Rede von
Dr.
Werner
Marx
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Obwohl am vergangenen Donnerstag und heute bei der Beratung des Haushalts des Bundeskanzlers wiederholt einzelne Themen der Außenpolitik angesprochen worden sind, gibt die Beratung des Einzelplans 05 Gelegenheit, noch einmal zur Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland zusammenfassend Stellung zu nehmen. Ich gehe dabei auch auf die Rede ein, die der Bundesaußen- minister am vergangenen Donnerstag als, sagen wir, einen Diskussionsbeitrag zur Regierungserklärung des Bundeskanzlers abgegeben hat.
Unser Land und unser Volk sind in ein schwieriges, problemgeladenes Jahr 1978 eingetreten. Die Zeichen der Weltpolitik stehen nicht auf Harmonie. Stürme drohen und Komplikationen zeichnen sich ab. Der Bundeskanzler sagt in seiner eben genannten Regierungserklärung sogar, der Friede in der Welt sei gefährdet. Aus Moskau und Ost-Berlin tönen in den letzten Tagen zusätzliche Provokationen und auch Drohungen zu uns herüber. Wir, die christlichen Demokraten und die Christlich-Soziale Union wollen in voller Verantwortung unser Teil dazu beitragen, daß Konflikte und Gefährdungen der freien Entfaltung der Menschen und Völker eingedämmt werden. Wir bleiben in unseren außenpolitischen Vorstellungen in der Kontinuität unserer Politik, die unter der Leitung Konrad Adenauers formuliert worden ist, errungene Freiheit zu verteidigen, den kostbaren Frieden zu erhalten, auf Gerechtigkeit, Wohlfahrt und Solidarität hinzustreben. Natürlich können wir dabei auch künftig nicht gleichgültig bleiben gegenüber Menschenrechtsverletzungen und menschenunwürdigen Verhältnissen. Wir treten ein für das Selbstbestimmungsrecht der Menschen und Völker, aber bitte nicht nur dort, wo z. B. weit weg Menschenrechte und Selbstbestimmung verletzt werden, sondern auch und zuerst im eigenen Lande, wo 17 Millionen Deutsche in Unfreiheit leben.
Eine wichtige Priorität nimmt für uns der weitere Ausbau, die Vertiefung der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Europäischen Gemeinschaft ein. Ohne das enge Bündnis, die verständnis- und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten sind Fortschritt, Sicherheit und eine wirksame förderliche Politik gegenüber den Ländern der Dritten Welt nicht möglich. In diesen Gedanken gehört unsere Mahnung, die Nordatlantische Verteidigungsgemeinschaft angesichts der immer weiter andauernden rasanten Aufrüstung des Ostblocks, die längst jedes Verteidigungsbedürfnis überschritten hat, zu stärken. Ich erinnere bei dieser Gelegenheit an die NATO-Konferenz vom letzten Dezember
und an die Feststellungen, die dort der norwegische General Gundersen vortrug, daß nämlich die sowjetische Rüstung dramatische und gefährliche Formen annehme.
Zu den beunruhigenden Vorgängen in Italien hat der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung lediglich die Hoffnung ausgedrückt, daß die Regierungskrise bald beendet werde. Aber meine Damen und Herren, es handelt sich dort um weit mehr als um die Krise einer Regierung: Die parlamentarischdemokratische Ordnung ist in Gefahr. Wir beobachten mit Sorge das immer wieder von italienischen Sozialisten und Republikanern geforderte und geförderte Hineindrängen der Kommunisten in die Regierung. Wir erklären uns ganz entschieden gegen die Koalition einer christlichdemokratischen Partei mit Kommunisten, mögen sie sich auch tarnend und ihren wahren Charakter zunächst verbergend Eurokommunisten nennen. Wir warnen ausdrücklich vor den bösen und unübersehbaren Auswirkungen, die eine Regierungsteilnahme von Kommunisten in einem Land der Europäischen Gemeinschaft und der NATO auf dieses Land, auf Freiheit und Wohlfahrt seiner Bevölkerung, auf die Gemeinschaft und das Bündnis selbst haben werden.
Wir wollen zweifelsfrei klarmachen, daß man unserer Überzeugung nach mit Kommunisten weder ein freiheitliches Europa noch eine marktwirtschaftliche, sozial gebundene Wirtschaftsordnung aufbauen noch eine Verteidigungsgemeinschaft gegen kommunistische Gefahr von außen erhalten und verstärken kann.
Wir begrüßen es daher ganz nachdrücklich, daß die Democrazia Cristiana mit großer Hartnäckigkeit dem ständigen Drängen auf verantwortliche Zusammenarbeit mit den Kommunisten widersteht.
Der Bundeskanzler hat sein Bedauern über das Ausbleiben des immer wieder angekündigten Besuchs Leonid Breschnews ausgedrückt. Er hat uns aber nicht erklärt, warum er diesen Besuch vor der vorigen Bundestagswahl bereits als nahe und unmittelbar bevorstehend angekündigt hat, als der Eindruck entstehen durfte, daß diese Ankündigung zugleich einen Versuch enthält, zusätzliche Stimmen zu gewinnen und sozusagen „Breschnew ante portas" als ein leibhaftiges Beispiel der wirksamen Entspannungspolitik darzustellen.