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    Plenarprotokoll 8/34 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 34. Sitzung Bonn, Dienstag, den 21. Juni 1977 Inhalt: Regelung für die Einreichung von Fragen während der Sommerpause 2513 A Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 2513 B Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . 2513 D Abwicklung der Tagesordnung 2514 C Zur Tagesordnung gemäß § 24 Abs. 2 GO Dr. von Wartenberg CDU/CSU 2514 C Porzner SPD 2515 B Ollesch FDP 2516 B Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1977 (Haushaltsgesetz 1977) — Drucksachen 8/100, 8/324, 8/270, 8/474 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksache 8/491 — 2516 D Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksache 8/492 — Carstens, Präsident des Deutschen Bundestages 2517 A Frau Renger SPD 2519 C Ollesch FDP 2521 A Dr. Schmitt-Vockenhausen SPD . . . . 2522 A Dr. Luda CDU/CSU (Erklärung nach § 59 GO) 2522 B Einzelplan 03 Bundesrat . . . . . . . . . . . . 2522 C Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — Drucksache 8/494 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Mißbilligung des Verhaltens des früheren Bundesfinanzministers Helmut Schmidt bei der Bewilligung überplanmäßiger und außerplanmäßiger Ausgaben zum Jahreswechsel 1973/1974 — Drucksache 8/595 — Wohlrabe CDU/CSU . . . . . . . . . 2522 D Dr. Kohl CDU/CSU 2525 B, 2585 B Dr. Schäfer (Tübingen) SPD . . . . . 2534 B Hoppe FDP 2540 D II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 21. Juni 1977 Strauß CDU/CSU 2545 B Brandt SPD 2557 D Mischnick FDP 2565 D Dr. Vogel, Bundesminister BMJ . . . . 2569 C Schmidt, Bundeskanzler 2573 B Wehner SPD 2595 C Schröder (Lüneburg) CDU/CSU . . . . 2598 C Löffler SPD 2599 D Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen 2602 B Namentliche Abstimmungen 2598 C, 2600 B, C, 2602 B Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksache 8/495 —in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU Vorbereitung einer Dokumentation über die menschenrechtliche Lage in Deutschland und der Deutschen in den kommunistischen Staaten Osteuropas zu dem Antrag der Fraktionen der SPD, FDP Verwirklichung der KSZE-Schlußakte und Wahrung der Menschenrechte — Drucksachen 8/152, 8/221, 8/ 603 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu der Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Nordatlantischen Versammlung und zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung des Berichts der deutschen Delegation über die 22. Jahrestagung der Nordatlantischen Versammlung — Drucksachen 8/27, 8/110, 8/604 — Picard CDU/CSU 2604 C Dr. Bußmann SPD 2607 B Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU 2609 D Friedrich (Würzburg) SPD 2615 C Dr. Kohl CDU/CSU . . . . . . . . 2621 A Genscher, Bundesminister AA . . . . 2621 D Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksache 8/510 — 2625 D Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht — Drucksache 8/506 — 2626 A Einzelplan 20 Bundesrechnungshof — Drucksache 8/507 — 2626 C Nächste Sitzung 2626 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 2627* A Anlage 2 Erklärung des Abg. Dr. Luda CDU/CSU gemäß § 59 der Geschäftsordnung zur Abstimmung über Einzelplan 02 2627* B Deutscher Bundestag — 8, Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 21. Juni 1977 2513 34. Sitzung Bonn, den 21. Juni 1977 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Adams * 24. 6. Dr. Ahrens ** 24. 6. Dr. Aigner * 24. 6. Amrehn ** 24. 6. Angermeyer 24. 6. Frau von Bothmer ** 24. 6. Büchner (Speyer) ** 24. 6. Dr. Enders ** 24. 6. Dr. Evers ** 24. 6. Flämig * 21.6. Dr. Fuchs * 23. 6. Dr. Geßner ** 24. 6. Handlos ** 24. 6. von Hassel ** 24. 6. Hoppe 24. 6. Katzer 24. 6. Lemp ** 24. 6. Lenzer ** 24. 6. Lücker * 24. 6. Marquardt ** 24. 6. Dr. Marx 24. 6. Dr. Mende ** 24. 6. Milz ** 24. 6. Dr. Müller ** 24. 6. Müller (Mülheim) 24. 6. Müller (Wadern) * 21. 6. Dr. Müller-Hermann * 23. 6. Pawelczyk ** 24. 6. Reddemann ** 24. 6. Frau Dr. Riede (Oeffingen) 24. 6. Dr. Schäuble ** 24. 6. Schmidhuber ** 24. 6. Schmidt (München) * 24. 6. Dr. Schwencke (Nienburg) ** 24. 6. Seefeld 24. 6. Sieglerschmidt * 21. 6. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim ** 24. 6. Dr. Starke (Franken) * 24. 6. Dr. Staudt 24. 6. Frau Steinhauer 24. 6. Ueberhorst 24. 6. Dr. Vohrer ** 24. 6. Frau Dr. Walz * 21. 6. Dr. Wendig 24. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Dr. Luda (CDU/CSU) gemäß § 59 der Geschäftsordnung zur Abstimmung über Einzelplan 02 - Deutscher Bundestag - (Drucksache 8/491) Anlagen zum Stenographischen Bericht Die Fraktionen des Deutschen Bundestages beabsichtigen, neue Gebäude für Bundestag und Bundesrat zu errichten. Mit der Zustimmung zum Einzelplan 02 werden hierfür weitere Planungsmittel bewilligt. Unstreitig reicht die derzeitige Raumausstattung von Bundestag und Bundesrat bei weitem nicht aus. Neubaumaßnahmen sind daher unabweislich. Dem in der Neubaukommission des Ältestenrates des Bundestages vorbereiteten Konzept, welchem Arbeiten der Architektengruppen Behnisch und von Wolff zugrunde liegen, könnte gestalterisch im Prinzip und trotz Bedenken auch funktional weitgehend zugestimmt werden, wenn es tatsächlich notwendig wäre, in dem vorgesehenen Ausmaß neu zu bauen. Das ist jedoch nicht der Fall; die Raumanforderungen des Parlaments sind übersetzt. Wäre davon auszugehen, daß für den Abgeordneten die eigentliche Parlamentsarbeit, d. h. die Beteiligung an der Gesetzgebung und an der Kontrolle der Regierung und somit sein Einsatz in Bonn rein zeitlich eindeutig dominieren würden, so wäre tatsächlich eine derartige Raumausstattung vertretbar. Das ist jedoch keineswegs der Fall. Dies ergibt sich eindeutig aus der Zahl der Sitzungstage, d. h. jener Tage, für welche in der Vergangenheit durch den Bundestagspräsidenten für alle Abgeordneten Präsenzpflicht angeordnet worden ist; über diesen Rahmen hinaus dürfen Sitzungen von Parlamentsgremien bekanntlich nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Präsidenten angesetzt werden, welche Fälle nicht oft vorkommen. Im Jahre 1973 hat es 85 Sitzungstage gegeben, 1974 93, 1975 97 und 1976 71 Sitzungstage. Für das Jahr 1977 sind 22 Sitzungswochen vorgesehen, wobei wöchentlich üblicherweise von 4 Sitzungstagen auszugehen ist. Diese Zahlen lassen eindeutig erkennen, welche Bedeutung auch rein zeitlich der zweiten Hauptaufgabe des Abgeordneten beizumessen ist: Wahlkreisarbeit zu leisten, den Kontakt mit der Bevölkerung zu pflegen. Der Abgeordnete übt seine Tätigkeit nicht überwiegend stationär in Bonn aus, er benötigt ebenso, je nach Wahlkreisgröße, mindestens ein Wahlkreisbüro. Schon aus diesem Grunde ist es abwegig, seinen Bonner Raumbedarf mit dem von Verwaltungsbeamten welcher Rangstufe auch immer zu vergleichen; die Abgeordnetentätigkeit ist auch insoweit mit keiner anderen Berufstätigkeit vergleichbar. Wie sich aus der Verwendung der jedem Parlamentsmitglied zur Verfügung stehenden Mitarbeiterpauschale ergibt, tragen die Abgeordneten dieser Doppelfunktion auch insoweit durchaus Rechnung: Etwa ein Drittel des hierfür im Bundeshaushalt bereitgestellten Betrages (1976: 21 Millionen DM) wird für Wahlkreismitarbeiter eingesetzt. Dieser Anteil hat steigende Tendenz. Die Neubauplanung geht davon aus, daß die Mitarbeiterpauschale so weit aufgestockt wird, daß der Abgeordnete künftig je einen wissenschaftlichen Mitarbeiter und eine Schreibkraft besolden kann. Erfahrungsgemäß ist also anzunehmen, daß die volle Inanspruchnahme 2628* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 21. Juni 1977 der im neuen Bundeshaus vorgesehenen Abgeordnetenbüros (je 3 Räume zu je 18 qm) nicht gewährleistet sein wird, daß möglicherweise ein Drittel oder mehr dieser Räume überwiegend leer stehen werden. Dieses Risiko wäre z. B. leicht zu vermeiden, wenn vorgesehen würde, daß je zwei Abgeordnetenbüros sich einen für jeweils zwei Schreibkräfte bestimmten Raum teilen, daß jeder Abgeordnete also statt drei zweieinhalb Räume erhält. Der wegen des Umfanges der Baumasse ohnehin architektonisch kaum angemessen zu gestaltende Baukörper des Fraktionsbereiches würde dann wenigstens etwa um ein Sechstel seines Volumens verringert. Dieses Beispiel zeigt, daß wesentliche Raumeinsparungen nicht nur möglich, sondern sogar angezeigt sind. Allerdings würde eine derartige Reduzierung des Raumprogrammes keineswegs ausreichen. Nirgendwo in der Welt gibt es einen auch nur annähernd so großen Parlamentsbereich, das Capitol in Washington vielleicht ausgenommen. Immerhin soll der geplante Komplex mit 750 m Frontlänge die Ausdehnung der Bonner Altstadt bekommen. Für uns besteht kein Grund, die Größenordnungen der Parlamentsbauten anderer Demokratien zu übertreffen. Schon diese Darlegungen machen deutlich: Die bisherige Neubauplanung ist ein Konzept personalmäßiger Expansion. Das gilt im übrigen auch für die Weiterentwicklung der Zahl der Bediensteten der Bundestagsverwaltung. Die Presse meldete kürzlich, Bundestagspräsident Professor Dr. Carstens habe erklärt, die Zahl der Bediensteten der Bundestagsverwaltung habe sich von 1969 bis 1976 auf 1 600 verdoppelt. Es sei verständlich, wenn der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages überlege, ob alle Stellen notwendig seien. Ergänzend ist festzustellen, daß die Zahl der Planstellen für Beamte in der Zeit von 1965 bis 1975 von 338 auf 931 erhöht worden ist. Ich will das nicht nachträglich kritisieren. Vielleicht war es nötig, diese Zahl beinahe zu verdreifachen. Die vorgesehene Neubaumaßnahme würde jedoch bezüglich der künftigen Entwicklung der Zahl der Bediensteten eine ebensolche Sogwirkung auslösen, die zu beobachten war, nachdem man bei Fertigstellung des neuen Bundeskanzleramtes merkte, daß man 5 % zuviel Büroraum erstellt hatte. Der berechtigten Feststellung des Bundestagspräsidenten zum Trotz gilt also leider auch insoweit: Diese Neubauplanung ist, gewollt oder nicht, ein Konzept personalmäßiger Expansion. Politik darf nicht in Verwaltung umschlagen, auch nicht im Parlament, auch nicht in den Abgeordnetenbüros. Wie die tägliche, oft wenig sinnvoll erscheinende, vom Parlament selbst erzeugte Papierflut zeigt, besteht diese Gefahr schon heute. Ihr wird durch eine überzogene Neubauplanung weiterer Vorschub geleistet. Aber vor allem: Je mehr der Apparat des Abgeordneten vergrößert wird, um so mehr wird sein unmittelbarer Kontakt zu denen, die er politisch zu betreuen hat, gemindert, um so mehr wächst der Abstand zum Wähler. Bundespräsident Scheel hat kürzlich die zunehmende Professionalisierung der Abgeordnetentätigkeit beklagt. Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Tätigkeit der Bundestagsabgeordneten zum Hauptberuf erklärt hat, sollte wenigstens alles vermieden werden, was den Parlamentarier zumindest optisch mehr und mehr als Amtsperson erscheinen läßt, als Vertreter des Staates und nicht primär als Volksvertreter. Der 'übermäßige Ausbau seines Apparates erscheint ohnehin kaum geeignet, seine politische Effizienz zu steigern. Wer wollte behaupten, der Bundestag leiste heute politisch mehr und genieße höheres Ansehen als in den Zeiten, in denen er wahrhaft erbärmlich untergebracht war. Als Mitglied der Neubaukommission des Altestenrates des Bundestages habe ich in den vergangenen Jahren immer wieder verlangt, den Umfang der Neubauplanung einzuschränken. Ich fordere nunmehr erneut, vor endgültiger Beauftragung der Architekten die Raumanforderungen des Parlaments wesentlich zu kürzen.
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Ich möchte jetzt meine Rede zu Ende führen.
    Mit dieser Art, an die Unzufriedenheit der Menschen zu appellieren, nein, sie zum Teil bewußt unzufrieden zu machen,

    (Lemmrich [CDU/CSU] : Das haben Sie doch 20 Jahre in diesem Land betrieben!)




    Brandt
    lähmen Sie, Herr Kohl, und Sie, Herr Strauß, die Aktionsfähigkeit und den Handlungsspielraum dieser Bundesrepublik.

    (Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Herr Brandt, seitdem Sie solche Reden halten, geht es immer weiter bergab in diesem Lande!)

    Sie schaden unserem Staat mit dieser Haltung, und Sie werden Ihrer Verantwortung, die Sie als Opposition haben wie wir als Koalition, nicht gerecht. Daß Sie darüber hinaus den Anspruch auf Regierungsfähigkeit selbst dementieren, ist dann gar nicht mehr so wichtig.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Meine Damen und Herren, ich habe schon gesagt, was sich im Süden Europas verändert, wie sehr Sie sich geirrt haben durch das Eingehen auf den Pessimismus derer, die ihre Uhren seit dem Wiener Kongreß nicht mehr neu gestellt haben, — um einmal bei der Geschichte zu bleiben, Herr Kollege Strauß.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Nordlohne [CDU/CSU] sowie weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Worum geht es jetzt? Jetzt geht es doch z. B. darum, wie wir in diesem unserem Europa weiterkommen, ob es möglich ist, ihm die Impulse zu vermitteln, die sich aus direkten Wahlen zum Europäischen Parlament ergeben können. Welches Trauerspiel erleben wir dabei?

    (Zuruf des Abg. Breidbach [CDU/CSU])

    Herr Kohl hat am Montag letzter Woche auf seinem kleinen Parteitag als wesentlichen Beitrag beigesteuert, man müsse mit allen Mitteln — so war es in der dpa-Meldung zu lesen; was das eigentlich heißen soll, würde ich gerne bei anderer Gelegenheit einmal hören —, man müsse mit allen Möglichkeiten verhindern, daß ein deutscher Sozialdemokrat Präsident des Europäischen Parlaments werde.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: . . . daß Willy Brandt! — Zurufe von der CDU/CSU: Sie!)

    Sie brauchen sich erstens meinen Kopf nicht zu zerbrechen. Ich bin nicht beim Bonner Arbeitsamt arbeitslos gemeldet, Herr Kollege Kohl.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Sie sollten richtig zitieren! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Zwei Tage nach Ihnen hat der Führer der Gaullisten, Chirac, in die abendliche Debatte der Französischen Nationalversammlung dasselbe Argument eingebracht, aber er hat es ergänzt. Er hat gesagt: Das darf nicht passieren, denn der will — der Brandt, von dem Sie sagen, mit allen Mitteln müßte man den hindern; Strauß hat es ein paar Wochen vorher auch schon gesagt — zusammen mit den Ministerpräsidenten in Holland, in Belgien, in Luxemburg und in Italien dem Europäischen Parlament Kompetenzen geben. Der deutsche Bundeskanzler hat in diesen Bemerkungen von Chirac, den ich sonst sehr respektiere — wir kennen ihn ja aus der Zeit, als er Premierminister war —, auch noch eine kleine
    Schramme abbekommen. Natürlich wollen wir dem Europäischen Parlament Kompetenzen geben!

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Er sagt, dadurch nehme man den nationalen Parlamenten Zuständigkeiten. Es ist doch genau umgekehrt. Seit Jahr und Tag werden den nationalen Parlamenten Zuständigkeiten entzogen. Wir nehmen die Regierungen beim Wort, und dann kann es vielleicht schon im nächsten Jahr zu Wahlen kommen. Wir halten es aber für eine Verhöhnung der Wahlbürger Europas, sie direkt wählen zu lassen und dem Parlament keine Zuständigkeiten zu geben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich greife das Wort von der Konstituante nicht wieder auf. Aber ich sage, es muß doch jedenfalls darum gehen, daß ein direkt gewähltes Parlament eines der beiden gesetzgebenden Organe der Europäischen Gemeinschaft wird; ich sage nicht, das einzige. Wenn das auch Ihre Meinung ist — ich höre jetzt mal keinen Widerspruch —, dann schadet es auch nichts, daß wir in einer solchen Debatte zum Einzelplan des Bundeskanzlers von ernsten Aufgaben der deutschen Politik sprechen, hier nicht nur Gezänk veranstalten, nicht nur Rechthaberei, nicht nur maßlose Reden, sondern von dem sprechen, wie es zu Hause aussieht und was man draußen in Europa und in der Welt von uns erwartet.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die Sozialdemokraten in diesem Hause können die Bundesregierung nur sehr ermutigen, mit ihren konstruktiven Bemühungen nicht nachzulassen, wo es um die Thematik von Belgrad, wo es um die von Wien geht. In der letzten Woche hat das bekannte schwedische Friedensforschungsinstitut erschütternde Zahlen veröffentlicht, die besagen, daß im Jahre 1976 auf der Welt 330 Milliarden Dollar für Rüstungen ausgegeben worden sind, verglichen mit 25 Milliarden für Entwicklungshilfe. Die Zahlen zeigen weiter, daß im Laufe von zwei Jahrzehnten der Anteil der Entwicklungsländer an den Rüstungsausgaben der Welt von 5 auf 15 % gestiegen ist, so daß im letzten Jahr fast genau 50 Milliarden DM an Rüstungslasten in den Entwicklungsländern entstanden sind.

    (Wehner [SPD] : Hört! Hört!)

    Ich weiß — und ich hoffe, hier wiederum treffen sich die meisten in unserem Hause, und gerade deshalb schmerzt es mich, daß Sie sich zum Verteidigungsetat so eingelassen haben, wie Herr Kohl das heute früh getan hat —, wir treffen uns mit allen denen in diesem Hause, die sagen, es gibt auf das Problem, von dem ich jetzt spreche, keine isolierte, keine einseitige Antwort der Bundesrepublik Deutschland. Aber ich sage auch, es gibt kaum einen Staat, der so vital wie diese Bundesrepublik daran interessiert sein muß, zu verhindern, daß die Rüstungsspirale nochmal eine Umdrehung nach oben macht,

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    sondern daß, gestützt auf die mühsamen Verhandlungen, die im Gange sind, ein stabilisierendes Element, und wenn es geht, sogar ein bißchen mehr als



    Brandt
    dies, ein deutlich stabilisierendes Element zum erstenmal seit dem Zweiten Weltkrieg in die Landschaft eingeführt wird.
    Ich möchte mich auf Herrn Kollegen Kohl berufen, nämlich was seine Rede unmittelbar nach der Regierungserklärung von Bundeskanzler Schmidt im Dezember letzten Jahres angeht. Herr Kohl hat damals gesagt, CDU und CSU wollten den Auftrag der Opposition annehmen, ohne Wenn und Aber. Aber, so fügte er hinzu: „Wir sind zur Zusammenarbeit im Interesse unseres Landes bereit." Soweit das Zitat. — Ich habe ihm damals geantwortet: Die Eröffnung des Parlaments biete die Chance, wieder einmal neu anzufangen; in vielen Fragen werde dies ein Gegeneinander sein, aber es gebe eine Basis für ein Miteinander, nämlich die gemeinsame Arbeit an der Evolution, am Vorwärtsschreiten der Demokratie in Europa. Ich habe hinzugefügt, die sozialdemokratische Bundestagsfraktion unterstehe dieser Pflicht nicht anders als die Opposition.
    Was wir damals ausgetauscht haben — und da steckte von beiden Seiten ja einiges drin —, ist nun gerade ein halbes Jahr her. Es tut mir leid sagen zu müssen, die Rede, die Herr Kollege Kohl heute vormittag gehalten hat — ich lasse mal das von Herrn Strauß jetzt beiseite, ich beziehe mich dann doch lieber auf die Rede von Herrn Kohl —, vermittelt den Eindruck, als seien seine damaligen Äußerungen nicht sechs Monate, sondern sechs Jahre alt.

    (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Sehr richtig!)

    Er mag es geschickt finden, am Anfang einer Legislaturperiode richtige und wichtige Worte zur Rolle der Opposition zu Protokoll des Bundestages zu geben und sich ein halbes Jahr danach nicht mehr daran zu erinnern. Ich finde es deprimierend, daß nichts von dem, was damals gesagt wurde, die politische und die parlamentarische Wirklichkeit geprägt hat, die Ihre Fraktion, meine Damen und Herren von CDU und CSU, seither zu verantworten hat.
    Es gibt Unsicherheit in unserem Volk. Aber es gibt auch bei vielen die Bereitschaft, sich sachlich, ohne unberechtigte Aufregung und ohne Hysterie jenen Problemen zu stellen, die uns alle gemeinsam bedrängen. Wir, die demokratischen Parteien in dieser Bundesrepublik Deutschland, die wir in einem ständigen Ringen um den Weg der deutschen und der internationalen Politik stehen — was natürlich auch mit Auseinandersetzungen, manchmal mit scharfen Auseinandersetzungen verbunden ist —, haben wohl, wenn wir ehrlich sind, gemeinsam festzustellen, daß heute viele wichtige Fragen außerhalb oder jenseits der Parteien erörtert werden. Manchem von uns Älteren wird im Laufe der Jahre klarer, daß mit noch so guten und vernünftigen Gesetzen allein den Problemen, um die es heute geht, nicht beizukommen ist, nämlich jenen Problemen, die die Bürger einzeln und in Gemeinschaften neuer und alter Art verwirren und manchmal in Formen, die wir ablehnen müssen, beschäftigen und beunruhigen.
    Auf dem Evangelischen Kirchentag, der jüngst in Berlin stattgefunden hat, konnte man erleben, wie viele Tausende zumal junger Menschen ernst miteinander gerungen haben, wie sie unter dem dortigen Motto „Einer trage des anderen Last" über viele Fragen diskutiert haben: über die Qualität des Wachstums, über die Pflichten gegenüber anderen, auch gegenüber den Menschen in anderen Teilen der Welt, über vieles von dem, was auch unsere Aufmerksamkeit mehr als die bloße Polemik beanspruchen sollte. Bei dieser Begegnung der Menschen in Berlin ist fast kein Thema ausgelassen worden. Der Kirchentagspräsident sagte in seiner Zusammenfassung, er meine, dort seien Zeichen für das gesetzt worden, was er eine Tendenz gegen den allgemeinen Hang zur Unsicherheit, Mutlosigkeit und Unzufriedenheit nannte, die unser Land trotz verhältnismäßig günstiger Bedingungen ebenso wie das übrige Europa heimsuchen. Ich habe den Herrn Simon zitiert. Er sagte bei gleicher Gelegenheit: In einer Zeit, in der der Mut zur Freiheit schwinde, habe man erfahren, das Risiko von Freiheit und Offenheit sei gegenüber dem Gewinn gering. Auch das war ein Kommentar zu „Demokratie wagen" für den, der hinzuhören weiß, Herr Kollege Strauß.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Es knüpft sich daran die Frage, ob aus dem, was sich dort tat, nicht nur andere in der Kirche, sondern auch in der Gesellschaft Mut schöpfen könnten.
    Ich möchte, daß dieser Tag und diese Woche nicht nur Streit und Gezänk vermitteln. Ich möchte, daß wir die ermutigen, die engagiert sind und mit uns mehr Verantwortung übernehmen wollen. Dabei stehen wir fest an der Seite des Bundeskanzlers.

    (Langanhaltender Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Liselotte Funcke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordneten Mischnick.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Mischnick


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Absicht, in erster Linie auf das einzugehen, was die Kollegen Kohl und Strauß gesagt haben.
    Der Kollege Kohl sprach heute früh zu Beginn davon, es sei der Geburtsfehler dieser Regierung, daß sie gegen die stärkste Fraktion gebildet worden sei. Herr Kollege Kohl, wir können nur feststellen: wir haben genau den Auftrag erfüllt, den wir von den Wählern erbeten hatten und den uns die Wähler gemeinsam gegeben haben, nichts anderes.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Wenn Sie allerdings damit andeuten wollten, daß die Mehrheit knapper als vorher ist, dann ist Ihnen offensichtlich gänzlich aus dem Gedächtnis entschwunden, daß Sie noch im Wahlkampf selber gesagt haben, mit einer Stimme Mehrheit wollten Sie regieren — wenn Sie sie bekommen hätten, aber Sie bekamen sie nicht.
    Herr Kollege Kohl, als Sie das so sagten, hatte ich das Gefühl, dahinter steckte doch ein bißchen der Notschrei einer gequälten Seele. Denn Ihre Fraktion ist ja eine Koalition, nur mit dem Unter-



    Mischnick
    schied, daß das Zusammenwirken unter Wahrung eigener Standpunkte oft nicht so reibungslos funktioniert, wie es tatsächlich zwischen SPD und FDP geschieht.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Sie sprachen davon, es habe sich in der vergangenen Woche gezeigt — weil einzelne Kollegen aus der SPD anderer Meinung waren —, daß die Koalition erpreßbar geworden sei. Welchen Ausdruck wählen Sie dann, wenn ich an die Ablehnung des Wehretats durch die CDU/CSU denke? Müßten Sie da nicht das gleiche von sich sagen?

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ferner sprachen Sie davon, kaum sei etwas gesagt, dann werde es aus den eigenen Reihen attakkiert. Es ist selbstverständlich, daß auch in den Parteien der Koalitionsfraktionen Auseinandersetzungen um das stattfinden, was man für richtig hält. Nur haben Sie offensichtlich in diesem Augenblick nicht einen Moment daran gedacht, was Sie sich geleistet haben, am Donnerstag genau das Gegenteil von dem zu tun, was Sie heute, am Dienstag, mit dem Steuerpaket veranstaltet haben.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Das ist doch nun das prächtigste Beispiel dafür, daß Sie sich selber im Handeln widersprechen.
    Sie sprachen davon, daß das Vertrauen in den Staat geringer geworden sei. Das Vertrauen in den Staat kann man auch zerreden und durch solche Handlungen, wie Sie gerade vom Donnerstag auf Dienstag bewiesen haben, in Frage stellen. Denn was soll der Bürger davon halten: am Donnerstag ein Nein zur Vermögensteuersenkung, am Dienstag Ja zur Vermögensteuersenkung, am Donnerstag Nein zur Gewerbesteuersenkung, am Dienstag Ja zur Gewerbesteuersenkung und so fort. Wissen Sie überhaupt nicht mehr, was Sie wollen? Das ist doch der Eindruck, den Sie hier erwecken.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Hier wird mit dem, was parlamentarische Aufgabe sein sollte, doch wirklich ein Spiel getrieben, das wir nicht mitzumachen bereit sind.
    Sie haben mit Recht davon gesprochen, Herr Kollege Kohl, daß die Arbeitslosigkeit ein sehr gewichtiges Problem ist, mit dem wir uns ständig auseinanderzusetzen haben. Nur, Herr Kollege Kohl, das, was wir bisher aus Ihren Reihen gehört haben — mit vielen Variationen —, zeigt doch, daß auch Sie mit der Diskussion noch nicht am Ende sind. Denn es sind nun einmal sehr umfassende, sehr vielschichtige Fragen, die hier zu lösen sind. Wir nehmen das Problem ernst. Aber es wäre gut gewesen, wenn Sie das Ganze etwas differenzierter dargestellt hätten. Es geht eben nicht nur darum, daß, wie mit Recht gesagt wurde, zwei Millionen Arbeitsplätze in den nächsten Jahren gebraucht werden. Es geht auch darum, genauer zu erforschen als bisher, warum auf der einen Seite Arbeitsplätze gesucht werden, auf der anderen Seite aber Tausende, ja Hunderttausende von Arbeitsplätzen unbesetzt sind, niemand in diese Arbeitsplätze hineingeht. Das ist doch eine Frage, die Sie zumindest genauso nüchtern beurteilen sollten, wie wir sie zu prüfen bereit sind. Warum ist in der Statistik ein Teil der freien Stellen nicht enthalten? Sie antworten immer darauf, es hänge davon ab, daß hier mehr Vertrauen gebildet werden müsse. Sie werfen uns vor, wir hätten eine Inflationspolitik getrieben. Herr Kollege Kohl, den Vorwurf der Inflationspolitik kann doch ernsthaft nur jemand erheben, der sich mit der Sache überhaupt nicht befaßt hat.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Denn von Inflationspolitik kann doch seit Jahren keine Rede mehr sein. Im Gegenteil. Wir sind ja von unseren ausländischen Partnern teilweise gescholten worden, daß wir eine so scharfe Politik gegen die Inflation gemacht haben. Nun hier zu behaupten, wir würden Inflationspolitik treiben, ist doch weiter nichts als Effekthascherei.
    Ein weiterer Punkt war, wir sollten die Probleme nicht mit kleiner Münze lösen. Damit sind wir völlig einverstanden. Nur: ist etwa das 16-MilliardenProgramm, das diese Bundesregierung, das wir gemeinsam hier behandelt und verabschiedet haben, eine kleine Münze? Liegt es aber nicht daran, daß ein Teil der Länder bis zum heutigen Zeitpunkt noch nicht bereit waren, das, was hier gemeinsam verabredet worden ist, zu unterschreiben, und daß es deshalb bisher nicht in die Tat umgesetzt werden konnte?

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ist hier nicht ein Ansatzpunkt, wo wir uns alle gemeinsam ohne Rücksicht auf die jeweiligen Koalitionen in den Ländern darum bemühen sollten, das, was wir als Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gemeinsam hier getan haben, auch nach unten so schnell umzusetzen, daß es endlich wirksam werden kann? Das wäre eine Aufgabe, die wir gemeinsam anpacken müßten.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Herr Kollege Kohl, Sie haben beklagt, daß ein Mangel an Ausbildungsplätzen vorhanden sei. Sie haben gesagt, man müsse die Instrumente, die zur Verfügung ständen, nutzen. Ich kann mich noch sehr genau an die Diskussion erinnern, als die Frage gestellt wurde: Sollen für das Jahr 1977 die gesetzlichen Möglichkeiten, die wir geschaffen haben, ausgeschöpft werden oder nicht? Da war die Meinung, das Angebot an Ausbildungsplätzen werde ausreichend sein, so daß eine Anwendung des Gesetzes in diesem Jahre nicht notwendig sei. Dies wurde nicht zuletzt aus Ihren Reihen gesagt. Bin ich falsch informiert, wenn ich daran erinnere, daß beispielsweise die steuerliche Berücksichtigung, die bei diesem Instrument, nämlich bei der möglichen Abgabe, eine Rolle spielt, bis heute beim Bundesrat, bei Ihren Ländern nicht die Gegenliebe gefunden hat, die notwendig wäre, um überhaupt die Voraussetzung zu schaffen, daß dieses Instrument angewendet werden kann? Haben Sie nicht wieder einmal über etwas geklagt, aber selbst durch Ihr praktisches Handeln die Möglichkeiten, die wir vielleicht, zwar nicht in diesem Jahr, aber im nächsten Jahr, einsetzen müssen, dann wieder behindert? Dies ist doch ein Widerspruch in sich.



    Mischnick
    Sie haben davon gesprochen, diese Koalition habe keine Kraft zur wirklichen Sanierung unserer sozialen Systeme und die Opposition habe die bessere Lösung. Wir sind ja gern bereit, über jeden Alternativvorschlag, der in sich geschlossen ist, der langfristige Lösungen bringt, in aller Ruhe und Nüchternheit zu diskutieren. Aber wo ist dieser Vorschlag? Alles, was Sie bisher gebracht haben, alles, was bisher veröffentlicht wurde, wurde, wenn es eine Konzeption hatte, sofort in Ihrer Partei wieder in Frage gestellt. Das heißt: es war nicht ausdiskutiert. Wenn es dann bis hierher ins Parlament kam, waren es Palliativmittelchen, die zu keiner langfristigen Lösung führen. Wir sind gespannt darauf, wann Sie diese Vorschläge auf den Tisch legen. Nur, eins wird durch ständige Wiederholung nicht wahrer. Wenn Sie dieser Regierung, dieser Koalition vorwerfen, vor der Wahl die Dinge zu günstig dargestellt zu haben, dann frage ich mich immer wieder — und Sie können keine Antwort darauf geben —: Warum haben Sie als erste die 10%ige Erhöhung der Renten garantiert und gleichzeitig gesagt, daß das System ansonsten gesichert sei? Das ist doch ein Widerspruch, den Sie bis heute nicht aufgelöst haben.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Sie haben davon gesprochen, daß es darum gehe, die Ertragskraft der Unternehmen zu stärken. Sie haben mit Recht davon gesprochen, daß es notwendig sei, für die kleinen und mittleren Unternehmen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß sie bestehen könnten, daß mehr Chancen für das Selbständigwerden eröffnet werden müßten. Nur, in dem Moment, als diese Koalition mit der Senkung der Vermögensteuer solche Voraussetzungen schafft, sagen Sie nein. Das war wieder einmal ein Blattschuß erster Güte, durch den die Logik auf der Strecke blieb. Wie Sie es überhaupt am laufenden Band fertigbringen, die Logik mit Blattschuß zu erledigen. Ihre Verhaltensweise ist ein Widerspruch in sich.
    Sie haben davon gesprochen, wir würden uns nicht genügend gegen die Veränderung unseres Ordnungssystems wenden. Das ist völlig falsch. Die Freien Demokraten haben immer klar zu dieser Sozialen Marktwirtschaft gestanden, sie haben diese Marktwirtschaft verteidigt. Aber wir sind in unserer Auffassung nie steril gewesen, sondern haben die notwendigen Folgerungen, die sich aus der allgemeinen Entwicklung ergaben, bei unseren Entscheidungen berücksichtigt. Dabei wird es auch in Zukunft bleiben.
    Sie, Herr Kohl, haben davon gesprochen, daß ein neuer Kurs notwendig sei.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Ich möchte nur einmal wissen, was für ein Kurs das sein soll. Ist es etwa der Kurs, von Donnerstag auf Dienstag die Meinung zu ändern? Ist es der Kurs, der auf der einen Seite fordert: die Instrumente müssen genutzt werden, auf der anderen Seite aber die Voraussetzungen für die Instrumente verweigert? Ist es der Kurs, der grundsätzliche Lösungen fordert, dann aber nicht in der Lage ist, in
    Form eines Gesetzentwurfes diese grundsätzlichen Lösungen einzubringen? Einen solchen Kurs können wir nicht gebrauchen. Davor werden wir die Menschen in diesem Lande bewahren. Wir werden die Mehrheit, die wir haben, behalten und gemeinsam nutzen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Sie haben gesagt, es sei eine Gegensteuerung notwendig. Das ist offensichtlich die andere Bezeichnung für den Kurswechsel. Sie haben davon gesprochen, daß durch das Kostendämpfungsgesetz Sozialisierung durch die Hintertür praktiziert werde.

    (Franke [CDU/CSU]: Jawohl!)

    — Ich kann nur sagen, Herr Kollege Franke, wenn Sie wieder „jawohl" rufen: Ich bin einmal gespannt, ob Sie am Ende dieser oder in der nächsten Woche immer noch „jawohl" rufen. Wir haben mit diesem Kostendämpfungsgesetz Sozialisierung weder durch die Hintertür betreiben wollen noch werden wir sie betreiben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie machen es doch!)

    Wir werden allerdings eins tun: dafür sorgen, daß alle Beteiligten am Gesundheitswesen — ob Beitragszahler, ob Patienten, ob Ärzte, Apotheker oder Hersteller — gemeinsam dazu beitragen, daß unser Gesundheitssystem finanzierbar bleibt und im Interesse des Patienten so fortschrittlich wie möglich gestaltet wird. Das werden wir allerdings mit diesem Kostendämpfungsgesetz gemeinsam erreichen.
    Sie haben davon gesprochen, daß durch unseren Gesetzentwurf zum Kriegsdienstverweigerungsrecht die Wehrpflicht ausgehöhlt werde, und haben damit so getan, als höben wir einen Grundsatz des Grundgesetzes durch einen anderen Grundsatz des Grundgesetzes auf.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Tun Sie doch auch!)

    Dies ist schlicht falsch. Denn wenn Sie dieser Meinung wirklich wären, dann würden Sie die Kraft dieses Parlaments, das ja jederzeit, wenn sich Gefahren für die Bundeswehr ergeben sollten, die Beschlüsse rückgängig machen könnte, falsch einschätzen. Wir haben mehr Zutrauen zum Deutschen Bundestag, daß er in einer entscheidenden Situation das Richtige tut, als Sie es offensichtlich haben.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Meine Damen und Herren, in dem Mißbilligungsantrag ist nach den Worten des Kollegen Kohl unterstellt worden, daß ein bewußtes, gewolltes Handeln des damaligen Finanzministers, des heutigen Bundeskanzlers, gegen die Verfassung vorgelegen habe. Das ist mit Sicherheit falsch. Das wissen Sie genauso gut wie wir. Über die Einzelheiten im Zusammenhang mit dieser Frage hat mein Kollege Hoppe hier ausführlich Stellung genommen.
    Nur, eines — ich bedauere, daß Herr Kollege Strauß nicht hier ist — hat mich doch merkwürdig berührt. Als Herr Kollege Schäfer über das Ge-



    Mischnick
    richtsurteil und eine Stellungnahme des Vorsitzenden Präsidenten sprach, hielt es Herr Kollege Strauß für richtig — ich habe mich an Hand des Protokolls von der Richtigkeit dieses Zwischenrufs überzeugt —, zu sagen, das sei SPD-Kungelei gewesen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es auch!)

    — Sie rufen: So ist es auch! Haben Sie sich einmal einen kleinen Augenblick überlegt, wie Sie reagiert hätten, wenn wir nach dem Urteil zu § 218 ein ähnliches Wort gesagt hätten?

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Es kann doch wohl nicht wahr sein, daß Stellungnahmen und Äußerungen aus dem Verfassungsgericht, wenn sie der einen Richtung zugehören, als Kungelei betrachtet werden, wenn sie jedoch der anderen Richtung zugehören und eine Reaktion kommt, als Gerichtsschelte beurteilt werden.
    Ganz nebenbei: Wenn Sie so schnell mit der Vokabel „Verfassungsbruch" sind, dann kann man ja — ich bekenne das freimütig — als Nichtjurist bald zu der Frage kommen: Sind nun eigentlich die drei Verfassungsrichter, die gegen die Entscheidung gestimmt haben, gegenüber den anderen fünf Verfassungsrichtern Verfassungsbrecher oder nicht? Diese Frage könnte man sich dann ja auch stellen, wenn man hier so vorschnell unterschiedliche Meinungen über die Verfassung als Verfassungsbruch verurteilt, wie es aus Ihren Reihen geschehen ist.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Daß das Ganze dann zu unhaltbaren Betrachtungen führt, wird an diesem Beispiel deutlich.
    Herr Kollege Strauß hat am Anfang von „Verfassungsverstoß", später von „Verfassungsbruch" gesprochen. Ich kann nur wiederholen: Das, was über die Folgerungen daraus hier insgesamt zu sagen ist, hat Kollege Hoppe im Detail gesagt. Eines ist allerdings doch unbestreitbar: Für jede Regierung ergibt sich immer wieder die Gefahr, daß sie an die Grenze oder gar über die Grenze der Verfassung hinausgeht; das haben Verfassungsgerichts- und Staatsgerichtsurteile in Bund und Ländern bewiesen. Worauf es ankommt, ist doch dies: ob, wenn ein Urteil gefällt worden ist, nach diesem verfahren wird oder nicht. Der ganze Mißbilligungsantrag hätte dann einen Sinn, wenn nach dem Urteil nicht entsprechend dem Urteil, sondern gegen das Urteil gehandelt worden wäre. Dann wäre das Parlament aufgerufen, gemeinsam seine Rechte wahrzunehmen und sich dagegen zu wehren. Jetzt ist eine Klarstellung erfolgt.
    Nun hat Herr Kollege Strauß in diesem Zusammenhang von den autoritären Zügen des Bundeskanzlers gesprochen. Daß ausgerechnet Herr Strauß darüber gesprochen hat, war sehr amüsant, aber sonst gar nichts.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Meine Damen und Herren, es ist davon gesprochen worden, daß dieses Urteil deutlich gemacht habe, welch zweispältiges Demokratieverständnis hier vorherrsche. Dann ist gesagt worden, die
    Rechtslage sei doch absolut klar gewesen, und dann hat der Kollege Strauß auf die Frage, warum ein halbes Jahr bis zur Einreichung der Klage vergangen sei, gesagt, bei dieser schwierigen Materie habe man diese Zeit gebraucht. — Auch dieses Beispiel zeigt doch wieder, daß selbst während einer Rede des Kollegen Strauß sich widersprechende Standpunkte hervortreten, daß also die Unlogik dabei Pate gestanden hat. Denn entweder es ist eine schwierige Materie, und man hat deshalb so lange gebraucht, um die Klage einzureichen — dann kann ich nicht von vornherein sagen, die Tatbestände sind klar —,

    (Zustimmung bei der SPD)

    oder die Tatbestände sind klar. Warum braucht dann die Opposition ein halbes Jahr, um die Klage einzureichen? Eines von beiden stimmt doch nur.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Dies alles macht doch deutlich — und auch das Zwischenspiel über die Antworten des Bundesaußenministers in einer Fernsehdiskussion haben das deutlich gemacht —, wie man hier versucht, die Dinge zu verschieben. Es ist unbestreitbar, daß 1969 auch der Art. 110 geändert worden ist, aber doch nicht ausschließlich, um damit den dritten Satz von Art. 112 zu erläutern, sondern in erster Linie deshalb, weil wir alle gemeinsam der Meinung waren, daß Haushaltsberatungen — mit dem Weg der Vorlage von der Bundesregierung an den Bundesrat, zurück an die Bundesregierung und dann ins Parlament — zu viel Zeit verstreichen lassen, die wir gebrauchen können, um den Etat rechtzeitiger zu verabschieden.
    Hier, bei Art. 110, ging es in erster Linie um das Ziel, die Gesamthaushaltsberatungen schneller abzuwickeln. Die Nebenwirkung, die dabei entstanden ist, daß nämlich bei überplanmäßigen Ausgaben auf diesem Wege — in bezug auf den dritten Satz von Art. 112, nach dem das Gesetz das Nähere regelt — die Möglichkeit einer schnelleren Erledigung besteht, ist eine Folgewirkung gewesen. Aber es ist doch nicht so, daß Art. 110 nur wegen des dritten Satzes von Art. 112 geändert worden wäre. Auch dies sollte der Kollege Strauß endlich einmal zur Kenntnis nehmen.
    Nun hat er es für richtig gehalten, hier zum, ich hätte fast gesagt, x-undachtzigsten Mal wieder die Helaba einzuführen. Ich verstehe das.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Ein gutes Thema!)

    Nur, eines wäre auch ganz gut: wenn der Kenntnisstand über die tatsächlichen Vorgänge — und die sollten uns doch insgesamt gemeinsam nachdenklich stimmen — etwas besser wäre oder, wenn er vorhanden ist, auch voll ausgesprochen würde. Es wurde heute so getan, als seien die dortigen Kreditbewilligungen den Entscheidungen eines Finanzministers vergleichbar. Beide Dinge haben miteinander überhaupt nichts zu tun.
    Eines möchte ich hier allerdings noch einmal feststellen: Alle Kreditbewilligungen der Hessischen Landesbank sind durch den sogenannten Kre-



    Mischnick
    ditausschuß, in dem zu zwei Dritteln die Kreditinstitute sitzen und nicht etwa die Landesregierung, vorgenommen worden. Das heißt, die Verantwortung für die Vergabe dieser Kredite tragen die Kreditinstitute mindestens genauso wie Vorstände und Verwaltungsrat.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Dies alles sollte uns aber zum Nachdenken darüber bringen, ob vielleicht die jetzige Verfahrensweise bei den Landesbanken quer durch die Bundesrepublik auf Dauer das Richtige ist, ob die Verantwortlichkeiten derjenigen, die dort sitzen, nicht stärker herausgestellt werden, statt sie dann auf andere Stellen abzuladen. Das ist eine Frage, die uns beschäftigen muß. Das hat doch aber nicht das Geringste damit zu tun, ob ein Finanzminister von Bestimmungen wie den in Art. 112 vorgesehenen Gebrauch macht oder nicht. Das ist nur ein Versuch, hier abzulenken.
    Dann hat der Kollege Strauß gemeint, er solle oder müsse hier sagen: „die Liberalen, solange sie noch liberal waren ..." Meine verehrten Damen und Herren, wir waren liberal, als der Kollege Strauß das Wort „liberal" kaum in den Mund genommen hat; wir werden noch liberal sein, wenn er es längst wieder vergessen hat. Unsere Liberalität wird sich nicht ändern; da kann er ganz unbesorgt sein.

    (Beifall bei der FDP)

    Nun ist hier, nachdem dieses manchmal etwas genüßliche Wühlen des Kollegen Strauß in dem Urteil und der Begründung mit allem, was dazu gehörte, beendet war, gesagt worden, wenn man diesem Mißbilligungsantrag nicht zustimme, wende man sich gegen die parlamentarische Kontrolle. Das ist wieder einmal so ein Koboldschlagen, ein Auf-den-Kopf-Stellen oder aber ein bewußtes Falschdarstellen nach draußen, um damit Stimmung zu machen. In Wahrheit geht es darum, daß sich dieses ganze Haus, Koalition wie Opposition, darin einig ist, daß die Rechte des Parlaments gewahrt bleiben müssen und daß daraus die Konsequenzen gezogen werden. Wir sind allerdings nicht bereit, aus einer Feststellung des Verfassungsgerichts über künftige Verfahrensweisen hier einen Schauprozeß zu machen; dies überlassen wir anderen. Wir sind der Auffassung, daß es für uns als Parlamentarier darauf ankommt, in Zukunft die Möglichkeiten, die wir haben, voll zu nutzen. Es kommt aber genauso darauf an, das Verfassungsorgan Regierung mit den ihm in der Verfassung gegebenen Rechten voll funktionsfähig zu halten und nicht etwa diese Rechte, soweit sie im Grundgesetz festgelegt sind, einzuschränken.
    Wir werden diesen Mißbilligungsantrag ablehnen, weil er nichts weiter als der Versuch ist, auf diese Art und Weise zu demonstrieren, wie gern Sie an der Regierung wären. Wenn Sie wirklich den Mut hätten, einen Mißtrauensantrag einzubringen, ein konstruktives Mißtrauensvotum zu verlangen, dann wäre das eine politische Haltung und Handlung, die Sie als fähig erweisen würde, selbst den Versuch zu machen zu regieren. Daß Sie diesen
    Versuch nicht unternehmen, beweist erneut, daß Sie selbst gar nicht regierungsfähig sind.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Nordlohne [CDU/CSU] : Sie haben die Rechtslage immer noch nicht begriffen!)