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ID0803603800

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/36 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 36. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1977 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 2763 A Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . 2763 B Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1977 (Haushaltsgesetz 1977) — Drucksachen 8/100, 8/324, 8/270, 8/474 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — Drucksache 8/498 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 1976 bis 1980 — Drucksachen 8/101, 8/325, 8/612 — in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksache 8/517 — in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld — Drucksache 8/513 — in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung — Drucksache 8/514 — in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksache 8/515 — Carstens (Emstek) CDU/CSU . . . . . 2764 A Grobecker SPD 2769 A Gärtner FDP 2772 B Wohlrabe CDU/CSU 2774 A II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 36. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1977 Löffler SPD . . . . . 2776 D Frau Matthäus-Maier FDP 2779 B Dr. Apel, Bundesminister BMF . . . . 2780 C Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksache 8/499 — Dr. Waigel CDU/CSU 2785 C Dr. Sperling SPD 2788 D Dr. Haussmann FDP . . . . . . . . 2791 C Pieroth CDU/CSU 2793 A Reuschenbach SPD 2795 B Dr. Graf Lambsdorff FDP . . . . . . 2797 D Dr. Barzel CDU/CSU . . . . . . . 2800 D Dr. Friderichs, Bundesminister BMWi . 2803 A Hauser (Krefeld) CDU/CSU . . . . . 2805 C Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksache 8/504 — Dr. Zimmermann CDU/CSU 2813 D Möllemann FDP 2816 C Blank SPD 2822 D Hauser (Bonn-Bad Godesberg) CDU/CSU 2825 B Horn SPD 2827 A Leber, Bundesminister BMVg . 2830 D, 2854 A Dr. Wörner CDU/CSU 2839 A Dr. Schäfer (Tübingen) SPD 2846 C Dr. Kohl CDU/CSU 2848 A Schmidt, Bundeskanzler 2849 C Dr. von Weizsäcker CDU/CSU 2855 B Erklärungen nach § 35 GO Dr. Zimmermann CDU/CSU 2856 D Würzbach CDU/CSU 2857 B Namentliche Abstimmung 2857 C Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau — Drucksache 8/509 — Hauser (Bonn-Bad Godesberg) CDU/CSU . 2859 C Stöckl SPD 2861 A Dr. Schneider CDU/CSU 2862 B Gattermann FDP 2864 A Ravens, Bundesminister BMBau . . . . 2866 C Niegel CDU/CSU 2869 B Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr — Drucksachen 8/502, 8/558 — Schröder (Lüneburg) CDU/CSU . . . . 2830 A Müller (Nordenham) SPD 2872 B Lemmrich CDU/CSU 2874 B Peters (Poppenbüll) FDP 2876 B Gscheidle, Bundesminister BMV /BMP . 2876 D Metz CDU/CSU 2877 B Grobecker SPD 2877 D Tillmann CDU/CSU . . . . . . . . 2878 A Schirmer SPD 2878 B Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen - Drucksache 8/503 — . . . . . . . . 2878 D Haushaltsgesetz 1977 — Drucksachen 8/518, 8/577 — . . . . . 2879 A Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zum Gesetz zur Zwanzigsten Rentenanpassung und zur Verbesserung ,der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (Zwanzigstes Rentenanpassungsgesetz) — Drucksache 8/651 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zum Gesetz zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz) — Drucksache 8/652 — Müller (Remscheid) CDU/CSU 2806 C Franke CDU/CSU 2809 C Glombig SPD 2811 A Schmidt (Kempten) FDP 2812 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu einer dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht — Drucksache 8/657 — 2813 B Nächste Sitzung 2879 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 2881* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 36. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1977 2763 36. Sitzung Bonn, den 23. Juni 1977 Beginn: 9.02 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 24. 6. Dr. Ahrens *' 24. 6. Dr. Aigner * 24. 6. Amrehn ** 24. 6. Angermeyer 24. 6. Blumenfeld * 24. 6. Frau von Bothmer ** 24. 6. Büchner (Speyer) ** 24. 6. Dr. Enders *' 24. 6. Dr. Evers ** 24. 6. Dr. Fuchs * 23. 6. Dr. Geßner ** 24. 6. Handlos ** 24. 6. von Hassel ** 24. 6. Hoppe 24. 6. Dr. Jahn (Braunschweig) * 23. 6. Katzer 24. 6. Klinker 24. 6. Kunz (Berlin) * 24. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Lange * 23. 6. Lemp *** 24. 6. Lenzer *** 24. 6. Lücker * 24. 6. Marquardt ** 24. 6. Dr. Marx 24. 6. Dr. Mende ** 24. 6. Milz ** 24. 6. Dr. Müller ** 24. 6. Müller (Mülheim) 24. 6. Dr. Müller-Hermann * 23. 6. Pawelczyk ** 24. 6. Reddemann ** 24. 6. Frau Dr. Riede (Oeffingen) 24. 6. Dr. Schäuble ** 24. 6. Scheffler *** 24. 6. Schmidhuber ** 24. 6. Schmidt (München) * 24. 6. Schreiber * 23. 6. Dr. Schwencke (Nienburg) ** 24. 6. Seefeld 24. 6. Sieglerschmidt * 24. 6. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim ** 24. 6. Dr. Starke (Franken) * 24. 6. Dr. Staudt 24. 6. Frau Steinhauer 24. 6. Ueberhorst 24. 6. Dr. Vohrer ** 24. 6. Wawrzik * 24. 6. Würtz * 23. 6. Zeyer * 24. 6.
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    Rede von Elmar Pieroth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hat man den Kollegen Löffler und Sperling heute morgen zugehört, dann muß man den Menschen draußen im Lande, den Unternehmern und Arbeitnehmern recht geben, die sagen: Wir haben keine Krise der Wirtschaft, sondern haben eine Krise der Wirtschaftspolitik.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Haushaltsdebatte sollte Gelegenheit für eine Bestandsaufnahme geben. Dazu fehlt es dieser Koalition an Mut. Schlimmer noch: Die größere Fraktion, Sie, meine Damen und Herren von der SPD, entwickeln politische Phantasie nur noch beim Erfinden von Ausreden, bei der Suche nach Sündenböcken, beim Abschieben von Verantwortung, nicht aber bei der Entwicklung von wirtschaftspolitischen Konzepten.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Es ist eben etwas anderes, auf dem Gipfel in London über Marktwirtschaft zu reden, als sie in der eigenen Fraktion durchzusetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Statt dessen empfiehlt man Sprachregelung. Die erste: Das Ausland sei an allem schuld. Wir haben das heute morgen wieder hören können. Diese Ausrede klingt plausibel, wenn man uns mit Italien oder etwa England vergleicht. Aber da gibt es Länder wie die Vereinigten Staaten, Kanada, Japan, die doppelte, drei- und vierfache Wachstumsraten aufweisen.

    (Zuruf von der SPD: Was?)

    Wir haben in den letzten zwei Jahren — zusammengerechnet — 3 % Wachstum erreicht, Japan 9 %, Kanada 5,5 %, die Vereinigten Staaten 5 °/o. Das sind schließlich keine unbedeutenden Länder, wo ein paar Indianer oder Eskimos oder feudale Samureis ein kümmerliches Sozialprodukt erwirtschaften. Diese drei Länder erwirtschaften rund 60 % des Sozialprodukts der westlichen Welt. Wenn es dort besser aussieht, stellt sich die Frage, warum es nicht auch bei uns besser aussieht.
    Stellt man einen Zeitvergleich an, wird die Misere der deutschen Wirtschaft noch deutlicher. Im ersten Jahrfünft der 70er Jahre ist das reale Wachstum bei uns doppelt so stark gesunken wie im Durchschnitt der Industrieländer, dafür aber die Arbeitslosigkeit doppelt so rasch gestiegen. Die Amerikaner haben von 1973 bis 1976 über 5 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen, wir im gleichen Zeitraum 800 000 verloren.
    Meine Damen und Herren, es dauert eben einige Zeit, bis man eine so gesunde Wirtschaft, wie wir sie dieser Koalition hinterlassen haben, ruiniert hat. Aber die Geschwindigkeit, mit der das geschieht, ist dann doch erstaunlich.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Für den Fall, daß da ein folgsamer Kollege im Wahlkreis mit dem Märchen vom Ausland nicht mehr ankommt, wird von der Regierung dann gleich eine zweite Ausrede geliefert: ein zu schneller Strukturwandel habe zu unserem Beschäftigungseinbruch geführt. Das genaue Gegenteil ist richtig. Der Strukturwandel war in den 50er und 60er Jahren schneller als in den Siebzigern. Er war Voraussetzung und Ursache für Wachstum und Vollbeschäftigung. In den 50er Jahren konnten so Arbeitsplätze für mehr als 5 Millionen Flüchtlinge und Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft neu geschaffen werden. Weil das anders geworden ist, gibt es in der Tat heute ein Strukturproblem. Nun sieht das ganz anders aus, als Sie von der SPD uns das weismachen wollen. Das Strukturproblem besteht darin, daß weniger Arbeitsplätze rentabel sind, als für die Vollbeschäftigung notwendig wären. Professor Giersch drückte es so aus ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —:
    Bei dem gegebenen Reallohn fallen zu viele marginale Arbeitsplätze und Grenzbetriebe dem Strukturwandel zum Opfer.
    Genau das ist die wirkliche strukturelle Arbeitslosigkeit. Im Gegensatz zu früher gehen also diese Arbeitsplätze verloren, und neue werden weniger geschaffen. Auch durch eine Nachfragebelebung können diese Arbeitsplätze nicht wieder neu besetzt werden; sie sind ja nicht mehr da.

    (Zuruf von der SPD: Aber das ist doch Strukturwandel!)

    — Hören Sie gut zu. Jetzt will ich es Ihnen noch einmal genauer erklären. Arbeitsplätze können nur durch Erweiterungsinvestitionen neu geschaffen werden. Das gelingt, wenn erstens die Tarifpartner ihrer beschäftigungspolitischen Verantwortung nachkommen und zweitens die Strukturpolitik das unternehmerische Suchen und Aufspüren von neuen Chancen besser als bisher erleichtert.

    (Löffler [SPD] : Das tun wir doch!) — Das müssen Sie einmal beweisen.

    Politisch ist Ihre Strukturkrisentheorie noch viel gefährlicher als die Legende von der Auslandsschuld; denn Ihre Strukturkrisentheorie soll die Investitionslenkung vorbereiten, meine Damen und Herren. Es ist aber sehr, sehr wenig wahrscheinlich, daß Ministerialräte, Strukturräte oder gar Investitionsräte



    Pieroth
    mehr produktive Investitionen aufspüren werden als Unternehmer mit ihren Mitarbeitern.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Löffler [SPD])

    Der Herr Bundeskanzler rühmt sich gern, er habe den Brüningschen Fehler vermieden; er habe in der Krise nicht gespart, sondern zusätzlich die Nachfrage belebt. Geld ausgeben ist immer einfach. Entscheidend ist nur, wie man es ausgibt. Es wurden Konjunkturprogramme gestartet, erst episodisch, dann periodisch, jetzt schon permanent. Sieben Konjunkturprogramme zur Nachfragebelebung gab es seit 1974.

    (Löffler [SPD]: Das ist eine Leistung!)

    — Das ist eine Leistung, ich kann es Ihnen bestätigen. Die sind nämlich seit 1974 verpufft, weil nicht die Nachfrage das eigentliche Problem war. Nachfragepotential gibt es ja bei uns genug. Die hohe Sparquote beweist es. Diese Regierung hat nie erkannt, obwohl es ihr der Sachverständigenrat deutlich ins Stammbuch geschrieben hat, daß Nachfrage und Angebot nicht voneinander getrennt gesehen werden dürfen. Vielleicht sollte ich Ihnen deutlicher sagen: Unternehmer sind nun einmal keine postkeynesianisch ausgebildeten Volkswirte, die abends vorm Fernsehapparat sitzen und auf das nächste Konjunkturprogramm warten, um dann ihre Produktionsentscheidungen zu treffen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Unternehmer machen sich Gedanken über Produkte, Märkte und Bedürfnisse. Sie überlegen, welche Angebote sie entwickeln müssen, damit sich Nachfrage bildet. Hätte diese Regierung dieses Bild vom Unternehmer, so wäre sie nicht in ständig hektischer werdende Nachfragebelebungsprogramme geflüchtet.
    Meine Damen und Herren, unser Programm kennt drei Schwerpunkte: 1. Kostendämpfung in der Wirtschaft, 2. massive Investitionsförderung als Voraussetzung für mehr Arbeitsplätze, 3. ein Programm für mehr Selbständige. Unser Ziel lautet: Die Konsumrate muß herunter. Die Zahl der Grenzbetriebe, die scheitern, ist zu hoch.
    Wir halten deshalb erstens an unseren Vorschlägen zur Senkung der ertragsunabhängigen Steuern fest. Zweitens fordern wir ein Programm zur Verminderung des Bürokratieaufwandes, die den Betrieben im Zuge expansiver staatlicher Gesetzgebung, staatlicher Eingriffe und behördlicher Auflagen zugemutet wird. Meine Damen und Herren, wir wollen, ,daß Unternehmer und ihre Mitarbeiter ihre Zeit weniger mit der Bewältigung von Steuererhöhungen oder neuen bürokratischen Verordnungen verbringen müssen und dafür wieder mehr Zeit bekommen, über Verbesserungen, Erfindungen und neue Produkte für neue Märkte nachzudenken.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Für Erweiterungsinvestitionen ist das Risiko besonders hoch. Deshalb muß unsere Grundidee sein, daß der Staat dieses hohe Risiko mitträgt. Es ist und bleibt Aufgabe der Unternehmer, richtige Investitionen vorzunehmen. Aber der Staat, der ja über Steuern in hohem Maße an den Gewinnen beteiligt sein wird, sollte sich über die Steuerpolitik auch am Innovations- und Investitionsrisiko beteiligen.

    (Zuruf von der SPD: Aber Sie wollen doch viel weniger Staat!)

    Der richtige Weg hierfür besteht darin:
    1. Die degressive Abschreibung muß verbessert werden.
    2. Bei der Förderung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben muß von der reinen Projektförderung Abschied genommen werden.
    3. Die Vermögenspolitik spielt in unserer Wachstumsstrategie eine Hauptrolle. Die Investitionsrisiken werden auch dann gemindert, wenn die Tarifpartner einen Teil der Lohnerhöhungen von den Gewinnen der Unternehmen abhängig machen. Dadurch würde die Eigenkapitalausstattung der Unternehmen verbessert. Die Verteilungskämpfe würden entschärft. Die Arbeitnehmer wären am Erfolg beteiligt. Die Haftungsbasis im ganzen würde verbreitert. Das Gewinninteresse würde Angelegenheit aller.
    Unser Programm läuft aber dann ins Leere, wenn es zu wenig Ansprechpartner findet. Neben 10 000 Unternehmen durch Konkurse verlieren wir Jahr für Jahr per saldo weitere 20 000 Unternehmen durch freiwillige Aufgabe.
    Ich sage Ihnen: wenn wir nicht die Voraussetzungen dafür schaffen, daß mehr tüchtige, dynamische, erfindungsreiche junge Menschen selbständig werden können, dann wird unsere Talfahrt immer weitergehen. Die einzige Ressource, die wirklich knapp ist, ist die Ressource Köpfchen. Verschwendung dieses „Rohstoffs" können wir uns immer weniger erlauben. Wir brauchen also eine breit angelegte Selbständigkeitspolitik und eine konzentrierte Förderung von Unternehmensneugründungen.
    Wollen wir mehr Selbständigkeit, dann haben wir vier Sperren zu beseitigen: 1. die Politsperre — das beginnt schon in den Schulen —, 2. die Ausbildungssperre, 3. die Bürokratiesperre und 4. die Sozialsperre.
    Ein letzter Gedanke. Finden denn mehr Selbständige auch mehr Käufer für ihre Waren und Dienste, wenn Erhard Eppler doch bezweifelt, daß — ich darf zitieren — irgend jemand noch sagen könne, wo die Absatzmärkte der kommenden Jahre liegen sollten? Meine Damen und Herren, die Phantasie der Epplers hat nie ausgereicht, die Vielfalt der Güter, die produziert und verkauft werden können, zu erahnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Lassen Sie mich deshalb nur noch fünf Felder nennen, wo wir Wachstumsnotwendigkeiten und -möglichkeiten sehen: 1. die armen Regionen dieser Welt, 2. energie- und rohstoffeinsparende Erfindungen und Techniken, 3. Maßnahmen zur Sicherung und Wiederherstellung einer lebenswerten Umwelt,

    (Zuruf von der SPD)




    Pieroth
    4. Ausbau der öffentlichen und sozialen Infrastruktur und 5. — jetzt hören Sie noch genauer zu — der vorhandene Aufholbedarf breitester Schichten. Die Bedarfssättigung, von der Sie so gern sprechen, ist vielleicht einmal das Problem des Jahres 2077, aber nicht unserer Zeit, wo nur jede vierte Familie ein Tiefkühltruhe und jede vierzehnte eine Geschirrspülmaschine und noch lange nicht jede Familie in Urlaub fahren kann, nicht zu vergessen die 6 Millionen Armen, die mit dem Einkommen unterhalb der Richtsätze der Sozialhilfe leben müssen.
    Mir ist unverständlich, warum ausgerechnet die sogenannte Arbeiterpartei die Bedürfnisse und Wünsche derjenigen nicht sieht, die sie angeblich vertreten will. Deutschlands Arbeitnehmer brauchen sich nicht Marktsättigung einreden zu lassen und die Zukunft miesmachen zu lassen von denjenigen, die mit ihrer Wirtschaftspolitik gescheitert sind, von denjenigen, die ,die Schuld nicht bei sich, sondern beim Schicksal suchen, denjenigen, die, nachdem sie das moderne Deutschland versprochen haben, bei der biblischen Erkenntnis gelandet sind, daß nach zwanzig fetten sieben magere Jahre folgen müßten. Für Wachstumspessimismus gibt es keinen Anlaß. Wenn es einen Engpaß gibt, dann nicht in der Wirtschaft, sondern in der Wirtschaftspolitik. Aber das läßt sich ändern.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Dr. Hermann Schmitt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Reuschenbach.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Peter W. Reuschenbach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Pieroth hat gesagt: Köpfchen braucht man. Da kann ich ihm nur zustimmen; aber nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Politik, und da wäre es ganz nützlich, sich ein bißchen anzustrengen. Denn das ist, finde ich, ein merkwürdiges Argument, zu sagen: Da ist ja genug Kaufkraft im Lande. Und Beweis dafür sei, daß die Sparquote außergewöhnlich hoch ist. Diesen Widerspruch verstehe ich überhaupt nicht.
    Ich verstehe auch den Widerspruch nicht, der darin liegt, daß man einerseits für Strukturwandel, politische Aktivitäten und Initiativen eintritt und auf der anderen Seite das, was Sie zuviel Staat nennen, kritisiert und ablehnt. Das eine oder das andere, aber bitte nicht beides zur gleichen Zeit! Denn das eine bedingt das andere. Wie soll sonst Planmäßigkeit in eine Strukturpolitik hineinkommen, wenn sich nicht Parlamente, Regierungen und Kommissionen — und wenn es nur Bund-Länder-Kommssionen sind — mit solchen Fragen befassen?

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Pieroth, auch Sie konnten der Versuchung nicht widerstehen, jahrelang geführte Gespensterschlachten wieder aufzuführen. Eine dieser Gespensterschlachten ist überschrieben: Zuviel Staat in der Wirtschaft. Genau an dieser Stelle gibt es zunächst einmal eine die Zuhörer irritierende Doppelstrategie in den Beiträgen der Union. Da sagt sie auf der einen Seite, dieser Staat nimmt viel zuviel Zuständigkeiten, viel zuviel Maßnahmen, viel zuviel Initiativen für sich in Anspruch. Und im gleichen Augenblick sagen Sie: Seine selbst gesetzten Ziele hat er nicht erreicht. Da kann ich doch nur sagen: Wer der Auffassung ist, daß der Staat bei seinen Zielen nicht zum ausreichenden Ergebnis gekommen ist, der muß dafür eintreten, daß eine weitere Latte von Instrumenten angelegt wird, um diese Ziele zu erreichen. Oder aber er muß einräumen, daß vieles von dem, was auf dem Felde der Wirtschaftspolitik und der Wirtschaftsabläufe geschieht, eben nicht so, wie Sie es augenscheinlich wünschen, vom Staat unmittelbar und durchschlagend beeinflußt werden kann.
    Diese Auseinandersetzung um Staat in der Wirtschaft müßten ausgerechnet Mitglieder und Anhänger der Christlich Demokratischen Union ein bißchen sauberer und ein bißchen besser begründet führen. Sie sagen ja von sich selbst, daß Ihre Politik auf christlicher Grundlage basiere. Wenn Sie das sagen, müssen Sie doch wohl zur Kenntnis nehmen, daß dazu dann sicherlich auch z. B. die katholische Soziallehre gehört. Wenn Sie diese wirklich ernsthaft als einen Bestandteil, als eine Basis Ihrer Betrachtungen akzeptieren, frage ich Sie: Wie kommen Sie dann dazu, Ihre politischen Konkurrenten deshalb, weil diese bei der Einschätzung der Rolle des Staates in der Wirtschaft ganz dicht bei den Positionen der katholischen Soziallehre liegen, zu diffamieren? Ich bin sicher, Sie haben sich das eine Weile nicht mehr angesehen. Aber Sie sollten es mal tun und sich ansehen, was da in der Sozialenzyklika „Mater et Magistra" steht. Es gibt da viele Stellen, aber ich will Ihnen aus der Stelle, wo es um die Frage Staat und Wirtschaft geht, zwei Zitate vortragen. Erstens:
    Wo in der Wirtschaft die gebotene wirtschaftspolitische Aktivität des Staates gänzlich fehlt oder unzureichend ist, kommt es schnell zu heilloser Verwirrung. Da herrscht die freche Ausbeutung fremder Not durch von Skrupeln wenig gehemmte Stärkere, die sich leider allzeit und allenthalben breitmachen wie Unkraut im Weizen.
    Und dann kommt die Schlußfolgerung, die aus dieser Feststellung gezogen ist:
    Darum ist es von der staatlichen Führung, die für das Gemeinwohl verantwortlich ist, immer wieder zu fordern, daß sie sich in vielfältiger Weise umfassender und planmäßiger als früher wirtschaftspolitisch betätigt und dafür angepaßte Einrichtungen, Zuständigkeiten, Mittel und Verfahren ausbildet.
    Nun stellen Sie sich einmal vor, Sozialdemokraten würden heute, würden in diesen Tagen solche Sätze in eine ihrer programmatischen Aussagen hineinschreiben!

    (Dr. Barzel [CDU/CSU] : Aber Herr Reuschenbach, nehmen Sie den Einstieg vom Privaten und vom Rang der Person, und dann erst kommt das! Die Reihenfolge ist sehr wichtig!)




    Reuschenbach
    — Ja, natürlich. Aber ich kann ja hier „Mater et
    Magistra" nicht ganz vortragen, obwohl das gar
    nicht so weit weg vom Godesberger Programm wäre.
    Ich wollte nur sagen: Man stelle sich vor, Sozialdemokraten würden so etwas in ihr Programm oder in irgendein Papier schreiben; da wäre es doch sehr wahrscheinlich, daß einige Herren — Strauß, Biedenkopf und Bismarck — das mit Wollust als neue Beweise für staatsdirigistische Lüsternheit charakterisieren würden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ach du lieber Gott!)

    Wenn die Union diesen Anspruch ihrer sittlichen und grundsätzlichen Fundierung wirklich ernst nähme und solche Betrachtungen mit in die aktuellen Debatten einbezöge, wären manche Diskussionen — auch solche in Sachen Dirigismus — leichter.
    Es wäre dann z. B. viel leichter und sachgerechter — ich sage das, weil vor mir Herr Dr. Köhler sitzt —, über Ihre Aktivitäten hier in Bonn und in Brüssel, die Weichen in Richtung eines Stahlkartells zu stellen, zu debattieren, über die Aktivitäten, von denen das „Handelsblatt" sagt, das sei aber schon ganz schön staatlicher Dirigismus. Keine Mißverständnisse, ich halte das für erörterungswürdig und erörterungsbedürftig. Nur, wenn Männer wie Sie an solchen Weichenstellungen mitwirken, finde ich es reichlich perfide, wenn Ihre Parteifreunde den Sozialdemokraten oder anderen das Stigma „Planwirtschaftler" oder „Staatsvergötzung" aufdrücken wollen.
    In der praktischen Politik sind die Fronten ohnehin andersherum. Beim Kartellrecht z. B. waren selten die Unionspolitiker die treibenden Kräfte; da mußten die angeblichen Gegner die Verbesserung des Wettbewerbsrechts durchsetzen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Und wir werden einmal abwarten, wie das bei der Novelle zur Fusionskontrolle und zur Mißbrauchsaufsicht sein wird,

    (Erneute Zustimmung bei der SPD)

    wie sich da die Herren Marktwirtschaftler und Wettbewerbspolitiker im Wirtschaftsausschuß verhalten werden.