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ID0803414700

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    Plenarprotokoll 8/34 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 34. Sitzung Bonn, Dienstag, den 21. Juni 1977 Inhalt: Regelung für die Einreichung von Fragen während der Sommerpause 2513 A Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 2513 B Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . 2513 D Abwicklung der Tagesordnung 2514 C Zur Tagesordnung gemäß § 24 Abs. 2 GO Dr. von Wartenberg CDU/CSU 2514 C Porzner SPD 2515 B Ollesch FDP 2516 B Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1977 (Haushaltsgesetz 1977) — Drucksachen 8/100, 8/324, 8/270, 8/474 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksache 8/491 — 2516 D Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksache 8/492 — Carstens, Präsident des Deutschen Bundestages 2517 A Frau Renger SPD 2519 C Ollesch FDP 2521 A Dr. Schmitt-Vockenhausen SPD . . . . 2522 A Dr. Luda CDU/CSU (Erklärung nach § 59 GO) 2522 B Einzelplan 03 Bundesrat . . . . . . . . . . . . 2522 C Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — Drucksache 8/494 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Mißbilligung des Verhaltens des früheren Bundesfinanzministers Helmut Schmidt bei der Bewilligung überplanmäßiger und außerplanmäßiger Ausgaben zum Jahreswechsel 1973/1974 — Drucksache 8/595 — Wohlrabe CDU/CSU . . . . . . . . . 2522 D Dr. Kohl CDU/CSU 2525 B, 2585 B Dr. Schäfer (Tübingen) SPD . . . . . 2534 B Hoppe FDP 2540 D II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 21. Juni 1977 Strauß CDU/CSU 2545 B Brandt SPD 2557 D Mischnick FDP 2565 D Dr. Vogel, Bundesminister BMJ . . . . 2569 C Schmidt, Bundeskanzler 2573 B Wehner SPD 2595 C Schröder (Lüneburg) CDU/CSU . . . . 2598 C Löffler SPD 2599 D Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen 2602 B Namentliche Abstimmungen 2598 C, 2600 B, C, 2602 B Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksache 8/495 —in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU Vorbereitung einer Dokumentation über die menschenrechtliche Lage in Deutschland und der Deutschen in den kommunistischen Staaten Osteuropas zu dem Antrag der Fraktionen der SPD, FDP Verwirklichung der KSZE-Schlußakte und Wahrung der Menschenrechte — Drucksachen 8/152, 8/221, 8/ 603 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu der Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Nordatlantischen Versammlung und zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung des Berichts der deutschen Delegation über die 22. Jahrestagung der Nordatlantischen Versammlung — Drucksachen 8/27, 8/110, 8/604 — Picard CDU/CSU 2604 C Dr. Bußmann SPD 2607 B Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU 2609 D Friedrich (Würzburg) SPD 2615 C Dr. Kohl CDU/CSU . . . . . . . . 2621 A Genscher, Bundesminister AA . . . . 2621 D Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksache 8/510 — 2625 D Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht — Drucksache 8/506 — 2626 A Einzelplan 20 Bundesrechnungshof — Drucksache 8/507 — 2626 C Nächste Sitzung 2626 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 2627* A Anlage 2 Erklärung des Abg. Dr. Luda CDU/CSU gemäß § 59 der Geschäftsordnung zur Abstimmung über Einzelplan 02 2627* B Deutscher Bundestag — 8, Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 21. Juni 1977 2513 34. Sitzung Bonn, den 21. Juni 1977 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Adams * 24. 6. Dr. Ahrens ** 24. 6. Dr. Aigner * 24. 6. Amrehn ** 24. 6. Angermeyer 24. 6. Frau von Bothmer ** 24. 6. Büchner (Speyer) ** 24. 6. Dr. Enders ** 24. 6. Dr. Evers ** 24. 6. Flämig * 21.6. Dr. Fuchs * 23. 6. Dr. Geßner ** 24. 6. Handlos ** 24. 6. von Hassel ** 24. 6. Hoppe 24. 6. Katzer 24. 6. Lemp ** 24. 6. Lenzer ** 24. 6. Lücker * 24. 6. Marquardt ** 24. 6. Dr. Marx 24. 6. Dr. Mende ** 24. 6. Milz ** 24. 6. Dr. Müller ** 24. 6. Müller (Mülheim) 24. 6. Müller (Wadern) * 21. 6. Dr. Müller-Hermann * 23. 6. Pawelczyk ** 24. 6. Reddemann ** 24. 6. Frau Dr. Riede (Oeffingen) 24. 6. Dr. Schäuble ** 24. 6. Schmidhuber ** 24. 6. Schmidt (München) * 24. 6. Dr. Schwencke (Nienburg) ** 24. 6. Seefeld 24. 6. Sieglerschmidt * 21. 6. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim ** 24. 6. Dr. Starke (Franken) * 24. 6. Dr. Staudt 24. 6. Frau Steinhauer 24. 6. Ueberhorst 24. 6. Dr. Vohrer ** 24. 6. Frau Dr. Walz * 21. 6. Dr. Wendig 24. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Dr. Luda (CDU/CSU) gemäß § 59 der Geschäftsordnung zur Abstimmung über Einzelplan 02 - Deutscher Bundestag - (Drucksache 8/491) Anlagen zum Stenographischen Bericht Die Fraktionen des Deutschen Bundestages beabsichtigen, neue Gebäude für Bundestag und Bundesrat zu errichten. Mit der Zustimmung zum Einzelplan 02 werden hierfür weitere Planungsmittel bewilligt. Unstreitig reicht die derzeitige Raumausstattung von Bundestag und Bundesrat bei weitem nicht aus. Neubaumaßnahmen sind daher unabweislich. Dem in der Neubaukommission des Ältestenrates des Bundestages vorbereiteten Konzept, welchem Arbeiten der Architektengruppen Behnisch und von Wolff zugrunde liegen, könnte gestalterisch im Prinzip und trotz Bedenken auch funktional weitgehend zugestimmt werden, wenn es tatsächlich notwendig wäre, in dem vorgesehenen Ausmaß neu zu bauen. Das ist jedoch nicht der Fall; die Raumanforderungen des Parlaments sind übersetzt. Wäre davon auszugehen, daß für den Abgeordneten die eigentliche Parlamentsarbeit, d. h. die Beteiligung an der Gesetzgebung und an der Kontrolle der Regierung und somit sein Einsatz in Bonn rein zeitlich eindeutig dominieren würden, so wäre tatsächlich eine derartige Raumausstattung vertretbar. Das ist jedoch keineswegs der Fall. Dies ergibt sich eindeutig aus der Zahl der Sitzungstage, d. h. jener Tage, für welche in der Vergangenheit durch den Bundestagspräsidenten für alle Abgeordneten Präsenzpflicht angeordnet worden ist; über diesen Rahmen hinaus dürfen Sitzungen von Parlamentsgremien bekanntlich nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Präsidenten angesetzt werden, welche Fälle nicht oft vorkommen. Im Jahre 1973 hat es 85 Sitzungstage gegeben, 1974 93, 1975 97 und 1976 71 Sitzungstage. Für das Jahr 1977 sind 22 Sitzungswochen vorgesehen, wobei wöchentlich üblicherweise von 4 Sitzungstagen auszugehen ist. Diese Zahlen lassen eindeutig erkennen, welche Bedeutung auch rein zeitlich der zweiten Hauptaufgabe des Abgeordneten beizumessen ist: Wahlkreisarbeit zu leisten, den Kontakt mit der Bevölkerung zu pflegen. Der Abgeordnete übt seine Tätigkeit nicht überwiegend stationär in Bonn aus, er benötigt ebenso, je nach Wahlkreisgröße, mindestens ein Wahlkreisbüro. Schon aus diesem Grunde ist es abwegig, seinen Bonner Raumbedarf mit dem von Verwaltungsbeamten welcher Rangstufe auch immer zu vergleichen; die Abgeordnetentätigkeit ist auch insoweit mit keiner anderen Berufstätigkeit vergleichbar. Wie sich aus der Verwendung der jedem Parlamentsmitglied zur Verfügung stehenden Mitarbeiterpauschale ergibt, tragen die Abgeordneten dieser Doppelfunktion auch insoweit durchaus Rechnung: Etwa ein Drittel des hierfür im Bundeshaushalt bereitgestellten Betrages (1976: 21 Millionen DM) wird für Wahlkreismitarbeiter eingesetzt. Dieser Anteil hat steigende Tendenz. Die Neubauplanung geht davon aus, daß die Mitarbeiterpauschale so weit aufgestockt wird, daß der Abgeordnete künftig je einen wissenschaftlichen Mitarbeiter und eine Schreibkraft besolden kann. Erfahrungsgemäß ist also anzunehmen, daß die volle Inanspruchnahme 2628* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 21. Juni 1977 der im neuen Bundeshaus vorgesehenen Abgeordnetenbüros (je 3 Räume zu je 18 qm) nicht gewährleistet sein wird, daß möglicherweise ein Drittel oder mehr dieser Räume überwiegend leer stehen werden. Dieses Risiko wäre z. B. leicht zu vermeiden, wenn vorgesehen würde, daß je zwei Abgeordnetenbüros sich einen für jeweils zwei Schreibkräfte bestimmten Raum teilen, daß jeder Abgeordnete also statt drei zweieinhalb Räume erhält. Der wegen des Umfanges der Baumasse ohnehin architektonisch kaum angemessen zu gestaltende Baukörper des Fraktionsbereiches würde dann wenigstens etwa um ein Sechstel seines Volumens verringert. Dieses Beispiel zeigt, daß wesentliche Raumeinsparungen nicht nur möglich, sondern sogar angezeigt sind. Allerdings würde eine derartige Reduzierung des Raumprogrammes keineswegs ausreichen. Nirgendwo in der Welt gibt es einen auch nur annähernd so großen Parlamentsbereich, das Capitol in Washington vielleicht ausgenommen. Immerhin soll der geplante Komplex mit 750 m Frontlänge die Ausdehnung der Bonner Altstadt bekommen. Für uns besteht kein Grund, die Größenordnungen der Parlamentsbauten anderer Demokratien zu übertreffen. Schon diese Darlegungen machen deutlich: Die bisherige Neubauplanung ist ein Konzept personalmäßiger Expansion. Das gilt im übrigen auch für die Weiterentwicklung der Zahl der Bediensteten der Bundestagsverwaltung. Die Presse meldete kürzlich, Bundestagspräsident Professor Dr. Carstens habe erklärt, die Zahl der Bediensteten der Bundestagsverwaltung habe sich von 1969 bis 1976 auf 1 600 verdoppelt. Es sei verständlich, wenn der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages überlege, ob alle Stellen notwendig seien. Ergänzend ist festzustellen, daß die Zahl der Planstellen für Beamte in der Zeit von 1965 bis 1975 von 338 auf 931 erhöht worden ist. Ich will das nicht nachträglich kritisieren. Vielleicht war es nötig, diese Zahl beinahe zu verdreifachen. Die vorgesehene Neubaumaßnahme würde jedoch bezüglich der künftigen Entwicklung der Zahl der Bediensteten eine ebensolche Sogwirkung auslösen, die zu beobachten war, nachdem man bei Fertigstellung des neuen Bundeskanzleramtes merkte, daß man 5 % zuviel Büroraum erstellt hatte. Der berechtigten Feststellung des Bundestagspräsidenten zum Trotz gilt also leider auch insoweit: Diese Neubauplanung ist, gewollt oder nicht, ein Konzept personalmäßiger Expansion. Politik darf nicht in Verwaltung umschlagen, auch nicht im Parlament, auch nicht in den Abgeordnetenbüros. Wie die tägliche, oft wenig sinnvoll erscheinende, vom Parlament selbst erzeugte Papierflut zeigt, besteht diese Gefahr schon heute. Ihr wird durch eine überzogene Neubauplanung weiterer Vorschub geleistet. Aber vor allem: Je mehr der Apparat des Abgeordneten vergrößert wird, um so mehr wird sein unmittelbarer Kontakt zu denen, die er politisch zu betreuen hat, gemindert, um so mehr wächst der Abstand zum Wähler. Bundespräsident Scheel hat kürzlich die zunehmende Professionalisierung der Abgeordnetentätigkeit beklagt. Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Tätigkeit der Bundestagsabgeordneten zum Hauptberuf erklärt hat, sollte wenigstens alles vermieden werden, was den Parlamentarier zumindest optisch mehr und mehr als Amtsperson erscheinen läßt, als Vertreter des Staates und nicht primär als Volksvertreter. Der 'übermäßige Ausbau seines Apparates erscheint ohnehin kaum geeignet, seine politische Effizienz zu steigern. Wer wollte behaupten, der Bundestag leiste heute politisch mehr und genieße höheres Ansehen als in den Zeiten, in denen er wahrhaft erbärmlich untergebracht war. Als Mitglied der Neubaukommission des Altestenrates des Bundestages habe ich in den vergangenen Jahren immer wieder verlangt, den Umfang der Neubauplanung einzuschränken. Ich fordere nunmehr erneut, vor endgültiger Beauftragung der Architekten die Raumanforderungen des Parlaments wesentlich zu kürzen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Bernhard Bußmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nein, das war es nicht. Das habe ich eben gesagt. Es haben Verjüngungsgründe eine Rolle gespielt. Es mögen meinetwegen auch andere eine Rolle gespielt haben; dies wären aber Personaldetails, die wir hier nicht diskutieren können.
    Insgesamt habe ich zu einigen Punkten Stellung genommen. In der Frage der „vorgezogenen Abendsonne", in Fragen des Kulturetats und auch in Fragen der Aktivität und der ständigen Repräsentanz dieses Ministers da, wo es notwendig ist, kann hier nicht ernsthafte Kritik geübt werden. Deshalb ersuche und bitte ich das Haus, dem Einzelplan 05 zuzustimmen und aus den eingangs genannten Gründen den Änderungsantrag der Opposition abzulehnen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Mertes (Gerolstein).

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    Rede von Dr. Alois Mertes


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dieser späten Stunde möchte ich noch einen Debattenbeitrag zum Verständnis dessen leisten, was uns, die CDU/CSU, von der Regierung und von der Koalition trennt und worüber zwischen uns Konsens besteht.
    Zunächst einmal muß ich etwas klären und richtigstellen, was der Herr Kollege Ehmke um Ende



    Di. Mertes (Gerolstein)

    der letzten deutschlandpolitischen Debatte einseitig, ja falsch dargestellt hat. Er hat so getan, als sei für uns die Diskussion über die Möglichkeit einer Verbindung des Entschließungsantrages der CDU/ CSU mit dem der SPD /FDP — beide zur KSZE — ein rein taktischer, innenpolitisch motivierter Streit gewesen. Ich möchte auf das hinweisen, was der Herr Kollege Mattick und ich in unserem Bericht sagen; es gibt die Sache richtig wieder:
    In einer interfraktionellen Arbeitsgruppe des Ausschusses wurde geprüft, ob sich alle Fraktionen auf einen gemeinsamen Entschließungsantrag einigen könnten. Die Koalitionsfraktionen legten hierzu eine Neufassung ihres Antrags vor mit der Aufforderung an die Bundesregierung, „sich dafür einzusetzen, daß die Partner des Atlantischen Bündnisses zur Vorbereitung auf das Belgrader Treffen eine gemeinsame Dokumentation über die Verwirklichung aller Absichtserklärungen der Schlußakte von Helsinki, einschließlich der Achtung der Menschenrechte, erstellen". Die Opposition sah sich nicht imstande, dieser Neufassung zuzustimmen, da gerade eine öffentlich zu behandelnde Dokumentation positive Wirkungen verspreche. Die Koalition blieb bei ihrer Bewertung, wonach gerade die Offentlichkeit des Verfahrens der Verwirklichung der Menschenrechte abträglich sein werde.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, es handelt sich hier nicht um ein innenpolitisches Spiel, es handelt sich hier nicht um prozedurale und taktische Fragen, wie der Kollege Ehmke es dargestellt hat, sondern es handelt sich um einen echten Dissens zwischen der Opposition und der Koalition. Wir sind für eine sachliche, aber öffentliche Behandlung der Thematik „Bilanz von Belgrad".
    Auch unsere Sprecher haben darauf hingewiesen, daß wir mit unserem Antrag auf Vorlage einer Dokumentation nicht anklagen wollen. Aber wenn schon auch im SPD /FDP-Antrag eine Bilanz gefordert wird, dann muß diese Bilanz auch offengelegt werden; denn es handelt sich hier um elementare Fragen unseres Landes, unseres Volkes und der Deutschen im Bereich der KSZE.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Hierzu eine Anmerkung in Richtung FDP. Der Kollege Hoppe hatte bei der Debatte im März 1977 den Eindruck erweckt, als sei es möglich, die beiden Anträge miteinander zu verbinden. Diese Verbindung wäre in der Tat möglich gewesen. Wir waren bereit, das Wesentliche der Aussagen des Antrags der SPD und der FDP zu übernehmen, wenn die Regierungsseite, wenn die Koalitionsseite das wesentliche Petitum unseres Antrags, nämlich eine öffentliche Dokumentation, über die menschenrechtliche Lage in Deutschland und der Deutschen im Geltungsbereich der Schlußakte von Helsinki akzeptiert hätte. Wir haben den Eindruck gewonnen, daß der Kollege _ Hoppe zwar guten Willens war, daß sich die FDP aber innerhalb der Koalition nicht durchsetzen konnte, sondern daß die Freien Demokraten in dieser Frage vor der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion gekniffen haben.

    (Zuruf von der SPD: Und Sie haben vor den Scharfmachern der CSU kapituliert, Herr Mertes!)

    Es ist klar: Was uns hier trennte, war die nicht vorhandene Bereitschaft der Koalitionsfraktionen zur öffentlichen Behandlung eines unser Volk ständig bedrängenden und bewegenden Problems: der Verwirklichung der Menschenrechte für alle Deutschen.
    Ein weiterer Punkt. Wir sind in der letzten deutschlandpolitischen Debatte und in der Offentlichkeit in der letzten Zeit wegen unserer Haltung zu den Ostverträgen und zur Schlußakte von Helsinki häufig angegriffen worden: Wir seien in unseren Aussagen mehrdeutig, rein formal usw. Vielleicht kann man in dieser Stunde zumindest einen Beitrag zum gegenseitigen Sich-Verstehen leisten. Gegenseitiges Verständnis ist schließlich etwas anderes als gegenseitiges Einverständnis. Was waren die sachlichen Gründe in ihrer Essenz, die uns bewogen haben, gegen die Ostverträge zu stimmen?
    Es gab im wesentlichen zwei Gründe. Der erste Grund war die Sprache, die Ausdrucksweise der Texte der Verträge. Sie war und ist so gestaltet, daß wir die Gewißheit hatten, daß unsere östlichen kommunistischen Vertragspartner nach dem Inkrafttreten die Verträge in einer völlig anderen Weise auslegen und politisch nützen würden als wir. Wir mußten annehmen, ,daß es nicht zu einer Willenseinigung in den großen strittigen Fragen gekommen war — obwohl die öffentliche Meinung dies annahm —, sondern zu einem Formelkompromiß, der die virulent bleibenden politischen Zielgegensätze nur überdeckt. Herr Bundesaußenminister und Herr Bundeskanzler, wir haben niemals die Interpretationen der Bundesregierung angegriffen, auch nicht bei der KSZE-Schlußakte, sondern wir haben nur gesagt: Sie begeben sich in ein Vertragsverhältnis oder — bei der Schlußakte — in eine politischmoralische Bindung zur Sowjetunion und ihren Verbündeten, die eingehalten werden müssen, die aber einen institutionalisierten Auslegungsstreit begründen, nicht aber Entspannung in der Sache.
    Ich erinnere mich an die Rede des Kollegen Kiesinger vom 17. Mai 1972, in der er deutlich begründet hat, worauf es uns ankam: Wir wollen, daß die Bundesrepublik Deutschland gegenüber unseren östlichen Vertragspartnern ein berechenbarer Partner ist, auf dessen eindeutiges Wort man sich eindeutig verlassen kann. Das hat nichts mit Antifriedens-
    und Antientspannungshaltung zu tun. Im Gegenteil: Wir wollen gerade, daß unser Land auch gegenüber der Sowjetunion und den kommunistischen Staaten ein berechenbarer Partner ist. Nur Berechenbarkeit und Verläßlichkeit des gegebenen Wortes schaffen Frieden. Wenn man Verträge abschließt, muß man sie zwar auch, wie man journalistisch sagt, mit Leben erfüllen, aber man muß sie zunächst einmal halten. Deshalb muß man auch wissen, was mit den Verträgen in der Sache gemeint ist. Deswegen hat sich die CDU/CSU vor der Ratifikation der Ver-



    Dr. Mertes (Gerolstein)

    träge darum bemüht, völkerrechtlich verbindliche Interpretationen durchzusetzen, die dafür Sorge tragen, daß nach der Ratifikation die Organe der Bundesrepublik Deutschland diese Verträge in einer Weise handhaben, die mit dem Grundgesetz und seiner politischen Ethik übereinstimmt. Das ist doch nicht Legalismus, sondern es handelt sich hier um eine grundlegende Forderung, nämlich die nach Übereinstimmung unserer Außenpolitik mit den moralischen Grundaufträgen unserer Verfassung.
    Hätte nicht die Opposition im Frühjahr 1970 in diesem Hause immer wieder bohrende Fragen nach der Verfassungsmäßigkeit gestellt, dann gäbe es nicht die beiden sehr guten Briefe zur deutschen Einheit, die beim Moskauer Vertrag und beim innerdeutschen Grundvertrag unseren Partnern übergeben worden sind. Dann gäbe es auch nicht die Gemeinsame Entschließung in der ganz eindeutig gesagt wird, was für uns alle in diesem Hohen Hause bei der Auslegung dieser Verträge maßgeblich ist. Diese Entschließung ist ein Dokument der Bundesrepublik Deutschland, das den Vertragspartnern in Moskau und Warschau förmlich übermittelt wurde.
    Im übrigen, Herr Bundeskanzler und Herr Bundesaußenminister, sind diese Verträge doch auch nach Ihrer Auffassung mehrdeutig; sonst hätten Sie doch dem Prinzip eines Interpretationstextes nicht zugestimmt. Sonst hätte es doch beim innerdeutschen Grundvertrag nicht den Gang nach Karlsruhe geben müssen.

    (Zuruf des Abg. Dr. Bangemann [FDP])

    — Herr Kollege Bangemann, ich werde schon zu einem sehr konstruktiven, auf die Zukunft gerichteten Punkt kommen. Ich nehme an, Sie werden mir dann sogar Beifall zollen.
    Unser zweites großes Bedenken gegen die Ostverträge war dies: Die Leistungen der Bundesrepublik Deutschland sind statusmäßiger und politischer Art, sie sind oft unwiderruflich; hingegen sind die Leistungen der östlichen Seite im humanitären Bereich — die wir im übrigen sehen und auch würdigen -- und im atmosphärischen Bereich widerruflich. Das heißt, es kann eine Situation eintreten, in der die andere Seite nach Einheimsung unserer Leistungen für die Erfüllung ihrer eigenen humanitären Leistungen neue Bedingungen stellt.
    Nun aber, meine Damen und Herren, ist das alles Geschichte. Für uns gilt: Die Mehrheit hat entschieden, und nun gelten diese Verträge, und zwar auf der Basis der Auslegungen, die für alle Organe der Bundesrepublik Deutschland verbindlich sind. Wer sagt, wir seien nur für eine formale Geltung der Verträge, sagt nicht die Wahrheit. Wir sind für eine inhaltliche Geltung der Verträge, aber den Inhalt, soweit er strittig ist, bestimmen das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, die Gemeinsame Entschließung und der Brief zur deutschen Einheit.
    Das eigentliche Problem für eine wirksame Vertretung der außenpolitischen Interessen unseres Landes, Herr Bundeskanzler und Herr Bundesaußenminister, ist aber heute gar nicht die Opposition. Das Problem liegt bei Ihnen, in Ihrem eigenen Lager, vor allen Dingen in der sozialdemokratischen Fraktion, die durch sehr namhafte Sprecher wie beispielsweise Herrn Bruno Friedrich oder Herrn Willy Brandt oder Herrn Herbert Wehner deutlich machte, daß diese Interpretationstexte gar nicht so verbindlich sind und gar nicht die Bedeutung haben, die sie in Wirklichkeit zweifelsfrei besitzen. Das Prinzip „pacta sunt servanda" gilt auch innerhalb dieses Hauses; d. h., wir müssen uns auf grundlegende inhaltliche Absprachen wie die Gemeinsame Entschließung vom 17. Mai 1972 verlassen können. Die Opposition und die Bundesregierung müssen erwarten, daß auch die sie tragende sozialdemokratische Fraktion zu den Interpretationen steht, die für uns verbindlich sind. Lassen Sie mich also sagen, der Kampf gegen die Verträge endete im Augenblick ihres Inkrafttretens. Seitdem gelten sie, seitdem sind sie ein wesentlicher Bestandteil unseres außenpolitischen Instrumentariums — unter der Voraussetzung, daß sie im Sinne der Texte rechtlich ausgelegt und politisch genutzt werden, die ich eben genannt habe.
    Bei dieser Frage spielt auch in Zukunft immer wieder — das spüren wir — die Bedeutung des Rechtes überhaupt und insbesondere des Friedensvertragsvorbehaltes für Deutschland eine große Rolle. Ich war über Sie beim kürzlichen deutschpolnischen Forum sehr betroffen, Herr Kollege Bruno Friedrich. Ich hatte den Eindruck, daß die Äußerungen des Bundeskanzlers über die Bedeutung unserer obersten Gerichte und ihrer Entscheidungen abends gegenüber den deutschen und polnischen Gästen, die er geladen hatte, die Dinge zurechtgerückt haben. Der Friedensvertragsvorbehalt, über den es zwischen Ihnen, Herr Friedrich, und uns auf dem Forum Streit gab, ist keine juristische Marotte, sondern ist die Voraussetzung der Rechte der Westmächte in Berlin. Er ist auch die Voraussetzung dafür, daß die deutsche Frage nicht nur politischmoralisch, sondern auch völkerrechtlich offen ist. In der Gemeinsamen Entschließung des Deutschen Bundestages vom 17. Mai 1972 steht, daß dieser Friedensvertragsvorbehalt in vollem Umfang gilt. Es steht doch auch fest, daß Bundesaußenminister Scheel ausdrücklich erklärt hat, der Vertrag mit der Volksrepublik Polen binde die Bundesrepublik Deutschland, nicht aber einen gesamtdeutschen Souverän. Zu diesem Souverän hat die Bundesregierung in den Briefen zur deutschen Einheit gesagt, es sei das Ziel — nicht irgendein Ziel, sondern das Ziel — der Bundesrepublik Deutschland, auf einen Zustand des Friedens hinzuwirken, in dem das deutsche Volk in freier Selbtsbestimmung seine Einheit wiedererlangt.
    Herr Bundeskanzler, Herr Bundesaußenminister, wir begrüßen es, daß Sie z. B. am 17. Juni und vor den Vereinten Nationen dieses Ziel bekundet haben. Nur müssen wir darauf achten, daß die rechtlichen, die diplomatischen Instrumente unserer Außenpolitik nicht durch Vertreter dieses Hauses, durch die SPD, vor der Öffentlichkeit geschwächt werden. In dieser Frage sind nicht wir, die CDU/CSU, Ihr Problem, sondern ist ein Teil der Koalition Ihr Problem: nämlich derjenige, der die Bedeutung des



    Dr. Mertes (Gerolstein)

    Friedensvertragsvorbehalts für die gesamtdeutsche
    Frage und für Berlin offensichtlich gar nicht erkennt.
    Berlin hat die Präsenz der Westmächte, weil die deutsche Frage noch nicht gelöst ist. Die Westmächte sind dort, weil Berlin die Hauptstadt des einen besiegten Deutschlands ist. Die Westmächte haben vor dem Viermächteabkommen über Berlin mit der Sowjetunion sehr hart gerungen über das, was die Rechtsgrundlagen der Präsenz der Westmächte in West-Berlin sind. Die Westmächte haben den Bemühungen der Sowjetunion widerstanden, aus dem Viermächteabkommen eine Rechtsgrundlage für die westliche Präsenz zu machen. Die Westmächte haben erreicht -- das steht im Berlin-Abkommen —, daß die entscheidenden Texte der Jahre 1944 und 1945 nach Auffassung der vier Partner des Abkommens gelten.
    Diese Sonderrechte und Verantwortlichkeiten der Vier Mächte in bezug auf Deutschland als Ganzes und auf Berlin als Ganzes haben natürlich in einem gewissen Sinn den Charakter von Besatzungsrechten und können insofern von uns nicht sozusagen mit Ergötzen verteidigt werden. Aber das Entscheidende an diesen Rechten ist, daß sie immer wieder daran erinnern — und das tut ganz konkret die Stadt Berlin —, daß die deutsche Frage offen und damit auch die Position der Sowjetunion in Deutschland eine vorläufige ist.
    Im übrigen erinnert die Sowjetunion auf diskrete Weise ihrerseits oft an diese Tatsache. Seit einiger Zeit nennt sie ihre Truppen in der DDR wieder „Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland". Die Sowjetunion betont die Geltung des Art. 107 der Charta der Vereinten Nationen — der eine reine Übergangsregelung ist —, weil nach ihren Maßstäben und im Sinn ihrer langfristigen Interessen die Deutschlandfrage noch offen ist.
    Wir haben aus hochpolitischen Gründen allen Grund, dafür zu sorgen, daß diese Rechtsgrundlagen — ich sage es noch einmal — aus historisch-politisch langfristigen Gründen unangetastet bleiben und daß das sozialdemokratische Gerede von der juristischen Einengung der deutschen Politik endlich aufhört.
    Ich hatte neulich bei dem Forum mit den Polen den Eindruck, daß wir, die Vertreter der CDU und der CSU, die treuesten Vertreter der rechtlichen Position des Bundeskanzlers und des Bundesaußenministers sind und daß die Kollegen der Koalition — eingeleitet wurde das ja schon 1972 durch den Herrn Kollegen Wehner — die Interpretationstexte als ein Draufsatteln ansehen, das vorübergehend gestattet wurde, damit die Opposition die Verträge nicht scheitern ließ, nicht aber als verbindliche Texte. Hätten diese Kollegen recht, so müßte man sich fragen: Können wir uns auf das Wort der Fraktion der SPD nicht mehr verlassen?
    Mein letztes Wort gilt der oft diskutierten Frage nach dem Konsens zwischen Regierung und Opposition und dem Ausmaß des Dissenses. Ich bin hierin von einigen Kollegen der Regierungsparteien nach einem Vortrag, den ich im Mai in Godesberg gehalten habe, falsch verstanden worden.
    Es liegt doch auf der Hand, daß wir nicht konsensfeindlich sind. Bei dieser Gelegenheit muß daran erinnert werden, daß auch der deutschlandpolitische Konsens in unserem Land und in diesem Haus von der Regierung Brandt /Scheel durch die Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 zerbrochen worden ist. Das müssen wir in Erinnerung behalten!

    (Dr. Jaeger [CDU/CSU] : Sehr gut!)

    20 Jahre lang haben wir — alle Fraktionen dieses Hohen Hauses — uns gegen die sowjetische ZweiStaaten-Forderung gewehrt. Und dann wurde sie ohne jede Beratung in diesem Hause, ohne jede Beratung in der Offentlichkeit, und ohne Beratung mit den Vier Mächten über Nacht von uns selbst erfüllt. Dann folgten die geheimen Ansprachen zwischen Herrn Bahr und Herrn Gromyko. Ich sage das nur, um daran zu erinnern, daß nicht wir die Konsense zerbrochen haben. Und wer hat den Konsens in der Frage der Wehrpflicht zerbrochen?

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Ich kann immer wieder nur fragen: Wer zerbrach, wer zerbricht zum schweren Schaden für die Außen-und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland die Konsense in diesem Hause?
    Nehmen Sie die MBFR! Wer ist denn in dieser Frage der treueste Paladin des Bundesministers des Auswärtigen und des Bundesministers der Verteidigung, der zur Bündnispolitik steht? Das ist die Opposition.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dort, in der SPD-Fraktion sitzen die Leute, die die Positionen der Bundesregierung mit einer zähen Stetigkeit auf die verschiedenste Weise angreifen. Ich diskutiere nicht über die Motive dieser Kollegen. Nur: Dies geschieht in einer Weise, die objektiv den Interessen des Bündnisses und der Linie dieser Bundesregierung eindeutig widerspricht.