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    Plenarprotokoll 8/67 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 67. Sitzung Bonn, Dienstag, den 24. Januar 1978 Inhalt: Abwicklung der Tagesordnung . . . . . 5147 A Amtliche Mitteilung ohne Verlesung . . . 5147 A Begrüßung einer Delegation des Landwirtschaftsausschusses der Brasilianischen Abgeordnetenkammer 5164 B Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1978 (Haushaltsgesetz 1978) — Drucksachen 8/950, 8/1285 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksache 8/1361 - 5147 B Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksache 8/1362 — Collet SPD 5147 D Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksache 8/1363 — 5149 C Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und . des Bundeskanzleramtes — Drucksache 8/1364 — Strauß CDU/CSU 5149 D Brandt SPD 5164 C Hoppe FDP 5173 B Dr. Apel, Bundesminister BMF 5179 D Dr. von Weizsäcker CDU/CSU 5183 C, 5184 A Dr. Marx CDU/CSU (zur GO) 5183 D Porzner SPD (zur GO) 5184 A Friedrich (Würzburg) SPD 5190 D Dr. Bangemann FDP 5196 D Schmidt, Bundeskanzler 5202 D Schröder (Lüneburg) CDU/CSU 5209 C Löffler SPD 5214 A Wohlrabe CDU/CSU 5215 C Esters SPD 5218 D Namentliche Abstimmung 5220 A II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 24. Januar 1978 Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksache 8/1365 — Dr. Marx CDU/CSU . . . . . . . . 5222 A Frau Renger SPD 5229 A Picard CDU/CSU 5233 B Genscher, Bundesminister AA 5236 A Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksache 8/1380 — Mattick SPD 5239 B Franke, Bundesminister BMB 5241 D Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksache 8/1378 — Picard CDU/CSU 5245 C Esters SPD 5247 C Gärtner FDP 5250 B Frau Schlei, Bundesminister BMZ . . . . 5251 A Dr. Hoffacker CDU/CSU . . . . . . . 5253 B Hofmann (Kronach) SPD 5257 C Dr. Vohrer FDP 5259 A Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht — Drucksache 8/1376 — . . . . . . . 5260 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 21. Mai 1974 über die Verbreitung der durch Satelliten übertragenen programmtragenden Signale — Drucksache 8/1390 — 5260 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 11. Oktober 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Island über die gegenseitige Unterstützung in Zollangelegenheiten — Drucksache 8/1358 — 5260 A Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Altölgesetzes — Drucksache 8/1423 — 5260 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Agrarbericht 1977 — Drucksachen 8/80, 8/81, 8/1350 — . . . 5260 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zum Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD, FDP zur Beratung des Agrarberichts 1977 der Bundesregierung — Drucksachen 8/306, 8/1351 — . . . . 5260 C Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen Veräußerung der bundeseigenen Liegenschaft „ehemalige Gallwitz-Kaserne" in Ulm an die Stadt Ulm — Drucksache 8/1352 — . . . . . . . 5260 C Beratung der Sammelübersicht 17 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen - Drucksache 8/1415 — . . . . . . . 5260 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Entwurf einer Richtlinie des Rates über bestimmte Erzeugnisse für die Tierernährung Vorschlag einer dritten Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 70/524/EWG über Zusatzstoffe in der Tierernährung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 74/63/EWG über die Festlegung von Höchstgehalten an unerwünschten Stoffen und Erzeugnissen in Futtermitteln und zur Änderung der Richtlinie 70/373/EWG über die Einführung gemeinschaftlicher Probenahmeverfahren und Analysemethoden für die Untersuchung von Futtermitteln — Drucksachen 8/833, 8/1353 — 5260 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2772/75 über Vermarktungsnormen für Eier — Drucksachen 8/814, 8/1420 — 5261 A Nächste Sitzung 5261 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 5263* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 24. Januar 1978 5147 67. Sitzung Bonn, den 24. Januar 1978 Beginn: 9.00 Uhr
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    Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens ** 24. 1. Alber ** 24. 1. Dr. Bardens ** 24. 1. Böhm (Melsungen) ** 24. 1. Frau von Bothmer ** 24. 1. Büchner (Speyer) ** 24. 1. Dr. Dollinger 24. 1. Dr. Enders ** 24. 1. Flämig * 24. 1. Dr. Geßner ** 24. 1. Handlos ** 24. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Kreile 27. 1. Frau Krone-Appuhn 27. 1. Lagershausen** 24. 1. Lampersbach 24. 1. Lemmrich** 24. 1. Marquardt ** 24. 1. Dr. Müller ** 24. 1. Müller (Wadern) * 24. 1. Offergeld . 27. 1. Pawelczyk ** 24. 1. Reddemann ** 24. 1. Dr. Schäuble *' 24. 1. Scheffler ** 24. 1. Schmidthuber ** 24. 1. Dr. Schwencke (Nienburg) ** 24. 1. Dr. Todenhöfer 24.2. Dr. Vohrer ** 24. 1. Frau Dr. Walz * 24. 1. Baron von Wrangel 27. 1.
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    Rede von Bruno Friedrich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege Mertes, da Sie diese Frage immer wieder beunruhigt: Soweit es um den Text der Entschließung geht, nehmen beide Fraktionen ihn ernst und stehen dazu. Ich möchte aber hinzufügen, daß für mich eine Krücke nicht eine Beleidigung, sondern ein humanitäres Instrument ist, und Sie hatten das damals nötig.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
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    Rede von Bruno Friedrich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nein, ich möchte gern fortfahren. Es muß doch noch möglich sein, in diesem Hause neben Texten auch noch eine Bewertung vorzunehmen. — Da Sie lachen, freue ich mich, daß endlich in diesem Hause die CDU bei einer außenpolitischen Debatte auch mal wieder eines Lächelns fähig ist.
    Der Bundesaußenminister hat am Donnerstag vier Grundlagen der Außenpolitik genannt. Er sagte: Wir wollen die europäische Einigung vorantreiben, wir wollen das Atlantische Bündnis erhalten, wir wollen durch Entspannung ein geregeltes Nebeneinander mit dem Osten und der DDR, wir wollen gerechten Interessenausgleich und gleichberechtigte Partnerschaft mit der Dritten Welt. Diese Sätze, als Prinzipien gesetzt, könnten von allen Fraktionen akzeptiert werden. Warum ist es also nun nicht möglich, den schablonenartigen Ablauf mit dem verbissenen Streit um die Ostpolitik mit Themen zu durchbrechen, wie ich sie gerade genannt habe?
    Herr von Weizsäcker, ich bin der Meinung, daß z. B. die Frage der europäischen Einigung für dieses Parlament ein gemeinsamer Auftrag wäre, weil wir, wenn ich an die Erweiterung der Gemeinschaft denke, die einzigen sind, die der politischen Bedeutung der Erweiterung den Vorrang geben. Diese europäische Einigung verlangt gemeinsame Anstrengungen aller Parteien freilich auch dann, wenn es um die Kasse geht. In der Tat ist die europäische Frage ins Zwielicht geraten. Wir werden uns eines Tages vielleicht fragen lassen müssen, ob wir nicht zwar gewaltige Europäer der Zunge gewesen sind, aber Europäer der Tat nur als politische Pygmäen. Diese Möglichkeit besteht nach wie vor. Dabei spielt die Europäische Gemeinschaft heute bereits eine höchst konstruktive Rolle in der Weltpolitik, vor allem im Nord-Süd-Dialog. In diesem Zusammenhang bewerten wir sehr hoch den Auftrag, den der Vorsitzende der SPD, Willy Brandt, erhalten hat.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Europäische Gemeinschaft ist heute weit mehr als eine Wirtschaftsgemeinschaft. Sie sollte auch weitaus mehr sein als Europäische Politische Zusammenarbeit. Es geht — ich weiß, daß hier manche schon zurückschrecken — um die Entwicklung einer gemeinsamen politischen und sozialen Kultur, die zugleich fähig ist, die Vielfalt der nationalen Kulturen zu achten und zu bewahren. Nach wie vor stehen wir auch erst am Anfang einer Erfahrung im gemeinsamen europäischen Handeln. Europa muß einen politisch-geistigen Verfassungskonsens entwickeln — auch dies wäre ein Auftrag an dieses Haus —, aber nicht in erneuter ideologischer Spaltung, sondern in der Verbindung von Freiheit und Gerechtigkeit, in der Aussöhnung der unterschiedlichen Strömungen und nicht im Aufeinanderprallen unter der Parole „Freiheit oder Volksfront".

    (Beifall bei der SPD)

    In gemeinsamen demokratischen Wertvorstellungen und im sozialen Ausgleich zwischen den armen und den reichen Regionen Europas sehen wir unsere historische Aufgabe für diesen Kontinent.
    Ich gehe davon aus, Herr von Weizsäcker, daß Ihre Ausführungen in sehr hartem Gegensatz zu dem stehen, was im April des vergangenen Jahres der CSU-Vorsitzende Strauß in einem Interview in der „Welt" erklärt hat, als er sehr deutlich sagte, man werde lieber auf die europäische Einigung verzichten, wenn Europa sozialistisch wäre. Nun, daß er mit „sozialistisch" auch die sozialdemokratischen Parteien meint, wissen wir aus der Erfahrung der letzten Jahre. Deshalb unsere Frage: Sind Sie auch bereit, sich an der europäischen Einigung zu beteiligen, wenn Sie davon ausgehen müssen, daß die Mehrheitsfraktion im Europäischen Parlament vom Bund der sozialdemokratischen Parteien Europas gestellt wird? Wenn Sie dies bejahten, Herr von Weizsäcker, dann wären wir über Strauß hinaus einen großen Schritt weitergekommen.
    Unsere europäischen Bekenntnisse wird man an unserer Bereitschaft messen, den Staaten zu helfen, die als junge oder erneuerte Demokratien nach Europa hineinkommen. Enttäuschen wir die Hoffnungen Spaniens, Portugals, Griechenlands und, ich füge hinzu, auch der Türkei, dann wird sich Europa seine größte Niederlage seit 1945 selbst zufügen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Europäische Solidarität wird aber auch an unserem Willen gemessen werden, die Notwendigkeit der Vollbeschäftigung als ein europäisches Problem zu begreifen. Wie soll ein demokratisches Europa eine Hoffnung der jungen Generationen sein, wenn dieses Europa den jungen Menschen nicht einmal die Aussicht auf einen Arbeitsplatz bieten kann? Dies ist in manchen Staaten ein viel größeres Problem als bei uns. Es wäre an der Zeit, daß sich die europäischen Staaten — und dies ist eine Aufforderung an den Ministerrat — zusammensetzen, um die Jugendarbeitslosigkeit als das wichtigste nicht nur soziale, sondern auch politische Problem der Europäischen Gemeinschaft 711 behandeln.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)




    Friedrich (Würzburg)

    Wir wünschen die europäische Einigung, aber wir wünschen auch, daß die nationale Frage offenbleibt. Im Hearing zur Deutschlandpolitik hat Professor Dahrendorf dieses Problem angesprochen. Es ist ein drängendes Problem. Wir müssen uns diesem Problem stellen. Wenn Hearings den Sinn haben, politische Positionen, politische Entscheidungen vorzubereiten, dann sollten einmal das Problem der europäischen Einigung und die deutsche Frage in ihrem Zusammenhang im Bericht zur Lage der Nation eine breite Darstellung erfahren.
    Der CSU-Vorsitzende Strauß hat im April 1977 in seinem „Welt"-Interview alles abgelehnt, was den Korb II der KSZE-Schlußakte betrifft — ich darf zitieren —:
    Der Westen darf weder wissenschaftlich-technische Erkenntnisse liefern, die mittelbar oder unmittelbar der sowjetischen Rüstung dienen, noch Fabrikanlagen kreditieren, die der KP-Führung erlauben, mit den Schwierigkeiten im eigenen Land leichter fertigzuwerden.
    Dies ist eine klare Absage des wirtschafts- und finanzpolitischen Sprechers der CDU/CSU-Fraktion an Korb II der Schlußakte.

    (Zuruf des Abg. Jäger [Wangen] [CDU/ CSU])

    Ich möchte wissen, wo manche deutschen Betriebe stünden, wenn sie nicht über die Ostpolitik eine gute Sicherung ihrer Arbeitsplätze hätten.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Wir freuen uns über jeden neuen Auftrag, den wir dank der Entspannungspolitik durch gute wirtschaftliche Beziehungen für unser Land gewinnen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Vor allem die Textilindustrie! Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Was die Diskussion über die Entspannung, über die Menschenrechte so schwierig macht, ist, daß sie geführt wird, als ob wir noch in den Jahren 1970 bis 1975 stünden. Dabei hat sich seit Unterzeichnung .der KSZE-Schlußakte in Helsinki die internationale Lage auch in Europa qualitativ verändert. Die Ölkrise hat sich zu einer Strukturkrise der Weltwirtschaft ausgeweitet, und die wenig flexiblen Planwirtschaften der kommunistischen Staaten sind nicht minder hart, häufig härter betroffen als die westlichen Staaten. Die Sozialstrukturen aller Gesellschaften — und hier meine ich Ost und West — sind politisch in Bewegung geraten. Herr Strauß spricht ja so gerne von neuen Parteistrukturen, die er gerne haben möchte.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das können Sie doch gar nicht miteinander vergleichen in Ost und West!)

    Die Oststaaten sind zum erstenmal mit autonomen
    kritischen Strömungen konfrontiert, vor denen der
    bisherige Kontrollmechanismus der Einparteiendiktatur versagt.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Das ist doch alles nur Provokation! Das sind keine neuen Strömungen!)

    Die Dissidenten sind hier in der Tat nur Symptome.

    (Weiterer Zuruf des Abg. Jäger [Wangen] [CDU/CSU])

    — Ach Gott, wissen Sie, Herr Abgeordneter Jäger, manchmal hat man das Gefühl, daß dieses Haus die Gruft der toten Seelen der kalten Krieger ist,

    (Dr. h. c. Kiesinger [CDU/CSU] : Sie haben ihn ja gar nicht verstanden!)

    aber weiterhelfen wird uns dies nicht.
    Auf der anderen Seite hat die amerikanische Nation, eine vitale Nation, Vietnam und Watergate überwunden, während sich die kommunistischen Staaten insgesamt erstmals seit der Oktoberrevolution einem ideologischen, ökonomischen und sozialen Veränderungsprozeß größter Dimension stellen müssen. Die Frage ist, wie dies von ihnen bewältigt wird. Ich gebe ganz offen zu, daß sich manche bei diesem Thema langweilen, weil man an diese Frage nicht mit den alten Schlagworten herangehen- kann. Dies gebe ich zu. Trotzdem ist dies für uns eine eminent wichtige Frage: ob dieses Problem im Sinne der KSZE-Schlußakte bewältigt wird oder ob wir mit einem neuen Rüstungswettlauf ohnegleichen rechnen müssen. Das ist eine nach wie vor offene Frage. Dies ist es, was ich die qualitative Veränderung der internationalen Politik nenne.
    Ich halte es aber für falsch, aus all diesen Veränderungen heraus ein Scheitern der Entspannungspolitik abzuleiten. Denn dies sind Veränderungen, die aus den nationalen Situationen und nicht aus den internationalen Beziehungen entstanden sind.
    In diesem Zusammenhang haben Sie, Herr Kollege von Weizsäcker, den Bundeskanzler gefragt, ob er da nicht zu optimistisch sei. Darauf darf ich aus einem Dokument antworten. Es ist ein interessantes Dokument, weil mit ihm am vorletzten Tag des letzten Jahres zum erstenmal in einem kommunistischen Staat — in Warschau — die Pressekonferenz des amerikanischen Präsidenten mit internationalen Journalisten in vollem Wortlaut, also ungekürzt, in einer kommunistischen Zeitung veröffentlicht worden ist. Inzwischen ist es auch auf deutsch veröffentlicht. Ich darf hier zitieren. Frage:
    Herr Präsident, was halten Sie von den Vorschlägen von Bundeskanzler Schmidt, dieses Treffen in dieser oder jener Form auf höchster Ebene zu wiederholen?
    Antwort von Präsident Carter_— wenn ich zitieren darf, Herr Präsident —:
    Ich glaube, daß die Beschlüsse von Helsinki, die zur Zusammenarbeit und Sicherheit in Europa aufrufen, die auch den sogenannten dritten Korb enthalten, auf die maximale Festigung und Aufrechterhaltung der Menschenrechte Nachdruck legen, ein wichtiges Dokument für



    Friedrich (Würzburg)

    die Polen, für unser Land und die anderen Signatarstaaten dieses Vertrages sind.
    Wir sind der Meinung, daß die Belgrader Konferenz fruchtbar war. Es ist eine Frage, über die multilateral verhandelt werden muß. Die Bedingungen dieser Übereinkunft sehen eine offene und ehrliche Kritik seitens anderer Signatarstaaten vor. Wir hoffen, daß die Tagung schnell und erfolgreich beendet wird und es in Zukunft zu mehrfachen geplanten Begegnungen, die an die Belgrader Konferenz anschließen, kommen wird.
    Das heißt: Der amerikanische Präsident hat sich in Warschau dem Vorschlag des Bundeskanzlers voll angeschlossen.
    Wenn wir also aus dieser neuen internationalen Situation heraus fragen, wie es mit der Entspannung weitergeht, dann werden uns Augenblicksberichte nicht weiterhelfen. Gültig ist nach wie vor, daß aus der Machtlage in Europa heraus keine Seite der anderen Seite ihre Positionen aufzwingen kann, genauso, wie es unbestritten sein dürfte, daß der Versuch, von außen das politische System der Oststaaten zu sprengen oder zu stürzen, größere Gefahren auslösen würde als nur das Ende des Entspannungsprozesses. Nur wenn wir diese Gefahr des Umschlagens in einen neuen Kalten Krieg vermeiden, können wir in Europa für Wandlungen eintreten, die dem Anliegen der Menschenrechtsbewegungen entgegenkommen.

    (Beifall bei der SPD)

    Als die osteuropäischen Staaten die KSZESchlußakte unterzeichneten, mußten sie sich darüber klar sein, daß der damit verbundene Annäherungsprozeß ihre eigenen politischen und gesellschaftlichen Strukturen verändern würde. Das Ausmaß und das Tempo dieser innenpolitischen Veränderungen hat sie zweifellos überrascht. Gegenwärtige Unsicherheit und Verkrampfungen sind daher eine natürliche Folge. Diese Situation verlangt von uns den Mut zum Weitermachen, noch mehr aber Augenmaß und Geduld. Ich nehme dafür den Vorwurf der Leisetreterei entgegen, weil dies dem Frieden in Europa dient.

    (Beifall bei der SPD)

    Eine Antwort zu dieser Haltung gibt Immanuel Kant im Anhang seiner Schrift „Zum ewigen Frieden", als er, die Fortentwicklung der Diktatur zum gesetzlichen Staat prüfend, feststellt, es könne von einem Staat — und nun Kant wörtlich —
    nicht verlangt werden, daß er seine, obgleich despotische, Verfassung ablegen solle, solange er Gefahr läuft, von anderen Staaten sofort verschlungen zu werden; mithin muß ... auch die Verzögerung bis zu besserer Zeitgelegenheit verlaubt sein.
    Und Kant spricht von „Gleis ins Gleis bringen". In einer Fußnote zu dem zitierten Satz bekräftigt Kant:
    Dies sind Erlaubnisgesetze der Vernunft, den
    Stand eines mit Ungerechtigkeit behafteten öffentlichen Rechts noch so lange beharren zu lassen, bis zur völligen Umwälzung alles entweder von selbst gereift, oder durch friedliche Mittel der Reife nahegebracht worden.
    Es scheint uns wichtig, in dieser — wie ich ganz offen sage — höchst komplizierten Phase des Entspannungsprozesses diese Sätze Kantscher Staatsklugheit zu beachten. Können wir es doch tun aus dem Wissen um unsere ungefährdete Stärke, Festigkeit und Sicherheit im Atlantischen Bündnis, die auch Präsident Carter für die USA bekräftigt hat.
    Aber neben der Sicherheit im Atlantischen Bündnis wollen wir nicht vergessen, daß Präsident Carter neben dem Kampf um Menschenrechte auch den Kampf gegen zuviel Rüstung als seine wichtigste Aufgabe bezeichnet hat.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Dr. Barzel [CDU/CSU])

    Ich möchte zum Schluß, weil der Kollege Zimmermann dies am Donnerstag angesprochen hat, zur Reise der Delegation der SPD-Bundestagsfraktion mit Herbert Wehner nach Prag etwas sagen.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Was war das denn für ein Durchbruch? Erzählen Sie mal!)

    Sie war mehr als der signalisierte Wille, den Entspannungsprozeß offenzuhalten. Natürlich haben Sie es leicht, darüber zu spotten.
    Für diesen Besuch gab es viele Gründe. Aber ein Grund gilt für alle Fraktionen dieses Hauses, ich meine die Einhaltung des Vertrags von 1973. Die Herstellung friedlicher Beziehungen und ihre Weiterentwicklung sind nach der Ratifizierung des Vertrags, meine ich, eine Aufgabe aller Fraktionen dieses Hauses.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU] : Aber was war denn der Durchbruch, Herr Friedrich? — Zuruf von der CDU/CSU: Das steht im „Spiegel" !)

    — Ich werde gleich einiges dazu sagen, Herr Kollege Barzel. Ich habe schon gesagt, ich möchte dazu etwas ausführlicher Stellung nehmen.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Gern!)

    Es wäre gut, wenn auch Sie hinüberfahren würden. Es wäre gut für dieses Land, wenn 15 Millionen Menschen zur Kenntnis nehmen könnten, daß Europa die Tschechoslowakei und ihre Menschen nicht vergessen hat.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich möchte die Gründe für diesen Besuch nennen. Das deutsche Reich hat zwar nach dem Ersten Weltkrieg als erster Staat die tschechoslowakische Republik anerkannt. Aber dies war nach 60 Jahren, Herr Kollege Barzel, der erste Besuch einer deutschen Parlamentsdelegation in Prag. Ich meine, dies ist ein Grund. Ich glaube, darin stimmen wir überein.
    Der zweite Grund: Die CSSR ist zwar kommunistisch regiert. Aber sie zählt 15 Millionen Menschen,



    Friedrich (Würzburg)

    die unsere Grenznachbarn sind, mit denen wir friedlich leben wollen. Von diesem guten Willen, Herr Kollege Barzel, haben wir Zeugnis gegeben. Ich bedaure deshalb, daß der Landesgruppenvorsitzende der Christlich-Sozialen Union dieses Thema mit einer solchen Häme angegangen ist. Denn die bayerisch-böhmische Grenze war durch alle Jahr- hunderte hindurch eine friedliche Grenze, und die Menschen beider Seiten haben einander immer geschätzt.

    (Beifall bei der SPD)

    Drittens. Durch unseren Besuch in Lidice haben wir kundgetan, daß wir nicht vergessen haben, daß das Münchener Abkommen und sein Bruch im Jahr 1939 der erste Anlaß zum Zweiten Weltkrieg waren. Auch dies ist ein Grund, in die CSSR zu fahren.
    Wenn Sie nach den Ergebnissen fragen, die Sie erwarten, dann kann ich Ihnen sagen, daß wir mit denen, die wir als Gesprächspartner zu haben die Ehre hatten — denn dies ist ein Land, mit dem wir feierlich Beziehungen aufgenommen haben und das wir respektieren —, alle Themen sehr offen und ungeschminkt angesprochen haben.

    (Schröder [Lüneburg] [CDU/CSU] : Haben Sie auch die Menschenrechte angesprochen?)

    — Ich habe gesagt: Alle Themen sind offen und ungeschminkt angesprochen worden.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU] : Kann doch gar nicht sein!)

    Aber ich weiß nicht, welche Vorstellungen Sie inzwischen von internationaler Politik haben. Ob eine Demokratie oder eine Diktatur: es wird keinen Staat geben, der es in Wahrung seiner eigenen Souveränität hinnehmen würde, daß er öffentlich bei einem eingeladenen Besuch Rechenschaft abgeben soll. Das, was wir zu erreichen versuchen, ist ein Klima, aus dem heraus sich die Beziehungen und auch die Menschenrechte so entwickeln, wie sie sich nach der KSZE in vielen Staaten Osteuropas entwickelt haben. Wir sind der Meinung, daß man die CSSR von dieser Entwicklung nicht ausschließen sollte.
    Wir freuen uns, daß ein Kulturabkommen bald möglich ist. Wir freuen uns, daß sich beide Staaten und das Rote Kreuz beider Staaten über die Zahlen der Ausreisewilligen geeinigt haben. Sie werden feststellen, daß es nicht 80 000, nicht 20 00, auch nicht 5 000 sind und daß man auf beiden Seiten in einer Situation ist, auch dieses humanitäre Problem zu lösen. Wir hoffen, daß auch noch andere humanitäre Probleme aus dem Klima einer neuen, besseren Beziehung heraus, wie wir sie seit dem Vertrag anstreben, lösbar sind.
    Ich möchte hinzufügen, daß wir uns davor hüten sollten, dieses kleine Land, das immer unter seiner europäischen Mittellage gelitten hat, wie oft auch die Deutschen, zur Drehscheibe des ideologischen Weltkonflikts zu machen. In der Tat, dies hält es nicht aus.
    Wenn zum erstenmal ein Staatspräsident dieses Landes die Bundesrepublik besucht, dann sollte er
    empfangen werden wie alle Staatspräsidenten, die wir als unsere Gäste hier begrüßen.

    (Beifall bei der SPD)

    Dies alles trugen wir im Gepäck nach Prag, hatten es auch mit dabei bei der Rückfahrt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Hat der Außenminister davon gewußt?)

    Die SPD-Fraktion wird dem Haushalt des Bundeskanzlers aus der Gewißheit heraus zustimmen, daß sich die Position der Bundesrepublik Deutschland heute von der Rolle des Deutschen Reiches unterscheidet. Denn zum erstenmal, seitdem Deutschland ein weltpolitischer Faktor ist, befindet sich dieser Staat in Übereinstimmung mit den konstruktiven Trends der Weltpolitik. Wer im Herbst gespürt hat, was an Vorurteilen in unseren Nachbarstaaten und in der Welt noch lebendig ist, der weiß, daß dies für uns eine ungeheuer wichtige Aufgabe ist.
    So wie wir den Ausgleich mit Frankreich gesucht haben, so ist es an der Zeit, daß wir — und ich sage das im Sinne des Wortes — auch die slawischen Völker als gleichberechtigte Nachbarn mit einer gleichen gemeinsamen kulturellen Vergangenheit anerkennen und diese Nachbarschaft aktiv praktizieren. Dies ist ein Auftrag, dessen Erfüllung noch aussteht.
    Ich wünschte mir, daß diese neuen Probleme der internationalen Politik in diesem Hause in einem anderen Klima diskutiert werden könnten, damit wir zu den schwierigen Sachfragen vorzustoßen vermögen, die unser Land insgesamt bedrängen und die uns alle betreffen. So wie diese Debatte bis jetzt gelaufen ist, wird es noch ein Stück dauern. Der Bundesregierung hat es in ihrer außenpolitischen Handlungsfähigkeit nicht geschadet. Der Kanzler hat seine Mehrheit, und er wird sie auch heute haben. Aber ich meine, daß das außenpolitische Gewicht des Parlaments gelitten hat. Wenn wir dies ändern könnten, wäre das ein gutes Ergebnis dieser Debatte.

    (Beifall bei der SPD)