Rede:
ID0806700400

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 8067

  • date_rangeDatum: 24. Januar 1978

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/67 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 67. Sitzung Bonn, Dienstag, den 24. Januar 1978 Inhalt: Abwicklung der Tagesordnung . . . . . 5147 A Amtliche Mitteilung ohne Verlesung . . . 5147 A Begrüßung einer Delegation des Landwirtschaftsausschusses der Brasilianischen Abgeordnetenkammer 5164 B Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1978 (Haushaltsgesetz 1978) — Drucksachen 8/950, 8/1285 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksache 8/1361 - 5147 B Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksache 8/1362 — Collet SPD 5147 D Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksache 8/1363 — 5149 C Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und . des Bundeskanzleramtes — Drucksache 8/1364 — Strauß CDU/CSU 5149 D Brandt SPD 5164 C Hoppe FDP 5173 B Dr. Apel, Bundesminister BMF 5179 D Dr. von Weizsäcker CDU/CSU 5183 C, 5184 A Dr. Marx CDU/CSU (zur GO) 5183 D Porzner SPD (zur GO) 5184 A Friedrich (Würzburg) SPD 5190 D Dr. Bangemann FDP 5196 D Schmidt, Bundeskanzler 5202 D Schröder (Lüneburg) CDU/CSU 5209 C Löffler SPD 5214 A Wohlrabe CDU/CSU 5215 C Esters SPD 5218 D Namentliche Abstimmung 5220 A II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 24. Januar 1978 Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksache 8/1365 — Dr. Marx CDU/CSU . . . . . . . . 5222 A Frau Renger SPD 5229 A Picard CDU/CSU 5233 B Genscher, Bundesminister AA 5236 A Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksache 8/1380 — Mattick SPD 5239 B Franke, Bundesminister BMB 5241 D Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksache 8/1378 — Picard CDU/CSU 5245 C Esters SPD 5247 C Gärtner FDP 5250 B Frau Schlei, Bundesminister BMZ . . . . 5251 A Dr. Hoffacker CDU/CSU . . . . . . . 5253 B Hofmann (Kronach) SPD 5257 C Dr. Vohrer FDP 5259 A Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht — Drucksache 8/1376 — . . . . . . . 5260 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 21. Mai 1974 über die Verbreitung der durch Satelliten übertragenen programmtragenden Signale — Drucksache 8/1390 — 5260 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 11. Oktober 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Island über die gegenseitige Unterstützung in Zollangelegenheiten — Drucksache 8/1358 — 5260 A Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Altölgesetzes — Drucksache 8/1423 — 5260 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Agrarbericht 1977 — Drucksachen 8/80, 8/81, 8/1350 — . . . 5260 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zum Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD, FDP zur Beratung des Agrarberichts 1977 der Bundesregierung — Drucksachen 8/306, 8/1351 — . . . . 5260 C Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen Veräußerung der bundeseigenen Liegenschaft „ehemalige Gallwitz-Kaserne" in Ulm an die Stadt Ulm — Drucksache 8/1352 — . . . . . . . 5260 C Beratung der Sammelübersicht 17 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen - Drucksache 8/1415 — . . . . . . . 5260 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Entwurf einer Richtlinie des Rates über bestimmte Erzeugnisse für die Tierernährung Vorschlag einer dritten Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 70/524/EWG über Zusatzstoffe in der Tierernährung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 74/63/EWG über die Festlegung von Höchstgehalten an unerwünschten Stoffen und Erzeugnissen in Futtermitteln und zur Änderung der Richtlinie 70/373/EWG über die Einführung gemeinschaftlicher Probenahmeverfahren und Analysemethoden für die Untersuchung von Futtermitteln — Drucksachen 8/833, 8/1353 — 5260 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2772/75 über Vermarktungsnormen für Eier — Drucksachen 8/814, 8/1420 — 5261 A Nächste Sitzung 5261 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 5263* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 24. Januar 1978 5147 67. Sitzung Bonn, den 24. Januar 1978 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens ** 24. 1. Alber ** 24. 1. Dr. Bardens ** 24. 1. Böhm (Melsungen) ** 24. 1. Frau von Bothmer ** 24. 1. Büchner (Speyer) ** 24. 1. Dr. Dollinger 24. 1. Dr. Enders ** 24. 1. Flämig * 24. 1. Dr. Geßner ** 24. 1. Handlos ** 24. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Kreile 27. 1. Frau Krone-Appuhn 27. 1. Lagershausen** 24. 1. Lampersbach 24. 1. Lemmrich** 24. 1. Marquardt ** 24. 1. Dr. Müller ** 24. 1. Müller (Wadern) * 24. 1. Offergeld . 27. 1. Pawelczyk ** 24. 1. Reddemann ** 24. 1. Dr. Schäuble *' 24. 1. Scheffler ** 24. 1. Schmidthuber ** 24. 1. Dr. Schwencke (Nienburg) ** 24. 1. Dr. Todenhöfer 24.2. Dr. Vohrer ** 24. 1. Frau Dr. Walz * 24. 1. Baron von Wrangel 27. 1.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hugo Collet


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Wir haben in der 7. Legislaturperiode nach einem von mir vorgeschlagenen Modell durch Frau Präsidentin Renger die Loseblattsammlung eingeführt, die uns ebenfalls schnell in den Stand versetzen soll, Drucksachen zu finden und zu wissen, wo welches Gesetz zu finden ist. Auch hier wird mit Routine von irgend jemandem mitunter aus
    dem Vorblatt abgeschrieben. Auch hier ist das Gewollte nicht erreicht.
    Verehrter Herr Präsident, das ist nicht eine Kritik an Ihnen; dies hat sich schon in der Vergangenheit eingeschlichen, nach und nach. Ich darf Sie herzlich bitten, darauf hinzuwirken, daß diese Mittel so gestaltet werden, daß sie für die Abgeordneten hilfreich sind.
    Ich komme zu einer anderen Frage und damit zu dem, was mich im Kern berührt und mich veranlaßt hat, gemeinsam mit anderen zu überlegen, ob wir nicht doch Wege finden können, uns anders darzustellen und anders miteinander umzugehen. Ich weiß, was es heißt, im Kampf um die Macht zu stehen. Ich weiß, was es bedeutet, wenn man — mit vielen Gruppen hinter sich, die erwarten, daß man das durchsetzt — viele Register zieht und alle Mittel ausschöpft. Ich sage das nicht in einer bestimmten Richtung; ich sage das einfach ganz allgemein. Ich bitte wirklich darum, einmal die Frage zu prüfen, ob wir immer das letzte Mittel ausschöpfen müssen. Wir sollten überlegen, ob wir nicht Wege finden können, vielleicht schrittweise darauf zu verzichten. Heute überschätzen wir die Wirkung einer einzelnen Aussage, von der wir glauben: Jetzt haben wir es gesagt! Ich bin lange genug in der Politik, um zu wissen, daß jeder, der aktiv ist und ans Rednerpult geht — ob hier oder woanders —, natürlich immer zwei Überlegungen anstellt. Die eine lautet „Was ist richtig?", und die andere ist „Was kommt an?".
    Leider ist das nicht immer dasselbe. Wir alle unterliegen dann der Versuchung, bei unserem Verhalten und bei unserer Aussage mehr dem Rechnung zu tragen,. was ankommt. Die große Frage ist, ob es letztlich für die Demokratie ankommt. Im Kampf um die Macht und den Erfolg vergessen wir, wie ich meine, ein Stück Demokratie. Ich bitte Sie, selbst noch einmal nachzulesen, was in der Weimarer Zeit alles zu den Entwicklungen beigetragen hat. Das ist natürlich eine ganze Menge, und jeder von uns wäre überfordert, wenn er alles nachlesen sollte. Man darf nicht immer nur strategisch überlegen. Man wird selbst schizophren und ständig in Zwiespalt gebracht, wenn nicht ein größerer Anteil den Dingen zugute kommt, die in der Sache wirklich notwendig sind, wenn der Anteil der Strategie und der Frage, was ankommt, zu groß ist.
    Ich weiß natürlich, daß das zum Teil auch mit unserem Journalismus zusammenhängt. Zeitungen und Verlage stehen in starkem Wettbewerb. Es geht dabei um die Frage: Wie finde ich die beste Überschrift? Derjenige, der das Außergewöhnliche tut, und nicht derjenige, der seine Pflicht normal erfüllt, hat die größere Chance zur Schlagzeile. Ich weiß das alles. Ich weiß, daß der junge Journalist schon dazu erzogen wird zu schreiben: Mann beißt Hund, und nicht: Hund beißt Mann. Der andere ist der beste Artikel. So werden wir zum Teil auch verführt. Aber ich meine, wenn ich die letzten drei, vier Jahre passieren lasse: Wir müssen überlegen, ob es nicht doch etwas besser geht.
    Vielleicht gibt es drei, vier Dinge, über die wir uns einigen können, die vielleicht als erste Schritte dazu



    Collet
    dienen können. Muß es denn sein, daß einer von diesem Pult aus bei irgendeinem Punkt sagt: Nun sehen Sie einmal, wie viele da sind, wie viele das interessiert! Wenn er selber gesprochen hat, und es kommt ein neuer Tagesordnungspunkt, dann geht er hinaus. Vorher hat er aber gemeint, feststellen zu müssen, daß der Saal leer ist, obwohl er wissen muß, daß derjenige, der hinausgeht, einen Berg von Arbeit auf seinem Schreibtisch hat. Trotzdem meint er, er muß hier sagen: Das Haus ist schlecht besetzt; sie lesen Zeitungen, oder sie sind nicht interessiert. Dies sagt er, obwohl er weiß, daß Zeitunglesen für Abgeordnete Arbeit ist.
    Müssen wir immer wieder davon reden, daß bei der Besetzung von Positionen Parteibuchpolitik gemacht wird? Muß sich nicht derjenige, der redet, auch für seine Partei an die Brust klopfen? Ist das denn so negativ, wenn man einen politischen Auftrag hat, ganz gleich ob im Land oder Bund, daß man versucht diesen Auftrag mit Hilfe derer zu verwirklichen, die einem zuarbeiten, und deswegen im Hinblick auf die politische Haltung auch solche einstellt und anstellt, die diesen Auftrag verwirklichen wollen. Muß sich nicht jeder Vertreter einer Gruppe an die Nase greifen und sagen: Bei uns ist es so, und bei den anderen ist es ähnlich? Man darf natürlich nicht einen Gartenbautechniker als Elektroingenieur einstellen; das wäre Unsinn. Aber in anderen Zusammenhängen sollten wir mit solchen Vorwürfen aufhören.
    Ich meine auch den Vorwurf, das Parteisüppchen zu kochen. Ist es nicht legitim, die politische Vorstellung, für die man angetreten ist, verwirklichen zu wollen? Muß man solche Formulierungen verwenden? Ich weiß, daß ich in anderen Fragen jetzt keine Chance habe; denn ich bin Realist. Ich meine, gerade bei solchen kleinen Dingen wie die Präsenz oder die Personalpolitik könnten wir, wenn wir objektiv sind, miteinander den Anfang machen. Wir haben nicht nur die Verantwortung für die Wähler, für die wir angetreten sind, sondern auch, wie ich meine, für die Demokratie im ganzen.
    Ich erinnere mich immer noch meines ersten Eindrucks, als ich vor mehr als 12 Jahren hierherkam. Im Plenum war es für mich ganz schrecklich, und dann, als ich in die erste Ausschußsitzung kam, fand ich es angenehm zu sehen, daß hier doch sachlich gearbeitet wird. Warum werden in Plenarsitzungen immer diese überzogenen Methoden angewandt? Ich glaube, hierüber müssen wir ein Stück nachdenken und immer wieder den Versuch machen, das zu verändern und zu verbessern. Ich kann Ihnen sagen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen: Ich habe es noch nicht aufgegeben.

    (Beifall bei der SPD, bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Collet, Sie haben mich als Präsidenten des Hauses mehrfach angesprochen. Ich glaube, Sie haben vieles gesagt, was nachdenkenswert ist. Nur in einem Punkt möchte ich Ihnen widersprechen: Das Zeitunglesen, meine ich, sollte nach Möglichkeit nicht im Plenarsaal stattfinden.

(Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht weiter gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 02. Wer dem Einzelplan 02 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Einzelplan 02 ist damit einstimmig angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 03
Bundesrat
— Drucksache 8/1363 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Friedmann
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Wird das Wort anderweitig gewünscht? — Das ist auch nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 03. Wer dem Einzelplan 03 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Damit ist der Einzelplan 03 ebenfalls einstimmig angenommen.
Ich rufe auf: Einzelplan 04
Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes
— Drucksache 8/1364 — Berichterstatter:
Abgeordneter Schröder (Lüneburg) Abgeordneter Wohlrabe Abgeordneter Dr. Riedl (München)
Meine Damen und Herren, zu diesem Einzelplan ist interfraktionell eine Redezeit von sieben Stunden vereinbart worden. Weiter ist vereinbart worden, daß die Fraktionen die auf sie entfallenden Redezeiten auf ihre Redner aufteilen können. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort hat der Abgeordnete Strauß.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Haushaltsdebatte ist der geeignete Anlaß für die Behandlung der großen politischen Probleme — offensichtlich mehr als eine Regierungserklärung, wie wir sie in der letzten Woche gehört haben, in der vieles gesagt, aber nicht viel geboten wurde.

    (Lachen und Zurufe von der SPD)

    Der Bundeskanzler hätte sie — das entspricht wahrscheinlich auch seinem heutigen Wissensstand; denn



    Strauß
    bei ihm spielt der jeweilige Wissensstand eine große Rolle — besser nicht abgegeben.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU — Erneute Zurufe von der SPD)

    Denn es war eine mißglückte Flucht nach vorne. Die Probleme laufen trotzdem hinter ihm drein, und die Probleme werden ihn auch einholen. Er wird sie auch nicht mehr loswerden, weder durch nachträgliche Eingeständnisse, z. B., er sei über den Spionageskandal von Anfang an unterrichtet gewesen, obwohl es zunächst gegenteilig lautete, oder — wie ausgerechnet bei der Verleihung des TheodorHeuss-Preises vor festlichem Nobelpublikum und uns als Fernsehteilnehmern — er habe sich in der Rentenfrage einfach geirrt.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Irren ist menschlich, und im Himmel ist über einen Sünder, der Buße tut, bekanntlich — das ist der himmlische Sozialrabatt — mehr Genugtuung als über einen Gerechten. Er habe sich einfach geirrt, weil allgemein die wirtschaftliche Zukunft von seinen Ratgebern falsch eingeschätzt worden sei. Zum Betrug — der Ausdruck kam aus seinem Munde — fehle aber das Tatbestandsmerkmal der Absicht.
    Er wird die Probleme auch nicht los durch falsche Behauptungen oder markige Redensarten. Trotzdem leben die SPD, die ganze Koalition SPD/ FDP, die ganze Bundesregierung von seinem Ruf. Denn wenn man von der Wirklichkeit nicht mehr leben kann, braucht man ein Phantom.

    (Zurufe von der SPD)

    Aber das Groteske, ja, Gespenstische ist, daß auch er selbst von diesem Ruf lebt. Doch die Zeiten, in denen er sich am Schopf seines eigenen, mit reichlicher, gut einstudierter — das muß man zugeben — Selbstdramaturgie und durch Public-Relations-Experten gebastelten Rufes aus dem Sumpf der ungelösten Probleme ziehen konnte, diese Zeiten gehen dem Ende entgegen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die wirtschaftliche Entwicklung im vergangenen Jahr ist wie auch früher, wenn ich das Jahr 1976 ausnehme, wesentlich schlechter verlaufen, als von der Bundesregierung im letzten Jahreswirtschaftsbericht vorhergesagt oder projiziert wurde. Das reale Wachstum war 2,4 % statt 5 %, die Arbeitslosigkeit statt 800 000 eine Million, der reale Zuwachs der Investitionen nur 2,8 % statt 5 °/o, und das noch so verteilt, daß im ersten Halbjahr der Zuwachs wesentlich größer war als der Durchschnitt und im zweiten Halbjahr eine erhebliche Abflachung unter die Rate von 2,8 °% kam. Die öffentlichen Investitionen sanken sogar — einschließlich der Konjukturprogramme — um 2,5 %. Der Zuwachs des Bruttoeinkommens aus Unternehmertätigkeit und Vermögen betrug nur 2,5 °% statt 9 bis 10%, also etwa ein Drittel des Zuwachses der Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit. Der Nettovergleich fällt noch schlechter aus.
    Von allen für das Wachstum entscheidenden Vorhersagen oder Projektionszahlen des Jahreswirtschaftsberichts 1977 wurde nur der Außenbeitrag in
    voller Höhe erreicht, nämlich 26 Milliarden. Der reine Exportüberschuß betrug sogar an die 40 Milliarden. Damit wird ein durch Wiederholung nicht wahrer werdendes Märchen — Selbstschutzmärchen —, das Herr Bölling immer verbreitet, nachhaltig widerlegt, der vor kurzem im Fernsehen sagte: Aus eigener Kraft werden wir mit der Arbeitslosigkeit nicht fertig. Als ob die Schwäche des Exports, d. h. der Auslandsnachfrage, an der Arbeitslosigkeit von einer Million Menschen schuld wäre! Ähnlich lautete es in Helmut Schmidts Regierungserklärung: Unser Land ist nicht sorgenfrei. Natürlich bei dieser Regierung noch weniger, als es sonst möglich wäre.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber er meinte es anders. Unser Land ist nicht sorgenfrei, sagte er, wie könnte das sein in einer Welt, der wir aufs engste verbunden sind! So zwischen den Zeilen: Bei uns wäre ja alles in bester Ordnung, aber draußen im Ausland! Oder wenn er von einer Abflachung des Welthandels spricht, womit er höchstens eine Abflachung der Zuwachsrate meinen kann, aber nicht des Volumens des Welthandels.
    Es ist schon beinahe zur gebetsmühlenhaften Ablenkungsphrase geworden, daß der Bundeskanzler von Weltwirtschaftskrise oder weltweiter Rezession spricht, um damit die Fehler und Versäumnisse der Bundesregierungen seit 1969 aus dem Bewußtsein der Bürger zu verdrängen oder fernzuhalten. Zugegeben, in manchen Staaten des Auslandes, die für uns wichtige Partnerländer sind, ist manches nicht in Ordnung. Ich verkenne auch nicht die Schwierigkeiten, die sich aus der massiven Dollarabwertung der letzten Zeit für uns in der Zukunft zusätzlich ergeben werden. Dazu ist aber anzumerken, daß die immer gestiegene und noch zunehmende Exportabhängigkeit — im übrigen ein Witz auf die Regierungserklärung Willy Brandts vom Herbst 1969 — volkswirtschaftlich bedenklich ist, weil noch mehr Exportüberschüsse bei uns, Arbeitslosigkeit bei anderen importieren, mit der natürlichen Folge, daß Abwehrmaßnahmen so sicher kommen wie das Amen nach dem Gebet und, wenn nicht unmittelbare Handelshemmnisse oder verdeckter Protektionismus, so Währungsmanipulationen wie jetzt beim Dollar. Aber diese Exportabhängigkeit ist auch betriebswirtschaftlich bedenklich, weil der Absatz auf die Dauer ungewiß ist und die Erträge unter stärksten Druck kommen. Andererseits sollte die Bundesregierung zugeben, daß nur die deutsche Exportstärke bisher eine zweite Million Arbeitsloser verhindert hat.
    Mit ihrem Modeirrtum, der schon zum Notirrtum geworden ist — „Lüge" darf man ja nicht sagen, weil die Absicht wieder einmal fehlt, d. h. die Kenntnis fehlt —,

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    nämlich daß das Ausland an allem schuld sei, an allen wirtschaftlichen Schwierigkeiten und ihren Folgen in der Bundesrepublik, sollte einmal endlich Schluß gemacht werden. Das ist das Gegenteil der Wahrheit. Hauptursache ist und bleibt die seit Jahren — etwa seit 1971 — anhaltende Investitionsschwäche und die völlig ungenügende Ertragsent-



    Strauß
    wicklung, wenn ich in diesem Punkte von der Ausnahme 1976 absehe, sowie die mehr als unsichere Ertragserwartung in Verbindung mit einer anhaltenden Vertrauenskrise.
    Aber wir erleben ja immer dasselbe, daß der Bundeskanzler martialisch und bramarbasierend die Verantwortung für die Probleme übernimmt und anschließend mit ihnen in der Versenkung verschwindet

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    und sagt, es liege weder Betrug noch Lüge vor; denn er habe die Tatsachen nicht gekannt, sei also persönlich unschuldig. Ich glaube, es wird nach dem Theodor-Heuss-Preis bald ein neuer Preis verliehen werden müssen: der Rumpelstilzchen-Preis.

    (Heiterkeit und Beifall bei ,der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Den kriegen Sie!)

    In diesen Preis kann er sich mit seinem Verteidigungsminister teilen und im Duett singen: „Wie gut, daß niemand weiß, daß ich Rumpelstilzchen heiß'."

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Der Bundeskanzler kündigte in seiner Regierungserklärung vom 16. Dezember 1976 eine Herabsetzung des Schuldenzuwachses an. Er sagte, die Neuverschuldung müsse — ich zitiere wörtlich — „deutlich- niedriger liegen als bisher" ; also deutlich niedriger als die Neuverschuldung des Jahres 1976 von 25,8 Milliarden DM. Im Gegensatz dazu ver-
    ) strickt sich die Bundesregierung immer tiefer in Schulden. Nur deshalb konnte sich der Kanzler am Ietzten Donnerstag der Verbesserung oder Anpassung einiger öffentlicher Leistungen rühmen; denn sie werden nur durch erhöhte Kreditaufnahme finanziert. Die fast 31 Milliarden DM — eine selbst für Experten nicht mehr vorstellbare Größenordnung —, um die sich die Schuldenlast des Bundes in diesem Jahr erhöhen soll, überschreitet erneut — und zwar nach 1975 und 1976 schon zum drittenmal — die in der Verfassung vorgeschriebene Obergrenze, nämlich die Summe der Investitionen. Das gilt selbst dann, wenn auch die als investiv ausgewiesenen Ausgaben eingerechnet werden, durch die auf Grund mehr oder minder willkürlicher Buchungstricks die Obergrenze künstlich höher als nach der bisherigen Buchungstechnik dargestellt wird. Diese Obergrenze ist ohnehin zu hoch. Als ehemaliger Finanzminister, der für diese Grundgesetzvorschrift im Rahmen der Haushaltsrechtsreform federführend war, habe ich — und haben wir alle — damals nicht damit gerechnet, daß wir jemals, nicht einmal in Rezessionszeiten, diese Grenze erreichen würden. Aber eine unverantwortliche, man kann ruhig sagen: liederliche Finanzpolitik hat es möglich gemacht, erzwungen, daß wir seit 1975 jetzt schon zum drittenmal höher liegen.
    Damit verstößt der Haushalt 1978 "gegen das Grundgesetz. Es läßt zwar Ausnahmen zur Abwehr einer Rezession zu. Aber man wird ernsthaft nicht mehr von einer Ausnahme sprechen können, wenn auch die Sachverständigen der Regierung den bisherigen Arbeitslosenstand von rund einer Million
    auf absehbare Zeit als nicht wesentlich herabsetzbar ansehen. Unter diesen Umständen ist es auch verfassungsrechtlich nicht länger zu rechtfertigen, die Schuldenobergrenze des Grundgesetzes weiter zu überschreiten.
    Rein finanzwirtschaftlich sind die Grenzen des Schuldenzuwachses längst erreicht und überschritten. Die Ausgaben des Bundes nur für die Zinsen — also ohne die Ausgaben für den sonstigen Schuldendienst —, namentlich ohne Ausgaben für Tilgungen, haben sich innerhalb von fünf Jahren verdreifacht auf jetzt 10 Milliarden DM im Jahr. Im Jahre 1981 wird jede zehnte Steuermark allein für Zinsen für aufgenommene Schulden verwendet werden müssen.
    Ich möchte nicht mißverstanden werden oder ein häufig gehörtes und willkürlich gewähltes Mißverständnis hier gleich erwähnen: Auch wir, meine Freunde und ich, halten es für selbstverständlich, daß der Staat einen Teil seiner Ausgaben durch Kredite finanziert. Gefährlich ist aber die gegenwärtige Höhe und das Tempo des Verschuldenszuwachses. Heute darf und soll die Kreditaufnahme des Staates im Durchschnitt der Jahre auch selbstverständlich höher sein als im Durchschnitt der 60er Jahre. Die Steuereinnahmen haben sich erhöht. Die Staatsausgaben sind gestiegen, die Ersparnisse sind gestiegen, aus denen die Kredite finanziert werden. Aber auch wenn man all das berücksichsigt, würde eine Kreditaufnahme in einer Höhe, die nach den Maßstäben des Sachverständigenrates als normal und unproblematisch anzusehen ist, schon jetzt kaum mehr ausreichen, die im laufenden Jahr fälligen Zinsen von 10 Milliarden DM zu zahlen. Selbst wenn wir weiter Jahr für Jahr neue Schulden in Höhe von 30 Milliarden DM machen — was sich für die nächsten Jahre abzeichnet —, werden etwa 1989 die Zinsausgaben die Krediteinnahmen übersteigen.
    Adam Smith, einer der Väter der modernen Volkswirtschaftslehre, schrieb vor 200 Jahren — ich zitiere wörtlich —:
    Dort, wo die öffentliche Schuld eine bestimmte Höhe überschritten hat, ist es meines Wissens kaum je gelungen, sie auf gerechte Weise und vollständig zurückzuzahlen. Gewöhnlich wurde einfach der Nennwert der Münze erhöht, um durch eine Scheinzahlung einen vermeidbaren Staatsbankrott zu verschleiern.
    Er kannte auch schon das, was man heute als „Währungsreform" oder „Inflationsfinanzierung" bezeichnet.
    Der Bundeskanzler und der Bundesfinanzminister sind sich der Gefahren der gegenwärtigen Schuldenwirtschaft wohl bewußt. Der Bundesfinanzminister läßt kaum eine Gelegenheit aus, die Notwendigkeit der — dieses Wort gebraucht er häufig — Konsolidierung, also des Abbaus des Verschuldungszuwachses zu betonen. Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung vom 16. Dezember 1976 als Programm für diese Legislaturperiode ausdrücklich diese Konsolidierung der öffentlichen Haushalte angekündigt. Er wundert sich, wenn seine Glaubwürdigkeit in Zweifel gezogen und in Frage gestellt



    Strauß
    wird. Aber ist das ein Wunder, wenn man Ankündigungen und Wirklichkeit der letzten Jahre in seiner Verantwortung als Kanzler miteinander vergleicht?
    Er sprach von der Notwendigkeit einer gemeinsamen Kraftanstrengung. Ja, wo ist denn die gemeinsame Kraftanstrengung geblieben? Die Fraktion der CDU/CSU hat doch mehrmals ihre Hilfe zugesagt, wenn die Regierung vorangeht.

    (Dr. Böhme [Freiburg] [SPD] : Steueränderungsgesetz! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Aber auf die Arbeitsteilung, daß die Opposition regieren soll, wenn es unpopulär ist, und die Regierung regieren soll, wenn Lorbeeren verteilt werden,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    lassen wir uns genausowenig ein wie darauf, daß im Fall des Versagens der Regierung der Rücktritt der Opposition gefordert wird.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    In der Praxis fehlen aber Durchsetzungskraft und Mut. Noch nicht einmal die in den letzten Jahren zaghaft begonnenen Versuche, dem ständigen Wachstum der Bürokratie Einhalt zu gebieten, werden fortgesetzt. Dem sozialistischen Grundstreben nach immer mehr Staat und immer mehr Bürokratie gab die Regierung im Milliardenrausch der Schulden nach und öffnete wieder die Schleusen zur Bewilligung neuer Stellen, aber nicht nur zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Verbesserung der inneren Sicherheit. Die Zahlen werden sich im einzelnen im Laufe der Debatte ergeben.
    Der Schuldenzuwachs dient keinesfalls dazu — wofür man noch Verständnis haben könnte —, im Interesse der Wirtschaftsbelebung die investiven Ausgaben des Bundes, besonders stark ansteigen zu lassen. Im Gegenteil, nach dem Finanzplan geht der Anteil der investiven Ausgaben trotz der hohen Verschuldung, trotz der Augenauswischerei mit dem sogenannten Programm für Zukunftsinvestitionen an den Gesamtausgaben des Bundes bis 1981 ständig zurück. Noch nicht einmal die Investitionsziele, die die Bundesregierung bisher in ihren Haushalten gesetzt hat, konnte sie trotz der hohen Verschuldung erreichen. Allein im Jahre 1977 lagen die tatsächlich geleisteten Ausgaben für Investitionen um 2 Milliarden DM unter den geplanten und angekündigten Ausgaben für diesen Zweck.
    Dem Pegelstand der jährlichen Kreditaufnahme in Höhe von 30 Milliarden DM und des erreichten Schuldenstandes von über 170 Milliarden DM — im Vergleich dazu betrug der Schuldenstand im Jahre 1969 45 Milliarden DM, von denen 30 Milliarden DM Altschulden und 15 Milliarden DM Neuschulden waren, aufgenommen in der Zeit von 1949 bis 1969 — stehen, wenn man heute etwa 20 Milliarden DM Altschulden abziehen muß, zwei Zahlen gegenüber, nämlich 15 Milliarden DM zu 150 Milliarden DM; 15 Milliarden DM in 20 Jahren und 150 Milliarden DM in den sich daran anschließenden acht Jahren. Diese Zahlen bedeuten doch, daß der Bund keine
    kreditpolitischen Reserven mehr hat, wenn es einen wirklich großen, langanhaltenden Wirtschaftseinbruch gibt. Auch davon hat der Sachverständigenrat gesprochen. Das ist doch wirklich nichts anderer als eine „Nach-uns-die-Sintflut"-Politik, eine Art Kriegsfinanzierung im Frieden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Helmut Schmidt hat im November 1966 auf einem außerordentlichen Landesparteitag der Bremer SPD geäußert — ich zitiere ihn wörtlich, ohne ihn zu kommentieren —:
    Wir stehen 1967 vor einer Haushaltskatastrophe. Sie wird harmlos sein gegenüber dem, was wir jetzt über die Jahre 1968 bis 1970 wissen. Die Männer, die für diese Entwicklung verantwortlich sind, gehörten entweder ins Gefängnis, wenn sie uns wider besseres Wissen in eine
    solche Situation hineingeritten haben, oder wegen völliger Unfähigkeit schnellstens aus ihren Ämtern gejagt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Soweit das Zitat; die Konsequenzen brauche ich nicht zu erwähnen.
    Die beklemmenden mittelfristigen Aussichten, nämlich anhaltende hohe Arbeitslosigkeit, zunehmende Finanzlücken bei Staat und Sozialversicherung, können nur dann entscheidend verbessert werden, ohne unerträgliche Steuer- und Beitragserhöhungen und ohne unerträgliche Leistungsminderungen, wenn wieder mehr Wachstum und, dafür erforderlich, mehr Investitionen erzielt werden. Für jeden, der die Dinge nicht mit ideologischen Scheuklappen betrachtet, ist das eine Binsenweisheit. Die Zahl der Arbeitsplätze bestimmt sich durch das Verhältnis von Produktivität und Wachstum. Wenn die Wachstumsrate den Produktivitätsfortschritt übersteigt wie in den 50er und 60er Jahren, wird zusätzliche Beschäftigung geschaffen. Bleibt aber wie in den 30er Jahren das Wachstum hinter dem Produktivitätsfortschritt zurück, entsteht Arbeitslosigkeit.
    In den letzten Jahren hatten wir nur 1976 ein Wachstum, das etwas höher war als der Produktivitätsfortschritt. Die Beschäftigungswirkung ist eindeutig nachweisbar. Das Arbeitsvolumen erhöhte sich um 0,3 % die Zahl der Kurzarbeiter senkte sich um 500 000. Die Beschäftigungswirkung wäre noch wesentlich höher gewesen, wenn nicht vorher eine Unterauslastung der Produktionskapazitäten vorgelegen hätte, der Produktivitätsanstieg also — typisch für ein Jahr nach einem vorhergehenden Abschwung — in erster Linie die Produktionskapazitäten besser ausgelastet hätte. Wenn wirklich ein dauerhafter Aufschwung gelingt, ergibt sich von selbst ein deutlicher Abbau der Arbeitslosigkeit.
    Nach den Berechnungen des Wirtschaftsministeriums aus dem Jahre 1975 kann die Arbeitslosigkeit in den nächsten Jahren nur bei mittelfristigen realen Wachstumsraten der Wirtschaft von 4 bis 4,5% abgebaut werden. Diese sind aber nach der gleichen Berechnung, die im übrigen unseren hier häufig wiederholten Standpunkt wiedergibt, nur zu erzielen, wenn die privaten Investitionen Jahr für Jahr real um 8 bis 9 % steigen, also etwa doppelt so stark



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    steigen wie auch in den beiden letzten Jahren. Der Sachverständigenrat kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: Jährlicher Anstieg der realen Anlageinvestitionen der Unternehmen um 9 % sei erforderlich, wobei dann allerdings am Ende dieser mittelfristigen Periode immer noch 300 000 Arbeitsplätze fehlen würden.
    Es ist eine gefährliche Irrlehre, wenn in jüngster Zeit von Linksideologen versucht wird, diese Zusammenhänge zu leugnen und dies nicht der Investitionsschwäche der letzten Jahre, sondern einer Überproduktion, möglicherweise sogar einem Zuviel an Investitionen zur Last zu legen. Es ist höchste Zeit, daß die Bundesregierung, vor allen Dingen Sie, Herr Bundeskanzler, dieser Irrlehre nachdrücklich entgegentreten; denn ihre Opfer sind in erster Linie die Arbeitnehmer und die Rentner in diesem Lande.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dazu kommt — das sollte eine Regierungserklärung einmal aufgreifen; ich habe über dieses Thema hier schon mehr als dreimal gesprochen —, daß nach Untersuchungen wissenschaftlicher Institute wie DIW und VDW eine erschreckende Tatsache besteht! Nämlich von den vorhandenen Werkzeugmaschinen, also von der maschinellen Ausrüstung, älter als 10 Jahre waren oder sind: im Jahr 1970 40 °%, 1974 45 %, 1975 50 %, 1976 63 %. Es besteht kein Zweifel, daß diese Zahl noch steigen wird.
    Die Zahl besagt zunächst zweierlei: erstens daß unser Produktionsapparat zunehmend und schnell veraltet, zweitens daß ein erheblicher Bedarf an Investitionsgütern vorhanden ist. Es ist also ein Märchen, in dem Fall etwa von einer Übersättigung des Bedarfs zu sprechen. Drittens besagt die Zahl, daß die Misere der sinnlosen Verschleuderungen, in der wir uns befinden — 10 Milliarden DM unproduktive Unterstützungszahlungen, 10 Milliarden DM Ausfall an Steuern und Abgaben, Verzicht auf 20 Milliarden DM Wertschöpfung —, noch auf unbegrenzte Zeit weitergehen wird. Das sind die Folgen Ihrer Regierungstätigkeit, Herr Bundeskanzler.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dagegen sind die Erweiterungsinvestitionen deutlich zurückgegangen. Über dieses Thema zu reden ist deshalb schwierig, weil Erweiterungsinvestitionen zum Teil auch in Rationalisierungsinvestitionen enthalten sind. Deshalb ist es besser — das war auch bei den Umfragen der Fall —, die Investitionsmotive zu nehmen. Das Motiv der Erweiterung war 1970 bei 55 % der Unternehmungen das ausschlaggebende Motiv, 1971 bei 49 %, 1972 bei 39 %, 1973 bei 41 %, 1974 bei 34 %, 1975 und 1976 bei je 24 %; in den Jahren 1975 und 1976 machte also die Erweiterung bei den Motiven weniger als die Hälfte des Prozentsatzes von 1970 aus. Quelle: Ifo-Institut.
    Investitionen werden nun einmal mit dem Ziel vorgenommen, Erträge zu erzielen. Eine soziale Marktwirtschaft, die auf Erträge verzichtet, taugt soviel wie ein Auto ohne 01 und Treibstoff. Für die Investitionsentscheidungen der Unternehmen ist aber nicht nur die aktuelle Ertragssituation, sondern vor allem die Ertragserwartung für die Zukunft von Bedeutung. Hier liegt der entscheidende Ansatzpunkt für die Überwindung der Arbeitslosigkeit und für die Lösung eines wesentlichen Teils der Rentenkrise; ich sage nicht: der gesamten Rentenkrise.
    Die Umsatzrendite betrug bei den industriellen Aktiengesellschaften im Jahre 1970 2,85%, im Jahre 1975 1,28%. Es geht jetzt nicht darum, über dieses Thema mit klassenkämpferischen Überlegungen oder mit neidmotivierten Parolen zu reden, sondern ausschließlich darum: haben unsere Unternehmungen genug Geld zu investieren, und haben sie das Vertrauen, das Geld, das sie haben oder notfalls aufnehmen, in die Unternehmen auch tatsächlich mit Sinn investieren zu können? Darum dreht sich nunmehr alles.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn man produzierendes Gewerbe und Handel zusammenfaßt, dann kommt man zu einer Umsatzrendite in den Jahren von 1965 bis 1973 von durchschnittlich 3,5 N. 1974/75 betrug sie 2,2 %, 1976 2,5 %; das ist das Jahr, das ich vorher als Ausnahme genannt habe. Quelle: Bundesbank.
    Erschreckend ist aber die Eigenkapitalrendite. Sie betrug im Durchschnitt der 60er Jahre — einschließlich der Rücklagen — 8,7 %, im Jahre 1975 noch 5,1 %. Das bedeutet eine Rendite, die unter dem Ertrag festverzinslicher Wertpapiere liegt. Nur wenn es gelingt, Erträge und Ertragserwartungen wieder auf längere Sicht in hinreichendem Umfang zu steigern, kann die Investitionsschwäche und damit auch die Arbeitslosigkeit überwunden werden.
    In diesem Zusammenhang spielen die Lohnentwicklung und der Ausgang der Tarifrunden eine maßgebliche Rolle. Ich kann — und das habe ich auch in der Jahresschlußsendung „Bilanz" gegenüber Herrn Vetter zum Ausdruck gebracht — eine These, die ich von Herrn Loderer im Fernsehen vernommen habe, nicht als verantwortungsbewußt bezeichnen, nämlich, daß die Verantwortung für Vollbeschäftigung die Arbeitgeber und der Staat hätten, aber nicht die Lohnpolitik. Im Gegenteil, hier müssen drei zusammenwirken: die beiden Tarifpartner und die Regierung. Wer mitbestimmen will, muß auch Mitverantwortung übernehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es geht auch nicht an, Verbesserungen nur für die im Arbeitsprozeß Stehenden zu erreichen, sondern es geht darum, die Verbesserungen für die im Arbeitsprozeß Stehenden danach zu bemessen und danach zu begrenzen, daß nicht im Arbeitsprozeß Stehende, aber Arbeitsfähige wieder in diesen Prozeß eingereiht werden können. Das ist gemeinsame Verantwortung.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich bin nicht der Auffassung, daß es Aufgabe des Staates ist, unmittelbar in die Tarifauseinandersetzungen einzugreifen. Deshalb ist es ebenso zu beklagen, wenn diejenigen, die kraft Gesetzesauftrags von unabhängiger Warte die Zusammenhänge zwischen Beschäftigung, gesamtwirtschaftlicher Entwicklung und Lohnentwicklung darlegen sollen, von den Gesprächen der politisch Verantwortlichen mit den Tarifvertragsparteien ausgeschlossen werden sollen. Es gibt hier auch einen Faktor Verbraucher.



    Strauß
    Es gibt hier auch einen Faktor Gesamtheit unseres Volkes. Und Lohnabschlüsse können nicht allein in bilateraler Interessenvertretung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bestimmt werden.

    (Aha! bei der SPD)

    Hier muß auch in der Beratung der beiden Tarifpartner das unabhängige Element der Sachverständigen, die alle Interessen gleichzeitig vor Augen haben müssen, vertreten sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich habe aber noch weniger Verständnis dafür, daß die Mitglieder des Sachverständigenrats, nur weil sie die Zusammenhänge klar und offen dargestellt haben, sich jetzt auch noch Beschimpfungen von Repräsentanten der Partei des Bundeskanzlers gefallen lassen müssen. Sie wissen, wen ich meine. Die Namen sind nicht so bedeutend. Aber die Symptome sind um so gravierender. Sie, Herr Bundeskanzler, täten gut daran, nicht, wie Sie es jüngst getan haben, den Sachverständigenrat, sondern diese Herren einmal zurechtzuweisen.
    Die Kaufkraft-Argumentation, daß höhere Löhne als Instrument der Ankurbelung der Wirtschaft und damit als Motor des Wachstums wirken, ist eindeutig falsch. Es wird durch die Erfahrungen der letzten Jahre widerlegt. Die letzten Jahre zeigen eindeutig, daß hohe Tarifabschlüsse nicht automatisch zu höherem Verbrauch führen:
    1974 stieg das Tariflohnniveau um 13 %; der reale Konsum erhöhte sich um 0,3 %. Die Anlageinvestitionen schrumpften in der gleichen Zeit um 9,9 %; die Zahl der Beschäftigten ging im Jahresverlauf um 680 000 zurück.
    1975 stieg das Tariflohnniveau um 9,3 %; der reale Konsum, begünstigt durch Steuerreform, nahm um 2,5 % zu. Aber bei den realen Anlageinvestitionen betrug der Rückgang 4,2 %; der Beschäftigungsabbau betrug 570 000.
    1976 erhöhte sich das Tariflohnniveau um 5,9 % — dank der Vernunft und Einsicht der Partner. Dennoch erreichte das reale Konsumplus 3,6 % — was vorher bei keiner noch so hohen Tariflohnsteigerung erreicht worden war. Erstmals nahm 1976 auch das Investitionsvolumen real spürbar zu: um 5 %. Das ist zwar nur die Hälfte dessen, was notwendig ist, wenn das gesteckte Ziel erreicht werden soll; aber das Jahr 1976 war trotzdem ein erfreulicher Ausnahmefall. Die Zahl der Beschäftigten erhöhte sich um 110 000.
    Im ersten Halbjahr 1977 stieg das Tariflohnniveau um 7 °/o, der reale Konsum um 2,5 %, während die realen Anlageinvestitionen um 4,6 % höher lagen. Aber für das zweite Halbjahr 1977 zeichnet sich bereits wieder ein jäher Abfall des Zuwachses der Anlageinvestitionen ab.
    Ergebnis: Forcierte Lohnerhöhungen bringen keine Verbesserungen der Konjunkturlage. Im Gegenteil. Nachfrage und Beschäftigung entwickeln sich dann besonders ungünstig, wenn der Tariflohnzuwachs sehr hoch ausfiel. Umgekehrt kam es zu Verbesserungen der Nachfragebelebung, zu stärkeren Investitionszuwachsraten und zum Abbau der
    Beschäftigungslosigkeit, wenn die Tarifpolitik den Weg einer maßvollen Lohnentwicklung beschritt. Nur auf das wollen wir hinweisen; denn dieser Zusammenhang ist unabweisbar.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Analyse der Gewinn- und Investitionsentwicklung der beiden Jahre 1976 und 1977 zeigt, daß dem Gewinnzuwachs 1976 ein kräftiger Investitionsstoß folgte. Die 1977 stagnierenden oder nur noch leicht steigenden Erträge und die verschlechterten Gewinnaussichten verlangsamten bereits wieder das ,Investitionstempo. Der enge Zusammenhang von Gewinnen und Investitionen hat sich in den Jahren 1976 und 1977 erneut bestätigt.
    Freilich reichten Wachstums- und Investitionstempo nicht aus, um den Beschäftigungsstand merklich zu erhöhen. Das reale Bruttosozialprodukt stieg 1976 nach der schwersten Rezession der Nachkriegszeit um 5,7 %. Das Arbeitsvolumen nahm erstmals wieder leicht zu. Die Zahl der Kurzarbeiter konnte im Jahresdurchschnitt um 500 000 abgebaut werden. Im Jahresverlauf sank auch die Zahl der Arbeitslosen um mehr als 100 000. 1977 verminderte sich das Wachstumstempo wieder auf etwa 3 %. Das Arbeitsvolumen schrumpfte aber auch wieder um etwa i %.
    Schlußfolgerung: Höhere Erträge und verbesserte Ertragsaussichten führen, wie 1976 und 1977 beweisen, zu höheren Investitionen und einen Schritt weiter auf dem Wege zu normaler Vollbeschäftigung.
    Ein anderes Schwerpunktproblem unserer öffentlichen Finanzen, auch für den Haushalt wirksam, sind die Renten. Im Verlauf dieser Debatte in dieser Woche wird es noch genug Möglichkeiten geben, darüber zu reden. Ich darf mich auf einige Bemerkungen beschränken. Die Behandlung der Frage der Rentenfinanzierung durch die Bundesregierung ist ein Skandal.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Er geht zu Lasten nicht nur der Glaubwürdigkeit der Bundesregierung da ist ohnehin nicht mehr viel zu verderben —, sondern der parlamentarischen Demokratie und ihrer Träger.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU)

    In der Rentenversicherung stehen wir vor der dritten Sanierungsaktion innerhalb eines Jahres.

    (Katzer [CDU/CSU] : Leider wahr!)

    Wir haben noch alle im Ohr, was z. B. Helmut Schmidt im Wahlkampf in der „Quick" ausgeführt hat. Ich zitiere wörtlich:
    Die Beiträge werden nicht erhöht. Die Renten sind sicher. Die Bruttolohnbezogenheit der Renten bleibt. Die Leistungsbezogenheit dieser Renten bleibt, und die regelmäßige Anpassung dieser Renten bleibt.
    In der Mammut-Fernsehsendung drei Tage vor der Wahl erklärte er — ich zitiere wieder wörtlich —:
    Da gibt es ein Problemchen der Liquidität der
    Rücklagen. Dieses Problemchen ist leicht zu



    Strauß
    lösen, zumal der Kapitalmarkt überaus ergiebig ist.
    Im gleichen Zusammenhang haben er und andere von dem unchristlichen Verhalten der Opposition gesprochen, alte Leute in Angst zu jagen, und gesagt: Du sollst nicht falsches Zeugnis ablegen.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Letztes Wochenende haben wir gehört: „Ich habe keinen Betrug begangen, weil ich die tatsächlichen Zahlen nicht gekannt habe." Da stellt sich doch die Frage: Ja, warum haben denn w i r sie gekannt? Wer hat denn den großen Informationsapparat? Doch nicht wir! Wir haben uns nur auf allgemein zugängliche Quellen gestützt. Wir verfügten über keinerlei Geheiminformationen.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Amtliche Quellen!)

    — Wir haben uns auf amtliche Quellen gestützt, nämlich u. a. auf den Bundesverband der Rentenversicherungsträger,

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Bundesbank!) — auf die Bundesbank und andere.

    Schon im Januar 1975 hat Kollege Franke in diesem Hause davon gesprochen, daß dieses Problem auf uns zukommt, 1975! Wir haben im Frühjahr 1976, im Sommer 1976 und auch während des Wahlkampfes 1976 von der Zerrüttung der Finanzgrundlagen der Rentenversicherung und der Gefährdung der bisherigen Rentenformel gesprochen. Wir sind deshalb als Lügner — „Du sollst nicht falsches Zeugnis ablegen" — öffentlich diffamiert worden. Wie können Sie es sich leisten, Herr Bundeskanzler, vor der deutschen Öffentlichkeit zu sagen: Ich habe nicht betrogen; dazu fehlte das Tatbestandsmerkmal der Absicht, denn ich habe die Wahrheit nicht gewußt!

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Das ist unrichtig!)

    Das ist doch ein Vorgang, der, selbst wenn man die in einem Wahlkampf zugelassene Spannweite der anwendbaren Methoden sehr weit zieht, unerhört, skandalös und diskriminierend für Sie ist.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/ CSU)

    Wegen des „leicht zu lösenden Problemchens" wurde der „größte Sozialpolitiker aller Zeiten", der Bundesarbeitsminister Arendt, lautlos in die Wüste geschickt. Wegen des „Problemchens" sagte der Bundeskanzler zu dem nach der Wahl vorgelegten Sanierungsprogramm:
    Die Bruttolohnbezogenheit bei der Festsetzung der Neurenten bleibt. Es wird kein Krankenversicherungsbeitrag der Rentner eingeführt. Die Beitragssätze zur Rentenversicherung bleiben unverändert. Die laufenden Renten werden ab 1. Januar 1979 jeweils mindestens entsprechend der Steigerung der nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben verfügbaren Einkommen der aktiven Arbeitnehmer erhöht werden.
    Der neue Arbeitsminister Ehrenberg versicherte immer wieder — ich zitiere ihn wörtlich von der Bundespressekonferenz am 14. Januar 1977 —:
    Nach allem, was ich heute sagen kann, ist das Konzept voll belastungsfähig und hält allen heute erkennbaren Risiken stand.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU] : Dummes Zeug! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Erst vor einem halben Jahr, am 1. Juli 1977, traten die Sanierungsgesetze in Kraft, mit denen die Rentenversicherung um rund 60 Milliarden DM entlastet wurde, aber zwei Monate hernach beschloß die Regierung bei der Beschlußfassung über den Haushalt 1978 ein neues Stützungsprogramm in Höhe von fast 8 Milliarden DM bis 1980, diesmal zu Lasten der Steuerzahler. Das waren zwei Etappen zur Lösung des „Problemchens". Und wieder hörten wir von der Regierung — ich zitiere wörtlich —:
    die Finanzen der Rentenversicherung sind in Ordnung. Auch künftig muß kein Rentner um seine Rente bangen. Auch künftig wird es regelmäßig Rentensteigerungen geben. Jeder, der etwas anderes sagt, weiß, daß er die Unwahrheit spricht;

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aha!)

    er will nur aus der Angst alter Menschen politisches Kapital schlagen, und das ist schäbig, ..
    So Finanzminister Apel hier in der Haushaltsrede am 4. Oktober 1977.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört! — Unanständig!)

    Jetzt hören wir, daß — allen Vertuschungsmanövern bis in die neuere Zeit hinein zum Trotz — bis 1981 weitere 20 Milliarden, bis 1982 sogar 30 Milliarden in der Rentenkasse fehlen.
    Für uns mit unseren unzulänglichen Möglichkeiten ist es natürlich sehr schwer, alle Rechnungen nachzuvollziehen, aber immerhin zeigt sich, daß zwei Annahmen vorausgesetzt werden, die schon wieder neue Unsicherheitsfaktoren in sich bergen: eine Steigerung der Löhne Jahr für Jahr um etwa 6 % — das mag sein —, dann aber auch die Schaffung von etwa 400 000 zusätzlichen Arbeitsplätzen in den nächsten vier bis fünf Jahren. Die erste Prämisse kann man für realistisch halten; die zweite Prämisse wird bei Fortsetzung dieser Regierungspolitik aller Wahrscheinlichkeit nach nicht erreicht werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Bei den Löchern, die dann noch bleiben, handelt es sich aber nicht etwa um die Unterschiedsbeträge zwischen Einnahmen und Ausgaben; diese Unterschiedsbeträge sind viel höher. Es handelt sich vielmehr nur um die Beträge, die in den nächsten fünf Jahren nach. Auflösung a 11 e r Rücklagen — ein gefährliches Unternehmen! — immer noch fehlen, wenn wenigstens die für die Zahlungsfähigkeit unerläßliche Schwankungsreserve einer einzigen Monatsausgabe übrigbleiben soll.



    Strauß
    Ich habe in der Debatte zur Regierungserklärung am 17. Dezember 1976 mit allem Nachdruck vor den Gefahren gewarnt, die sich aus der bei den sogenannten Sanierungsgesetzen vorgesehenen Abschmelzung des Vermögens der Rentenversicherungsträger von drei auf eine Monatsausgabe ergeben. Auch der DGB hat diese Methode als „ausgesprochen unsolide und gefährlich" bezeichnet. Die Richtigkeit dieser Warnung zeigt sich jetzt. Schon jede verhältnismäßig geringfügige Verschlechterung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung erfordert sofort neue Deckungsmaßnahmen, sei es zu Lasten des Bundeshaushalts, d. h. des Steuerzahlers, sei es zu Lasten der Rentner, sei es zu Lasten der Beitragszahler, und außerdem die volkswirtschaftlich unvernünftige, betriebswirtschaftlich schädliche Auflösung von Reserven um jeden Preis.
    Jetzt zeigt sich abermals, wie leichtfertig Sie, Herr Bundeskanzler Helmut Schmidt und Ihre Mitarbeiter, Ihre Kabinettsmitglieder, Ihre Regierungsparteien, damals gehandelt haben, als Sie diese Warnungen in den Wind geschlagen und abermals nur kurzfristige Reparaturen beschlossen haben. Jetzt wollen Sie offenbar entgegen den Versprechungen, die der Kanzler gegeben hat, die Renten nicht mehr brutto, sondern netto — oder, so jüngste Pressemeldungen, sogar noch deutlich darunter — anpassen.
    Die Täuschungsmanöver werden auch heute noch fortgesetzt. Der Bundeskanzler hat laut Presse am 17. Januar vor der SPD-Fraktion erklärt, es bestehe überhaupt kein Zweifel an der Sicherheit der Renten. Am Tage des jüngsten „Rentengipfels" beim Bundeskanzler, am 11. Januar, schrieb der Arbeitsminister im SPD-Pressedienst: „Die Finanzen der Rentenversicherung sind entscheidend gefestigt worden". — Eine entscheidende Festigung ist nirgendwo zu sehen!
    Dann, wenn Sie in der letzten Regierungserklärung gesagt haben, der Generationenvertrag hält, müssen wir Ihnen sagen: Dieser Generationenvertrag hält
    . so, wie er gemeint war, schon jetzt nicht mehr und wird in Zukunft noch weniger halten.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Der Generationenvertrag bestand in einer dynamischen, auf Wachstum abgestellten, 20 Jahre lang so verlaufenden Wirtschaft darin, die aus dem Arbeitsleben ausscheidenden Bürger am Wachstum der Wirtschaft genauso zu_ beteiligen, wie die im Arbeitsprozeß Stehenden durch Lohn- und Gehaltserhöhungen daran beteiligt werden. Es war nicht nur von einem Inflationsausgleich die Rede; im Generationenvertrag war die Rede von der Beteiligung an dem dynamischen Wachstumsprozeß für aktive und ausgeschiedene Arbeitnehmer unseres Landes. Und was haben Sie aus diesem Generationenvertrag gemacht? Die alte Generation wird betrogen und die kommenden Generationen werden durch dieses System ausgebeutet. Das ist doch die Wahrheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wer hat denn die Unwahrheit gesagt? Wer macht denn den alten Leuten Angst? Die Opposition, die
    von der Regierung nur verlangt, dem Volke die Wahrheit zu sagen? Wie steht es denn mit der Formel von „mehr Demokratie", „mehr Offenheit", „mehr Mitwirkung der Bürger", „weniger Geheimnistuerei"? So war doch das Glockengeläute bei Beginn der neuen Zeit.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Da sitzt der Glöckner!)

    Heute sehen wir hingegen: Geheimniskrämerei, Verschweigen der Wahrheit, Berufung auf Unkenntnis der Tatsachen und ähnliches. Wir wollen nur, daß alle unsere Bürger, wie es einer mündigen Demokratie entspricht, wissen, was auf sie zukommt. Wir malen keine Schreckgespenster an die Wand. Aber die Regierungsgaukler haben den Betroffenen doch die Unwahrheit gesagt und haben sie darüber hinaus mit der Ankündigung immer neuer Verschlechterungen in wachsende Zukunftsangst versetzt.
    Es ist doch wirklich ein Skandal, 'wie sich der Hanseate Schmidt und der Ostpreuße Ehrenberg auf einmal die karnevalistische Narrenkappe zu einem Thema aufstülpen, das für solche Verhaltensweisen zu ernst ist. Kollege Franke meinte neulich mit Recht, daß die Bundesregierung jetzt einen Versuchsballon nach dem anderen hochgehen lasse, um zu testen, wie die Öffentlichkeit reagiere. Das hat uns gerade noch gefehlt: Beitragszahler und Rentenempfänger als Versuchskarnickel für regierungsamtliche Public-Relations-Tests.
    Da war die Rede von der Einführung der Abgabepflicht für :bisher abgabefreie Zuschläge und für Weihnachtsgeld. Dann erschien der Krankenkassenbeitrag der Rentner mit seiner ominösen Vorgeschichte, wenn ich an die Jahre 1967 bis 1970 denke; ich habe keine Zeit, das näher auszuführen. Dann erschien der Plan zur vollen Einbeziehung der Rentner in die Lohnsteuer. Dann tauchte der schattenhafte Plan eines Solidarbeitrags ohne Angabe näherer Einzelheiten auf. Und heute wird eine allgemeine Erhöhung der Beiträge von der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen der SPD vorgeschlagen. Das heißt doch nicht mehr und nicht weniger, als daß sich die Regierung nicht bemüht hat, sich die Informationen zu beschaffen, die die Opposition aus allgemein zugänglichen Quellen schon seit 1975, 1976 hatte. Da die Regierung diese Informationen aber besaß und sie verschwiegen, unterdrückt hat, hat sie die Wahlbürger und die Rentner in Kenntnis der Wahrheit falsch unterrichtet. Das nennt man lügen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Generationenvertrag in der ursprünglich zugesagten Form ist durch die Wirtschafts- und Finanzpolitik seit 1969 zusammengebrochen. Über dem Ganzen schwebt noch der sozialistische Pferdefuß, den Generationenvertrag dadurch vollends zu zerstören, daß man die Renten in eine Sockelrente und eine Zusatzrente einteilen will — jedenfalls wunde diese Absicht, auch wieder testweise, angekündigt — und damit das seit Generationen bewährte Versicherungsprinzip überhaupt aufgeben will.



    Strauß
    Was heißt das denn noch? Das heißt nach dem, was ich bisher gesagt habe, daß die beiden großen Reformen der Nachkriegszeit, die den Namen wirklich verdienen — Ersatz der Zwangs- und Planwirtschaft durch soziale Marktwirtschaft und Ersatz des kümmerlichen alten Rentensystems durch das neue Rentensystem —, von denen beeinträchtigt, gefährdet und zum Teil demontiert worden sind, die ausgezogen sind, dieses Land zu reformieren, weil es bisher nicht genügend Reformen gehabt habe.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In der Vergangenheit haben der Bundeskanzler, der Wirtschaftsminister und die Koalitionsparteien unsere Warnungen nur zum Anlaß für demagogische Hetze genommen. Jetzt muß die Regierung mühsam immer neue Reparaturen verkünden, muß immer mehr kleistern. Jetzt spricht der nordrhein-westfälische Sozialminister Farthmann, einer der Kühn-Nachfolgekandidaten, von einer „nicht mehr zu übersehenden Krise der deutschen Sozialpolitik". Die Sozialpolitik stoße an ihre finanziellen Grenzen; reine Leistungsverbesserungen seien nicht mehr möglich.
    Meine Damen und Herren, ich habe auf dem Mannheimer Parteitag der CDU am 24. Juni 1975 in meiner Rede gesagt: „Wir müssen heute den Mut haben, zu sagen, daß die Grenzen des Sozialstaates erreicht sind."
    Ich habe in meiner Rede vor dem Institut „Finanzen und Steuern" am 7. April 1976 gesagt: „Die explosionsartige Kostenentwicklung in diesem Bereich wirft die Frage auf, ob die Belastbarkeitsgrenze unserer Volkswirtschaft mit kollektiven Soziallasten nicht 'bereits erreicht, wenn nicht überschritten ist." Ich habe in derselben Rede ferner gesagt: „Ein Sozialsystem, das den Angebotskatalog ständig durch neue Leistungen erweitert, immer mehr Sozialtransfers in die Dynamisierung einbezieht und den Empfängerkreis permanent ausdehnt, birgt zwangsläufig die Gefahr der Selbstzerstörung in sich. Wir sind nicht am Ende der Sozialpolitik, aber die Grenzen des Sozialstaates sind erreicht."
    Wenige Wochen später, in der Haushaltsdebatte 1976, hat der damalige und heutige Bundesfinanzminister Apel erklärt, daß diese meine Reden — auf dem Mannheimer Parteitag der CDU und ein Jahr später vor dem Institut „Finanzen und Steuern" — die Absicht der Opposition, zumindest des Herrn Strauß, einschließen, die sozialen Leistungsgesetze aufzuheben und soziale Demontage zu vollziehen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Tief unanständig!)

    Ich habe mit diesen Beiträgen erstens die Wahrheit gesagt — für die mir nicht so ausführliche Informationen zur Verfügung standen wie den regierungsamtlichen Inhabern von Mammutapparaten —, und ich habe damit zweitens die Bereitschaft der Opposition angedeutet, unser Sozialsystem und seine Leistungsfähigkeit durch Begrenzung auf das volkswirtschaftlich im äußersten Fall Mögliche zu erhalten. Das war das Gegenteil von dem, was man „Obstruktion" nennt, das Gegenteil von dem, was
    man unter „Konfrontation" häufig mißversteht. Das war das Angebot zur Kooperation, und dafür sind wir als Feinde des Sozialstaates verhöhnt, verteufelt und denunziert worden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe in derselben Haushaltsdebatte gesagt: „Die Stunde der Wahrheit wird, wenn Sie an der Regierung bleiben, auch für Sie kommen. Wir sagen es nur heute vor den Wahlen, weil wir ehrlicher sind." Die Stunde der Wahrheit ist gekommen. Sie wird zwar nur ratenweise zugegeben, aber die Probleme laufen hinter Ihnen drein, Herr Bundeskanzler, und die Probleme werden sie einholen, und die Nichtlösung der Probleme wird Ihren Ruf als großer Macher und Pragmatiker in absehbarer Zeit zerstören.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In diesem Zusammenhang werden wir auch bei anderer Gelegenheit auf die leistungs- und wirtschaftsfeindliche Erhöhung der Steuern- und Abgabenbelastung der Löhne und der Erträge zu sprechen kommen. Das Thema Steuerreform, das Thema Tarifreform, das Thema Beseitigung der ertragsunabhängigen Steuern, Vermeidung der Substanzbesteuerung bleiben nach wie vor auf dem Tisch, ohne daß ich heute näher darauf eingehe.
    Aber eine andere ordnungspolitische Grundsatzfrage liegt uns sehr am Herzen. Fortschritt, Leistungsfähigkeit, Neuerungsfähigkeit sind wesentliche Kriterien der konsequent betriebenen Sozialen Marktwirtschaft und hängen unabtrennbar zusammen mit einer möglichst großen Zahl lebensfähiger selbständiger Unternehmungen.
    Je mehr die Zahl der Selbständigen schrumpft, desto weniger verkraftungsfähig, desto weniger aufnahmefähig, desto weniger erneuerungsfähig wird unsere Wirtschaft, sei es im Produktionsgewerbe, sei es im Dienstleistungsgewerbe.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Natürlich gab es die großen Strukturprobleme: Landwirtschaft, Handel, Handwerk. Die Zwerghöfe, der Tante-Emma-Laden, der Einmannbetrieb eines Schusters, das sind keine erhaltungsfähigen und erhaltungswürdigen Strukturen. Aber man kann auch nicht davon ausgehen, daß die Zahl der Selbständigen gewissermaßen einem Naturgesetz folgend immer weiter abnehmen muß. Dann bleibt zum Schluß nur noch einer übrig, nämlich der Staat. Es gibt irgendwo eine Grenze, die nicht mehr unterschritten werden darf, und diese Grenze ist erreicht. Das heißt, daß die .Zahl der Neugründungen von Betrieben mindestens so groß wie die Zahl der Betriebsaufgaben sein muß und daß auch die Zahl der Neugründungen wieder wachsen muß. Natürlich gibt es auch bei den Betrieben kritische Grenzen, unterhalb derer nicht mehr rentabel gewirtschaftet werden kann. Wenn aber im Jahre 1962 17% der jungen Menschen ihren Wunsch zur Selbständigkeit äußerten, und es im Jahre 1977 nur noch 7 % sind, dann spricht das eine deutliche Sprache, dann ist das eine Folge der Politik der sogenannten sozialliberalen Koalition mit ihrer ausgesprochenen Selb-



    Strauß
    ständigenfeindlichkeit, die im Laufe der letzten Jahre immer stärker zutage getreten ist.

    (Beifall beider CDU/CSU)

    Davon zeugt die hohe Zahl der Konkurse und Vergleichsverfahren, von den Betriebsaufgaben und -verkäufen gar nicht zu reden. Bezeichnend ist auch, daß die Zahl von Angeboten an gefährdeten Betrieben größer als in der Nachkriegszeit ist und daß sich heute die Nachfrage nach Betrieben auf ganz wenige spezielle Branchen und Sparten beschränkt.
    Das Wirtschaftswachstum steht außerdem im umgekehrten Verhältnis zur Erzeugung von Vorschriften. Gerade die kleinen und mittleren Unternehmer müssen einen unangemessen großen Teil ihrer zeitlichen und geistigen Kapazität für die Erfüllung von Gesetzen und Verordnungen verschwenden, die schon wieder durch neue ersetzt werden, bevor die Praktikabilität der alten überhaupt nachgewiesen worden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wirtschaftswachstum kann unter diesen Umständen nicht gedeihen. Die Probleme des Wachstums und der Vollbeschäftigung können nicht durch Arbeitszeitverkürzung, Urlaubsverlängerung, Vorverlegung der Altersgrenze oder durch überhöhte Lohnabschlüsse als angebliche Kaufkraftmotoren, durch staatliche Investitionsplanung oder öffentliche Strukturräte, sondern nur durch eine funktionierende, weil nicht bürokratisch gehemmte oder abgabenmäßig überlastetete Marktwirtschaft gelöst werden.
    Die Marktwirtschaft hat bei uns den Übergang vom Agrarstaat zum Industriestaat am besten gelöst,. sie hat den Strukturwandel in Handwerk und Handel und im ganzen Gewerbe am reibungslosesten bewältigt. Die Marktwirtschaft hat mehr Arbeitsplätze neu geschaffen, als der Strukturwandel vernichtet hat, und die Marktwirtschaft hat erreicht, daß bei uns Arbeitslose und Rentner einen höheren Lebensstandard haben, als ihn in sozialistisch regierten Ländern die im Arbeitsprozeß stehenden und in jenen Systemen ausgebeuteten Arbeitnehmer haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber es genügt nicht, darüber Denkschriften herauszugeben. Der Investitionsbedarf für eine selbständige Existenz wird immer größer. Ich gebe Herrn Schelsky recht, der vor wenigen Tagen geschrieben hat, daß der ordnungspolitische Mechanismus zur Selbständigkeitserzeugung — das ist die Sprache des Soziologen — mehr und mehr aufgegeben worden ist. Dafür sind eingetreten: planwirtschaftliche Betreuung und soziale Bevormundung, ständige Beschränkung der Verfügungsquote des Arbeitseinkommens, öffentliche Kontrolle statt Eigeninitiative, Zuteilungsgerechtigkeit statt Aufruf zur Eigenverantwortung. Wir brauchen — ich sage das sehr deutlich — wieder eine neue Pioniergeneration statt einer Vermehrung der alten Funktionärskaste, wenn die Probleme gelöst werden sollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Nur durch Beweglichkeit, Verkraftungsfähigkeit,
    Neuerungsbereitschaft, Risikofreude und Verantwortungsbereitschaft einer zunehmenden Zahl unternehmerischer Selbständiger sind die Fragen der Vollbeschäftigung, der Freiheit der Wahl der Arbeitsplätze und der Ausbildungsmöglichkeit der heranwachsenden Generation zu lösen. Das sind Aufgaben, die von denen nicht erfüllt worden sind, die mehr Demokratie, mehr Lebensqualität und mehr Reformen versprochen haben.
    Die Flut der Gesetze, Verordnungen, Erlasse, Ausführungsbestimmungen und Richtlinien hat in erschreckendem Ausmaß zugenommen. Die sozialistische Demokratie wird heute weniger von der marxistischen Ideologie, sondern vielmehr von der zunehmenden Bürokratisierung aller öffentlichen, privaten und auch privatwirtschaftlichen Bereiche bedroht. Dabei sind besonders die beschäftigungsfeindlichen und ausbildungshemmenden Vorschriften hervorzuheben. Dazu gehören Teile der Ausbilder-Eignungsverordnung, Teile des Jugendarbeitsschutzgesetzes, Teile der Kündigungsbestimmungen, Teile des Schwerbehindertengesetzes.

    (Zurufe von der SPD)

    Ich weiß, welche infame Methode hier wieder beabsichtigt ist: nämlich dann, wenn man von gewissen Mißständen und Übertreibungen spricht, einem die Abschaffung im Grundsatz richtiger, wohltätiger und schutzreicher Sozialgesetze infam in die Schuhe schieben zu wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist genauso, wie es damals war, als ich von der Tatsache sprach, daß der Sozialstaat seine Grenzen erreicht habe: Heute wird genau dieselbe stupide und infame Methode wieder angewandt. Anders kann man es nicht nennen, wie hier die Absichten so gedeutet werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aus das geplante Arbeitsgesetzbuch darf keine Erweiterung des Abschreckungsarsenals gegen die Bereitschaft zur Errichtung selbständiger Existenzen mit sich bringen. Es gibt gutgemeinte Wohltaten, die zur Plage werden und die sich an denen rächen, zu deren Nutzen sie ursprünglich — vermeintlich oder wirklich — geplant waren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, es genügt auch nicht, über die Unverständlichkeit von Formularen zu klagen. Ich bedaure es, daß Sie — genauso wie ich — Ihre Gas- und Wasserrechnung usw. — in gleicher Weise gilt das wahrscheinlich für Ihren Gehalts- und meinen Pensionszettel — nicht mehr so ohne weiteres verstehen können. Das hängt mit der Umstellung auf EDV und Computersysteme zusammen. Auf dem Gebiete der Überprüfung, Durchforstung und Beseitigung beschäftigungshemmender, investitionsfeindlicher und ausbildungsverhindernder Vorschriften sollte die Bundesregierung aber einmal vorangehen, statt über die Nichtlesbarkeit oder Nichtverstehbarkeit von Formularen Reden zu halten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wo bleibt da der große Macher, der Pragmatiker? Wo bleibt da der Wogenbezwinger? Wenn es um die Gesetzesflut und die damit verbundene schikanöse Papierlawine geht, sieht man nichts mehr von ihm. Er ist von der Bühne verschwunden. Er gibt



    Strauß
    klein bei, weil die Planmarxisten, Formularideologen und Betreuungsbürokraten in den eigenen Reihen ihn hindern, von seinem gesunden Menschenverstand — den wir ihm gern unterstellen — Gebrauch zu machen. Als Vorsitzender der Langzeitkommission der SPD allerdings — damals mehr Brandstifter als Feuerwehrmann, um einen bekannten Vergleich zu gebrauchen — hat er das Ansteigen des Staatsanteils auf die Höhe gefordert, die er als Finanzminister und Kanzler dann sehr bald erreicht hat. Aber er hat dies vor Unternehmern bedauert, vor Genossen begrüßt — suum cuique, jedem das Seine —, eine neue Form der Verteilungsgerechtigkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU) -

    Zu diesem Kapitel gehört auch die dauernde Drohkampagne gegen die Marktwirtschaft und einen Teil ihrer Träger. Ich sage: einen Teil ihrer Träger, weil Marktwirtschaft nicht die Wirtschaftsform der Unternehmer ist. Marktwirtschaft ist die Wirtschaftsform des ganzen Volkes. Marktwirtschaft wird von beiden Seiten getragen, von Kapital und Management einerseits und von Arbeit andererseits. Beides fließt heute zum Teil in erfreulicher Weise auch bereits zusammen.
    Aber was soll man davon halten, wenn Herr Vetter zum Beispiel sagt: Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, Leistungsdruck, Jugendliche ohne Ausbildung sind die Ergebnisse unternehmerischer Alleinherrschaft? In unserem Staat gibt es keine Alleinherrschaft, und wenn es sie gäbe, wäre es keine Demokratie mehr.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Gerade die Demokratie braucht Macht und Gegenmacht, Gewicht und Gegengewicht. Wir würden uns leidenschaftlich gegen eine Alleinherrschaft oder eine überwiegende Herrschaft des Kapitals wenden. Es muß aber ein ausgewogenes Verhältnis bestehen.

    (Lachen bei der SPD)

    — Die Tatsache, daß Sie darüber lachen, beweist nur, daß Sie von den Grundwerten, über die wir reden, nichts verstehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Herr Loderer sagte auf dem 12. ordentlichen Gewerkschaftstag der IG Metall in Düsseldorf am 22. September 1977: „Wir sind nicht auf die heutigen Strukturen in der Marktwirtschaft verpflichtet. Lange genug werden wir auf die Selbstheilungskräfte des Marktes vertröstet. Die Marktwirtschaft reicht nicht mehr aus, um die strukturellen Probleme zu lösen." Herr Mahlein sagte: „Ein Wirtschafts-und Gesellschaftssystem, das nicht bereit oder nicht fähig ist, das Recht auf Ausbildung und Arbeit zu verwirklichen, stellt seine Existenz in Frage und ist selbst daran schuld, wenn die Forderungen nach neuen Ordnungen immer akuter werden."
    Ich möchte jetzt einmal wissen: Wie sollten die „neuen Ordnungen" aussehen? Es gibt doch für diejenigen, die im Herzen und nicht nur mit den Lippen. sich zur Sozialen Marktwirtschaft bekennen, nur einen einzigen Weg, diese Mängel zu beheben, die
    es in unserer Regierungszeit nie gegeben hat, die Produkte der sozialliberalen Koalition und der von ihr geschaukelten Regierungen sind, nur einen einzigen Weg, und das ist, unsere Marktwirtschaft wieder funktionsfähig zu machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Oder, wenn Sie es einfacher ausgedrückt haben wollen, man schickt ein Pferd nicht auf die Rennbahn und verlangt den Sieg, wenn man ihm vorher die Vorderläufe zusammengebunden hat, wie es in zunehmendem Maße in den letzten Jahren geschehen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Da werden Strukturräte verlangt, Meldestellen für Investitionsplanungen als Vorkommandos für staatliche Investitionsplanung usw. usw. Man sollte doch in einer modernen Volkspartei — und die SPD erhebt ja den Anspruch darauf; es ist so wie ein Flugzeug, das nicht vom Boden abheben kann, weil die es zur Tiefe ziehenden Kräfte stärker sind als die zum Aufstieg treibenden Kräfte —

    (Zurufe von der SPD)

    endlich begreifen, daß der Übergang der Verfügungsgewalt über Produktionsmittel von privater Unternehmerschaft in gesellschaftliche oder staatliche Hände nackte Reaktion ist,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Rückschlag ist, Niedergang bedeutet, weil damit die Kräfte einer modernen freiheitlichen, dynamischen Gesellschaft mutwillig angetastet und zum Schluß zerstört werden. Aber immer wieder erleben wir ja, daß hinter all dieser Kritik und hinter diesen Plänen der alte marxistische Adam steht, zu glauben, man müsse die Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel ändern, dann entstehe die gerechte, vollkommene, harmonisch funktionierende, glückselige Gesellschaft. Das ist doch ein abermaliger Beitrag des Aberglaubens, nämlich anzunehmen, daß man damit den Weg zum irdischen Himmel erschließen' könne. Nein, man pflastert den Weg zur Hölle, indem man diesen Weg geht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich möchte, Herr Bundeskanzler, nun im letzten Teil meiner Ausführungen auf etwas zu sprechen kommen, was uns noch lange beschäftigen wird, seit den jüngsten Vorgängen — jedenfalls dem Vorgang in Hamburg — wieder sehr akut beschäftigt. Ich möchte hier von den großen Sünden gegen den Amtseid sprechen. In der letzten Woche sind hier unglaubliche Behauptungen aufgestellt worden, und zwar im Zusammenhang mit dem Thema Kampf gegen den Terrorismus, das uns nach den jahrelangen Beschwichtigungsphrasen und Ablenkungsmanövern im letzten Jahr wieder mehr beschäftigt hat, als bei pflichtbewußter Arbeit der Bundesregierungen unvermeidlicherweise trotzdem erforderlich gewesen wäre.
    Helmut Kohl sagte in der Antwort auf die Regierungserklärung — und ich bitte, ihn zitieren zu können —:



    Strauß
    Wir waren uns auch einig, daß alle in einem Rechtsstaat zulässigen administrativen und gesetzgeberischen Mittel eingesetzt werden müssen, um diesem schrecklichen Spuk ein Ende zu machen. Nur unter dieser Voraussetzung war und ist das Opfer von Hanns Martin Schleyer moralisch zu rechtfertigen. Untätigkeit, aus welchen Gründen auch immer, nimmt diesem Opfer jeden Sinn. und unserem Tun, unserem Mittragen die moralische Rechtfertigung.
    An diesen Sätzen ist nichts zu rütteln, ist nichts zu deuten, und sämtliche Mitglieder unserer Fraktion und die überwältigende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande sind genau derselben Ansicht und von derselben Überzeugung getragen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Darauf - und ich weiß ja, was während der Zeit der Sitzungen des Krisenstabes im Schoße der Familie Schleyer und ihrer Freunde an Gedanken geäußert, an Plänen erörtert und an Vorschlägen erwogen wurde; ich möchte hier aus bestimmten Gründen nicht darauf eingehen —, auf diese Bemerkungen, auf diese grundsätzlichen, tief sitzenden und aufwühlenden Bemerkungen des Oppositionsführers kam aber eine ungeheuerliche Antwort des Regierungschefs:
    Herr Abgeordneter Kohl, die bisher 28 Toten, die der Terrorismus, uns Deutsche betreffend, im Laufe der Jahre gefordert hat, einschließlich des Herrn Dr. Hanns Martin Schleyer, und die Opfer ihrer Familien sind unvermeidlich gewesen, weil wir alle unter dem Druck, unter dem wir standen, den Staat nicht ändern wollten, weil wir die Staatsform, deren wir uns erfreuen, erhalten wollen.
    Eine Diktatur, ein Unrechtsstaat hätte nicht das Recht dazu, wenn er auch die Macht hätte, solche Opfer für die Unversehrtheit seiner diktatorischen Rechtsform zu verlangen.
    Ich weiß, daß Sie hinsichtlich des Satzes, den ich jetzt hier anschließen will, genauso wie ich und wie sicherlich die allermeisten in diesem Hause denken: Jeder von uns muß in dem Fall, daß es ihn trifft, bereit sein, ein ähnliches Opfer auf sich zu nehmen.
    Und dann heißt es weiter aus dem Munde des Regierungschefs:
    Aber ein Mißverständnis sollte sich hier nicht einschleichen. Diese Opfer werden gebracht, wenn sie unvermeidlich sind, damit wir nicht die freiheitlich-demokratische rechtsstaatliche Ordnung unseres Staates zum Opfer bringen müssen. Das ist in diesem Fall der höhere Wert.
    Nun sind wir wie Sie in diesem Punkt sicherlich nicht unterschiedlicher Meinung.
    Niemand, so hoffe ich sehr, jedenfalls wollen Sie es nicht,
    — Herr Kohl war damit gemeint —
    will hier wesentliche Bestandteile des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates zum Opfer bringen.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier weicht der Bundeskanzler nicht nur vor der wirklichen Fragestellung aus,

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    sondern er wirft eine unerhörte Alternative auf, nämlich entweder Opfer des Terrors müssen hingenommen werden, oder die Diktatur muß zu seiner Bekämpfung eingeführt werden.

    (Widerspruch bei der SPD — Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Das ist einfach falsch!)

    — Das ist doch die Alternative: Verzicht auf wirksame Maßnahmen oder Aufhebung des Rechtsstaates.

    (Pfui-Rufe von der SPD)

    Das Thema, über das hier gesprochen wurde und das hier zur Diskussion stand, ist nicht Aufhebung des Rechtsstaates, ist nicht einmal Änderung des Grundgesetzes, wobei sich für keinen, der vom Verfassungsrecht eine auch nur laienhafte Ahnung hat, der Zweifel ergibt, daß der Rechtsstaat größere Grenzen hat als das Grundgesetz. Aber wir sind dem Grundgesetz verpflichtet. Wir hätten auch das Recht
    selbstverständlich ohne den Rechtsstaat zu verletzen —, durch Änderung des Grundgesetzes rechtsstaatliche Grenzen auszuschöpfen; denn es gibt Rechtsbestimmungen in anderen Ländern, die bei uns nicht zulässig sind, weil das Grundgesetz sie nicht erlaubt. Aber es ist nicht erlaubt, dann diese demokratischen Länder etwa als Diktaturen oder als Unrechtsstaaten darzustellen; das nur nebenbei zur Belehrung.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dies sind unerhörte Ausführungen. Auch ein Kollege von der freien demokratischen Fraktion hat ja gesagt: „Es hat keinen Sinn. Wer glaubt, Gesetze mit Hast und heißer Nadel stricken zu können, der muß wissen, daß er dadurch den Rechtsstaat in Gefahr bringt." So gesprochen von Herrn Bangemann. Wann sind denn die letzten Untaten im Jahre 1977 geschehen? Die Ermordung des Herrn Buback, die Ermordung des Herrn Ponto, die Entführung, am 5. September 1977 geschehen, des Herrn Schleyer und Mitte Oktober seine Ermordung: Was heißt da „Gesetze mit heißer Nadel stricken"? Wie lächerlich wird der Rechtsstaat gemacht, wenn in endlosen, zum Teil künstlich hinausgezögerten Diskussionen auch die geringsten Verschärfungen in der Gesetzgebung und in der Administrative über viele Monate hinaus verschleppt werden?
    Das Ritual kennen wir, Herr Bundeskanzler. Zuerst geschieht ein scheußliches Verbrechen. Dann kommt der zweite Akt: Verantwortliche eilen fernsehwirksam zum Tatort oder drücken anderswo publikumswirksam ihren Abscheu, ihre Empörung, ihr Entsetzen, ihr Bedauern aus. Dann kommt der dritte Akt: Dann wird drohend die Hand erhoben: Aber jetzt wird der Rechtsstaat mit der ganzen Härte des Gesetzes zuschlagen. Dann kommt der vierte Akt gleich hinterher: Man warnt vor Hysterie, Überreaktionen, vor Hexenjagd. Man warnt davor, kritische Geister als Sympathisanten zu verdammen. Als



    Strauß
    ob die Sympathisanten kritische Geister wären! Ganz im Gegenteil!

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Kritische Geister sind wir hier in erster Linie. Als Opposition sind wir die kritischen Geister!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Und dann kommt der fünfte Akt: das große Schweigen.
    Es ist doch eine unverantwortliche Verzögerung, wenn selbst die wenigen Maßnahmen, zu denen sich die Regierungskoalition auch nur zum Teil durchgerungen hat, die aber von der „Regierung Coppik/Schmidt" bis jetzt nicht durchgesetzt werden können,

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    weshalb ja die Beratung verzögert worden ist, im Februar des folgenden Jahres nach den drei großen Mordserien des letzten Jahres vielleicht beraten werden können.
    Wogegen wir uns aber wenden, Herr Bundeskanzler — das sage ich mit aller Deutlichkeit —, ist der Bruch des Amtseides. Sie haben geschworen, Schaden abzuwenden und Nutzen zu mehren. Das, was Sie hier tun, heißt nicht Schaden abwenden, es heißt Maßnahmen verzögern, die zur Verminderung des Schadens erforderlich sind, und sie zum Teil zu Fall bringen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Das ist doch die Kapitulation vor der Linken in Ihren eigenen Reihen. Sie wissen ja, was Herr Schreiner, der stellvertretende Vorsitzende der Jungsozialisten, vor wenigen Tagen geäußert hat. Ich komme hier auf diese politische Pornographie nicht mehr zurück. Aber Sie, Herr Bundeskanzler, haben in der Regierungserklärung vom 15. September 1977 selbst gesagt: „Verantwortung heißt, nichts zu versäumen und nichts zu verschulden." Sie haben Entscheidendes versäumt, Sie persönlich und Ihre Regierung, weil Sie die Partei und ihren Zusammenhalt über Ihre Aufgabe gestellt haben, weil Sie das Zusammenwirken der Koalition für wichtiger halten als die Erfüllung staatspolitischer Pflichten. Sie sind den leichteren Weg gegangen

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    und haben damit auch den größeren Schaden zu verantworten.
    Ich sage das deshalb mit dieser Schärfe, weil es unerhört ist, wenn die von der CDU/CSU vorgeschlagenen, von den Experten der Polizei, des Verfassungsschutzes und der Justiz fast ausnahmslos für richtig gehaltenen, fast ausnahmslos getragenen Maßnahmen — es sei denn, sie stehen unter Regierungsbefehl — als Öffnung unseres Rechtsstaats zu einer Diktatur, als Umwandlung zu einem Unrechtsstaat diffamiert werden. So billig kommen Sie aus dieser Situation nicht heraus!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Abgelehnt worden sind von den Vorschlägen der CDU/CSU der Verteidigerausschluß in erleichterter Form bei Vorliegen konkreter Tatbestandsmerkmale. Abgelehnt worden ist die Verteidigerüberwachung. Da gibt es doch namhafte Bekundungen aus dem Regierungslager — vom Bundeskanzler, vom Justizminister —, man sei dafür. Aber im Laufe der Monate, in denen nichts verzögert und nichts versäumt worden ist, hat man dann auf einmal entdeckt, daß man zwar persönlich dafür sei, es aber politisch nicht durchsetzen könne. Was heißt: politisch nicht durchsetzen? Es ist eine Lüge, zu sagen, das Parlament lehne es ab. Sie haben die Stimmen der CDU/CSU zu den Stimmen hinzu, die Sie aus den Regierungsfraktionen bekommen. Das ergibt eine haushohe Mehrheit. Dann können Sie auf die paar Linken verzichten, die das bisher verhindert haben.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)