl auf den In-



      Hauck
      vestitionsbereich als auch auf die personelle Ausstattung.
      Deshalb möchte ich hier auch noch einmal unterstreichen, was ich am Schluß der Anhörung im Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit unter Unmutsäußerungen eines CDU-Abgeordneten gesagt habe. Am Schluß habe ich damals zusammengefaßt und erklärt, ich sei sehr überrascht, daß von fast allen Sachverständigen die personelle Unterbesetzung der sozialen Dienste angesprochen worden sei. Ich sagte dann weiter:
      Wenn wir über den Arbeitsmarkt reden und feststellen, daß heute durch Strukturveränderungen Arbeitsplätze in der produzierenden Wirtschaft wegrationalisiert werden, dann sollten wir in diesem Kreise auch darauf hinweisen, daß im sozialen Dienstleistungsbereich noch viele, viele Arbeitsplätze notwendig sind.
      Diese Arbeitsplätze könnten unseren Familien, der Jugend und dem Sozialwesen zugute kommen.

      (Beifall bei SPD und FDP)

      Wir sollten uns alle darum bemühen, wie es zu erreichen ist, das zweifellos notwendige Geld für die Schaffung und Erhaltung dieser Arbeitsplätze in der Gesamtgesellschaft zu erwirtschaften, denn diese Ausgaben wirken sich wiederum zugunsten der Familie und der Kinder aus.

      (Beifall bei der SPD und der FDP)

      So gesehen, gewinnt die Neuregelung des Jugendhilferechts auch in familienpolitischer Hinsicht eine besondere Bedeutung. Der Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Jugendhilferechts gibt der Förderung der Erziehung in der Familie ausdrücklich Vorrang vor Hilfen zur Erziehung außerhalb der eigenen Familie. Die Stärkung der Erziehungskraft der Familie ist im Gesetzentwurf ausdrücklich verankert, beruhend auf dem Grundgedanken, daß Hilfen für die Jugend nicht nur an die Jugendlichen unmittelbar, sondern auch und gerade indirekt über die Familie geleistet werden müssen. So kommt es zu der geradezu paradoxen Situation, daß von Jugendvertretern im Verbandbereich halb ironisch gesagt wird, der Entwurf sei ja nur ein Familienförderungsgesetz, während der jugendpolitische Sprecher der CDU/CSU im Ausschuß erklärt, auch dieses Gesetz höhle die Familie aus. Paradoxer geht es nicht.

      (Beifall bei der SPD und der FDP)

      Beides ist unrichtig. Ich bin davon überzeugt, daß wir als Gesetzgeber mit der Neuregelung des Rechtes der elterlichen Sorge und mit dem Jugendhilferecht einen wichtigen Beitrag zur Förderung der jungen Generation und der Familie leisten werden.

      (Beifall bei der SPD und der FDP)

      Meine sehr verehrten Damen und Herren, in meinem Beitrag habe ich mich auf diesen Ausschnitt aus dem großen Spektrum der jugend- und familienpolitischen Probleme beschränkt, um den Versuch zu unternehmen, hier Emotionen abzubauen und wieder zur sachlichen Diskussion hinzuführen.

      (Beifall bei der SPD und der FDP)


      (Ehrlichkeit von uns erwarten. Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke. Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wer die Rede von Frau Kollegin Wex gehört hat, konnte sie eigentlich nur als eine bittere Selbstanklage in bezug auf die frühere Familienpolitik der CDU/CSU werten; denn alles das, was Sie als Mängel beklagen, ist eben in jener Zeit, als die CDU 15 Jahre lang das Familienministerium geleitet hat, nicht gemacht und nicht vorbereitet worden. Wenn man heute die Familienfeindlichkeit in unserer Gesellschaft beklagt, so frage ich mich doch: Was ist denn in Ihrer Zeit geschehen? (Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Sie waren immer dabei! — Dr. Kohl [CDU/CSU]: Das gehört zu ihrem Wesen. Sie sind immer dabei, damals wie heute!)


      (Beifall von der SPD und der FDP)


    Rede von Richard Stücklen
    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
    • insert_commentNächste Rede als Kontext
      Rede von: Unbekanntinfo_outline


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()


      (Beifall bei der FDP und der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)


      (Beifall bei der FDP und der SPD)

      — Ich muß Ihnen wohl etwas Geschichtsunterricht geben, wobei ich allerdings bitte, Herr Präsident, das nicht auf meine Redezeit anzurechnen. Sie sollten einmal die Geschichte der Bundesregierung nachlesen, Herr Kohl. Dann werden Sie darauf kommen,

      (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Sie waren immer dabei!)

      daß wir der Bundesregierung von 1956 bis 1961 und von 1967 bis 1969 nicht angehört haben. Genau das waren die entscheidenden Jahre der Versäumnisse in der Familienpolitik.

      (Lachen bei der CDU/CSU) Ab 1961 haben wir z. B. dafür gesorgt — —


      (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Sie müssen 1969 sagen!)

      — Zunächst einmal ist ja wohl der Ressortminister für Initiativen entscheidend, und dann entschled seinerzeit die Mehrheit im Kabinett; denn im Unterschied zu den Kabinettsgepflogenheiten seit 1969 hat es zu Zeiten Adenauers im Kabinett Mehrheitsentscheidungen gegeben. Das können Sie vielleicht nicht wissen; Sie sind wohl noch zu jung.

      (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der SPD — Lachen und Zurufe bei der CDU/CSU)

      Es läßt sich unschwer ausrechnen, wer die Mehrheit und die Entscheidung in den Kabinetten Adenauers gehabt hat. Solche Überstimmungen gibt es heute nicht mehr.

      (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Das ist heute anders, ja!)




      Frau Funcke
      Aber ich möchte in meinen Ausführungen gerne fortfahren. Wann ist denn in jener Zeit einmal etwas geschehen, um die Städte und Gemeinden zu verpflichten, Spielplätze zu bauen.? Wann ist etwas für die Kinder gemacht worden? Wann ist etwas unternommen worden, um den Zwiespalt berufstätiger Mütter zwischen ihren Verpflichtungen in der Familie und im Beruf auch nur in Ansätzen aufzulösen? Wann ist ein Wort zur eigenständigen Sicherung der Hausfrau gesagt, wann ist dafür etwas getan worden?

      (Beifall bei der FDP und der SPD)

      Wann hat es jemals eine umfangreiche Analyse von
      der Situation der Familie in unserer Welt gegeben?

      (Hasinger [CDU/CSU] : Enquete-Kommission Frau und Gesellschaft!)

      Erst die sozialliberale Regierung hat in der Familienpolitik bedeutende Schwerpunkte gesetzt.

      (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Da lachen ja die Hühner!)

      Ich darf Ihnen das doch einmal auflisten. Während Ihrer Regierungszeit, als Sie auf Grund Ihrer Mehrheit das Sagen hatten, wurde das Kindergeld nicht als eine Verpflichtung der Gesellschaft aufgefaßt und entsprechend gesetzlich geregelt, sondern als ein Fall der Unfallversicherung behandelt. Erst mit unserer Mitwirkung — 1961 — ist dafür gesorgt worden, daß das Kindergeld als eine zentrale Aufgabe der gesamten Bevölkerung angesehen und entsprechend geregelt wurde.

      (Beifall bei der FDP und der SPD)

      Wir haben uns seitens der FDP bemüht, aus dem ersten Familienbericht Konsequenzen zu ziehen — und zwar als Opposition gegenüber einer Großen Koalition —, z. B. die Zuführung der Teilzeitbeschäftigung im Beamtenrecht, was sehr schwierig war. Weiter haben wir die Frage aufgeworfen, wie es mit dem Unfallschutz eines Elternteils steht, der vor der Arbeit Kinder zum Kindergarten bringt.

      (Beifall bei der FDP und der SPD)

      Wir haben erfolgreiche Vorschläge zur steuerlichen Abzugsfähigkeit der Aus- und Fortbildungskosten der Hausfrau gemacht und Lösungen für die eigenständige Sicherung der Hausfrau vorgelegt. Es trifft ja nicht zu, daß die Partnerrente Ihre Erfindung sei. Sie wissen genau, daß die FDP diese Überlegung noch vor Bildung der sozialliberalen Regierung angestellt und sich für ihre Realisierung — gegen Ihren Widerstand — wenigstens bei den Geschiedenen eingesetzt hat. Es ist nicht unsere Sache, daß Sie zu der Zeit, als Sie das Sagen hatten und entscheiden konnten, nicht die entsprechenden Vorarbeiten für eine generelle Regelung geleistet haben.

      (Beifall bei der FDP und der SPD)

      Wer hat denn das Babyjahr abgelehnt, das wir vorgesehen hatten,

      (Zuruf von der CDU/CSU: Gott sei Dank!)

      um einer Frau für die Zeit, in 'der sie nicht berufstätig sein kann, wenigstens einen kleinen Ausgleich
      in ihrer Rente zu geben? Doch Sie von der CDU/CSU! Andererseits: Wer hat sich für verstärkte Familienberatung eingesetzt und für die Freistellung eines Elternteiles von der Arbeit, wenn ein Kind krank ist? Wer hat das Kindergeld gerechter umgestaltet? Wer hat die Adoptionsgesetze und die Reform der elterlichen Sorge in den parlamentarischen Gang eingebracht?
      Sie sagten, Frau Kollegin Wex, Sie hätten Angst, daß eine Gesellschaftsveränderung bis in die Familie durchgeführt würde.

      (Zuruf von der CDU/CSU)

      Ich frage Sie umgekehrt: Hat eigentlich die Gesellschaft die Strukturveränderung der Familie realisiert?

      (Beifall bei der FDP und der SPD)

      Hat nicht vielmehr die Gesellschaft versäumt, um angesichts dieser Strukturveränderung — der Anonymität und der Isolierung — der Familie entsprechende gesellschaftliche Hilfen zu geben? Ich denke dabei nicht immer nur an materielle Hilfen wie das Kindergeld, sondern an sehr viel mehr. Wo ist denn die Hilfe für eine Familie, wenn die Mutter von drei Kindern ins Krankenhaus muß? Was haben Sie dafür an Anregungen gegeben oder an Vorarbeiten geschaffen?

      (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Schauen Sie einmal unsere Sozialstationen in BadenWürttemberg an!)

      — Natürlich gibt es die. Es hat früher auch die Gemeindeschwester gegeben. Die Sozialstationen, meine Damen und Herren, sind Krankenpflegehilfe — —

      (Zuruf von der CDU/CSU: Sie leisten auch Familienhilfe!)

      — Ja, es gibt auch Einrichtungen mit Familien- und Sozialhilfe, aber sie sind nicht flächendeckend. Ich sage ja nicht, daß wir das inzwischen geschafft hätten, meine Damen und Herren, nur: Ihre Anregungen und Taten dazu sind zu Ihren Regierungszeiten keineswegs sehr hörbar gewesen.

      (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Wer hat denn die Sozialstationen eingeführt?)

      — Die Grundidee 'der Sozialstationen stammt weder von uns noch von Ihnen; die Krankenschwestern stammen aus der Diakonissenzeit,

      (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Sie haben offenbar keine Ahnung, was Sozialstationen sind, sonst würden Sie so etwas nicht sagen!)

      die lange vor unserer Zeit liegt.

      (Widerspruch bei der CDU/CSU)

      — Doch, meine Damen und Herren, die Uranfänge der Sozialstationen und ihrer Dienste liegen im vorigen Jahrhundert,

      (Zuruf von der .CDU/CSU: Das hat ja auch keiner bestritten!)

      darüber kann es überhaupt keinen Zweifel geben. Sie haben heute nur die eine oder andere bestimmte Form in diesem oder jenem Land.