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ID0806804200

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    Plenarprotokoll 8/68 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 68. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1978 Inhalt: Abwicklung der Tagesordnung . . . . . 5263 A Pairing-Vereinbarungen 5263 C Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1978 (Haushaltsgesetz 1978) — Drucksachen 8/950, 8/1285 — Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — Drucksache 8/1368 — in Verbindung mit Einzelplan 20 Bundesrechnungshof — Drucksache 8/1377 — in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld — Drucksache 8/1383 — in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksache 8/1387 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zur Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 1977 bis 1981 — Drucksachen 8/951, 8/1286, 8/1421 — Haase (Kassel) CDU/CSU 5264 A Grobecker SPD 5267 B Gärtner FDP 5269 C Carstens (Emstek) CDU/CSU 5273 D Westphal SPD 5278 A Frau Matthäus-Maier FDP 5282 A Dr. Apel, Bundesminister BMF . . . . 5284 C Augstein SPD 5289 C Wohlrabe CDU/CSU . . . . . 5291 B, 5293 C Dr. Dübber SPD 5293 A Hoppe FDP 5294 C Frau Pieser CDU/CSU . . . . . . 5295 B Augstein SPD 5298 B Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1978 Präsident Carstens 5274 C Vizepräsident Stücklen 5293 A Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksache 8/1370 — Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 5300 A Simpfendörfer SPD 5303 D Paintner FDP 5306 D Ertl, Bundesminister BML . . . . . . 5308 D Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksache 8/1369 — Dr. Waigel CDU/CSU . . . . . . . . 5311 D Dr. Sperling SPD 5315 C Dr. Biedenkopf CDU/CSU . . . . . . 5318 B Dr. Ehmke SPD 5326 A Dr. Haussmann FDP 5333 B Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 5335 B Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr — Drucksachen 8/1372, 8/1424 — Schröder (Lüneburg) CDU/CSU 5344 B Müller (Nordenham) SPD 5346 C Ollesch FDP 5348 C Gscheidle, Bundesminister BMV/BMP . 5350 B Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksache 8/1373 — . . . . . . 5351 D Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksache 8/1366 — in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung — Drucksache 8/1384 — in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung — Drucksache 8/1386 — Dr. Riedl (München) CDU/CSU . . . . 5352 A Liedtke SPD 5356 A Dr. Wendig FDP 5359 D Spranger CDU/CSU 5362 C Dr. Dr. h. c. Maihofer, Bundesminister BMI 5366 A Walther SPD 5371 B Metz CDU/CSU 5371 D Namentliche Abstimmung . . . 5371 D, 5373 A Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz — Drucksache 8/1367 — Dr. Friedmann CDU/CSU 5374 D Dr. Emmerlich SPD . . . . . . . . 5377 B Kleinert FDP 5379 B Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU . . 5383 B Dürr SPD 5385 B Dr. Vogel, Bundesminister BMJ 5386 C Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksache 8/1385 — 5392 C Nächste Sitzung 5392 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 5393* A Deutscher Bundestag -- 8. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1978 5263 68. Sitzung Bonn, den 25. Januar 1978 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Dr. Bayerl * 25. 1. Dr. Dollinger 25. 1. Dr. Fuchs * 25. 1. Jung * 25. 1. Dr. Kraske 27. 1. Dr. Kreile 27. 1. Frau Krone-Appuhn 27. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Lampersbach 26. 1. Luster * 25. 1. Dr. Mende ** 25. 1. Dr. Müller ** 25. 1. Dr. Müller-Hermann * 25. 1. Offergeld 27. 1. Reddemann ** 25. 1. Scheffler ** 25. 1. Schmidt (München) * 25. 1. Dr. Schwencke (Nienburg) *' 25. 1. Seefeld * 25. 1. Dr. Starke (Franken) * 25. 1. Dr. Todenhöfer 24. 2. Dr. Vohrer ** 25. 1. Baron von Wrangel 27. 1.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Apel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Heute morgen habe ich einen Zwischenruf gemacht - das gebe ich Ihnen zu, Herr Kollege Rawe —, weil ich in der Tat die Art und Weise und die beleidigenden Formulierungen

    (Zuruf von der CDU/CSU: Warum beleidigend?)

    und Vokabeln des Herrn Abgeordneten für unangemessen gehalten habe;

    (Beifall bei der SPD und der FDP) aber ich gebe das zu.


    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Dünne Haut, wenn es um Sie selbst geht; das paßt genau auf Sie! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Ich will Sie darauf aufmerksam machen, daß ich, solange ich Finanzminister bin, hier noch keinen Ordnungsruf bekommen habe und mir auch nicht bescheinigt worden ist, ich sei bis an die Grenze des parlamentarisch Zulässigen gegangen. Damit wir uns hier klar verstehen!

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich komme damit zum nächsten Punkt.

    (Zurufe von der CDU/CSU) Sie, Herr Kollege, haben — —


    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Dünne Haut, Herr Minister!)

    — Überhaupt keine dünne Haut; aber ich bin dafür,
    Herr Kollege, daß wir ein Mindestmaß an Anstand
    in diesem Hause bewahren. Wo kommen wir denn



    Bundesminister Dr. Apel
    eigentlich hin, wenn wir in dieser Art und Weise miteinander reden!

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Nun haben Sie, Herr Kollege, gesagt, das mit den Investitionen sei ja sowieso so 'ne. Sache, wir hätten da Buchungstricks. Ich bin dafür, daß Sie dann diese Buchungstricks mal vorführen, und zwar so, daß sie sichtbar werden. Sie führen hier wieder eine Schimäre, eine Verdächtigung in die Debatte ein. Sie tun so, als hätte der Finanzminister irgendwelche Tricks angewandt.

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Natürlich! Das tun Sie doch! Das sind doch Buchungstricks!)

    — Der Finanzminister hat sie nicht angewandt. Ich bitte Sie! Wir können uns um einige hundert Millionen Investitionssumme nach der neuen Definition streiten oder auch nicht; es bleibt dabei, daß die Investitionen des Bundes im Jahre 1978 um mindestens 20 v. H. gegenüber 1977 steigen. Das wissen Sie doch ganz genau.

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Das bestreite ich, Herr Minister!)

    Nun komme ich zum nächsten Punkt: Verschuldung. Das war ja wohl das zweite Problem, das hier eine große Rolle gespielt hat. Sie haben auf eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling so getan, als wäre die Bundesrepublik Deutschland auf dem Wege, zum Weltspitzenreiter im internationalen Vergleich der Verschuldung zu werden.

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Auf dem Wege, ja!)

    Sie haben im übrigen ein zweites falsches Argument eingeführt. Sie haben gesagt, wir hätten uns nach dem Kriege durch die Währungsreform von der Schuldenlast befreit. Nun will ich hinzufügen, die Schuldenlast, die so lange zurückliegt — der letzte Weltkrieg liegt über 30 Jahre zurück —, ist natürlich auch bei unseren Partnern inzwischen weitgehend unbedeutend geworden. Wenn gesagt wird, wir hätten uns der Schuldenlast entledigt, so ist das ja nicht richtig. Wir haben einen wesentlichen Teil dieser Schulden, insbesondere bei den vom Krieg am schlimmsten Betroffenen, über den Lastenausgleich mit vielen hundert Milliarden aufgebessert und nachgebessert.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Aber lassen wir mal dieses Argument beiseite. Ich wollte nur deutlich machen, daß es nicht so ist, daß dieser Staat, wer ihn auch immer zu welcher Zeit regiert hat, rücksichtslos alle Schulden beiseite geschoben hat. Dies sollten Sie sich nicht an den Hut stecken lassen, und wir auch nicht.
    Lassen wir dies mal beiseite und gucken uns die Zahlen an. Dann stellen wir fest, wie das international aussieht. Nach •einem Vergleich der OECD, also nicht einem Vergleich, den wir anstellen, hat die Bundesrepublik Deutschland — Bund, Länder und Gemeinden — im letzten Vergleichsjahr 1976 4,3 % der Ausgaben an Zinsen für den Schuldendienst ausgeben müssen — das steigt, zugegeben — Belgien 7,3 %, Großbritannien 8,4 °/o, Italien 7,3 %, Japan 5,4 %, Niederlande 6,3 %. Ich will jetzt mit den USA abschließen: 9,8 %. Das war die Bernerkung von Herrn Abgeordneten Dr. Sperling.

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Nehmen Sie mal die Zuwächse!)

    Nun kommt ein zweites Problem; das will ich Ihnen zugeben.

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Aha!)

    Für 1978 beläuft sich die Neuverschuldung aller Gebietskörperschaften auf 4 % des Bruttosozialproduktes, in den USA nur auf 1 %

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Das Vierfache also!)

    — das wird sich allerdings jetzt durch die konjunkturstabilisierenden Maßnahmen von Präsident Carter ändern —,

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Hört! Hört!)

    in Japan auf 61/4 °/o, und die anderen Länder liegen in der Nähe der Bundesrepublik.

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Ein Viertel höher!)

    — Nun müssen Sie doch einmal aufhören, dies immer so provinziell zu betrachten. Diese Statistik hat doch eine ganz andere Bedeutung, nämlich die, vorzuführen und nachzumessen, ob die wichtigsten Industrienationen der westlichen Welt genügend tun, um die Konjunktur anzukurbeln oder nicht.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: Es ist ja keine Konjunkturankurbelung !)

    Ich muß Ihnen sagen, mir fällt es wirklich sehr schwer, diese Art von Betrachtung noch zu akzeptieren.

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Sie kommen nicht raus aus der Schlinge!)

    — Sie reden laufend dazwischen! Können Sie mir nicht mal erlauben, daß ich meinen Gedanken zu Ende führe? Können Sie nicht wenigstens mal eine Sekunde Sendepause einschalten,

    (Heiterkeit)

    damit Sie auch mal etwas aufnehmen können?

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Sie haben soeben gesagt, daß Ihnen das nichts ausmacht! Sie widersprechen sich!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Debatte läuft doch ganz anders.

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU] Sie kommen nicht zurecht!)

    Wir werden nämlich in den nächsten Wochen in eine ganz interessante Debatte einrücken.

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Ein schlechter Tag für Sie heute!)

    Da werden wir international unsere Partner" auffordern, mit uns zusammen die Unruhe an der Wäh-



    Bundesminister Dr. Apel
    rungsfront zu beenden; denn es kann natürlich nicht übersehen werden, daß das, was an Dollarschwäche uns alle beunruhigt, ein zentrales ökonomisches Datum ist und uns alle vor große Fragen stellt. Ich denke, es gibt genügend internationale Kooperation, um über Aktionen, über die wir sehr intensiv sprechen, diese Dollarschwäche zu stabilisieren und den Dollar dort zu halten, wo er jetzt ist, möglichst etwas höher.
    Aber im gleichen Zusammenhang wird doch die Frage gestellt werden, ob nun die Wachstumslokomotiven Japan, Bundesrepublik, die USA, Benelux und die Schweiz genügend interne Expansion gemacht haben, ob sie genügend Gas geben, damit über Wachstum in der Welt auch amerikanische Handels- und Zahlungsbilanzprobleme verschwinden. Vor diesem Hintergrund sind die konjunkturpolitischen Maßnahmen des Jahres 1977 auch zu sehen. Wo würden wir eigentlich stehen, wenn wir nicht in dieser Rigorosität — ich gebe zu, sie war rigoros und für manche schwierig nachzuvollziehen
    — im Jahre 1977 das Steuer herumgerissen hätten. Natürlich heißt Herumreißen des Steuers, heißen massive Steuererleichterungen höhere Defizite. Expansive Haushaltsführung, öffentliche Investitionen heißt höhere Defizite.

    (Hasinger [CDU/CSU] : Das muß nicht so sein!)

    — Wir können uns hier der internationalen Verpflichtung nicht entziehen, und wenn Sie sagen, es muß nicht so sein, dann kann ich Ihnen nur sagen, wenn es nicht so sein muß, dann müssen wir in laufende soziale Ausgaben hineinschneiden.

    (Hasinger [CDU/CSU] : Nicht unbedingt!)

    Dann frage ich Sie, ob Sie das verantworten können. Dazu hat Ihnen mein Kollege Westphal die entsprechende Antwort gegeben.
    Ich meine also, meine sehr verehrten Damen und Herren, so können wir in der Tat nicht argumentieren. Wir können nicht nur die Defizitprobleme dieses Landes sehen, die mich natürlich bedrücken, und gleichzeitig so tun, als gäbe es die Welt nicht, die von uns erwartet, daß wir über Konjunkturankurbelung als wichtigste Handelsnation der Welt
    — inzwischen sind wir die größte — für die Weltkonjunktur unsere Pflicht tun. Ich bitte Sie, Herr Kollege, dies künftig in Ihre Betrachtung mit einzubeziehen, bei aller Polemik, die Sie künftig hier durchaus anbringen können und wollen.
    Lassen Sie mich eine weitere Bemerkung machen. Sie haben, meine Herren von der Opposition, folgenden bemerkenswerten Satz geprägt; ich glaube, es war der Herr Kollege Haase: „Jeder Beschäftigte im öffentlichen Dienst kostet zwei Arbeitsplätze in der Privatwirtschaft." Das ist eine interessante Aussage, und ich hoffe sehr, daß diese interessante Aussage bei den entsprechenden Verbänden und Gewerkschaften ankommt. Hier ist nämlich ein eindeutiger Versuch unternommen worden, den öffentlichen Dienst zu diskriminieren.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    — Aber natürlich, ich bitte Sie! Wie ist denn das anders zu verstehen!
    Ich möchte dazu eine zweite Bemerkung machen. Was soll denn eigentlich eine solche Aussage bedeuten? Was soll sie in einer Situation bedeuten, in der wir auf der einen Seite zu viele Lehrer und Lehrerarbeitslosigkeit, auf der anderen Seite gleichzeitig Mangel an Lehrern haben, in der wir zu viele Krankenschwestern ausgebildet, aber gleichzeitig in den Krankenhäusern immer noch Engpässe haben, in der der Arbeitsmarkt eine gewisse Entlastung vom öffentlichen Dienst her braucht? Was soll eine solche Bemerkung?
    Was soll es eigentlich, wenn Sie sagen — ich glaube, Sie waren es, Herr Kollege Haase —, meine ganze politische Standfestigkeit zeige sich darin, wie ich in der Personalerhöhungsfrage meine Position verändert hätte? Was soll denn diese Bernerkung?
    Vier Jahre lang hat es beim Bund keine Personalvermehrung gegeben. In diesem Jahr haben wir 2 800 Stellen mehr, davon 1 400 im Bereich der inneren Sicherheit und mehrere hundert in den sozialen Diensten. Was soll dann diese Bemerkung? Wollen Sie mich damit treffen? Wollen Sie den öffentlichen Dienst damit treffen? Sehen Sie nicht, wo die Notwendigkeiten für uns liegen,

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Nein, der öffentliche Dienst wird von anderen Sachen getroffen!)

    nämlich auch mit den öffentlichen Händen dort, wo es verantwortbar ist, wo sich die Lebensqualität des Bürgers erhöht, dazu beizutragen, daß Arbeitslose in eine sinnvolle Beschäftigung gebracht werden? Diese Frage müssen Sie sich selbst beantworten.
    Ich füge hinzu: Ich vermute — aber ich kann diese Debatte nicht führen —, daß hinter einer derartigen Betrachtung letztlich die alte Ideologie der Opposition steht: Privatisierung des Staates, Privatisierung öffentlicher Leistung, Reduzierung des öffentlichen Dienstes; d. h. im Endeffekt: Demokratie der Starken, Demokratie der Rabiaten, die auf den öffentlichen Dienst nicht angewiesen sind.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU) — Aber natürlich!


    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Halten Sie diese Diskussion für fair? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Unerhört!)

    Lassen Sie mich, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Konsequenz aus dem ziehen, was ich heute morgen gehört habe. Bevor ich die Konsequenz aber ziehe, möchte ich eine Richtigstellung treffen.
    Von 1970 bis 1973 haben wir, Herr Kollege — das sollten Sie wissen Sie sind lange genug im Deutschen Bundestag —, keine Defizite gemacht, sondern 10 Milliarden DM Konjunkturrücklagen von Bund, Ländern und Gemeinden gebildet; damit endlich einmal die Mär aufhört, schon seit 1970 hätten wir diese Republik mit Geschenken überflutet und



    Bundesminister Dr. Apel
    damit die Finanzprobleme der weltweiten Rezession programmiert. Genau umgekehrt ist es richtig.
    Nun zu den Konsequenzen: Erstens. Natürlich bleibt die Aufgabe der Konsolidierung. Es war das Verdienst von Herrn Hoppe, in dieser Debatte uns alle daran zu erinnern. Aber im Moment gibt es vorrangigere Aufgaben. Da wollen wir doch einmal die einzelnen Positionen abfragen.
    Ist es nicht so, können Sie bestreiten, meine Damen und Herren, daß wir das Vertrauen des Kapitalmarkts durch unsere Politik trotz starker Schuldenaufnahme der öffentlichen Hände erhöht haben? Wissen Sie eigentlich gar nicht, daß die letzte Bundesbahnanleihe, mit einer zwölfjährigen Laufzeit und 6 % Verzinsung ausgestattet, bereits über pari notiert wird? Oder wollen Sie hier den Eindruck erwecken, als sei der Kapitalmarkt deroutiert, als hätten wir mit unserer Politik das Vertrauen in den Kapitalmarkt erschüttert?
    Wissen Sie eigentlich gar nicht, daß das Absenken der Zinsen nur möglich war, weil trotz Ihrer Angriffe unsere Politik dazu geführt hat, daß die Preise immer stabiler geworden sind, daß nicht einmal die Mehrwertsteuererhöhung in dem Maße wirksam geworden ist, wie man es erwartet hat?
    Wollen Sie eigentlich bestreiten, daß wir durch unsere Politik viele hunderttausend Arbeitsplätze gesichert und neu geschaffen haben? Wo wären wir heute eigentlich ohne die 30 Milliarden DM öffentlicher Investitionsprogramme der letzten Jahre!
    Wollen Sie eigentlich übersehen, daß wir zugunsten der Wirtschaft eine Vielfalt von Steuererleichterungen durchgesetzt haben, Erleichterungen schon im Rahmen der Steuerreform 1974/75, Erleichterungen durch die Körperschaftsteuerreform, durch die Einführung eines Verlustrücktrages, durch die Einführung einer befristeten Investitionsrücklage, durch Reduzierung der Vermögensteuer, durch Reduzierung der Gewerbesteuerbelastung, durch Verbesserung der degressiven Abschreibung? Diese Erleichterungen kosten in dem jeweiligen Haushaltsjahr, alles zusammengerechnet, bald 17 Milliarden DM.

    (Dr. Waigel [CDU/CSU] : Gegen Schöfberger durchgesetzt!)

    Können Sie eigentlich bestreiten, daß wir 1975 in einer Lohn- und Einkommensteuerreform 15 Milliarden DM Steuersenkungen für die Lohnsteuer- und Einkommensteuerpflichtigen gebracht haben, daß jetzt, in diesem Moment, weitere 12 Milliarden DM Steuersenkungen in Kraft getreten sind? Es ist falsch, wenn Sie sagen, daß dies im Vermittlungsausschuß gegen unsere Stimmen stattgefunden habe. Dieses ist unrichtig. Ich bin dafür, wenn man schon indiskretioniert, dann bitte genau. Wollen Sie eigentlich übersehen, daß es Grenzen der Wirksamkeit der Finanzpolitik gibt, daß wir weder international noch national mit unserer Finanzpolitik alle Probleme lösen können?
    Ich stelle fest: Die Opposition hat uns erneut die Reden gehalten, die ich als Finanzminister nun schon zum fünftenmal in einer zweiten und dritten
    Lesung höre. Es ist weiterhin der Koalition aufgegeben, die Finanzpolitik zu führen, die wir führen müssen, damit dieses Land auf den Pfad zu mehr Wohlstand, zu weniger Arbeitslosigkeit, zu mehr Wachstum und zu mehr internationaler Solidarität kommt.

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Zu mehr Schulden!)

    Von Ihnen haben wir auch in dieser Debatte dazu keinen Beitrag gehört.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Augstein.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans-Jürgen Augstein


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich unsere Argumente zur Schuldenpolitik des Bundes zusammenfasse. Ich will letztmals versuchen, aufzuzeigen, warum wir Sozialdemokraten auch in diesem Jahr 1978 eine hohe Verschuldung des Bundes konjunkturpolitisch für nötig halten. Zweitens möchte ich dartun, daß diese hohe Verschuldung vom Kapitalmarkt her zu vertreten ist, und drittens, daß wir dabei die Grenzen der Verschuldung des Bundes im Auge behalten.
    Ebenso wie eben der Bundesfinanzminister will ich versuchen, die Dinge ohne Polemik anzugehen. Man braucht ja nicht unbedingt dem „Spendierhosen"-Carstens aus Emstek nachzueifern. Jedenfalls haben diejenigen im Lande, die ohne Arbeit sind, aber arbeiten können und wollen, und die Stahlarbeiter bei mir zu Hause an der Ruhr, die seit mehr als zwei Jahren in Kurzarbeit sind, wenig Verständnis für eine Konfrontation, die — so empfinden sie es — auf ihrem Rücken ausgetragen wird.
    Meine Damen und Herren, hohe Schulden machen wir jetzt seit mehreren Jahren, seit dem weltweiten Konjunktureinbruch von 1974/75. Ziel dieser hohen Verschuldung ist es, die mangelnde private Nachfrage auszugleichen. Würden wir nicht so hohe Schulden machen, so wäre es um alles — was den Kapitalmarkt, die Produktion und die Arbeitsplätze angeht — schlechter bestellt, die Wirtschaft würde heute noch schrumpfen. Insoweit ist also ein Erfolg der seit 1974 betriebenen Schuldenpolitik zu verzeichnen. Dieser Erfolg ist aber noch nicht so weit gediehen, daß das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht — besonders hoher Beschäftigungsstand bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum — erreicht wäre. Aus diesem konjunkturpolitischen Grunde — um also zum gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht durch weitere Stimulierung der privaten Investitionen und der privaten Nachfrage zu kommen — halten wir auch für 1978 eine hohe Verschuldung des Bundes für nötig.
    Hierzu gibt es den gestern und heute schon mehrfach erörterten Einwand, daß die Nettokreditaufnahme von 30,75 Milliarden DM die investiven Ausgaben ,des Haushalts 1978 von 29 Milliarden DM um 2 Milliarden DM überschreite. Dies, so wird argumentiert, begegne Bedenken im Hinblick auf den soeben noch von Frau Kollegin Matthäus-



    Augstein
    Maier zitierten Art. 115 des Grundgesetzes, wonach die Nettokreditaufnahme ausnahmsweise nur dann höher sein darf als die Ausgaben für Investitionen, wenn es, wie es im Grundgesetz heißt, um die „Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" geht. Meine Damen und Herren, es ist für die Regierung und die Koalition eigentlich schmeichelhaft, wenn angezweifelt wird, daß diese Ausnahmesituation heute noch gegeben ist. Immerhin wurde vor drei, vier Monaten — Herr Kollege Gärtner hat es vorhin erneut hervorgehoben — noch der 10%ige Steuerabschlag nach dem Stabilitätsgesetz gefordert, was ja auch eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts voraussetzt.
    Diese Ausnahmesituation ist in der Tat heute noch gegeben. Wir haben zwar, wie ich darlegen durfte, u. a. auf Grund unserer bisherigen Schuldenpolitik die Folgen des Konjunktureinbruchs von 1974 abmildern können. Der Art. 115 des Grundgesetzes geht aber weiter und dient dazu, das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht vollständig herbeizuführen und auch noch zu stabilisieren. — Auf den anderen Streitpunkt, ob die Höhe der Investitionsausgaben mit 29 Milliarden nun richtig angegeben sei oder nicht, brauche ich wohl nicht einzugehen. Denn das spielt keine Rolle, solange das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht nicht wieder vollständig herbeigeführt und stabilisiert ist. Aus diesen Gründen also kann nicht darauf verzichtet werden, auch 1978 hohe Schulden zur Stützung von Konjunktur und Beschäftigung zu machen.
    Um die Erfolgsaussichten der Schuldenpolitik zu verbessern, muß allerdings noch einiges hinzukommen. Da ist zunächst die Geldmengenpolitik. Die Erweiterung der Zentralbankgeldmenge um 8 % in diesem Jahr dürfte zweierlei garantieren. Einmal daß der notwendige geldpolitische Spielraum für ein Wirtschaftswachstum gegeben ist. Zum anderen sind diese 8 % nicht so hoch, daß unangemessene Preissteigerungen zu befürchten wären. Zu hoffen ist auch, daß sich die Unruhe auf dem Devisenmarkt allmählich wieder legt.
    Große Bedeutung kommt sodann den bevorstehenden Lohnabschlüssen zu. Mit der Regierung gehe ich davon aus, daß sich die Tarifpartner auch weiterhin ihrer Mitverantwortung für die Gesamtwirtschaft bewußt bleiben. Solcher Mitverantwortung sollten sich, so meine ich, auch alle Mitglieder dieses Hohen Hauses befleißigen, wenn es um das vielbeschworene Klima in der Wirtschaft geht, um das Vertrauen iri die Zukunft, ohne das man in einer freien Wirtschaft nicht auskommen kann. Dies sollte uns doch eigentlich möglich sein, wenn wir es wirklich ernst nehmen mit dem Vorrang für die Sicherheit, hier für die Sicherung der Arbeitsplätze, und mit der Gemeinsamkeit der Demokraten, hier angesichts der Gefahren für unsere Demokratie, sollte sie einmal nicht mehr vom derzeitigen wirtschaftlichen Wohlergehen begleitet sein.
    Ich darf jetzt zum zweiten Teil meiner Ausführungen kommen, wonach in diesem Jahr die hohe Schuldenaufnahme des Bundes auch vom Kapitalmarkt her zu vertreten ist. Voraussetzung für die
    Schuldenaufnahme — es sind brutto 48 Milliarden und netto 30,75 Milliarden DM — ist, daß die Sparquote hoch bleibt. Sie dürfte wohl in diesem Jahr bis in die 14 Prozent herankommen und für diese Zeit normal sein, ohne daß die Kaufwünsche der Bevölkerung beeinträchtigt werden. Wichtigstes Ziel der Kapitalmarktpolitik des Bundes muß es bleiben, das Zinsniveau auf dem gegenwärtigen Stand zu halten oder, soweit möglich, noch leicht zu senken. Dies gilt nicht nur im Sinne der Zinsminimierung für die öffentlichen Haushalte, sondern soll vor allem einen Anreiz geben für die Kreditaufnahme der privaten Unternehmen und der privaten Haushalte.
    Weiterhin ist von großer Bedeutung, daß die staatliche Kreditaufnahme flexibel bleibt, um den Wünschen der Kapitalgeber, wie sie sich aus der Kapitalmarktlage ergeben, entgegenzukommen. Da muß man schon die ganze Palette der Schuldtitel parat halten. Denn sonst ist der große Kreditbedarf des Bundes ohne Zinssteigerungen nicht zu decken. Insoweit haben wir — das darf ich als Berichterstatter für die Bundesschuld ganz besonders hervorheben — in diesem Haushalt 1978, dankenswerterweise im Einvernehmen mit der Opposition, eine ganz entschiedene Verbesserung erzielt, nämlich die gegenseitige Deckungsfähigkeit aller Zinstitel und damit größere Flexibilität. Es ist die Möglichkeit eröffnet, Kredite aufzunehmen, ohne daß von vornherein die Schuldformen .— Bundesanleihen, Bundesschatzbriefe usw.—im Haushalt absolut verbindlich festgelegt sind. Den Agierenden, die die Mittel auf dem Kapitalmarkt beschaffen, ist damit genügend Spielraum im Hinblick auf die jeweilige Kapitalmarktlage gegeben.
    Sodann ist bei der Kreditaufnahme des Bundes die Ergiebigkeit des Kapitalmarktes zu berücksichtigen. Es sollte also nicht so sehr auf die jeweiligen Kassenbedürfnisse des Bundes abgestellt werden. Denn das bedeutet, wenn es am Kapitalmarkt zu Versteifungen und Unsicherheiten kommt, daß der Bund zur Kostendeckung Kredite zu höheren Zinsen aufnehmen müßte als vertretbar. Ganz wesentlich wäre dies erleichtert, wenn die Bundesbank es gestatten würde, also nach § 17 des Bundesbankgesetzes ihre Zustimmung dazu erteilen könnte, daß bei hohem Kassenbestand die Mittel des Bundes zwischenzeitlich anderweitig auf dem Geldmarkt angelegt werden.
    Meine Damen und Herren, letztlich muß die staatliche Kreditpolitik darauf bedacht sein, daß es nicht zu Friktionen kommt, wenn die Unternehmen in verstärktem Maße an den Kapitalmarkt herantreten sollten. Zur Zeit besteht allerdings dazu kein Anlaß, weil die Selbstfinanzierungskraft - der meisten Unternehmen noch sehr groß ist.
    Abschließend möchte ich mich, wenn Sie mir dies gestatten, Herr Präsident, noch zur Frage nach den Grenzen der Verschuldung des Bundes äußern. Zugegeben, sowohl der Schuldenstand als auch die Kreditaufnahme sind aus den dargelegten Gründen außergewöhnlich hoch. Unsererseits wird auch nicht verkannt, daß dadurch eine gewisse Gefahr für den Bundeshaushalt entsteht. Denn man kann



    Augstein
    eine solche Schuldenpolitik nicht auf alle Zeiten fortsetzen; dies würde zu einer unvertretbaren Einengung des Haushalts führen.
    Eine absolute Grenze für die Verschuldung des Bundes gibt es allerdings nicht, sie läßt sich ziffernmäßig nicht berechnen. Es gibt zwar allerhand Vergleiche — Pro-Kopf-Verschuldung, Vergleich zum Bruttosozialprodukt usw. —, aber sie haben alle keinen absoluten Aussagewert. Die Frage, bis zu welcher Höhe Bundesschulden zu verantworten sind, läßt sich nur allgemein beantworten, etwa in der Weise: Die Schuldengrenze werde dann erreicht, wenn der Haushalt manövrierunfähig wird, also der Gestaltungsspielraum des Bundeshaushalts nennenswert eingeschränkt wird.
    Ich komme gleich zum Schluß. Von einer Manövrierunfähigkeit, von einer nennenswerten Einschränkung des Gestaltungsspielraums des Bundes-. haushalts kann indes nicht die Rede sein, wie die folgenden Zahlen belegen. Es geht 1978 um 10 Milliarden DM Zinsen, das sind 5,3 % des Haushaltsvolumens. Ausgaben für Tilgung können hier außer Betracht bleiben, weil sie immer wieder auf dem Kapitalmarkt refinanziert werden. Beweis: Tilgungen sind im Haushaltsvolumen nicht enthalten und können infolgedessen auch nicht dazu in Beziehung gesetzt werden.
    Lassen Sie mich bitte noch einen Satz sagen. Machen die Zinsen nach dem Haushalt 1978 mit 10 Milliarden DM 5,3 % der Gesamtausgaben von 188,6 Milliarden DM aus, so sind es nach dem Finanzplan bis 1981 im Jahre 1979 6,25 % von 200 Milliarden DM, 1980 6,8 % von 212 Milliarden DM und 1981 7,5 % von 225 Milliarden DM. Diese Prozentsätze sind noch nicht als beängstigend anzusehen; man sollte es insoweit auch nicht übertreiben.
    Hier mein letzter Satz. Wenn wir unserer Zielsetzung einer vollständigen Herbeiführung und Stabilisierung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts noch näher kommen, dann werden wir die Schuldenaufnahme zurückführen und später bei einer Hochkonjunktur vielleicht auch wieder abbauen können. Dieses Wechselspiel ist ja gerade das A und O einer staatlichen Konjunkturpolitik über den Haushalt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)