Uns beide verbindet ja ein gutes Vokabular, das Sie mir in all den letzten Jahren entgegengeworfen haben. Ihr „Ehrenmann" ist nicht der Ehrenmann, den man draußen meint. Dafür stehen Worte ein, mit denen Sie sonst andere Kollegen und mich in diesem Hause titulieren. Ihnen kann man dieses glaubwürdig leider nicht abnehmen. Ich würde mich freuen, wenn es anders wäre.
Auf der langen Liste der PR-Maßnahmen der Bundesregierung des Jahres 1977 — das ist die Liste der Rechenschaft — finden wir unter anderem einige sogenannte „Unterrichtungen" der Öffentlichkeit. Lassen Sie mich zuerst eine Broschüre nennen,
die beim Bundesminister für Wirtschaft herausgegeben wurde. Sie lautet „Mehr und sichere Arbeitsplätze durch Wachstum". In einem Kapitel heißt es dort unter anderem unter der Überschrift „Mittelstand — Rückgrat der Wirtschaft" :
Die Bundesregierung hat es stets als politische Verpflichtung betrachtet, kleinen und mittleren Unternehmen Chancengleichheit im Wettbewerb einzuräumen, denn der äußere Schein trügt: Nicht die relativ wenigen Großunternehmen mit international bekannten Namen bestimmen das Bild der deutschen Wirtschaft, sondern eine unübersehbare Zahl von kleinen und mittleren Betrieben in Handel, Handwerk und Dienstleistung der Industrie.
Soweit, so gut. Wie wahr!, kann man da nur sagen.
Doch wie sehen die Tatsachen wirklich aus? Hier sei nur die Aktion „Gelber Punkt" genannt, mit dem Handel und Gewerbe verteufelt wurden.
Es sind Gängelei und blühender Bürokratismus durch eine Flut von komplizierten, kaum durchdringbaren Gesetzen und Vorschriften festzustellen. Fragen Sie die Handwerksmeister draußen, die uns gerade noch eine Liste mit 130 Positionen über die Dienstleistungen vorgelegt haben, die auf Grund von Gesetzen und Vorschriften für den Staat unentgeltlich in den Betrieben geleistet werden müssen! Ferner nenne ich investitionshemmende, leistungsfeindliche Besteuerung, insbesondere im Bereich der ertragsunabhängigen Steuern, sowie kostentreibende Hochzinspolitik infolge jahrelanger Inflationspolitik. Die Konsequenz daraus ist — davon steht in diesen Broschüren kein Wort —: In den letzten drei Jahren mußten fast 30 000 Betriebe schließen. Es waren fast 30 000 Konkurse und Insolvenzen, vor allem im mittelständischen Bereich, und Hunderttausende für immer vernichtete Arbeitsplätze zu verzeichnen. Das ist das traurige Ergebnis Ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik, das ist Ihre Mittelstandspolitik. Davon steht in diesen Broschüren überhaupt kein Wort.
In der Broschüre mit dem sinnigen Titel „Was tun sie eigentlich für uns?" wird die Politik der Bundesregierung für junge Menschen dick heraus- gestrichen. Ein Zitat lautet: „Wir tun gar nicht wenig. Wir wollen nicht unbescheiden sein; aber in den letzten Jahren haben Parlament und Regierung tatsächlich eine ganze Menge für die Jugend getan." Wie sehen demgegenüber die Tatsachen aus? Fast 100 000 junge Mitbürger sind arbeitslos. Zehntausende finden keinen Arbeitsplatz. Mehrere zehntausend Abiturienten sind Opfer des Numerus clausus ; eine wechselnde Zahl von Hochschulabsolventen findet keinen ihrer Ausbildung entsprechenden Arbeitsplatz. Diese Probleme werden sich in den kommenden Jahren auf Grund der in das Berufsleben eintretenden geburtsstarken Jahrgänge noch drastisch verschärfen. Dies sind aber auch Probleme, die diese Bundesregierung seit Jahren vor sich herschiebt, für die auch nicht in Ansätzen Lösungsvorstellungen bestehen. Im Gegenteil — alle Statistiken in diesem Bereich beweisen es —: Die Bundesregierung ist mit ihrer Wirtschafts-, Sozial-und Arbeitsmarktpolitik in eine Sackgasse geraten.