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ID0806814600

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    Vokabeln: 8
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    Plenarprotokoll 8/68 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 68. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1978 Inhalt: Abwicklung der Tagesordnung . . . . . 5263 A Pairing-Vereinbarungen 5263 C Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1978 (Haushaltsgesetz 1978) — Drucksachen 8/950, 8/1285 — Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — Drucksache 8/1368 — in Verbindung mit Einzelplan 20 Bundesrechnungshof — Drucksache 8/1377 — in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld — Drucksache 8/1383 — in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksache 8/1387 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zur Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 1977 bis 1981 — Drucksachen 8/951, 8/1286, 8/1421 — Haase (Kassel) CDU/CSU 5264 A Grobecker SPD 5267 B Gärtner FDP 5269 C Carstens (Emstek) CDU/CSU 5273 D Westphal SPD 5278 A Frau Matthäus-Maier FDP 5282 A Dr. Apel, Bundesminister BMF . . . . 5284 C Augstein SPD 5289 C Wohlrabe CDU/CSU . . . . . 5291 B, 5293 C Dr. Dübber SPD 5293 A Hoppe FDP 5294 C Frau Pieser CDU/CSU . . . . . . 5295 B Augstein SPD 5298 B Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1978 Präsident Carstens 5274 C Vizepräsident Stücklen 5293 A Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksache 8/1370 — Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 5300 A Simpfendörfer SPD 5303 D Paintner FDP 5306 D Ertl, Bundesminister BML . . . . . . 5308 D Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksache 8/1369 — Dr. Waigel CDU/CSU . . . . . . . . 5311 D Dr. Sperling SPD 5315 C Dr. Biedenkopf CDU/CSU . . . . . . 5318 B Dr. Ehmke SPD 5326 A Dr. Haussmann FDP 5333 B Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 5335 B Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr — Drucksachen 8/1372, 8/1424 — Schröder (Lüneburg) CDU/CSU 5344 B Müller (Nordenham) SPD 5346 C Ollesch FDP 5348 C Gscheidle, Bundesminister BMV/BMP . 5350 B Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksache 8/1373 — . . . . . . 5351 D Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksache 8/1366 — in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung — Drucksache 8/1384 — in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung — Drucksache 8/1386 — Dr. Riedl (München) CDU/CSU . . . . 5352 A Liedtke SPD 5356 A Dr. Wendig FDP 5359 D Spranger CDU/CSU 5362 C Dr. Dr. h. c. Maihofer, Bundesminister BMI 5366 A Walther SPD 5371 B Metz CDU/CSU 5371 D Namentliche Abstimmung . . . 5371 D, 5373 A Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz — Drucksache 8/1367 — Dr. Friedmann CDU/CSU 5374 D Dr. Emmerlich SPD . . . . . . . . 5377 B Kleinert FDP 5379 B Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU . . 5383 B Dürr SPD 5385 B Dr. Vogel, Bundesminister BMJ 5386 C Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksache 8/1385 — 5392 C Nächste Sitzung 5392 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 5393* A Deutscher Bundestag -- 8. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1978 5263 68. Sitzung Bonn, den 25. Januar 1978 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Dr. Bayerl * 25. 1. Dr. Dollinger 25. 1. Dr. Fuchs * 25. 1. Jung * 25. 1. Dr. Kraske 27. 1. Dr. Kreile 27. 1. Frau Krone-Appuhn 27. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Lampersbach 26. 1. Luster * 25. 1. Dr. Mende ** 25. 1. Dr. Müller ** 25. 1. Dr. Müller-Hermann * 25. 1. Offergeld 27. 1. Reddemann ** 25. 1. Scheffler ** 25. 1. Schmidt (München) * 25. 1. Dr. Schwencke (Nienburg) *' 25. 1. Seefeld * 25. 1. Dr. Starke (Franken) * 25. 1. Dr. Todenhöfer 24. 2. Dr. Vohrer ** 25. 1. Baron von Wrangel 27. 1.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Helmut Haussmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Ich bedauere. Ich habe sehr wenig Zeit und habe mir viel vorgenommen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ich glaube, daß demgegenüber der Wirtschaftsminister der Freien Demokraten in einer sehr viel besseren Position ist. Er hat um ein Wirtschaftsprogramm gekämpft. Er hat auf dem Kieler Parteitag 375 von 392 möglichen Stimmen für dieses Wirtschaftsprogramm bekommen; und ich glaube, daß dieses Wirtschaftsprogramm der Freien Demokraten zu den modernsten und zu den konkretesten zählt, die derzeit von den politischen Parteien in der Bundesrepublik auf dem Markt sind.
    Lassen Sie mich daher aus diesem liberalen Programm etwas über diesen wichtigen Zusammenhang zwischen Rahmenbedingungen, Ordnungspolitik und strukturellem Wandel sagen. Liberale werden sich nicht übertreffen lassen in der Konkurrenz um ordnungspolitisches Handeln. Wir wissen, daß gerade in der Situation eines sehr starken strukturellen Wandels die Dynamik und die Selbsthilfe von dezentralen Entscheidungsträgern den Staat entlastet. Der Staat kann zwar Rahmenbedingungen anbieten; die notwendigen Innovations- und Anpas-



    Dr. Haussmann
    sungsprozesse müssen aber von dem einzelnen Unternehmen ausgehen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

    Ohne Zweifel ist es eine entscheidende Bewährungsprobe, wie diese Wirtschaftsordnung im Vergleich zu anderen Ordnungen mit diesem strukturellen Wandel fertig wird. Ich meine diesen gewaltigen strukturellen Wandel, ausgelöst durch hohe internationale Inflationsraten, durch eine spektakuläre Energieverteuerung, durch eine tiefgehende Weltrezession und durch noch nicht absehbare Veränderungen im Wechselkursgefüge.
    Wir glauben, daß gerade eine marktwirtschaftlich orientierte Ordnung diese Strukturprobleme am ehesten und unter den geringsten Reibungsverlusten lösen kann. Natürlich bedarf sie dazu der Unterstützung durch die wichtigen staatlichen Rahmenbedingungen. Aber dies sind nach unserer Auffassung nur die generellen Voraussetzungen. Es liegt dann — und dies der Sinn einer dezentralen Wirtschaftsordnung — gerade an dem einzelnen Entscheidungsträger, d. h. an dem Investor, an dem Konsumenten, an dem Sparer, ob er diese Rahmenbedingungen dazu nützt, sich diesem strukturellen Wandel anzupassen.
    Dieser permanente Wille zur Flexibilität, zur Risikoübernahme', zur Innovation setzt ganz bestimmte Rahmendaten — und darauf ist auch Herr Biedenkopf eingegangen — voraus, die diese Beweglichkeit und dieses Risiko für ein Management tragbar machen. Es ist daher legitim zu fragen: Was hat die Bundesregierung dafür getan, um im Bereich dieser Rahmenbedingungen diese Risikofreude, diese Flexibilität zuzulassen?

    (Dr. Waigel [CDU/CSU] : Zu wenig!) Sie hat vier Dinge getan, Herr Waigel.

    Sie hat erstens die ertragsunabhängigen Steuern gesenkt — Sie waren dagegen —, und sie hat die Abschreibungen verbessert.

    (Dr. Waigel [CDU/CSU] : Verschlechtert!)

    Sie hat zweitens den Verbraucher steuerlich entlastet; sie hat also etwas für die Stärkung der Privatnachfrage getan.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Siehe Mehrwertsteuererhöhung! — Dr. Biedenkopf [CDU/ CSU] : Und gleichzeitig durch die Progression das Dreifache abgeschöpft!)

    Sie hat drittens ein beachtliches Infrastrukturprogramm auf den Weg gebracht, das gerade in 1978 zu einem erheblichen Teil auftragswirksam wird. Wir haben einen deutlich expansiven Haushalt 1978 vorbereitet.
    Viertens: Wir haben inzwischen das niedrigste Zinsniveau in der Nachkriegszeit.

    (Dr. Waigel [CDU/CSU] : Besonders erfreulich für Sparer!)

    Das heißt, wir haben die Rahmenbedingungen für unternehmerisches Tun und damit für mehr Beschäftigung zum Ende 1978 geschaffen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Setzen Sie die Zinsen fest?)

    Ich stimme mit den verschiedensten Gutachtern überein: Der Bund hat seine Möglichkeiten, die Rahmenbedingungen staatlicherseits zu verbessern, ausgeschöpft. Nicht dagegen die Länder; allen voran Herr Filbinger, der zu einer deutlichen Verschlechterung im mittelständischen Bereich beigetragen hat.

    (Zustimmung bei der FDP und der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Gerade im Bereich der Rahmenbedingungen, gerade im Bereich der sanitären Industrie, gerade im Bereich der innovativen, neuen Arbeitsplätze im Energiebereich wird die Union ihrer Mitverantwortung bei der Verbesserung der Rahmenbedingungen nicht gerecht.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Herr Haussmann, Sie kommen doch selber aus BadenWürttemberg!)

    Sie fordern dann weiter — und auch dies halte ich für richtig —, daß diese Rahmenbedingungen stabil sein müßten, d. h., sie müßten verbindlich sein, damit Vertrauen einkehre und damit letztlich mehr Optimismus, mehr Arbeitsplätze und damit mehr verteilbares Sozialprodukt entstehen könne. Obwohl die Gutachter der verschiedensten Schulen und die anerkannten Wirtschaftspublizisten darin übereinstimmen, daß der Bund seine Möglichkeiten, die Rahmenbedingungen zu verbessern, ausgeschöpft hat, tun Opposition und Teile der Verbände so, als könnte und müßte man diese Rahmenbedingungen schon wieder verändern. Dies schafft Instabilität, dies schafft weiteren Attentismus! Dies kostet Arbeitsplätze! Hierfür haben die Bürger meines Erachtens keinerlei Verständnis. Wir stimmen voll mit dem neuen Wirtschaftsminister überein. Die verbesserten Rahmenbedingungen sind nun da; sie können mittelfristig garantiert werden. Die Investoren können sich darauf verlassen.
    Noch eines ins Stammbuch der verschiedenen Ordnungspolitiker von der Opposition: Dieser so notwendige Prozeß der Anpassung an die veränderten Rahmenbedingungen und die Wiederherstellung eines ausreichenden Optimismus — sowohl bei den Investoren als auch bei den Verbrauchern — erfordert Geduld, erfordert Zeit. Dies ist gerade der Sinn einer dezentralen Wirtschaftsordnung, die auf möglichst viele wirtschaftliche Wahlfreiheiten abstellt. Insofern ist es ordnungspolitisch höchst bedenklich, wenn die Opposition den Investoren und Verbrauchern nicht den notwendigen zeitlichen Spielraum für die Veränderung von wirtschaftlichen Planungen und Kaufentscheidungen überläßt.
    Meine Damen und Herren, mein Kollege Gärtner hat es gestern ähnlich ausgeführt: Ein schnelles Umdenken, ein schnelles Anpassen an den strukturellen Wandel, ein hohes Wachstum läßt sich in einer dezentralen Wirtschaftsordnung nicht verord-



    Dr. Haussmann
    nen. Diese Ordnung erfordert geradezu Geduld, sie erfordert Respekt vor den autonomen Entscheidungen der Tarifpartner, sie erfordert Respekt vor den Verbrauchern, sie erfordert Respekt vor souveränen Handelspartnern, sie erfordert Respekt vor den Entscheidungen der Investoren und sie erfordert, meine Herren von der Opposition, bisweilen eine sehr hohe Toleranzschwelle, wenn man die egoistischen und wenig sachbezogenen Entscheidungen von einzelnen Länder-Ministerpräsidenten, allen voran Herr Filbinger, betrachtet.
    Geben wir doch zu — dies halte ich in dieser Situation für wichtig —: Wir alle — auch die Opposition — verfügen nur über eine beschränkte Problemlösungskapazität in der Wirtschaftspolitik. Die Zuständigkeit der bundesstaatlichen Wirtschaftspolitik ist begrenzt. Dies ist ordnungspolitisch gewollt. Nur wenn wir diese beschränkten Möglichkeiten unserer Aktionsfelder zugeben, wird auch der Entscheidungsspielraum und damit die Möglichkeit staatlicher Wirtschaftspolitik für Investoren und für Konsumenten durchsichtig. Dann wird nämlich klar, daß der Bund seine Möglichkeiten ausgeschöpft hat und daß jetzt die autonomen Partner ihren Beitrag zu einer verantwortungsvollen, längerfristig angelegten Beschäftigungspolitik leisten müssen.
    Die freie demokratische Fraktion stimmt daher dem Einzelplan 09 des Wirtschaftsministers zu.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Bundesminister Graf Lambsdorff.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Graf Otto Lambsdorff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich möchte mich zu Beginn meines Beitrages zum Schluß dieser Debatte für einige der Debattenbeiträge bedanken, vor allem aber für die Unterstützung, die ich bei der Bearbeitung des Haushalts des Bundeswirtschaftsministeriums sowohl im Wirtschaftsausschuß wie vor allem aber im Haushaltsausschuß bei den dort zuständigen Kollegen gefunden habe. Ich bin ja etwas plötzlich in die Beratungen dieses Haushalts hineingekommen. Ich habe és dankbar empfunden, daß dieser Situation Rechnung getragen worden ist, obwohl jedermann selbstverständlich weiß, daß ich angesichts dieser Plötzlichkeit nicht etwa einen Fluchtversuch machen werde, denn ich trete mit für das ein — nicht für jede einzelne administrative Entscheidung —, was in den Grundlagen der Wirtschaftspolitik von meinem Vorgänger in dieser Bundesregierung getan worden ist.
    Meine Damen und Herren, ich hatte heute vor — zum ersten Mal hätte sich die glückliche Gelegenheit ergeben —, ein paar einführende Bemerkungen über den Jahreswirtschaftsbericht, den wir vor wenigen Stunden im Kabinett verabschiedet haben, zu geben. Der Kollege Biedenkopf hat dem — darauf komme ich noch zurück — vorgegriffen. Deswegen will ich diesen Teil sehr kurz machen, um etwas mehr Zeit dafür zu gewinnen, auf Ihre Bemerkungen, Herr Biedenkopf, eingehen zu können.
    Der Jahreswirtschaftsbericht 1978, dessen Zahlenwerk seit einiger Zeit in der Öffentlichkeit diskutiert wird, der im wesentlichen bekannt ist und an dem sich auch nichts geändert hat, steht ganz gewiß unter nicht zu übersehenden außen- und binnenwirtschaftlichen Risiken. Wir haben dies immer gesagt. Sie werden dies im verbalen Teil des Jahreswirtschaftsberichts wiederfinden. Wir sagen auch hier: Mit der Projektion eines Zuwachses von 31/2 % realem Bruttosozialprodukt haben wir uns ein ehrgeiziges Ziel für das Jahr 1978 gesetzt, das bedauerlicherweise — wenn es erreicht wird — nicht dazu beitragen kann, das Problem der Arbeitslosigkeit nennenswert zu erleichtern. Auch hierüber soll niemand in diesem Hause und in der Öfentlichkeit im unklaren gelassen werden. Wir werden diese Zielwerte, wie gesagt, nur dann erreichen, wenn sich die Risiken, die wir vorfinden, nicht als so stark erweisen, daß sie die Oberhand gewinnen. Außenwirtschaftliche Bedingungen, Belastungen der Unternehmen — stärker als unterstellt —, verzögerter Vollzug der öffentlichen Haushalte, konjunkturpolitische Kooperation zwischen Bund und Ländern — das sind nur einige Punkte, die uns ins Gehege kommen können.
    Die Haushaltspolitik — darauf will ich noch später mit ein paar Sätzen zurückkommen — muß ihren Beitrag zur Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage leisten. Ich meine, daß der Entwurf des Bundeshaushalts 1978 dieser Zielsetzung durch die vorgesehene Ausgabensteigerung um etwas mehr als 10 % gerecht wird and daß hier das Notwendige geschieht.
    Fazit, meine Damen und Herren: 1978 wird bestimmt kein leichtes wirtschaftspolitisches Jahr, aber Fortschritte auf dem Wege zu mehr wirtschaftlichem Wachstum zeichnen sich ab.
    Wir möchten sehr nachdrücklich unterstreichen, was der Sachverständigenrat zu dem gesagt hat, was in dieser konkreten konjunkturpolitischen Situation Aufgabe der Bundesregierung ist, nämlich: die Bundesregierung habe mit den am 1. Januar dieses Jahres in Kraft getretenen Maßnahmen, mit der notwendigen Verbesserung der Rahmenbedingungen, das Ihre getan, habe das getan, was in ihren Möglichkeiten steht. Sie muß nun darauf vertrauen, daß auch die übrigen am Marktgeschehen Beteiligten und nicht zuletzt die Tarifparteien — auch dies wird noch zu erörtern sein — ihrer ,gesamtwirtschaftlichen Verantwortung in ausreichendem Maße Rechnung tragen.
    Zu der Frage, ob die Bundesregierung das Ihre getan hat oder nicht vielleicht mehr als das Ihre — zuviel des Guten — getan hat, ist gestern hier gesprochen worden. Wenn man die Reaktion in der Öffentlichkeit sieht, scheint mir dabei ein gewisser Anklang mitzuschwingen, als habe es hier Meinungsverschiedenheiten über die Haushaltsgestaltung zwischen dem Sprecher der Fraktion der FDP, dem Kollegen Hoppe, und dem Bundesfinanzminister gegeben. Das ist nach Auffassung der Bundesregierung und nach meiner persönlichen Meinung nicht so.

    (Franke [CDU/CSU] : Sie haben weggehört!)





    Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff
    Der Haushalt 1978— da stimmen wir dem Kollegen Hoppe zu — birgt ernste Risiken. Er birgt jedenfalls das Risiko — dies ist ein ernstes Risiko! —, daß die wirtschafts- und beschäftigungspolitische Entwicklung der Haushaltserwartung gerecht wird. Aber wir sagen — auch hier stimmen wir mit ihm überein —: Diese vorgesehene Belastung, d. h. das vorgesehene Defizit, ist verantwortbar, ist konjunkturpolitisch notwendig und richtig.

    (Schröder [Lüneburg] [CDU/CSU] : Sie glauben also immernoch an Keynes!)

    — Herr Schröder! Wir sind weit über Keynes hinaus. Ich werde noch ein Wort zu der Bedeutung von Defiziten für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung sagen.
    Ich bin sicher, daß jeder Finanzminister, der ja gleichzeitig Haushaltsminister ist — der Kollege Apel hat diesen Vergleich selber gebraucht —, gern ein Stück mehr Konsolidierung erreichen würde. Er kann es unter den gegebenen Umständen binnenwirtschaftlich nicht, er kann es aber auch außenwirtschaftlich und außenpolitisch nicht. Wer sich die heutige „New York Times" ansieht und die herbe Kritik an dem Teil der Regierungserklärung des Bundeskanzlers in der vorigen Woche, daß wir nicht noch mehr Defizite machen wollten, möge sich einmal vorstellen, wie wir die Diskussion mit unseren Partnern in weltwirtschaftlichen Konferenzen bestehen wollten — ich habe das in der nächsten Woche in Washington zu tun —, wenn wir gar unsere Defiziterwartung herunterschrauben wollten.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Meine Damen und Herren, es ist ja ein wenig grotesk: Die Gesprächspartner im Ausland pflegen uns zu sagen: „Wir haben eigentlich nur noch die Hoffnung, daß eure Opposition nicht so stur ist wie ihr und doch mehr Defizite veranstaltet." Hier hören wir das genaue Gegenteil, nämlich daß die Defizite nach Ihrer Ansicht überbordend seien. Wir fahren einen Mittelweg, und wie ich finde einen vertretbaren, verantwortbaren Mittelweg zwischen dem, was aus beider Sicht notwendig ist.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ich sagte, öffentliche Defizite sind notwendig. Ich sagte, das öffentliche Defizit 1978 ist gesamtwirtschaftlich notwendig; es ist im übrigen auch finanzierbar. Im Jahreswirtschaftsbericht zitieren wir die Zustimmung der Bundesbank, die dieses Defizit für finanzierbar, richtig und vertretbar hält.
    Es ist auch deshalb gesamtwirtschaftlich erforderlich — und es wird auch in Zukunft Defizite, zwar nicht in dieser Größenordnung, aber höher als in der Vergangenheit geben —, weil die wachsende Ersparnisbildung der Privaten absorbiert werden muß, primär durch geringere Abgabenbelastung, weil die Sparquote steigt, und weil der Staat Möglichkeiten geben muß, wenn er keine kontraktiven Wirkungen erzielen will, daß die Privaten ihre ersparten Gelder anlegen. Auf die Bemerkung, warum gespart wird, Herr Professor Biedenkopf, komme ich ebenfalls noch zurück. Wenn Sie die Sparmotivation wirklich wüßten — nicht nur bei Rentnern —, so wären Sie eine singuläre Erscheinung in der Erforschung dieses Gebietes. Keiner weiß es!

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Es ist auch deswegen notwendig, ein gesamtwirtschaftliches Defizit zu haben, weil die Inanspruchnahme des Kapitalmarktes durch den privaten Sektor geringer wird. Wir begrüßen das nicht, z. B. daß im Wohnungsbau der Finanzierungsbedarf 1978 zwar höher ist als 1977, aber geringer als früher. Es ist nicht begrüßenswert, daß die Investitionsnotwendigkeiten gewerblicher Unternehmen geringer sind, als wir es möchten, wohl aber, daß für das Jahr 1978 wieder ein größerer Anteil Selbstfinanzierung erwartet werden kann, was mit der — wie wir hoffen — besseren Ertragsentwicklung, mit der wir auch nicht zufrieden sind, zusammenhängen könnte. Jedenfalls wird der negative Finanzierungssaldo nach unseren Erwartungen im Jahre 1978 im Vergleich zu 1977 rückläufig sein.
    Man könnte dies auch noch durch Bemerkungen über den geringeren Außenbeitrag ergänzen. Aber als Fazit will ich sagen: Höhere private Ersparnisse ermöglichen Defizitfinanzierung, und ein höheres Defizit auf Grund von Steuersenkungen — und das hat die Bundesregierung zum 1. Januar dieses Jahres in Kraft gesetzt —, also Einnahmeverzicht anstatt Ausgabenerhöhung, scheint uns gesamtwirtschaftlich gesehen der richtige Weg zu sein. Dies schafft mehr Raum für pivate Nachfrage.
    Nur möchte ich im selben Zusammenhang sagen: Mehr an öffentlicher Leistung, als wir für 1978 ermöglichen, geht nicht. Es ist. aber nicht so, Herr Waigel, daß wir sagen: keine neuen Konjunkturprogramme, nur weil wir nicht können — auch weil wir nicht können —, sondern auch weil wir nicht wollen. Es wäre falsch, heute das Signal in die Welt zu setzen, es könnte uns in drei, vier Monaten etwas einfallen, was noch ein bißchen investitionsbegünstigend wäre, weil das nur dazu führen kann, daß derjenige, der eine Maschine kaufen möchte, lieber noch die drei oder vier Monate wartet, um zu sehen, ob er nicht noch ein paar Mark mehr von uns bekommt.

    (Beifall bei der FDP und .der SPD — Dr. Waigel [CDU/CSU] : Strohfeuer! So haben Sie vier Jahre regiert!)

    — Herr Waigel, ich käme auf die „Strohfeuer"-Bemerkung, wenn mehr Zeit zur Verfügung stünde, gern zurück. Ich möchte wissen, wo wir ohne die 30 Milliarden „Strohfeuer" heute wären.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Wir sagen aber, es ist jetzt Sache der Unternehmen, von den gegebenen Rahmenbedingungen Gebrauch zu machen. Diese Rahmenbedingungen stellen uns nicht in allen Punkten zufrieden. Wie könnte das sein? Wann wird das jemals der Fall sein? Wahrscheinlich sind auch die nicht zufrieden, die investieren sollen. Aber irgendwann müssen Entschlüsse gefaßt und Schwierigkeiten überwunden werden. Es kann nicht immer nur mit Ängstlichkeit und Zaghaftigkeit reagiert werden.



    Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff
    Wir sagen, es wird neue Konjunkturprogramme nicht geben. Ich glaube, es wird auch keine zusätzlichen Arbeitsmarktprogramme in nennenswertem Umfang geben können. Wir hoffen, daß wir sie auch nicht brauchen. Wir sind allerdings auch der Meinung, daß eine Philosophie — Herr Biedenkopf, Sie haben darüber ausführlicher gesprochen, ich will darauf nachher auch noch ausführlicher erwidern — nach der Überlegung: Wir, die Tarifpartner, sorgen für die Tarife, ihr sorgt für die Vollbeschäftigung! so einfach nicht geht, in der Bundesrepublik aber auch so einfach nicht praktiziert worden ist.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Meine Damen und Herren, es wird auch keine wesentlichen neuen Branchenhilfen da und dort geben können. Ich bin immer verwundert, welcher Partei die verschiedenen Wirtschaftsminister oder Ministerpräsidenten der Länder angehören, die reihenweise bei mir Unterstützung verlangen und Forderungen nach öffentlichen Programmen auf den Tisch legen. Manchmal komme ich mir vor wie das, was man früher bei der großdeutschen Wehrmacht „SAK" nannte; das heißt jetzt aber nicht „Sündenabwehrkanone", sondern „Subventionsabwehrkanone" im Amt des Bundeswirtschaftsministers. Wir werden hier sehr zurückhaltend sein.
    Ich kann mir auch nicht denken, daß der Finanzminister bereit sein könnte, eine wesentliche — vielleicht ist, wenn ich seine Ausführungen recht verstehe, „wesentlich" schon zu zurückhaltend — Erhöhung der staatlichen Zuschüsse im Zusammenhang mit dem Problem der Rentenversicherung hervorzuzaubern. Woher soll er sie zaubern?
    Hier möchte ich auf einen ergänzenden, aber wichtigen Tatbestand im Rahmen des Jahreswirtschaftsberichts aufmerksam machen. Wir sind verpflichtet, was immer eine solche Verpflichtung in der Wirklichkeit unserer Tage bedeutet — die Welt hat sich seit der Verabschiedung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes verändert —, die Eckwerte der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bis 1982 auf den Tisch zu legen. Wir werden sagen — es ist inzwischen der Presse mitgeteilt worden, und es wird Ihnen, meine Damen und Herren bald zur Verfügung stehen. — —

    (Zuruf von der CDU/CSU: Die Reihenfolge ist interessant!)

    — Herr Kollege, Sie wissen sehr genau, daß man einen Jahreswirtschaftsbericht erst einmal in 520 Exemplaren drucken muß, bevor man ihn den Abgeordneten zur Verfügung stellen kann. Ich hatte mich gerade darüber gefreut, daß ich Gelegenheit habe, das Parlament einmal früh von dieser Stelle aus zu informieren. Der Ablauf der Dinge ist doch nun einmal so. Das ist wahrlich keine Vernachlässigung des Parlaments. Wenn Sie mich eines Tages auf diesem Pfad erwischen, nehme ich jeden Tadel gern entgegen, und ich gelobe im vorhinein Besserung.
    Wir rechnen in den Jahren 1977 bis 1982 mit einer nominalen Steigerung des Bruttosozialprodukts von 7 %, mit einer Preisrate von 3 °/o, d. h. mit einer realen Steigerung von 4 %. Dies ist ebenfalls — niemand täusche sich — ehrgeizig. Wir rechnen mit einem Anwachsen der Bruttolohn- und -gehaltssumme je beschäftigten Arbeitnehmer von 6 °/o. Das bedeutet Probleme für die Rentenversicherung. Wir wissen das. Es ist nicht meine Aufgabe, dem vorzugreifen, was der Bundesarbeitsminister dazu zu sagen und vorzuschlagen hat bzw. was die Regierung auf der Grundlage dieser Zahlen an Vorschlägen auf den Tisch legen muß.
    Aber erlauben Sie mir bitte, in diesem Zusammenhang, ohne daß ich dem Kollegen vorgreifen will, ein sehr persönliches Wort. Sie, die Opposition, ziehen gegen die Regierung zu Felde wegen nicht eingehaltener Zusagen auf diesem Gebiet. Wäre ich Opposition, so täte ich es wahrscheinlich auch. Allerdings lassen Sie unter den Tisch fallen, daß die Abhängigkeit von wirtschaftlicher Entwicklung und Entwicklung unseres Rentensystems seinerzeit mit Ihrer Zustimmung in dieses Gesetz gebracht worden ist und daß wir diese Abhängigkeit immer bejaht haben. Es fiel nur leichter, als es. nach oben ging.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Franke [CDU/CSU] : Was wir nie geleugnet haben!)

    Sie, meine Damen und Herren, legen keinen konkreten Vorschlag zur Lösung der jetzt entstandenen Probleme unter den gegebenen Möglichkeiten vor.

    (Franke [CDU/CSU] : Haben Sie denn einen? Wo sind denn Ihre Vorschläge? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Dies löst es eben nicht ausreichend, Herr Kollege Barzel. — Ich sage: Auch dafür habe ich Verständnis. Aber Sie bauen eine Position auf, die nach meiner Meinung mindestens den Mut zur Offenheit
    — mehr will ich nicht sagen — vermissen läßt. Ich höre von prominenten Vertretern Ihrer Fraktion immer wieder, daß die Anwendung des Systems der Bruttolohnbezogenheit auch für kurzfristig notwendige Korrekturen — weiter will ich überhaupt nicht gehen — von Ihnen nicht zugestanden wird, wo wir doch wissen, daß kurzfristig für einige Jahre notwendige Korrekturen unter Abweichung von diesem Prinzip wohl unvermeidlich sein werden. Es fehlt hier, wenn ich es richtig sehe, an der Dekkungsgleichheit von politischer Kritik und Mut zur persönlichen Haltung, Mut dazu, Konsequenzen aus dieser Politik zu entwickeln.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)