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ID0802917800

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    6. Franke.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/29 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 29. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1977 Inhalt: Verzicht des Abg. Dr. Glotz und des Abg Sund auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 2035 A Eintritt des Abg. Lambinus und des Abg Eickmeyer in den Deutschen Bundestag . 2035 A Erweiterung der Tagesordnung . . . . 2035 B Wahl des Abg. Glombig als Stellvertreter im Vermittlungsausschuß . . . . . . . 2035 B Wahl des Abg. Lemp als Vertreter im Europäischen Parlament . . . . . . . . . 2035 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Beschluß und Akt des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 20. September 1976 zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten der Versammlung — Drucksache 8/360 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (Europawahlgesetz) — Drucksache 8/361 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (Europaabgeordnetengesetz) — Drucksache 8/362 — Genscher, Bundesminister AA 2035 D Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU 2037 B Dr. Schäfer (Tübingen) SPD 2040 C Dr. Bangemann FDP 2042 C Dr. Dr. h. c. Maihofer, Bundesminister BMI 2046 C Seefeld SPD 2048 B Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU Deutschlandpolitik — Drucksachen 8/118, 8/255 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes — Drucksache 8/238 — Dr. Abelein CDU/CSU . . . . . . . . 2050 D Dr. Kreutzmann SPD . . . . . . . 2056 A Hoppe FDP 2061 B Franke, Bundesminister BMB . 2067 D, 2116 A II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1977 Dr. Zimmermann CDU/CSU . . . . 2078 D Dr. Schmude SPD 2083 B, 2121 B Jung FDP . . . . . . . 2087 B, 2131 C Baron von Wrangel CDU/CSU . . . . 2090 D Schulze (Berlin) SPD 2093 A Jäger (Wangen) CDU/CSU 2095 D Büchler (Hof) SPD 2099 C Graf Huyn CDU/CSU 2103 A Friedrich (Würzburg) SPD . . 2106 A, 2124 B Dr. Gradl CDU/CSU . . . . . . . . 2111 A Kunz (Berlin) CDU/CSU 2118 B Dr. Kohl CDU/CSU . 2123 C, 2124 A, 2128 A Wehner SPD 2123 D Straßmeir CDU/CSU . . . . . . . . 2124 C Dr. Ehmke SPD 2126 B Böhm (Melsungen) CDU/CSU 2129 A Schmöle CDU/CSU 2131 D Voigt (Frankfurt) SPD . . . . . . 2133 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über steuerliche Vergünstigungen bei der Herstellung oder Anschaffung bestimmter Wohngebäude — Drucksache 8/286 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/471 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses --- Drucksachen 8/453, 8/463 — Gobrecht SPD . . . . . . . 2136 A, 2139 A Dr. Voss CDU/CSU . . . . . . . . . 2137 A Frau Matthäus-Maier FDP . . . . . . 2140 C Köster CDU/CSU 2143 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes — Drucksache 8/370 — de Terra CDU/CSU . . . . . . . . 2145 D Horn SPD 2146 B Ludewig FDP 2146 D Fragestunde — Drucksache 8/458 vom 20. 05. 1977 — Umsiedlung der weißen Bevölkerung aus Südwestafrika im Falle der Machtübernahme der schwarzen Mehrheit nach Südamerika MdlAnfr A109 20.05.77 Drs 08/458 Niegel CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA 2072 A, B, C ZusFr Niegel CDU/CSU 2072 B Einheitliches Konzept der EG für die am 23. Mai beginnende 6. UN-Seerechtskonferenz sowie Sicherstellung der Fanggründe vor den Küsten Kanadas, Norwegens, der USA und Islands für die deutsche Fischerei nach Errichtung der 200-Seemeilen-Wirtschaftszone MdlAnfr A118 20.05.77 Drs 08/458 Dr. Müller-Hermann CDU/CSU MdlAnfr A119 20.05.e Drs 08/458 Dr. Müller-Hermann CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 2072 C, D, 2073 A, C ZusFr Dr. Müller-Hermann CDU/CSU . . 2072 D, 2073 B Benachteiligung deutscher Futtermittelhersteller beim Einkauf von Magermilchpulver bei EG-Ausschreibungen durch unterschiedliche Währungsberechnungen; Verwendung von Magermilchpulver zur Kälberfütterung über einen Beimischungszwang sowie Verbilligung des Magermilchpulvers für diesen Zweck MdlAnfr A63 20.05.77 Drs 08/458 Peters (Poppenbüll) FDP MdlAnfr A64 20.05.77 Drs 08/458 Peters (Poppenbüll) FDP Antw PStSekr Gallus BML 2073 D, 2074 A, C, D ZusFr Peters (Poppenbüll) FDP . . . 2074 A, B, C ZusFr Kiechle CDU/CSU . . . . . . . 2074 D Staatliche Verbilligung von Trinkmilch für Kindergärten und Schulen MdlAnfr A65 20.05.77 Drs 08/458 Frau Geier CDU/CSU Antw PStSekr Gallus BML . . 2075 A, B, C, D, 2076 A ZusFr Frau Geier CDU/CSU 2075 B ZusFr Kiechle CDU/CSU 2075 B ZusFr Susset CDU/CSU 2075 C ZusFr Würtz SPD 2075 C ZusFr Dr. von Geldern CDU/CSU . . . 2075 D ZusFr Stahl (Kempen) SPD 2075 D Deklarationsform für Gemengeteile bei Mischfuttermitteln MdlAnfr A66 20.05.77 Drs 08/458 Dr. von Geldern CDU/CSU Antw PStSekr Gallus BML 2076 A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1977 III Ermittlung der genauen Zahl der neugeschaffenen Ausbildungsplätze zur Kontrolle über die Angaben des Kuratoriums der Deutschen Wirtschaft für Berufsausbildung MdlAnfr A43 20.05.77 Drs 08/458 Heyenn SPD MdlAnfr A44 20.05.77 Drs 08/458 Heyenn SPD Antw PStSekr Engholm BMB . . . . . 2076 C, 2077 A, B, C, D, 2078 A ZusFr Heyenn SPD . . . 2076 D, 2077 A, B, C ZusFr Milz CDU/CSU 2077 D ZusFr Stahl (Kempen) SPD 2078 A Ausnutzung der Ausbildungskapazitäten bei Bundesbahn und Bundespost MdlAnfr A102 20.05.77 Drs 08/458 Walther SPD Antw PStSekr Engholm BMB . . . . 2078 B Nächste Sitzung 2147 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 2149* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1977 2035 29. Sitzung Bonn, den 26. Mai 1977 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 27. 5. Dr. Ahrens " 27. 5. Alber * 27. 5. Dr. Bangemann 27. 5. Dr. Bayerl * 27. 5. Dr. Becher (Pullach) 27. 5. Blumenfeld* 27. 5. Buchstaller *** 27. 5. Dr. Corterier *** 27. 5. Damm *** 27. 5. Fellermaier * 27. 5. Flämig *** 27. 5. Francke (Hamburg) 26. 5. Dr. Fuchs * 27. 5. Dr. Geßner *** 27. 5. Grüner 26. 5. Haase (Fürth) * 27. 5. von Hassel 27. 5. Dr. Hupka *** 27. 5. Dr. Jaeger *** 27. 5. Dr. Jahn (Braunschweig) * 27. 5. Katzer 27. 5. Dr. h. c. Kiesinger 26. 5. Dr. Klepsch*** 27. 5. Kunz (Berlin) *** 27. 5. Dr. Graf Lambsdorff 26. 5. Lange *** 27. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lenzer ** 27. 5. Lücker * 27. 5. Dr. Marx *** 27. 5. Mattick *** 27. 5. Möhring *** 27. 5. Möllemann *** 27. 5. Dr. Müller ** 27. 5. Dr. Narjes 27. 5. Neuhaus 27. 5. Neumann * 27. 5. Ollesch *** 27. 5. Pawelczyk *** 27. 5. Petersen 27. 5. Picard 27. 5. Dr. Reimers 27. 5. Schmidt (München) * 27. 5. Schmidt (Würgendorf) ** 27. 5. Dr. Schöfberger 27. 5. Schreiber * 27. 5. Schwabe * 27. 5. Dr. Schwarz-Schilling 27. 5. Dr. Schwencke (Nienburg)** 27. 5. Dr. Schwörer * 26. 5. Frau Schuchardt 27. 5. Sieglerschmidt * 27. 5. Dr. Starke (Franken) * 26. 5. Dr. Staudt 27. 5. Frau Steinhauer 27. 5. Frau Tübler 27. 5. Voigt (Frankfurt) *** 27. 5. Dr. Waigel 27. 5. Dr. Wallmann 26. 5. Frau Dr. Walz * 27. 5. Dr. Wendig 27. 5. Frau Will-Feld 27. 5. Dr. Wörner 26. 5. Dr. Zeitel 26. 5. Zeyer * 26. 5.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Johann Baptist Gradl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Kollege Friedrich, es gibt in dieser Sache keine Zweideutigkeit. Hier ist nicht nur einmal, sondern hundertmal erklärt worden,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    daß die Verträge für uns verbindlich sind, auch wenn uns manches an diesen Verträgen nicht gefällt; aber gebunden sind wir durch diese Verträge.
    Nun möchte ich aber zu meinem eigentlichen Thema kommen und mit folgender Feststellung beginnen, nämlich der: Noch immer ist der menschliche und politische Freiheitsraum der Deutschen in der DDR hart eingeengt, noch immer ist ihre Bewegungsfreiheit von Ost nach West auf das Rentenalter und eine minimale Zahl von Auslandsreisen beschränkt, und noch immer steht der Grenzverkehr zur Bundesrepublik unter dem Druck äußerster Gewalt. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich habe die Absicht, meine Betrachtungen vorrangig in diese Perspektive zu stellen; es ist die Perspektive der Deutschen in der DDR.



    Dr. Gradl
    Die Bundesregierung weist — und das tut sie mit Recht — auf die Fortschritte hin, die für die Beziehungen der Menschen zueinander durch die Erleichterung des Reise- und Besuchsverkehrs und des Transitverkehrs nach Berlin erzielt worden sind. Niemand von uns bestreitet diese Fortschritte. Aber wir sagen — das hat gar keinen polemischen Beiklang, wenn ich dies hier so formuliere —, diese Fortschritte, deren wir alle uns erfreuen, kommen doch in der Hauptsache den Deutschen im freiheitlichen Teil Deutschlands zugute. Die Deutschen im anderen Teil Deutschlands, die Deutschen in der DDR, haben davon gewissermaßen nur einen passiven Nutzen. Sie gewinnen die menschliche Begegnung mit Verwandten, Freunden und anderen Besuchern; aber ansonsten ist, von Kleinigkeiten und Einzelheiten abgesehen, in der Phase der Vertragspolitik die Situation für sie so geblieben, wie sie immer war.
    Ich sage das nicht, um Verantwortung zu verschieben. Ich weiß genauso, wie wir es alle wissen, daß die Verantwortung dafür die Führung der SED in Ost-Berlin hat. Aber ich finde, wir sollten uns diese gespaltene Situation bei jeder deutschlandpolitischen Diskussion immer sehr deutlich vor Augen halten. Wenn wir das tun, werden Sie wahrscheinlich Verständnis dafür haben, wenn die Frage gestellt wird — und ich stelle sie jetzt auch wieder —, ob denn die Deutschlandpolitik der Bundesregierung nicht anders gestaltet und angesetzt, ob sie angesichts dieser Situation nicht mit mehr Nachdruck betrieben werden muß, um Spannungsherde abzubauen. Das halten wir jedenfalls für notwendig.
    Der Tenor der Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage ist in dieser Hinsicht eigentlich von dem Gedanken bestimmt: weitermachen wie bisher. Auf unsere Frage nach Alternativen lesen wir in der Vorbemerkung der Antwort der Bundesregierung: Keine neuen Konzeptionen. Das genügt aber insbesondere im Blick auf die Deutschen drüben im Jahre fünf des Grundvertrages — und das haben wir: im Jahre fünf — nicht.
    Nun werden wir von Ihrer Seite gerne zur Geduld gemahnt. Aber ich meine, das ist nicht das Problem. Wir wissen natürlich auch, daß wir Deutsche nach einer solchen geschichtlichen Katastrophe wie der von 1933/45 gewiß einen langen Atem haben müssen, um die Folgen zu überwinden. Aber in dieser Phase der Deutschlandpolitik, die jetzt beginnt und gewissermaßen ihren äußerlich sichtbaren Anfang in Belgrad hat, geht es um einen humanen, um einen menschenfreundlichen Modus vivendi während der politischen Spaltung. Da kann man die Menschen nicht immer wieder auf Warten verweisen. Sondern was Von uns allen erwartet werden muß — ob in Belgrad, ob nach Belgrad, ob in bezug auf die Deklaration von Helsinki oder in bezug auf die allgemeine deutschlandpolitische Lage —, ist, daß der Deutschlandpolitik ein Schub gegeben wird, der deutlich macht, daß wir auch im Blick auf die Deutschen drüben zu einer politisch offensiven Aktivität kommen. Das ist jedenfalls unser Verlangen.
    Weil wir dabei naturgemäß besonderes Gewicht auf die Menschenrechte legen, werfen Sie uns vor,
    wir überbetonten die Menschenrechte. Auch dieser Vorwurf geht fehl. Wir wissen natürlich auch: Es würde die andere Seite nicht in den notwendigen humanitären Zugzwang bringen, sondern notwendige Schritte nur blockieren, wollte man die Menschenrechte als eine Art Allzweckwaffe gegen kommunistische Regime handhaben. Wir wissen, daß in dieser Situation politisches Augenmaß, nüchterner Sinn notwendig sind. Und es bleibt doch auch dabei — das muß man ja ebenfalls bedenken —, daß Forderungen vor allem von den Menschen drüben, die es besonders angeht, die ihr System sehr genau kennen und die viel besser als wir ermessen können, was situations- und zeitgerecht ist, verstanden werden müssen. Das alles ist uns klar, das brauchen Sie uns nicht immer vorzuhalten. Wir wissen, daß kein Maximalismus angebracht ist, wir wissen allerdings auch und sind der Überzeugung, daß kein Minimalismus angebracht ist. Wenn wir das, was in den Fragenkatalogen der Regierung zusammengestellt worden ist, einmal an unserem Auge vorbeigehen lassen, habe ich eher das Gefühl, daß da zwar sehr viele Positionen aufgezählt sind — jedenfalls soweit sie bekanntgeworden sind, wir sind ja allein auf die Presse angewiesen —, daß aber die wirklich wichtigen Schritte, die die eingangs geschilderte Situation der Menschen wesentlich verbessern könnten, nicht in der rechten Weise — jedenfalls nach meiner Erkenntnis — zur Geltung kommen.
    Unverzichtbar ist auf alle Fälle das entschiedene Fordern dessen, was dem System realistischerweise irgendwie zumutbar ist, z. B. der stufenweise Abbau von Reiseschranken. Ich füge hinzu: Weder in unserem Lande noch in der Weltöffentlichkeit würde jetzt in dieser kommenden Phase, die ja auch deutschlandpolitisch und international von dem Thema Menschenrechte so stark bestimmt ist, verstanden, wenn die menschliche Last aus der zwangsweisen Spaltung nicht deutlich gemacht und wenn Abhilfe nicht entschieden verlangt würde.
    Es wird berichtet, daß die Menschenrechte auf der Tagung der Sozialistischen Internationale in Amsterdam eine Rolle gespielt hätten, daß es eine Auseinandersetzung gegeben habe und daß wichtige Teilnehmer eine Position prinzipieller Härte eingenommen hätten. Von dem holländischen Ministerpräsidenten den Uyl wird berichtet, er habe erklärt, die Menschenrechte seien untrennbarer Bestandteil von Frieden und Sicherheit. Man müsse auf ihre Verwirklichung weiter drängen und sollte sich darum nicht schämen. Ich nehme an, die Information ist richtig. Die Sprache jedenfalls läßt es vermuten. Ich kann nur sagen, wir stimmen den Uyl in dieser Sache vollkommen zu. Das ist genau unsere Meinung.
    In der Situation, in der sich unser geteiltes Land befindet, ist der international mit Vorsprung ausgestattete Katalog der Menschenrechte ein legitimes Instrument deutscher Politik. Wir alle können und wollen nichts mit Gewalt erzwingen. Also bleibt doch nur, deutlich auszusprechen, was anzuklagen ist, und das Gebührende zu verlangen. Dazu bedarf es keiner Lautstärke und Überzeichnung. Wenn wir das sagen, wird uns immer gleich entgegenge-



    Dr. Gradl
    halten, wir wollten kalten Krieg. Mitnichten! Da braucht man gar nichts zu überzeichnen. Das Registrieren der Fakten in der DDR kennzeichnet die Situation selbst zur Genüge. Die reine Wirklichkeit ist die deutlichste Kennzeichnung.
    Wenn man das so sieht, dann muß ich sagen, daß ein Satz in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom Dezember 1976 im Grunde nicht zu verstehen ist; es sei denn, die Regierung nähme an, man könnte mit einem verbalen Stirnrunzeln oder mit einer gütigen Ermahnung die harten Vertreter Ost-Berlins zu einer Wandlung in diesem Bereich bewegen. Da hat der Bundeskanzler damals zum Kapitel innerdeutscher Reiseverkehr wörtlich gesagt — man muß das recht sanft sprechen; dann wird es ganz deutlich —, man wolle die DDR ermutigen, den Umfang des für möglich Gehaltenen neu zu überdenken. Es tut mir leid, ich kann mir nicht vorstellen, daß diese Art Sprache — und dahinter steckt auch eine Haltung — die andere Seite beeindruckt. Bisher war jedenfalls nichts Positives zu vermerken.
    Nun will ich an wenigen Beispielen das, was ich jetzt allgemein ausgeführt habe, konkretisieren. Ich habe schon gesagt, die Bundesregierung hebt — das tut sie mit Recht — als Erfolg ihrer Politik die Millionenzahl westdeutscher und Westberliner Besucher in der DDR hervor. Der menschliche Gewinn dieser Besuche ist überhaupt nicht abzuschätzen. Das ist unleugbar. Aber nun muß ich doch gleich hinzufügen: Wenn jedoch nicht auch den jüngeren Generationen der DDR ein verwandtschaftlich-freundschaftliches Hin und Her möglich wird, dann muß doch die Gefahr ernstgenommen werden, daß das Geflecht der menschlichen, verwandtschaftlichen Beziehungen hin und her verkümmert — eine böse Gefahr; schon die Vorstellung ist schrecklich.
    Nun, die Wirklichkeit ist so, daß wir in Verbindung mit dem Moskauer Vertrag und dem Verkehrsvertrag neben den 1964 geöffneten Schranken für die Rentnerreisen die von Altersgrenzen freie Reisemöglichkeit für DDR-Bürger in dringenden Familienfällen haben. Die Gesamtzahl bewegt sich um ganze 30 000, wenig genug. Und irgendwie ist es, finde ich, für die Situation kennzeichnend, daß sich in den ersten vier Monaten dieses Jahres — die letzten Zahlen sind gerade heute herausgekommen — ergibt, daß selbst dieses niedrige Niveau gegenüber der Vergleichszeit im Vorjahr noch um 6 % — genau, glaube ich, um 5,9 % — gesunken ist. Das ist eine Kennzeichnung für die rigorose Genehmigungspraxis, die auf diesem Gebiet drüben ausgeübt wird.
    Keiner wird mir wiedersprechen können, wenn ich schlicht sage: Seit der Regelung vor fünf Jahren — denn vor fünf Jahren haben wir diese Ausnahmereisen erwirkt — ist man im Reiseverkehr aus der DDR in die Bundesrepublik nicht ein Stückchen weitergekommen. Ich sage das nicht, um einen Vorwurf zu erheben. Das ist im Augenblick nicht mein Thema; darüber können wir uns noch lange unterhalten. Ich sage das nur, weil ich deutlich machen will: Hier ist einer der wichtigsten praktischen Ansatzpunkte für ein aktives deutschlandpolitisches Drängen im Interesse der Menschen selbst.
    Ich maße mir jetzt nicht an, die Leute in Ost-Berlin mit irgendeinem Argument, das ausgerechnet ich vorbringe, überzeugen zu können, aber vielleicht kann das der ungarische Ministerpräsident und Parteichef Kadar. Vielleicht kann er die DDR-Führung eines Besseren belehren. Jeder Ungar hat ein gesetzliches Recht auf einen Paß für Westreisen. Alle drei Jahre erhält er dafür einen respektablen Devisenbetrag. Braucht er keine Devisen, weil er zu Verwandten oder Freunden reisen kann, kann er öfter reisen. Das ist dort die Situation. Nun hat Kadar bei seinem Staatsbesuch im Dezember letzten Jahres in Wien gesagt, mit der politischen Entscheidung, seine Staatsbürger in den Westen fahren und dort Urlaub machen zu lassen, habe Ungarn gute Erfahrungen gemacht. Er hat das u. a. so begründet: Alles, was verboten ist, werde interessant; die im Westen bestehende Lebensunsicherheit und Arbeitslosigkeit lehre, daß auch im Westen die Zäune nicht aus Wurst seien; durch das Reisen sei ein Erziehungsprozeß in Ungarn in Gang gekommen. So Kadar. Ich werde mit ihm jetzt hier nicht einen Streit über seine Argumentation anfangen. Ich meine, sie sollte aber die Verantwortlichen in Ost-Berlin interessieren. Es wäre ganz gut, wenn ihr Propagandafeldzug, den sie jetzt starten, auch einmal unter diesem Gesichtspunkt überprüft würde. — Tatsache ist, daß die Fluchtquote gering ist, und dies, obwohl die Beziehungen über die Grenze zwischen Ungarn und Österreich hinweg ja immer noch sehr eng sind und die Sprachbarriere kein allzu großes Gewicht hat. So also Ungarn.
    Herr Honecker hat nun in seinem bekannten Interview in der „Saarbrücker Zeitung" auf das Devisenproblem hingewiesen. Die Frage drängt sich doch auf, warum die wirtschaftlich stärkere DDR mit den Devisen nicht das fertigbringt, was Ungarn fertigbekommt, zumal doch die DDR aus den bekannten mannigfachen Zahlungen der Bundesrepublik Deutschland, und zwar allein aus den öffentlichen Zahlungen, einen Sonderzustrom an Devisen von jährlich weit mehr als 600 Millionen DM hat — dies ganz abgesehen von allen wirtschaftlichen Hilfen.
    Als dringenden Wunsch an die Bundesregierung möchte ich äußern: Das Mindeste, was jetzt im Reiseverkehr von der DDR-Führung verlangt werden muß, ist ein erster großer Schritt. Wer 50 Jahre alt ist, hat sein Zuhause, seine Freunde, seine Arbeitsstelle, seine Familie und seinen ganzen Lebenskreis; die schwere materielle Not ist auch drüben überwunden. Man darf doch wohl annehmen, daß Menschen, die ihren Platz gefunden haben, nicht leichten Herzens fliehen, schon gar nicht, wenn ihnen das Gefühl ,des ewigen Eingesperrtseins genommen würde. Hier ist ein entscheidender deutschlandpolitischer Ansatz.
    Man muß sich manchmal die Situation der Menschen drüben vor Augen halten. Neulich hat mir ein Kölner einen Brief gezeigt, den er von seinem 55jährigen Bruder aus Dresden erhalten hat. Darin steht unter anderem: „Bleibt nur zu hoffen, daß ich endlich 65 werde." Ein anderer schreibt: „Nächstes Jahr bin ich mauermündig." Kann man sich vor-
    2114 Deutscher Bundestag -- 8. Wahlperiode — 29. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1977
    Dr. Gradl
    stellen, was für bittere Qual der Isolierung hinter solchen Aussagen steckt? Da müssen wir aktiv sein.
    Das ist gar nicht so schwer. Manchmal kann man aus der Vergangenheit lernen. Aus der DDR in die Bundesrepublik gekommene Ärzte haben im vorigen Jahr dem SED-Generalsekretär Honecker in einem Brief — den Sie kennen — geschrieben, daß nicht Gehälter, nicht Urlaubszeit und nicht medizinisch-technische Ausrüstung die Gründe ihres Weggehens waren, sondern die ständige Überwachung, die Benachteiligung der Kinder im Studium, ,die Abhängigkeit der Facharztzulassung vom fünfjährigen Besuch der Marxismus-Leninismus-Kurse und die Verweigerung der Teilnahme an westlichen Fachkongressen. Wenn man in Ost-Berlin sucht, wie man mit der Unzufriedenheit der Bevölkerung fertig werden kann, dann soll man sich dies vor Augen halten. Diese ideologische Penetranz und politische Verwaltung sind der eigentliche Grund des Mißmuts und der inneren Not der Menschen drüben und des Verlangens, die DDR zu verlassen. Diese Menschen wehren sich dagegen, daß sie das System nicht nur ertragen, sondern auch anbeten sollen. Das ist ihre Situation.
    Die christlichen Kirchen in der DDR sind — darüber gibt es eine ganze Reihe neuer Verlautbarungen — wahrhaft um Loyalität und ein sachlich-konstruktives Verhältnis gegenüber ihrer Staatsmacht bemüht. Was sie gegen die Einengungen des religiösen Lebens, gegen die Beschränkungen religiöser Erziehung und gegen den mannigfachen Druck auf Christenmenschen, vor allem auf Eltern und junge Leute, vorzubringen haben, ist viel und wiegt schwer. Sie bringen es besonnen und abgewogen vor. Gerade deshalb ist ihre verhaltene Klage so bedrückend. Sie kennzeichnet den Abgrund zwischen dem offiziell versprochenen Grundrecht auf Gleichberechtigung ohne Unterschied der Religion und Weltanschauung einerseits und der DDR-Wirklichkeit andererseits. An amtlichen Erklärungen für Glaubens- und Gewissensfreiheit fehlt es in der DDR nicht. Aber jüngst sagte ein verantwortlicher Kirchenmann drüben wörtlich: „Worauf es entscheidend ankommt, ist, daß das Erklärte sich prägend auswirkt." Genau daran, so muß man hinzufügen, fehlt es eben entscheidend. Was oben gesagt wird, wird vom Apparat nicht getan, und der Apparat selbst glaubt zumindest, daß er sich mit seinem Verhalten in einem stillen Einverständnis mit Oben befindet.
    Auf der Görlitzer Synode vor wenigen Tagen gab es die Aussage, daß engagierte junge Christen — so wörtlich — wenig Aussicht hätten, auf wichtige Posten zu gelangen, auch wenn sie noch so tüchtige Fachleute und gute Kollegen seien. Auch dies ist bezeichnend. So wird berichtet, daß Lehrer unter Hinweis auf die Zukunft der Kinder die Eltern davor warnen, die Kinder an der christlichen Unterweisung teilnehmen zu lassen. Können wir uns hier eigentlich die Gewissenskonflikte vorstellen, in die Eltern drüben gestellt sind? Man kann, glaube ich, verstehen, daß ideologischer Druck, staatsparteilicher Zwang und Überheblichkeit jemandem eben zuviel werden kann — so viel, daß ein christlicher Pfarrer meint, sogar mit seinem Leben ein wirklich unübersehbares Zeichen, ein Signal geben zu müssen. Ich frage mich, sind die Verantwortlichen der DDR, die solche Sorge um ihre innere Stabilität zeigen, wirklich nicht fähig, sich vorzustellen, wie es auf die vielen nachdenklichen und nolens volens auch zur Loyalität bereiten DDR-Bürger wirkt, die hinterher im SED-Zentralorgan den Satz lesen mußten — wörtlich —: In unserer Gesellschaft kann jeder nach seiner Façon selig werden.
    In einer sehr kritischen Zeit, in der sie ebenfalls von der Angst der Instabilität geplagt war, wurde im Verhalten der DDR-Führung plötzlich deutlich, daß sie genau wußte, was die Menschen unerträglich quält, und daß sie zwar zu später, aber doch vernünftiger Reaktion fähig war — ich würde gern sagen „ist", ich muß sagen „war". Man muß sich das einen Augenblick vergegenwärtigen. Es hilft für eine Aktivität in der Zukunft. Im Sommer 1958, einer Zeit großer Fluchtbewegungen, geriet unter anderem die ärztliche Betreuung in Gefahr. Damals rang sich das SED-Politbüro schließlich zu einer Milderung des ideologischen Druckes durch. Im Kommunique vom 16. September 1958 erklärte das Politbüro, daß die Ausübung des Arztberufes und die wissenschaftliche Tätigkeit in der DDR keiner weltanschaulichen Verpflichtung für den dialektischen Materialismus unterliege, und weiter wörtlich: daß Ärzte und Wissenschaftler, die sich zu einer anderen Weltanschauung bekennen, die Möglichkeit zu ungehinderter schöpferischer Arbeit haben. So weit reichte damals die Einsicht unter dem Eindruck der Spannung. Aber sie reichte eben nur bis zum Bau der Mauer. Die Ostberliner Konferenz für Propaganda, die in diesen Tagen abläuft, könnte sich die Arbeit sehr erleichtern. Sie brauchte nicht mehr so viel über Propagandafluten nachzudenken, mit denen sie das Denken und Fühlen der Menschen zudecken will, wenn sie sich diese Erkenntnisse von damals vor Augen führte und vielleicht daraus Konsequenzen zöge.
    Wenn man in diese Richtung deutschlandpolitisch vorstoßen will, muß man sich mit dem Verhalten der DDR auseinandersetzen, die jede Kritik dieser Art zu einem Verstoß gegen das völkerrechtliche Prinzip der Nichteinmischung in innere Verhältnisse anderer Staaten erklärt. Ich finde, die Bundesregierung verhält sich gegenüber diesem Mißbrauch des Nichteinmischungsprinzips so, als ob es sich um eine in Gelassenheit hinzunehmende DDR-Agitation handle. Ich habe jedenfalls bisher keine offene, klare Auseinandersetzung mit diesem Vorwurf vernommen. Dabei läge sie doch nahe, denn eine prinzipielle Priorität staatlicher Souveränität gegenüber den grundlegenden Persönlichkeitsrechten wäre menschenrechtlich ein Widerspruch in sich, es sei denn, die DDR wollte sich nach Artikel 4 der Konvention vom Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte auf Staatsnotstand berufen. Das wird sie ja doch wohl nicht tun wollen.
    Die Bundesregierung, so sagte ich, verhält sich gegenüber diesem Mißbrauch so, als ob es sich um eine in Gelassenheit hinzunehmende DDR-Agitation



    Dr. Gradl
    handle. Aber tatsächlich handelt es sich um den äußerst ernst zu nehmenden Versuch, die Menschenrechte generell der Ideologie und dem absoluten Wert- und Machtanspruch des kommunistischen Staates und seiner Partei unterzuordnen. Auf diesem Wege will man sich der unbedingten Verbindlichkeit der Menschenrechte entziehen.
    In diesem Mißbrauch des Nichteinmischungsarguments — und damit muß eine Regierung rechnen, die menschenrechtlich aktiv werden will — erweist sich die raffinierte Zweigleisigkeit kommunistischer Regime gerade für deutsche Verhältnisse als besonders gefährlich: Als Staat bekennt man sich zur friedlichen Koexistenz und gewinnt den Schutz des Nichteinmischungsarguments als Abwehrinstrument gegen menschenrechtliche Ansprüche — so glaubt man jedenfalls —, als Staatspartei beruft man sich auf weitergehenden Kampf der Klassen, der Weltanschauungen und praktiziert unbekümmert Einmischung.
    Es gibt einen Aufsatz in der Zeitschrift „Militärwesen" des DDR-Verteidigungsministeriums aus diesen Tagen, in dem ganz unverblümt gesagt wird, friedliche Koexistenz und Entspannungspolitik bedeuteten keine Festschreibung des sozialistischen Status quo, keinen Verzicht auf den Klassenkampf in nichtsozialistischen Ländern. Aber dieses — und deshalb hebe ich es hervor — DDR-Bekenntnis zu prinzipieller Einmischungspolitik und zu systematischer revolutionärer Aufwiegelung rechtfertigt doch erst recht das kategorische Zurückweisen des Ostberliner Einmischungsvorwurfs gegen menschenrechtliche Kritik von unserer Seite.
    Wir wollen doch nicht vergessen, daß die DDR gar keine Hemmungen hat, die Möglichkeiten unserer pluralistisch-toleranten Ordnung recht eingehend auszunutzen. Sie hat hier ihren eigenen Parteiapparat, der von ihr finanziert wird, der macht Parteitage, da kommt die SED-Prominenz, deren Namen wir alle kennen, aus Ost-Berlin, um dort zu reden. Das alles wird als selbstverständlich in Anspruch genommen. Für eine demokratische Partei der Bundesrepublik — es ist beinahe grotesk, das auszusprechen — gibt es natürlich keine hauseigene Plattform in der DDR. Ich habe dies nicht hervorgeholt — damit kein Mißverständnis entsteht —, weil ich zum Verbot der DKP animieren will. Es wäre aus mancherlei Gründen nicht gut, sie in den Untergrund zu drängen. Aber ein unwiderlegliches Argument, mit dem man jedem Vorwurf, wir mischten uns in die inneren Verhältnisse der DDR ein, wenn wir menschenrechtliche Kritik üben, begegnen kann, ist es auf alle Fälle.
    Meine Damen und Herren, es gibt ein Wort von einem amerikanischen Völkerrechtler, Stowell, das lautet: Rechte, die nicht respektiert werden, fallen wie tote Blätter vom Baum. Genau dies bezweckt die Politik der DDR mit ihrem Bemühen, das Gebot der Nichteinmischung so extensiv zu interpretieren, daß für die Inanspruchnahme der Menschenrechte in der Gestaltung der innerdeutschen Beziehungen möglichst wenig, am liebsten gar kein Raum bleibt.
    Ich fasse zusammen:
    Erstens. Menschenrechte — dies ist, glaube ich, unser aller Standpunkt — haben Vorrang. Zu ihrer Einhaltung sind beide Staaten in Deutschland in erhöhtem Maße angehalten. Beide haben — um nur dies zu nennen — die Menschenrechtskonventionen von 1966 und die Schlußakte von Helsinki unterzeichnet. Darüber hinaus haben sich beide gegenseitig im Grundvertrag zur Wahrung der Menschenrechte ausdrücklich verpflichtet.
    Zweitens. Alle politischen, moralischen und rechtlichen Mittel, auch öffentliche Kritik, sind für die Menschenrechte in ganz Deutschland zu nutzen.
    Drittens. Die Menschenrechte sind zugunsten aller Menschen und Völker zu vertreten. Ich wage aber hinzuzufügen: Angesichts der Situation im deutschen Bereich muß draußen auch verstanden werden — und notfalls verständlich gemacht werden —, daß wir uns besonders auf den deutschen Bereich konzentrieren. Die Menschen jenseits der Teilungslinie sind schließlich unsere Nächsten.
    Im übrigen: Was der DDR ihre Ideologie ist, sind uns eben die Menschenrechte. Wenn es der DDR recht ist, sich an unseren politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen in der Bundesrepublik zu beteiligen — was sie tut —, dann kann unserer Seite ein analoges Verhalten in der Sache der Menschenrechte in der DDR nur billig sein.
    Ich schließe mit der Feststellung: Die Deutschen hüben und die Deutschen drüben, die es sehr viel schwerer haben als wir, sollten sich — so verlangt das die internationale Situation — einstweilen damit zurechtfinden, daß ihnen das nationale Selbstbestimmungsrecht verwehrt bleibt. Aber um so mehr hat das deutsche Volk das Recht auf Öffnung von Mauer und Minenstreifen für das menschliches Zueinander in beiden Richtungen, auf menschliche Begegnungen, Kultur, Sport und alles dies.
    Die Bundesrepublik ist in den Ostverträgen gerade zugunsten der DDR weitgehende Verpflichtungen eingegangen. Daß diese Verpflichtungen für die andere Seite höchsten Wert haben, hat die Intensität bewiesen, mit der die Sowjetunion und die DDR darauf gedrängt haben. Alle diese Verpflichtungen — das können wir und insbesondere die Regierung doch redlich sagen — hat die Bundesrepublik Deutschland erfüllt. Alle Parteien und Fraktionen — wir alle — sind gebunden.
    Aber es war doch wohl niemand unter uns, der damals, 1972/73, die Gewaltverzichtsgarantien, die Respektserklärungen, die Grenzaussagen etc. Vertrag werden lassen wollte, um die innerdeutsche Trennungslinie als Schreckensgrenze und Isolierwand zu Lasten der Deutschen drüben zu verewigen.
    Meine Damen und Herren, gerade wenn und weil wir uns um des Friedens willen und auf der Basis der nun einmal verbindlichen Verträge mit dem jetzigen Zustand der staatlichen Spaltung für eine ungewiß lange Zeit einzurichten haben — wir alle, wir hier und wir drüben —, muß um so mehr auf der vorrangigen Wahrung der Menschenrechte für die Gesamtheit der Deutschen bestanden werden. Es



    Dr. Gradl
    geht darum, daß die DDR endlich die Gegenleistungen voll erbringt, zu denen sie grundvertraglich verpflichtet ist: gute Nachbarschaft und Verwirklichung der Menschenrechte.
    Die Bundesregierung ist aufgefordert — und eigentlich sollten wir sie alle auffordern —, entsprechend energisch zu handeln.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD)



Rede von Liselotte Funcke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat Herr Bundesminister Franke.

(Zuruf der Abg. Frau Berger [Berlin] [CDU/ CSU])


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn ich wieder einige Minuten Zeit in Anspruch nehmen muß, wird das Ungleichgewicht — es tut mir leid — vielleicht etwas verstärkt. Ich hoffe aber, daß die nachfolgenden Redner dadurch noch Gelegenheit finden, wenigstens auf das zu antworten, was ich sage. Das ist fairer, als wenn ich versuchen würde, hier den Schlußreigen zu tanzen.
    Zunächst möchte ich mich bei Herrn Kollegen Gradl in besonderer Weise für seine Sachlichkeit bedanken. Ich meine, daß in der Tat sehr interessante Ansatzpunkte durchklangen, über die gemeinsam nachzudenken sich lohnt und wo man versuchen sollte, etwas weiterzukommen.

    (Beifall bei der SPD)

    Aber das schließt nicht aus, daß ich auch zu einigen anderen Dingen, die hier gesagt wurden, noch etwas ausführen muß, weil sie nicht so im Raum stehen bleiben können.
    Eine Frage war: War unsere Politik bisher erfolgreich oder nicht? Haben wir nur einseitige Leistungen erbracht, also ohne eine Gegenleistung dafür zu bekommen? Ich habe während meines ersten Beitrags zur heutigen Debatte zum Ausdruck gebracht, daß die Bundesregierung nicht zum erstenmal darauf hingewiesen hat und wieder darauf hinweisen mußte, daß Verhandlungen mit der DDR prinzipiell nur dann zu Vereinbarungen und zur Zusammenarbeit führen, wenn entweder ein gemeinsames Interesse der beiden Staaten vorliegt oder abweichende Interessen gegeneinander aufgewogen und in einem für beide Seiten tragbaren Kompromiß verbunden werden können. Außerdem habe ich an jene Kolleginnen und Kollegen appelliert, die schon seit vielen Jahren mit in diesem Geschäft stehen, und zwar mit der Formulierung: Wer sich bei den innerdeutschen Verträgen und Vereinbarungen auch nur ein bißchen auskennt, wird wissen, daß sie im wesentlichen nach der Methode der Verschränkung von unterschiedlichen Interessen zustande gekommen sind.
    Das ist eine Antwort darauf. Ich verstehe nicht, warum Sie immer so tun, als hätten wir uns nicht danach verhalten. Denn Sie können doch wirklich nicht behaupten — so haben Sie sich mit Ihren Ausführungen eigentlich selber ad absurdum geführt,
    Herr Kollege Huyn —, wie Sie es getan haben, seit 1969 sei alles nur schlechter geworden. Das kann doch nicht aufrechterhalten bleiben. Da sehen wir doch die Unterschiedlichkeit Ihrer Aussagen. Der eine ist bereit, gerade im humanitären Bereich in breitem Maße seine Zustimmung dazu zu geben, daß sich da etwas bewegt. Wenn wir uns über Menschenrechte unterhalten, dann geht es doch um die Verwirklichung der Humanität. Und wo es hierum geht, wird sich mit dieser Bundesregierung kaum jemand messen können in dem Bemühen, sie überall in der Welt zum Tragen zu bringen. Nur fehlen uns die Mittel, mit unseren Gesetzen in anderen Staaten zu wirken. Vielmehr müssen wir versuchen, auf der politischen Ebene durch entsprechende Verhandlungen zu Ergebnissen zu kommen. Hierzu liegen konkrete Daten vor.
    Ich glaube, was da gesagt wurde, darf so nicht im Raum stehen bleiben. Seit 1969 hat sich Grundlegendes zugunsten der Begegnungsmöglichkeiten der Menschen in beiden Teilen Deutschlands verändert. Das ist zu einem besonderen Politikum auch für die SED geworden. Wer die jüngsten Aussagen dort betrachtet, sieht, daß das neue Probleme für die Menschen drüben gebracht hat. Die brauchen wir gar nicht so zu werten, aber da ist etwas in Bewegung gekommen, was letztlich mit dazu beiträgt. Man muß also sehen, wie die Dinge da laufen.
    Sie sprachen von den Aussiedlerzahlen und sagten, man sollte das, was jetzt ist, doch einmal mit den Zahlen aus der Zeit der Regierungen Adenauer, Erhard und Kiesinger vergleichen. Die Zahlen sind einsehbar. Sie liegen vor. Ich darf Ihnen sagen, daß in den Jahren von 1959 bis 1969, also in elf Jahren, Jahr für Jahr aus den sechs Ostblockländern, mit denen wir zu tun haben — die DDR ist dabei ausgeklammert —, durchschnittlich rund 22 000 Menschen herübergekommen sind. In den sechs Jahren seit 1970 bis 1976 sind es im Jahresdurchschnitt über 26 000, also 4000 Menschen mehr gewesen. Das mag Ihnen nicht genügen. Auch mir genügt es nicht. Nur, eine Verschlechterung ist in der Zeit, in der wir die Regierungsverantwortung tragen, nicht eingetreten. Das ist einfach unrichtig. Und nehmen Sie es doch bitte bei der Kompliziertheit der Problematik mit in Kauf, daß wir auch mit diesen wenigen Dingen schon Positives registrieren können. Wir sagen doch, daß das ein Anfang ist, daß es ein langer, mühsamer Weg ist. Wie oft hören wir, daß wir einen langen Atem brauchen. Sie haben ihn nicht. Ihnen ist die Puste ausgegangen, bevor wir überhaupt richtig angefangen haben.

    (Beifall bei der SPD und bei der FDP)

    Und noch etwas zu diesem Thema. Sie haben hier den Swing angesprochen. Sie haben empfohlen, man sollte doch einmal überprüfen, ob das nicht ein brauchbares Instrument zur Durchsetzung politischer Forderungen sei. Ich darf Ihnen in diesem Zusammenhang einmal ein paar Zahlen nennen, damit Sie nachdenklicher werden. Im übrigen darf ich hier noch kurz anmerken, daß der Swing keine Erfindung der sozialliberalen Koalition ist. Ihn gibt es bereits seit 1949. Von 1949 bis einschließlich 1968, also in jener Zeit, in der die Regierungsführung nicht von
    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 29. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1977 2117
    Bundesminister Franke
    uns, sondern von Ihren Parteifreunden gestellt wurde, hat sich der Swing um ein Zwölffaches erhöht. In dieser Zeit — ich darf Sie daran erinnern —, in den Jahren 1949 bis 1968 lag der 17. Juni 1953, und von 1952 auf 1953 hat man den Swing gegenüber der Zeit davor verdoppelt. In der gleichen Periode lag der Mauerbau vom 13. August 1961. Auch das hat nicht dazu geführt, daß unter der Verantwortung der CDU-Regierungen etwa dieses Instrumentarium überhaupt in Erwägung gezogen wurde. Warum sage ich das? Ich sage das, damit wir uns endlich einmal davon losmachen, in Bereichen herumzuturnen, die auch nach Ihren Erfahrungen zur Durchsetzung unserer politischen Wünsche und Forderungen als nicht brauchbar erscheinen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Lassen Sie mich zum Schluß noch einige Anmerkungen zu dem machen, was der Herr Kollege Jäger hier gesagt hat. Ich kann das so, wie er es gesagt hat, hier nicht stehenlassen. Ich hatte mich, als ich meinte, zur sachlichen Klärung eines bestimmten Problems beitragen zu sollen, auf meinen Angeordnetenplatz begeben und Fragen gestellt.

    (Zuruf der Abg. Frau Berger [Berlin] [CDU/ CSU])

    — Natürlich, das ist die Methode, die jeder anwendet. Das ist doch nichts Neues. — Ich wollte das sofort wahrnehmen. Er hätte die Gelegenheit gehabt, die Sache in einer vernünftigen Form zum Abschluß zu bringen, sei es nur, daß er gesagt hätte, wir können uns im Ausschuß einmal näher darüber unterhalten. Das müssen wir sogar, damit das noch deutlicher wird. Sie, Herr Jäger, haben hier gesagt — ich habe mir das Protokoll beschafft —:
    Ich habe den Sachverhalt geschildert, daß dieser Frau unrichtige Angaben über ihre Berufungsmöglichkeit gemacht worden sind und sie deswegen davon abgesehen hat, Berufung einzulegen.
    Weiter heißt es:
    Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen nur das eine sagen: Ein Bundesminister, der sich mit solchen Angelegenheiten befaßt, sollte sich besser mit der Materie vertraut machen, ehe er die Sache zum Gegenstand einer parlamentarischen Polemik macht.
    Zwar ist es jedem Abgeordneten freigestellt, zu sagen, zu behaupten, was er für richtig hält, aber ich muß Ihnen zurückgeben: Ich hielte es für sinnvoller, wenn Sie sich nicht nur auf eine dubiose Dokumentation stützten, die zwar viele Daten enthält, aber deren Wert, deren Gehalt doch als sehr umstritten gelten muß. Ich meine vielmehr, daß ich die richtige Adresse bin, wenn es um Unmittelbarkeit geht. Das habe ich so und so oft angeboten. Viele von Ihnen machen auch Gebrauch davon.
    Im übrigen enthält das vorhin erwähnte Dokument — schon bei flüchtiger Durchsicht erkennbar — zwei wichtige Daten überhaupt nicht. Es fällt auf, daß die Mutter in diesem Fall, der vorhin Anlaß zu dieser Zwischenfrage war, für meine Begriffe eine sehr eigenartige Rolle gespielt hat. Ich muß das zur Verdeutlichung noch einmal sagen und bin bereit, das jederzeit zu wiederholen.

    (Zuruf des Abg. Straßmeir [CDU/CSU])

    — Entschuldigen Sie einmal! Diese Sache ist so weit gegangen, daß sich der Vorstand des Anwaltvereins in Berlin damit befassen mußte. An den hatte sich diese Frau gewandt. Als dieser Vorgang akut war, als es darum ging, Rechtsmittel einzulegen — und nur so lange kann man etwas unternehmen —, als diese Frau zu unserem Vertrauensrechtsanwalt, und zwar in West-Berlin, vorgeladen wurde, wurde ihr deutlich gemacht: Hier liegt der Fall so und so vor. Sie müssen sich jetzt erklären. Wollen wir dagegen Rechtsmittel einlegen? Das müssen wir tun, wenn wir das Anrecht erhalten wollen, daß eine Familienzusammenführung erfolgen kann. Sie wissen ja, daß das Ganze durch eine Familientrennung zustande kam: Die Mutter war von ihrem Kind getrennt; wir hätten sie im Zuge unserer Bemühungen zusammengebracht.
    Dann hat diese Frau bei dem Anwalt erklärt, sie wolle keine Rechtsmittel dagegen einlegen. Sie wollte einige Monate auf Reisen gehen. Das war 1972; sie meldete sich erst drei Jahre später, im Jahre 1975, wieder, als durch die „Spiegel"-Veröffentlichung das Thema wieder aktualisiert wurde.
    Bis dahin galt folgendes. Bei der Begegnung vor unserem Anwalt hat diese Frau erklärt: Mein Mann und ich, wir haben uns schon lange damit abgefunden, daß daran nichts mehr zu ändern sein wird. — Sie hat die Gelegenheit nicht genutzt. Herr Kollege Jäger, ich bin bereit, im Ausschuß die Dokumente vorzulegen und den Fall im einzelnen zu behandeln.
    Nur muß ich hierzu sagen: Einen solchen Fall zu benutzen, um zu sagen, daß die andere Seite unmögliche Dinge macht, können Sie in Verbindung damit doch wohl schlecht aufrechterhalten.