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ID0803406200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/34 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 34. Sitzung Bonn, Dienstag, den 21. Juni 1977 Inhalt: Regelung für die Einreichung von Fragen während der Sommerpause 2513 A Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 2513 B Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . 2513 D Abwicklung der Tagesordnung 2514 C Zur Tagesordnung gemäß § 24 Abs. 2 GO Dr. von Wartenberg CDU/CSU 2514 C Porzner SPD 2515 B Ollesch FDP 2516 B Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1977 (Haushaltsgesetz 1977) — Drucksachen 8/100, 8/324, 8/270, 8/474 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksache 8/491 — 2516 D Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksache 8/492 — Carstens, Präsident des Deutschen Bundestages 2517 A Frau Renger SPD 2519 C Ollesch FDP 2521 A Dr. Schmitt-Vockenhausen SPD . . . . 2522 A Dr. Luda CDU/CSU (Erklärung nach § 59 GO) 2522 B Einzelplan 03 Bundesrat . . . . . . . . . . . . 2522 C Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — Drucksache 8/494 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Mißbilligung des Verhaltens des früheren Bundesfinanzministers Helmut Schmidt bei der Bewilligung überplanmäßiger und außerplanmäßiger Ausgaben zum Jahreswechsel 1973/1974 — Drucksache 8/595 — Wohlrabe CDU/CSU . . . . . . . . . 2522 D Dr. Kohl CDU/CSU 2525 B, 2585 B Dr. Schäfer (Tübingen) SPD . . . . . 2534 B Hoppe FDP 2540 D II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 21. Juni 1977 Strauß CDU/CSU 2545 B Brandt SPD 2557 D Mischnick FDP 2565 D Dr. Vogel, Bundesminister BMJ . . . . 2569 C Schmidt, Bundeskanzler 2573 B Wehner SPD 2595 C Schröder (Lüneburg) CDU/CSU . . . . 2598 C Löffler SPD 2599 D Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen 2602 B Namentliche Abstimmungen 2598 C, 2600 B, C, 2602 B Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksache 8/495 —in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU Vorbereitung einer Dokumentation über die menschenrechtliche Lage in Deutschland und der Deutschen in den kommunistischen Staaten Osteuropas zu dem Antrag der Fraktionen der SPD, FDP Verwirklichung der KSZE-Schlußakte und Wahrung der Menschenrechte — Drucksachen 8/152, 8/221, 8/ 603 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu der Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Nordatlantischen Versammlung und zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung des Berichts der deutschen Delegation über die 22. Jahrestagung der Nordatlantischen Versammlung — Drucksachen 8/27, 8/110, 8/604 — Picard CDU/CSU 2604 C Dr. Bußmann SPD 2607 B Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU 2609 D Friedrich (Würzburg) SPD 2615 C Dr. Kohl CDU/CSU . . . . . . . . 2621 A Genscher, Bundesminister AA . . . . 2621 D Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksache 8/510 — 2625 D Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht — Drucksache 8/506 — 2626 A Einzelplan 20 Bundesrechnungshof — Drucksache 8/507 — 2626 C Nächste Sitzung 2626 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 2627* A Anlage 2 Erklärung des Abg. Dr. Luda CDU/CSU gemäß § 59 der Geschäftsordnung zur Abstimmung über Einzelplan 02 2627* B Deutscher Bundestag — 8, Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 21. Juni 1977 2513 34. Sitzung Bonn, den 21. Juni 1977 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Adams * 24. 6. Dr. Ahrens ** 24. 6. Dr. Aigner * 24. 6. Amrehn ** 24. 6. Angermeyer 24. 6. Frau von Bothmer ** 24. 6. Büchner (Speyer) ** 24. 6. Dr. Enders ** 24. 6. Dr. Evers ** 24. 6. Flämig * 21.6. Dr. Fuchs * 23. 6. Dr. Geßner ** 24. 6. Handlos ** 24. 6. von Hassel ** 24. 6. Hoppe 24. 6. Katzer 24. 6. Lemp ** 24. 6. Lenzer ** 24. 6. Lücker * 24. 6. Marquardt ** 24. 6. Dr. Marx 24. 6. Dr. Mende ** 24. 6. Milz ** 24. 6. Dr. Müller ** 24. 6. Müller (Mülheim) 24. 6. Müller (Wadern) * 21. 6. Dr. Müller-Hermann * 23. 6. Pawelczyk ** 24. 6. Reddemann ** 24. 6. Frau Dr. Riede (Oeffingen) 24. 6. Dr. Schäuble ** 24. 6. Schmidhuber ** 24. 6. Schmidt (München) * 24. 6. Dr. Schwencke (Nienburg) ** 24. 6. Seefeld 24. 6. Sieglerschmidt * 21. 6. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim ** 24. 6. Dr. Starke (Franken) * 24. 6. Dr. Staudt 24. 6. Frau Steinhauer 24. 6. Ueberhorst 24. 6. Dr. Vohrer ** 24. 6. Frau Dr. Walz * 21. 6. Dr. Wendig 24. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Dr. Luda (CDU/CSU) gemäß § 59 der Geschäftsordnung zur Abstimmung über Einzelplan 02 - Deutscher Bundestag - (Drucksache 8/491) Anlagen zum Stenographischen Bericht Die Fraktionen des Deutschen Bundestages beabsichtigen, neue Gebäude für Bundestag und Bundesrat zu errichten. Mit der Zustimmung zum Einzelplan 02 werden hierfür weitere Planungsmittel bewilligt. Unstreitig reicht die derzeitige Raumausstattung von Bundestag und Bundesrat bei weitem nicht aus. Neubaumaßnahmen sind daher unabweislich. Dem in der Neubaukommission des Ältestenrates des Bundestages vorbereiteten Konzept, welchem Arbeiten der Architektengruppen Behnisch und von Wolff zugrunde liegen, könnte gestalterisch im Prinzip und trotz Bedenken auch funktional weitgehend zugestimmt werden, wenn es tatsächlich notwendig wäre, in dem vorgesehenen Ausmaß neu zu bauen. Das ist jedoch nicht der Fall; die Raumanforderungen des Parlaments sind übersetzt. Wäre davon auszugehen, daß für den Abgeordneten die eigentliche Parlamentsarbeit, d. h. die Beteiligung an der Gesetzgebung und an der Kontrolle der Regierung und somit sein Einsatz in Bonn rein zeitlich eindeutig dominieren würden, so wäre tatsächlich eine derartige Raumausstattung vertretbar. Das ist jedoch keineswegs der Fall. Dies ergibt sich eindeutig aus der Zahl der Sitzungstage, d. h. jener Tage, für welche in der Vergangenheit durch den Bundestagspräsidenten für alle Abgeordneten Präsenzpflicht angeordnet worden ist; über diesen Rahmen hinaus dürfen Sitzungen von Parlamentsgremien bekanntlich nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Präsidenten angesetzt werden, welche Fälle nicht oft vorkommen. Im Jahre 1973 hat es 85 Sitzungstage gegeben, 1974 93, 1975 97 und 1976 71 Sitzungstage. Für das Jahr 1977 sind 22 Sitzungswochen vorgesehen, wobei wöchentlich üblicherweise von 4 Sitzungstagen auszugehen ist. Diese Zahlen lassen eindeutig erkennen, welche Bedeutung auch rein zeitlich der zweiten Hauptaufgabe des Abgeordneten beizumessen ist: Wahlkreisarbeit zu leisten, den Kontakt mit der Bevölkerung zu pflegen. Der Abgeordnete übt seine Tätigkeit nicht überwiegend stationär in Bonn aus, er benötigt ebenso, je nach Wahlkreisgröße, mindestens ein Wahlkreisbüro. Schon aus diesem Grunde ist es abwegig, seinen Bonner Raumbedarf mit dem von Verwaltungsbeamten welcher Rangstufe auch immer zu vergleichen; die Abgeordnetentätigkeit ist auch insoweit mit keiner anderen Berufstätigkeit vergleichbar. Wie sich aus der Verwendung der jedem Parlamentsmitglied zur Verfügung stehenden Mitarbeiterpauschale ergibt, tragen die Abgeordneten dieser Doppelfunktion auch insoweit durchaus Rechnung: Etwa ein Drittel des hierfür im Bundeshaushalt bereitgestellten Betrages (1976: 21 Millionen DM) wird für Wahlkreismitarbeiter eingesetzt. Dieser Anteil hat steigende Tendenz. Die Neubauplanung geht davon aus, daß die Mitarbeiterpauschale so weit aufgestockt wird, daß der Abgeordnete künftig je einen wissenschaftlichen Mitarbeiter und eine Schreibkraft besolden kann. Erfahrungsgemäß ist also anzunehmen, daß die volle Inanspruchnahme 2628* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 21. Juni 1977 der im neuen Bundeshaus vorgesehenen Abgeordnetenbüros (je 3 Räume zu je 18 qm) nicht gewährleistet sein wird, daß möglicherweise ein Drittel oder mehr dieser Räume überwiegend leer stehen werden. Dieses Risiko wäre z. B. leicht zu vermeiden, wenn vorgesehen würde, daß je zwei Abgeordnetenbüros sich einen für jeweils zwei Schreibkräfte bestimmten Raum teilen, daß jeder Abgeordnete also statt drei zweieinhalb Räume erhält. Der wegen des Umfanges der Baumasse ohnehin architektonisch kaum angemessen zu gestaltende Baukörper des Fraktionsbereiches würde dann wenigstens etwa um ein Sechstel seines Volumens verringert. Dieses Beispiel zeigt, daß wesentliche Raumeinsparungen nicht nur möglich, sondern sogar angezeigt sind. Allerdings würde eine derartige Reduzierung des Raumprogrammes keineswegs ausreichen. Nirgendwo in der Welt gibt es einen auch nur annähernd so großen Parlamentsbereich, das Capitol in Washington vielleicht ausgenommen. Immerhin soll der geplante Komplex mit 750 m Frontlänge die Ausdehnung der Bonner Altstadt bekommen. Für uns besteht kein Grund, die Größenordnungen der Parlamentsbauten anderer Demokratien zu übertreffen. Schon diese Darlegungen machen deutlich: Die bisherige Neubauplanung ist ein Konzept personalmäßiger Expansion. Das gilt im übrigen auch für die Weiterentwicklung der Zahl der Bediensteten der Bundestagsverwaltung. Die Presse meldete kürzlich, Bundestagspräsident Professor Dr. Carstens habe erklärt, die Zahl der Bediensteten der Bundestagsverwaltung habe sich von 1969 bis 1976 auf 1 600 verdoppelt. Es sei verständlich, wenn der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages überlege, ob alle Stellen notwendig seien. Ergänzend ist festzustellen, daß die Zahl der Planstellen für Beamte in der Zeit von 1965 bis 1975 von 338 auf 931 erhöht worden ist. Ich will das nicht nachträglich kritisieren. Vielleicht war es nötig, diese Zahl beinahe zu verdreifachen. Die vorgesehene Neubaumaßnahme würde jedoch bezüglich der künftigen Entwicklung der Zahl der Bediensteten eine ebensolche Sogwirkung auslösen, die zu beobachten war, nachdem man bei Fertigstellung des neuen Bundeskanzleramtes merkte, daß man 5 % zuviel Büroraum erstellt hatte. Der berechtigten Feststellung des Bundestagspräsidenten zum Trotz gilt also leider auch insoweit: Diese Neubauplanung ist, gewollt oder nicht, ein Konzept personalmäßiger Expansion. Politik darf nicht in Verwaltung umschlagen, auch nicht im Parlament, auch nicht in den Abgeordnetenbüros. Wie die tägliche, oft wenig sinnvoll erscheinende, vom Parlament selbst erzeugte Papierflut zeigt, besteht diese Gefahr schon heute. Ihr wird durch eine überzogene Neubauplanung weiterer Vorschub geleistet. Aber vor allem: Je mehr der Apparat des Abgeordneten vergrößert wird, um so mehr wird sein unmittelbarer Kontakt zu denen, die er politisch zu betreuen hat, gemindert, um so mehr wächst der Abstand zum Wähler. Bundespräsident Scheel hat kürzlich die zunehmende Professionalisierung der Abgeordnetentätigkeit beklagt. Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Tätigkeit der Bundestagsabgeordneten zum Hauptberuf erklärt hat, sollte wenigstens alles vermieden werden, was den Parlamentarier zumindest optisch mehr und mehr als Amtsperson erscheinen läßt, als Vertreter des Staates und nicht primär als Volksvertreter. Der 'übermäßige Ausbau seines Apparates erscheint ohnehin kaum geeignet, seine politische Effizienz zu steigern. Wer wollte behaupten, der Bundestag leiste heute politisch mehr und genieße höheres Ansehen als in den Zeiten, in denen er wahrhaft erbärmlich untergebracht war. Als Mitglied der Neubaukommission des Altestenrates des Bundestages habe ich in den vergangenen Jahren immer wieder verlangt, den Umfang der Neubauplanung einzuschränken. Ich fordere nunmehr erneut, vor endgültiger Beauftragung der Architekten die Raumanforderungen des Parlaments wesentlich zu kürzen.
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Nein, das Protokoll wird etwas anderes ausweisen. Natürlich habe ich registriert, wen Sie zitiert haben, Herr Kollege Kohl; ich habe nur gesagt: das, was Sie über zuviel Staat gesagt haben und uns anhängen wollen, steht in krassem Widerspruch zu dem, was die sozialdemokratische Partei beschlossen hat. Das habe ich darlegen wollen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich bin — ich darf es noch einmal sagen — für eine beschäftigungspolitische Gesamtorientierung. Ich bin gegen den Defaitismus, als ob wir die jeweils vorhandene Menge Arbeit nur anders zu verteilen hätten. Ich bin gegen die Resignation, als ob nicht viele neue Aufgaben auf uns warteten im Innern und von außen, und ich weiß, daß wir Wachstum nötig haben, wie wir auch Leistung brauchen. Dann müssen wir aber — ich sage es noch einmal, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen — die Scheuklappen und die Voreingenommenheiten beiseite tim; dann müssen wir bereit sein, auch neue Modelle zu prüfen und neue Methoden der Zusammenarbeit zu erproben.

    (Beifall bei der SPD)

    Das hat dann alles auch mit Vertrauen zu tun. Herr Kohl hat hier im Januar — am 21. Januar war es, glaube ich — davon gesprochen, daß der Vertrauensschwund in der Wirtschaft überwunden werden müsse, und Herr Strauß hat kürzlich — vor einem guten Monat — im Bayerischen Rundfunk nicht wiederholt, daß alles erst noch schlimmer werden müsse, sondern er hat gesagt — ich zitiere wörtlich —: „Arbeit wäre genug da, wenn in der Wirtschaft das nötige Vertrauen vorhanden wäre."

    (Zurufe von der CDU/CSU: Das ist richtig! — Sehr wahr!)

    Erstens ist das nun so einfach nicht; denn die Menschen in unserem Land haben sich Gott sei Dank überwiegend nicht verrückt machen lassen durch alle mögliche Propaganda in diesen Jahren.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    Aber zu dem, was doch dran ist: Warum gehen wir dann insoweit nicht aufeinander zu, um unabhängig von allem, was sonst umstritten ist, Unsicherheit zurückzudrängen, unberechtigtes Mißtrauen abzubauen, Zuversicht zu vermitteln, neues Vertrauen zu begründen?

    (Zuruf von der CDU/CSU: Vertrauen in diese Regierung?)

    Ich habe hier gesagt — und ich meine uns alle miteinander, ich meine gewiß auch die Kollegen der Opposition —: Ihr Ehrgeiz sollte sich nicht darin erschöpfen, die Bundesregierung madig zu machen und fiktive Rechnungen aufzustellen, sondern Sie sollten sich, wie wir es auch tun, selbst prüfen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich sage noch einmal: Wenn es wahr ist, daß wir wirtschaftlich trotz allem besser dastehen als fast alle anderen Staaten, wenn es wahr ist, daß unsere Währung zu den härtesten Währungen der Welt gehört, wenn es wahr ist, daß unser Netz der sozialen Sicherheit intakt gehalten werden konnte, wenn es wahr ist, daß sich unser Volk im ganzen nicht hat vom Wege der Vernunft abbringen lassen: Was eigentlich hindert die Unionsparteien daran, nicht als Partei der Rechthaberei und des polemischen Starrsinns dastehen zu müssen oder dies zu bleiben?

    (Beifall bei der SPD)

    Daß Unbehagen an politischen Parteien festzustellen ist, das ist schon fast eine Binsenwahrheit geworden. Dafür gibt es, glaube ich, viele Gründe. Der am tiefsten liegende ist nach meiner Auffassung der, daß sich unser Staat, unsere Gesellschaft, andere Staaten, andere Gesellschaften in einer Entwicklung befinden, in der viele alte Rezepte nicht mehr wirken, in der sich alte Strukturen verändern, in der sich neue Strukturen nur mühsam entwickeln und erst noch undeutlich sichtbar werden.
    In meiner Partei drückt sich das in einer Unruhe aus, in der wir versuchen, uns den neuen Fragen zu stellen. Das ist schwer, für die Offentlichkeit zuweilen verwirrend. Aber die SPD ist auch in diesem Punkt ein Spiegelbild unserer Gesellschaft und unseres Volkes, jedenfalls wesentlicher Teile der Gesellschaft und des Volkes

    (Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU] : Ziemliche Gesellschaft!)

    — wie Sie es auf Ihre Weise sind —, jener Gesellschaft, jenes Volkes, in dem wir leben, in der und in dem auch die neuen Fragen diskutiert werden.
    Ich gebe gerne zu, Herr Kollege Kohl, daß diese Meinungsbildungsprozesse für Parteien — für meine muß ich es jedenfalls bestätigen — zuweilen sogar schmerzhaft sind. Ich kann auch nicht verhindern, daß Sie das gegen uns ausnutzen. Aber in zwei Punkten können Sie ganz sicher sein, Herr Kollege Kohl:
    Erstens. In diesen geistigen Auseinandersetzungen um die neuen Fragen, um die Fragen der Zukunft, zum Teil schon der ganz nahen Zukunft, wird die SPD am Ende stärker werden. Wenn Sie, Herr Kollege Kohl, so souverän wie bisher die Empfehllungen Ihres bisherigen Generalsekretärs Biedenkopf mißachten und derartige geistige Auseinandersetzungen scheuen, dann wird Ihre Partei vielleicht geschlossener erscheinen, aber schwächer werden.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Zweitens. Die Enttäuschung der letzten Woche — für diejenigen, die auf den Sturz der Regierung spekuliert haben — wird sich in dieser Woche wiederholen, zumal heute, wenn über die parlamentarische Vogelscheuche abgestimmt wird, weil die Opposition nicht Manns genug ist, die parlamentarische Kraftprobe durch ein konstruktives Mißtrauensvotum zu wagen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)




    Brandt
    Wann immer Sie es wieder versuchen, können Sie sich Ihre Enttäuschung erneut abholen.
    Die SPD steht, Fraktion und Partei stehen zu ihrem, zu unserem Bundeskanzler.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn Sie, Herr Kollege Kohl, in CSU und CDU so viel Rückhalt hätten wie Helmut Schmidt in SPD und FDP, dann wären Sie gefährlicher, als Sie sind.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Lachen bei der CDU/CSU)

    Die Opposition malt hier das Bild unseres Staates wieder mal in dunkelsten Tönen. Das ist Ihr gutes Recht. Ob es klug ist, werden Sie eines Tages sicher auch noch einmal prüfen. Aber, meine Damen und Herren von der Opposition, Sie sind auch heute der Versuchung nicht entgangen, maßlos zu übertreiben.

    (Wehner [SPD] : Sehr richtig! — Beifall bei der SPD)

    Das Bild der Bundesrepublik, das Sie zeichnen, hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Ihr Blick — dieses zu sagen, daran liegt mir — ist außerdem zu eng. Und wenn Sie so tun, als ob die Bundesrepublik Deutschland eine Insel des Elends, der Krise und der Unordnung wäre, dann ist dies nicht nur objektiv falsch, sondern Sie laden Schuld auf sich, wenn Sie weiter diese Art von Volksverdummung betreiben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Der Oppositionsführer, finde ich, muß viel mehr ins Ausland reisen.

    (Lachen bei der CDU/CSU — Dr. Kohl [CDU/CSU] : Herr Brandt, ich habe keine Angst, Sie dann zu treffen!)

    Denn er hat bisher noch nicht genügend draußen gelernt, Herr Kollege Kohl,

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    z. B. von seinen christ-demokratischen und konservativen Kollegen im Norden, Westen und Süden der Bundesrepublik Deutschland.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : An Frau Schlei sehen Sie, daß Reisen bildet!)

    Es ist doch einfach nicht zu bestreiten, daß es der Opposition schwerfällt, in dieser Debatte auch nur ein einziges westliches Industrieland vorzuführen, das besser dasteht als die Bundesrepublik Deutschland.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Und wenn Sie es haben, dann kommen Sie doch hier herauf und legen es heute nachmittag dar. Es hören uns doch viele zu, die dies gerne einmal dargelegt bekommen hätten. Nennen Sie das vergleichbare Land, das besser dasteht in der Ausgewogenheit von Wirtschaft und Finanzen, ja, ich sage sogar: der Beschäftigung, sowenig uns die Arbeitslosigkeit befriedigt, auch hinsichtlich der Teuerungsrate und der sozialen Sicherheit. Wir leugnen doch nicht, daß der Wunsch unserer ausländischen Partner nach mehr Leistungen der Bundesrepublik Deutschland eben mit
    diesen Tatsachen begründet wird. Wenn Sie diesem Staat einen Dienst erweisen wollen, Herr Kollege Kohl, dann fahren Sie raus und erläutern Sie unseren Partnern, wie schlecht es uns geht. Aber mit den Argumenten des heutigen Vormittags werden Sie sich draußen lächerlich machen. Sie müssen also bessere finden.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Sie machen sich vor den Arbeitslosen lächerlich!)

    Was der Kollege Kohl heute vormittag verschwiegen hat, ist die Notwendigkeit, den Menschen in der Bundesrepublik Deutschland klarzumachen, daß dieses Land mehr als jedes andere auf eine Politik der guten Nachbarschaft angewiesen ist,

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    nicht nur nach Ost und nach West, sondern auch nach Süden, daß wir in unserer hochgezüchteten Industriegesellschaft nicht leben können und keine Perspektive gewinnen, wenn wir nicht um positives Bewußtsein unserer Menschen werben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Es geht der Bundesrepublik Deutschland besser als fast allen anderen Staaten der Welt. Wir werden diesen Spitzenplatz nur halten können, wenn wir den Blick nach draußen richten und bereit sind, unserer erhöhten Verantwortung, unserem gewachsenen Gewicht entsprechend auch zu handeln. Es kann der Punkt kommen, an dem wir die Zuwachsraten nicht mehr allein oder fast allein bei uns verteilen können, sondern unseren Menschen sagen müssen, die dadurch gewonnenen Mittel geben wir für die Entspannung und Milderung von Unterschieden, an denen die Welt explodieren kann, wenn sie nicht abgebaut, wenn sie nicht gemindert werden.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wie, Herr Dr. Kohl, wollen Sie von unseren Menschen Opfer verlangen, wenn Sie ihnen einreden, wie schlecht es Ihnen gehe? Was ist das für eine Art, sich den eigentlichen Problemen zu nähern, die nicht nur zwischen Nord und Süd in der Welt stehen, sondern die auch zwischen West und Süd in diesem unserem Europa stehen, an dem wir bauen müssen?

    (Beifall bei der SPD — Abg. Kroll-Schlüter [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kroll-Schlüter?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Ich möchte jetzt meine Rede zu Ende führen.
    Mit dieser Art, an die Unzufriedenheit der Menschen zu appellieren, nein, sie zum Teil bewußt unzufrieden zu machen,

    (Lemmrich [CDU/CSU] : Das haben Sie doch 20 Jahre in diesem Land betrieben!)




    Brandt
    lähmen Sie, Herr Kohl, und Sie, Herr Strauß, die Aktionsfähigkeit und den Handlungsspielraum dieser Bundesrepublik.

    (Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Herr Brandt, seitdem Sie solche Reden halten, geht es immer weiter bergab in diesem Lande!)

    Sie schaden unserem Staat mit dieser Haltung, und Sie werden Ihrer Verantwortung, die Sie als Opposition haben wie wir als Koalition, nicht gerecht. Daß Sie darüber hinaus den Anspruch auf Regierungsfähigkeit selbst dementieren, ist dann gar nicht mehr so wichtig.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Meine Damen und Herren, ich habe schon gesagt, was sich im Süden Europas verändert, wie sehr Sie sich geirrt haben durch das Eingehen auf den Pessimismus derer, die ihre Uhren seit dem Wiener Kongreß nicht mehr neu gestellt haben, — um einmal bei der Geschichte zu bleiben, Herr Kollege Strauß.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Nordlohne [CDU/CSU] sowie weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Worum geht es jetzt? Jetzt geht es doch z. B. darum, wie wir in diesem unserem Europa weiterkommen, ob es möglich ist, ihm die Impulse zu vermitteln, die sich aus direkten Wahlen zum Europäischen Parlament ergeben können. Welches Trauerspiel erleben wir dabei?

    (Zuruf des Abg. Breidbach [CDU/CSU])

    Herr Kohl hat am Montag letzter Woche auf seinem kleinen Parteitag als wesentlichen Beitrag beigesteuert, man müsse mit allen Mitteln — so war es in der dpa-Meldung zu lesen; was das eigentlich heißen soll, würde ich gerne bei anderer Gelegenheit einmal hören —, man müsse mit allen Möglichkeiten verhindern, daß ein deutscher Sozialdemokrat Präsident des Europäischen Parlaments werde.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: . . . daß Willy Brandt! — Zurufe von der CDU/CSU: Sie!)

    Sie brauchen sich erstens meinen Kopf nicht zu zerbrechen. Ich bin nicht beim Bonner Arbeitsamt arbeitslos gemeldet, Herr Kollege Kohl.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Sie sollten richtig zitieren! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Zwei Tage nach Ihnen hat der Führer der Gaullisten, Chirac, in die abendliche Debatte der Französischen Nationalversammlung dasselbe Argument eingebracht, aber er hat es ergänzt. Er hat gesagt: Das darf nicht passieren, denn der will — der Brandt, von dem Sie sagen, mit allen Mitteln müßte man den hindern; Strauß hat es ein paar Wochen vorher auch schon gesagt — zusammen mit den Ministerpräsidenten in Holland, in Belgien, in Luxemburg und in Italien dem Europäischen Parlament Kompetenzen geben. Der deutsche Bundeskanzler hat in diesen Bemerkungen von Chirac, den ich sonst sehr respektiere — wir kennen ihn ja aus der Zeit, als er Premierminister war —, auch noch eine kleine
    Schramme abbekommen. Natürlich wollen wir dem Europäischen Parlament Kompetenzen geben!

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Er sagt, dadurch nehme man den nationalen Parlamenten Zuständigkeiten. Es ist doch genau umgekehrt. Seit Jahr und Tag werden den nationalen Parlamenten Zuständigkeiten entzogen. Wir nehmen die Regierungen beim Wort, und dann kann es vielleicht schon im nächsten Jahr zu Wahlen kommen. Wir halten es aber für eine Verhöhnung der Wahlbürger Europas, sie direkt wählen zu lassen und dem Parlament keine Zuständigkeiten zu geben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich greife das Wort von der Konstituante nicht wieder auf. Aber ich sage, es muß doch jedenfalls darum gehen, daß ein direkt gewähltes Parlament eines der beiden gesetzgebenden Organe der Europäischen Gemeinschaft wird; ich sage nicht, das einzige. Wenn das auch Ihre Meinung ist — ich höre jetzt mal keinen Widerspruch —, dann schadet es auch nichts, daß wir in einer solchen Debatte zum Einzelplan des Bundeskanzlers von ernsten Aufgaben der deutschen Politik sprechen, hier nicht nur Gezänk veranstalten, nicht nur Rechthaberei, nicht nur maßlose Reden, sondern von dem sprechen, wie es zu Hause aussieht und was man draußen in Europa und in der Welt von uns erwartet.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die Sozialdemokraten in diesem Hause können die Bundesregierung nur sehr ermutigen, mit ihren konstruktiven Bemühungen nicht nachzulassen, wo es um die Thematik von Belgrad, wo es um die von Wien geht. In der letzten Woche hat das bekannte schwedische Friedensforschungsinstitut erschütternde Zahlen veröffentlicht, die besagen, daß im Jahre 1976 auf der Welt 330 Milliarden Dollar für Rüstungen ausgegeben worden sind, verglichen mit 25 Milliarden für Entwicklungshilfe. Die Zahlen zeigen weiter, daß im Laufe von zwei Jahrzehnten der Anteil der Entwicklungsländer an den Rüstungsausgaben der Welt von 5 auf 15 % gestiegen ist, so daß im letzten Jahr fast genau 50 Milliarden DM an Rüstungslasten in den Entwicklungsländern entstanden sind.

    (Wehner [SPD] : Hört! Hört!)

    Ich weiß — und ich hoffe, hier wiederum treffen sich die meisten in unserem Hause, und gerade deshalb schmerzt es mich, daß Sie sich zum Verteidigungsetat so eingelassen haben, wie Herr Kohl das heute früh getan hat —, wir treffen uns mit allen denen in diesem Hause, die sagen, es gibt auf das Problem, von dem ich jetzt spreche, keine isolierte, keine einseitige Antwort der Bundesrepublik Deutschland. Aber ich sage auch, es gibt kaum einen Staat, der so vital wie diese Bundesrepublik daran interessiert sein muß, zu verhindern, daß die Rüstungsspirale nochmal eine Umdrehung nach oben macht,

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    sondern daß, gestützt auf die mühsamen Verhandlungen, die im Gange sind, ein stabilisierendes Element, und wenn es geht, sogar ein bißchen mehr als



    Brandt
    dies, ein deutlich stabilisierendes Element zum erstenmal seit dem Zweiten Weltkrieg in die Landschaft eingeführt wird.
    Ich möchte mich auf Herrn Kollegen Kohl berufen, nämlich was seine Rede unmittelbar nach der Regierungserklärung von Bundeskanzler Schmidt im Dezember letzten Jahres angeht. Herr Kohl hat damals gesagt, CDU und CSU wollten den Auftrag der Opposition annehmen, ohne Wenn und Aber. Aber, so fügte er hinzu: „Wir sind zur Zusammenarbeit im Interesse unseres Landes bereit." Soweit das Zitat. — Ich habe ihm damals geantwortet: Die Eröffnung des Parlaments biete die Chance, wieder einmal neu anzufangen; in vielen Fragen werde dies ein Gegeneinander sein, aber es gebe eine Basis für ein Miteinander, nämlich die gemeinsame Arbeit an der Evolution, am Vorwärtsschreiten der Demokratie in Europa. Ich habe hinzugefügt, die sozialdemokratische Bundestagsfraktion unterstehe dieser Pflicht nicht anders als die Opposition.
    Was wir damals ausgetauscht haben — und da steckte von beiden Seiten ja einiges drin —, ist nun gerade ein halbes Jahr her. Es tut mir leid sagen zu müssen, die Rede, die Herr Kollege Kohl heute vormittag gehalten hat — ich lasse mal das von Herrn Strauß jetzt beiseite, ich beziehe mich dann doch lieber auf die Rede von Herrn Kohl —, vermittelt den Eindruck, als seien seine damaligen Äußerungen nicht sechs Monate, sondern sechs Jahre alt.

    (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Sehr richtig!)

    Er mag es geschickt finden, am Anfang einer Legislaturperiode richtige und wichtige Worte zur Rolle der Opposition zu Protokoll des Bundestages zu geben und sich ein halbes Jahr danach nicht mehr daran zu erinnern. Ich finde es deprimierend, daß nichts von dem, was damals gesagt wurde, die politische und die parlamentarische Wirklichkeit geprägt hat, die Ihre Fraktion, meine Damen und Herren von CDU und CSU, seither zu verantworten hat.
    Es gibt Unsicherheit in unserem Volk. Aber es gibt auch bei vielen die Bereitschaft, sich sachlich, ohne unberechtigte Aufregung und ohne Hysterie jenen Problemen zu stellen, die uns alle gemeinsam bedrängen. Wir, die demokratischen Parteien in dieser Bundesrepublik Deutschland, die wir in einem ständigen Ringen um den Weg der deutschen und der internationalen Politik stehen — was natürlich auch mit Auseinandersetzungen, manchmal mit scharfen Auseinandersetzungen verbunden ist —, haben wohl, wenn wir ehrlich sind, gemeinsam festzustellen, daß heute viele wichtige Fragen außerhalb oder jenseits der Parteien erörtert werden. Manchem von uns Älteren wird im Laufe der Jahre klarer, daß mit noch so guten und vernünftigen Gesetzen allein den Problemen, um die es heute geht, nicht beizukommen ist, nämlich jenen Problemen, die die Bürger einzeln und in Gemeinschaften neuer und alter Art verwirren und manchmal in Formen, die wir ablehnen müssen, beschäftigen und beunruhigen.
    Auf dem Evangelischen Kirchentag, der jüngst in Berlin stattgefunden hat, konnte man erleben, wie viele Tausende zumal junger Menschen ernst miteinander gerungen haben, wie sie unter dem dortigen Motto „Einer trage des anderen Last" über viele Fragen diskutiert haben: über die Qualität des Wachstums, über die Pflichten gegenüber anderen, auch gegenüber den Menschen in anderen Teilen der Welt, über vieles von dem, was auch unsere Aufmerksamkeit mehr als die bloße Polemik beanspruchen sollte. Bei dieser Begegnung der Menschen in Berlin ist fast kein Thema ausgelassen worden. Der Kirchentagspräsident sagte in seiner Zusammenfassung, er meine, dort seien Zeichen für das gesetzt worden, was er eine Tendenz gegen den allgemeinen Hang zur Unsicherheit, Mutlosigkeit und Unzufriedenheit nannte, die unser Land trotz verhältnismäßig günstiger Bedingungen ebenso wie das übrige Europa heimsuchen. Ich habe den Herrn Simon zitiert. Er sagte bei gleicher Gelegenheit: In einer Zeit, in der der Mut zur Freiheit schwinde, habe man erfahren, das Risiko von Freiheit und Offenheit sei gegenüber dem Gewinn gering. Auch das war ein Kommentar zu „Demokratie wagen" für den, der hinzuhören weiß, Herr Kollege Strauß.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Es knüpft sich daran die Frage, ob aus dem, was sich dort tat, nicht nur andere in der Kirche, sondern auch in der Gesellschaft Mut schöpfen könnten.
    Ich möchte, daß dieser Tag und diese Woche nicht nur Streit und Gezänk vermitteln. Ich möchte, daß wir die ermutigen, die engagiert sind und mit uns mehr Verantwortung übernehmen wollen. Dabei stehen wir fest an der Seite des Bundeskanzlers.

    (Langanhaltender Beifall bei der SPD und der FDP)