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ID0806710700

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/67 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 67. Sitzung Bonn, Dienstag, den 24. Januar 1978 Inhalt: Abwicklung der Tagesordnung . . . . . 5147 A Amtliche Mitteilung ohne Verlesung . . . 5147 A Begrüßung einer Delegation des Landwirtschaftsausschusses der Brasilianischen Abgeordnetenkammer 5164 B Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1978 (Haushaltsgesetz 1978) — Drucksachen 8/950, 8/1285 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksache 8/1361 - 5147 B Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksache 8/1362 — Collet SPD 5147 D Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksache 8/1363 — 5149 C Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und . des Bundeskanzleramtes — Drucksache 8/1364 — Strauß CDU/CSU 5149 D Brandt SPD 5164 C Hoppe FDP 5173 B Dr. Apel, Bundesminister BMF 5179 D Dr. von Weizsäcker CDU/CSU 5183 C, 5184 A Dr. Marx CDU/CSU (zur GO) 5183 D Porzner SPD (zur GO) 5184 A Friedrich (Würzburg) SPD 5190 D Dr. Bangemann FDP 5196 D Schmidt, Bundeskanzler 5202 D Schröder (Lüneburg) CDU/CSU 5209 C Löffler SPD 5214 A Wohlrabe CDU/CSU 5215 C Esters SPD 5218 D Namentliche Abstimmung 5220 A II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 24. Januar 1978 Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksache 8/1365 — Dr. Marx CDU/CSU . . . . . . . . 5222 A Frau Renger SPD 5229 A Picard CDU/CSU 5233 B Genscher, Bundesminister AA 5236 A Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksache 8/1380 — Mattick SPD 5239 B Franke, Bundesminister BMB 5241 D Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksache 8/1378 — Picard CDU/CSU 5245 C Esters SPD 5247 C Gärtner FDP 5250 B Frau Schlei, Bundesminister BMZ . . . . 5251 A Dr. Hoffacker CDU/CSU . . . . . . . 5253 B Hofmann (Kronach) SPD 5257 C Dr. Vohrer FDP 5259 A Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht — Drucksache 8/1376 — . . . . . . . 5260 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 21. Mai 1974 über die Verbreitung der durch Satelliten übertragenen programmtragenden Signale — Drucksache 8/1390 — 5260 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 11. Oktober 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Island über die gegenseitige Unterstützung in Zollangelegenheiten — Drucksache 8/1358 — 5260 A Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Altölgesetzes — Drucksache 8/1423 — 5260 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Agrarbericht 1977 — Drucksachen 8/80, 8/81, 8/1350 — . . . 5260 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zum Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD, FDP zur Beratung des Agrarberichts 1977 der Bundesregierung — Drucksachen 8/306, 8/1351 — . . . . 5260 C Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen Veräußerung der bundeseigenen Liegenschaft „ehemalige Gallwitz-Kaserne" in Ulm an die Stadt Ulm — Drucksache 8/1352 — . . . . . . . 5260 C Beratung der Sammelübersicht 17 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen - Drucksache 8/1415 — . . . . . . . 5260 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Entwurf einer Richtlinie des Rates über bestimmte Erzeugnisse für die Tierernährung Vorschlag einer dritten Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 70/524/EWG über Zusatzstoffe in der Tierernährung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 74/63/EWG über die Festlegung von Höchstgehalten an unerwünschten Stoffen und Erzeugnissen in Futtermitteln und zur Änderung der Richtlinie 70/373/EWG über die Einführung gemeinschaftlicher Probenahmeverfahren und Analysemethoden für die Untersuchung von Futtermitteln — Drucksachen 8/833, 8/1353 — 5260 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2772/75 über Vermarktungsnormen für Eier — Drucksachen 8/814, 8/1420 — 5261 A Nächste Sitzung 5261 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 5263* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 24. Januar 1978 5147 67. Sitzung Bonn, den 24. Januar 1978 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens ** 24. 1. Alber ** 24. 1. Dr. Bardens ** 24. 1. Böhm (Melsungen) ** 24. 1. Frau von Bothmer ** 24. 1. Büchner (Speyer) ** 24. 1. Dr. Dollinger 24. 1. Dr. Enders ** 24. 1. Flämig * 24. 1. Dr. Geßner ** 24. 1. Handlos ** 24. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Kreile 27. 1. Frau Krone-Appuhn 27. 1. Lagershausen** 24. 1. Lampersbach 24. 1. Lemmrich** 24. 1. Marquardt ** 24. 1. Dr. Müller ** 24. 1. Müller (Wadern) * 24. 1. Offergeld . 27. 1. Pawelczyk ** 24. 1. Reddemann ** 24. 1. Dr. Schäuble *' 24. 1. Scheffler ** 24. 1. Schmidthuber ** 24. 1. Dr. Schwencke (Nienburg) ** 24. 1. Dr. Todenhöfer 24.2. Dr. Vohrer ** 24. 1. Frau Dr. Walz * 24. 1. Baron von Wrangel 27. 1.
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    Rede von Dr. Werner Marx


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Bitte sehr.


Rede von Dr. Rolf Meinecke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Kollege Marx, teilen Sie die Auffassung, daß die heute diese Debatte miterlebende deutsche Bevölkerung sicher gerne wissen möchte, ob die von ihr als Steuerzahler aufgebrachten Mittel für die Außenpolitik sinnvoll für die verschiedenen Zwecke eingesetzt werden, und können Sie mir sagen, warum Sie in diesem Zusammenhang das Manifest und unsere Beziehungen zum anderen Teil Deutschlands im Rahmen der Außenpolitik diskutieren?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Werner Marx


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Kollege Meinecke, Ihre Beziehung zu Ihren Geschäftsführern ist offenbar besserungsfähig. Die Geschäftsführer haben nämlich verabredet, daß wir jetzt sowohl zum außenpolitischen als auch — weil dazu nachher nicht mehr eigens gesprochen wird --- zum innerdeutschen Bereich sprechen. Ich nehme mir als freier Abgeordneter die Freiheit, das zu tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Meinecke [Hamburg] [SPD] : Und ich die Freiheit zu fragen!)




    Dr. Marx
    Es steht Ihnen völlig frei, darauf entsprechend zu anworten. Ich muß offen sagen: Wir haben heute den ganzen Tag zu sehr vielen, wie ich glaube, wichtigen und fundamentalen Fragen gesprochen. Ich möchte mich auch angesichts der Tatsache, daß Sie dieses Manifest, seinen Inhalt und seine Bedeutung bisher so sorgsam heruntergespielt haben, noch einmal mit diesem Thema auseinandersetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In diesen Wochen konnte man auch gleichzeitig ablesen, ob es den Wegbereitern und Marktschreiern der neuen Deutschlandpolitik tatsächlich um die Menschen, um deren Wohlfahrt, vor allem aber um deren Freiheit geht oder nur um ein krampfhaftes Festhalten an ihren Vorstellungen. Es ist schon erstaunlich, ja, es ist beschämend, in welcher Weise Regierung und Koalition bisher auf die Veröffentlichung dieses Dokuments reagiert haben.
    Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion, Herr Wehner, hat sich in verächtlichen Verurteilungen ganz besonders hervorgetan. So, wie es seine Art ist, hat er seinen Ärger über dieses offenbar seine politischen Vorstellungen störende Schriftstück herausgebrüllt. Er hat am Donnerstagmittag gesagt: „Wenn jemand so etwas auf die Straße wirft."

    (Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU] : Sperrmüll!)

    Er hat auch noch — Herr Weizsäcker hat heute mittag schon darauf hingewiesen — von einem „komischen Findling" gesprochen. Herr Bölling hat ein Übersoll, wie ich glaube, an gedrechselten und gestelzten Redewendungen gebraucht, um ja nicht klar und deutlich reden zu müssen.
    Die Veröffentlichung des Manifestes hat überall im Volk — täuschen Sie sich nicht darüber! — zu lebhaften Diskussionen geführt. Es hat auch zu mitunter hysterischen und, wie ich glaube, dem Geist der Verträge widersprechenden Reaktionen der DDR geführt, die jetzt so tut, als ob ihre offiziellen Zeitungen und Rundfunkanstalten niemals massive Kampagnen gegen die Bundesrepublik Deutschland und die Politik ihrer jeweiligen Regierung durchgeführt hätten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ständig!)

    Ich stelle heute, nachdem sich die Koalition — ich glaube, mit Ausnahme des Kollegen Mischnick am letzten Donnerstag — mit diesem erregenden Vorgang nur wenig beschäftigt hat, folgendes fest: Die vertraglichen Regelungen, hier insbesondere der sogenannte innerdeutsche Grundlagenvertrag, haben sich als untauglich für eine konkrete, dauerhafte und verläßliche Zusammenarbeit erwiesen. Die Nichtzulassung des „Spiegel"-Redakteurs Vater, die Schließung des „Spiegel"- Büros und der Dienstwohnung in Ost-Berlin, die Zurückweisung des Vorsitzenden und weiterer Kollegen meiner Fraktion an der Berliner Mauer -machen überdeutlich, wie schlecht dieses sogenannte Vertragswerk ausgehandelt wurde, wie wenig präzise, wie mangelhaft unsere Interessen in dem Text gewahrt wurden.
    Meine Damen und Herren, ich möchte hier gern ein kurzes Zitat einfügen, das den Vorteil hat, vom Pressesprecher der Regierung zu stammen, der im Sender Freies Berlin am 10. Januar dieses Jahres zu der Frage, wie sich das eigentlich mit dem Briefwechsel über die Arbeit von Journalisten und wie es sich mit der einseitigen Dekretierung vom Februar 1973 in der DDR verhalte, geantwortet hat:
    Allerdings wird man einzuräumen haben, daß die Verabredungen im Briefwechsel über die journalistischen Arbeitsmöglichkeiten nicht so konkret materiell waren, daß man sie jetzt gleichsam einklagen könnte. Aber darauf, meine ich, kommt es nicht an.
    Ich frage mich: Auf was denn sonst?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Weshalb werden denn solche Verabredungen getroffen? Weshalb ist man hier landauf, landab herumgewandert und hat jede Zeile als einen ganz besonderen Erfolg, als eine wunderbare Errungenschaft der Entspannungspolitik vorgezeigt, wenn jetzt der Pressesprecher der Regierung — und er spricht doch im Namen der Regierung — darauf abhebt, daß „konkret materiell" die Sache nicht so sei, daß man es jetzt einklagen könnte?
    Meine Damen und Herren, wir sind wiederum belehrt worden, daß die DDR Verträge und Vereinbarungen wie sie will und wann sie will auslegt, jedenfalls anders als die Bundesregierung — auch in diesem Fall —, anders als es die Bundesregierung hier in diesem Hause und draußen an den Rundfunk-und Fernsehsendern und in den entsprechenden Ausschüssen der deutschen Öffentlichkeit erklärt hat.
    Das innerdeutsche Vertragswerk ist, wie heute jedermann erkennt, Pfuscharbeit. Es ist eben nicht wasserdicht. Herr Bahr, der früher so gern dieses Wort als Epitheton ornans für sein wackeliges Gebäude verwandt hat, sollte uns heute und hier erklären, was man mit solchen Verträgen eigentlich dann anfangen kann, wenn es einmal schwierig wird; schwierig z. B., weil die SED-Führung in all ihrer bornierten Ängstlichkeit sich durch freie Publikationen beeinträchtigt fühlt.
    Die Qualität von Verträgen erkennt man dann, wenn man sich auf sie berufen muß und wenn man sich auf sie verlassen muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Selten in der Geschichte ist nach so relativ kurzer Zeit die Fehlkonstruktion von Verträgen, die fehlerhafte Analyse eines Gegners, die ihr vorausging — eines Gegners, den man glaubte zum Partner machen zu können —, so rasch und für jedermann offenkundig geworden wie in diesem Fall.
    Wir haben immer gesagt, daß unsere Alternative zu den vorliegenden Verträgen Verträge mit eindeutigen Inhalten, mit klaren Texten, mit klaren Formulierungen und Bestimmungen seien, durch die auch unsere eigenen Interessen gewahrt würden.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : So ist es!)




    Dr. Marx
    Wir haben immer hinzugefügt, die vertraglichen Regelungen mit den Staaten des Ostens dürften nicht Quelle neuer Konflikte, Gegenstand neuen Streites sein; aber gerade dies ist jetzt eingetreten.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Aber das wollte Brandt nicht hören!)

    Es bleibt für uns und die ganze deutsche Öffentlichkeit wirklich unbegreiflich, warum Regierung und ein Teil der Koalition versucht haben, das Manifest, das über die DDR hinaus die Zustände in allen Ländern des kommunistischen Lagers beschreibt, als eine Fälschung zu diskreditieren und seine Bedeutung so mühsam herunterzuspielen versuchten. Haben Sie eigentlich — so muß ich fragen — nicht recht rasch gemerkt, daß es sich um eine Sache von enormer politischer Bedeutung, um eine Sache handelt, die man nicht mit der linken Hand abtun kann? Zuallerletzt hätte man vom Kollegen Wehner erwarten dürfen, daß er als genauer Kenner der Verhältnisse in der DDR ein Manifest, das eine Zusammenarbeit sogenannter demokratischkommunistischer und sozialistischer Kräfte mit sozialistischen Kräften im Westen anstrebt, als eine Mixtur von Provokateuren diffamiert, die, wie er sagt, das Entflammen eines Konflikts, einen Bruch, einen offenen Eklat auslösen wollten. Man muß sich nach diesen Äußerungen wirklich fragen, was das wirkliche Ziel der Deutschland- und Entspannungspolitik des Kollegen Wehner ist und ob er in den letzten Wochen nicht selbst die Rolle des Provokateurs in dieser Sache gespielt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Haben Sie wirklich geglaubt, daß die Menschen in Deutschland ein für allemal ruhig und zufrieden seien, wenn es gewisse, eng dosierte Reiseerleichterungen gebe, die auch noch der Willkür unterworfen seien? Kann man darauf — so erfreulich, wie dies auch für den einzelnen Menschen ist — die Entspannung in Deutschland reduzieren? Haben Sie nicht gewußt, daß in der Tiefe des Menschen noch andere, auf solche Weise nicht stillbare Wünsche und Forderungen leben? Haben Sie es wirklich nicht für möglich gehalten — der Kollege Friedrich hat das vorhin zitiert; er hatte vergessen, daß Herr Kohl dieses Zitat aus dem. „Spiegel" übernommen hat —, daß die „Sprengkraft der nationalen Frage", der Wille nach Einheit der Deutschen, nach einer Nation immer wieder laut wird? Haben Sie wirklich geglaubt, die Verträge seien das Amen der Geschichte? Hat wirklich niemand damit gerechnet, daß die von der Sowjetunion ausgehaltene SED aus ihrem eigenen Schoße ihren Feind, daß die Unterdrückung also das Verlangen nach mehr Freiheit hervorbringt? Wie können Sie es wagen, Menschen als Provokateure zu beschimpfen, die nichts anderes wollen, als frei wie wir oder doch zumindest etwas freier zu sein, als sie gegenwärtig sind?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich habe genau zugehört, was der Kollege Mischnick bei seiner Analyse über dieses Dokument sagte. Lassen Sie mich deshalb das folgende in aller Kürze und abschließend meine Auffassung vortragen. Es handelt sich hier sicher nicht um eine fertig
    ausformulierte, in sich schlüssige oppositionelle Konzeption. Gewiß handelt es sich um unterschiedliche, im Verborgenen diskutierende und schreibende Autoren. Nicht alle ihre Forderungen und Meinungen passen zueinander. Daß manches widersprüchlich ist, daß manches auf gewisse Auffassungen der frühen fünfziger Jahre, z. B. bei der Gesamtdeutschen Volkspartei des Gustav Heinemann, und daß manch anderes auf einer noch realitätsferneren Vorstellung beruht, zeigt sich bei der ersten Lektüre.
    Das Manifest zeigt: Die DDR ist nicht ein konformes, in sich gefestigtes Gebilde, in dem eine weitgehende Übereinstimmung der politischen Auffassungen zwischen Herrschenden und Beherrschten besteht.

    (Mattick [SPD] : Das merken Sie aber spät!)

    Herr Kollege Kohl, ich möchte auf eine Bemerkung eingehen, die Sie hier am Donnerstag gemacht haben. Die dummdreiste Studie aus dem Kanzleramt, die Anfang September 1976 bekanntgeworden war

    (Zuruf von der SPD)

    — daraus haben Sie wahrscheinlich einen Teil Ihrer politischen Weisheit bezogen —, hatte davon gesprochen, daß es zu den „Grunddaten einer realistischen Deutschlandpolitik" gehöre, ein eigenes Staatsbewußtsein der DDR-Bevölkerung jetzt zuzugeben, ja zu fördern. In dieser Studie wurde sogar geschwafelt, es werde eine Erbfeindschaft zwischen DDR-Deutschen und Bundesdeutschen geben.
    Das uns vorliegende Manifest ist eine unüberbietbar deutliche Korektur solcher im Hause des Bundeskanzlers angefertigter politischer Hirngespinste. Fragen Sie doch die Menschen selbst, und fragen Sie — das sage ich dem Bundeskanzler — nicht solche Mitarbeiter, die Sie — ich sage das jetzt zum zweitenmal — schleunigst wegen Unfähigkeit entlassen sollten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Denn sie sind wirklich ganz ungeeignet zu einer ordentlichen Analyse. Denen spukt zuviel Ideologie im Kopf, denen führt zu vieles verworrenes Zeug die Feder. Sie erwecken gar den Eindruck bei unseren Mitbürgern im anderen Deutschland, hier hätten Kanzlerberater im wahren Sinn des Wortes ein Brett vor dem Hirn.
    Die Autoren des Manifests sprechen zwar nicht eine langweilige Funktionärssprache, aber sie artikulieren das Denken und Wollen, wie ich meine, weitaus linker Kräfte in der DDR höchst eindrucksvoll. Sie schildern deshalb auch grob und ungeschminkt die Zustände in diesem Staat, von dem Herr Bahr geglaubt hat, seine völkerrechtliche Anerkennung steigere sein Selbstbewußtsein. Ja, er hat einmal hier gesagt, je stärker die DDR sei, desto eher verliere sie ihren Inferioritätskomplex.
    Diese Leute, die sich demokratische Kommunisten nennen, glauben nicht an den Automatismus und Mechanismus geschichtlicher Abläufe und an die Unentrinnbarkeit einer sogenannten kommunistischen Endzeit. Diese Feststellung — ich finde, sie ist einer der stärksten Teile in dem Manifest — ist sehr wichtig, weil sie mit einem unsinnigen Dogma



    Dr. Marx
    aufräumt, -das alles zu rechtfertigen vorgibt, wenn es nur einem glorreichen Endziel dient.
    Die Autoren stellen fest, daß die Gefahr für den Frieden in der Welt heute vom sowjetischen Imperialismus, wie sie sagen, vom „roten Kolonialreich" droht. Sie widersprechen damit einer Grundthese leninistischer und stalinistischer Weisheit, wonach die Quelle von Kriegen in der Existenz nichtkommunistischer, sogenannter imperialistischer Staaten zu suchen sei.
    Das Manifest eröffnet mit äußerster Härte den Angriff auf das reale kommunistische System, indem es feststellt, daß der Stalinismus nicht eine Entgleisung oder Abirrung, sondern das System selbst sei. Kommunisten aus der DDR nennen Stalinismus und Faschismus Zwillinge. Dies ist einer jener Sätze, die man sich in seinem Gedächtnis aufbewahren muß, weil wir so etwas in solcher Form von dort noch nicht gehört haben.
    In dem Manifest wird gesagt — ich zitiere —:
    Die Barbarei des Systems hat in der Sowjetunion und in vielen annektierten osteuropäischen Staaten nach 1945 mehr Opfer an Menschenleben unter den Genossen gefordert als Hitlerfaschismus und Krieg.
    Wer diesen und den vorhin zitierten Satz gelesen hat, der wird wohl nicht mehr im Ernst behaupten wollen, daß der linientreue Staatssicherheitsdienst der DDR die ganze Sache erfunden und in den Westen gespiegelt hätte.
    An vielen Stellen dieses Dokumentes klagen seine Autoren das bürokratische, in sich verkrustete und tief korrupte, das Volk schikanierende und peinigende System der SED an. Sie entlarven damit so viele gefärbte Darstellungen, die es auch bei uns gab und gibt. 94 °/o der Fernsehbetrachter begehen geistige Republikflucht, sagen sie. Havemann sagt jetzt — in seinen Äußerungen, die gestern in den Zeitungen zu lesen waren —, das 95 % der Bevölkerung in einer inneren oppositionellen Haltung zu der herrschenden Meinung und zu den herrschenden Personen stehen.
    Mit Bitterkeit bezeichnen die Autoren des Manifests ihren Staat, weil sie die Praxis der Abhängigkeit und der Machtverhältnisse wohl kennen, als einen „Abklatsch einer 16. Sowjetrepublik".
    Für die Zerstörung des Menschen, seiner Würde, seiner schöpferischen Kräfte, seiner Wünsche und Hoffnungen, seiner familiären Bindungen geben die Autoren des Manifests dort, wo sie von der totalen Kollektivierung sprechen, von der Ausbeutung des einfachen Bürgers durch, wie sie sagen, eine .,,Politbüro-Kaste" eindrucksvolle und erschütternde Beispiele. Sie sehen ihren Staat nicht von gebildeten oder zumindest von technokratisch fähigen Funktionären geführt, sondern vielmehr von Menschen, die intellektuellen Ansprüchen nicht gewachsen sind, die noch niemals eine eigenständige Leistung hervorgebracht haben. Sie sind sture Funktionäre, abgerichtet in Parteischulen, verdorben durch einseitige Parteilektüre.
    Was die Propagandisten, meine Damen und Herren, „sozialistische Demokratie" nennen, bezeichnen jene, die in ihr leben, als „nackte Willkür". Besonders eindrucksvoll ist die Auseinandersetzung mit den Rechtsbrechern an der Staatsspitze. •
    Es wird neben dem Klassiker Karl Marx auf den Klassiker Friedrich Schiller verwiesen, der den Verkauf von Landeskindern gegeißelt hat, der Menschenhandel verurteilt hat, und es schließt sich in dieser Passage die Frage an: „Wie alt ist die Forderung nach Gedankenfreiheit?" Dies, meine Damen und Herren, ist auch für uns eine Frage, die wir in unserer dauernden politischen Auseinandersetzung, die wir mit diesem System, mit seinen Denkordnungen führen müssen, eine wichtige Frage, die wir keinen Augenblick vergessen dürfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Zeit hier reicht unmöglich, um die sehr vielen, oft in die einzelnen Beobachtungen gehenden Anklagen und Forderungen des Manifestes weiter darzustellen. Aber ich habe diese wenigen und grundsätzlichen Thesen herauszuarbeiten versucht, um in diesem Hause in aller Kürze ein Zeitdokument- zu zitieren, das — ich sage es noch einmal — von der Koalition so schmählich und so schäbig behandelt wurde.
    Herr Kollege Friedrich, Sie haben heute über Ihren Besuch in der CSSR einige Bemerkungen gemacht. Es wäre mir recht gewesen, wenn Sie auch einmal gesagt hätten, wie die andere Seite eigentlich diesen Vertrag, in dem doch steht, Anträge würden wohlwollend behandelt, jetzt wieder in Gang setzen will, wie Sie gesagt haben, dem Buchstaben, dem Geiste nach — wie die Formel heißt — mit Leben erfüllt.
    Es ist ohnehin befremdlich, Herr Kollege Friedrich, daß der Vorsitzende Ihrer Fraktion, kurz bevor er den eisernen Statthaltern von Moskau in Prag die Hände schüttelt, jene zurückstößt, die sich von solchen Händen in der DDR befreien wollen. Dies ist tief befremdlich. Ich sage noch einmal, ich konnte es nicht glauben. Dies ist für mich eine entscheidende Frage in der Beurteilung von Hintergrund, Absichten und Methoden der Politik, wie sie Herbert Wehner in diesem Hause und außerhalb dieses Hauses seit vielen Jahren propagiert.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, dieses ganze Manifest ist Ihnen unbequem. Ich verstehe zwar nicht, warum Sie es nicht verwenden, um zu begreifen, was in der Vielfalt der Auffassungen und der Meinungen jetzt herüberkommt. Aber die Wahrheit ist natürlich oft ein Ärgernis. Sie werden hier mit Tatsachen, mit Wahrnehmungen und mit Urteilen konfrontiert, die ein von Ihnen fabriziertes Bild stören.

    (Dr. Meinecke [Hamburg] [SPD] : Wahrheiten?)

    — Ja, ich meine Wahrheiten, Herr Kollege Meinecke. Ich glaube wirklich, daß, von einigen wenigen Dingen abgesehen, dieses Manifest wichtige Wahrheiten enthält. Deshalb nenne ich es ein Dokument



    Dr. Marx
    der Zeitgeschichte. Es wird als solches in der Geschichte seinen Platz behalten.

    (Zuruf von der SPD: Das glauben Sie! Sie wissen das doch alles gar nicht!)

    Ich hatte ohnehin den Eindruck aus manchem anderen Beitrag in dieser Debatte, z. B. bei einer Reihe von wirren Darlegungen, Herr Kollege Friedrich, bei Ihnen, daß Sie sich verzweifelt an Ihre mühsam zusammengebastelten politischen Vorstellungen klammern, obwohl die politische Wirklichkeit längst überdie damit verbundenen Formeln und Vorstellungen hinausgegangen ist.

    (Zuruf von der SPD: Alles nichts Neues! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Daß dabei auch noch die Politik der Regierung selbst in sich immer diffuser und in wichtigen Feldern widersprüchlicher geworden ist, macht die Sache nicht besser, macht aber die Notwendigkeit noch dringlicher, eine abgewirtschaftete Regierung durch eine bessere zu ersetzen, eine verfehlte Politik durch eine realistische.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)