Rede von
Bruno
Friedrich
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich darf Sie darauf aufmerksam machen — ich weiß nicht, ob Sie da waren, als Herr Abelein gesprochen hat —, daß er von Berlin gesprochen hat, nicht von Berlin .
— Herr Abelein, Sie wissen ganz genau, daß die Zweideutigkeiten, mit denen Sie hier auftreten, immer zu Lasten der Berliner gehen.
Soweit es um den Regierenden Bürgermeister geht, bin ich dankbar für Ihre Frage, weil ich der Meinung bin: Bei den engen Bindungen zu Berlin und bei unserem Willen, Berlin zu unterstützen, ist es gut, hier zu bekräftigen, was heute nachmittag der Regierende Bürgermeister gesagt hat. Das ist auch eine Antwort. Ich stimme mit ihm völlig überein, wie auch die Sozialdemokratische Partei alles tun wird, ihm sein schweres Amt tragen zu helfen.
Er nannte folgende Schwerpunkte der Regierungsarbeit: Stärkung der wirtschaftlichen Leistungskraft West-Berlins, wobei der Vorrang bei der Sicherung bestehender und der Schaffung neuer Arbeitsplätze liegen soll.
Zweitens soll eine bewußte Hinwendung zur Stadtpolitik erfolgen.
Wer die Situation kennt, weiß, was es für Berlin bedeutet, in diesen Altbauvierteln Wandlung herbeizuführen.
Drittens will der Senat an den Stolz der Berliner appellieren, ihren Sinn für die Urbanität der Stadt zu schärfen. Das heißt, Berlin muß unter den gegenwärtigen Bedingungen seine Zukunftsvision entwikkeln.
Jetzt die Antwort auf die gestellte Frage: Der Senat will sich für die Behauptung der geschichtlichen Position Berlins einsetzen, wobei er sich ohne Wenn und Aber für die Politik der Verständigung und des partiellen Interessenausgleichs zwischen beiden deutschen Staaten ausspricht. Gerade dies ist die Politik der sozialliberalen Koalition.
Eines, was heute in dieser Debatte deutlich geworden ist, ist sehr bedrückend. Der Herr Kollege Gradl, der nachher noch das Wort ergreifen soll, wird sich noch an die Kritik bei der Jahrestagung des Kuratoriums Unteilbares Deutschland erinnern können. Es ging um die Frage: Werden die Deutschen mit ihrer Geschichte fertig? Inwieweit sind wir fähig, deutsch-deutsche Politik aus der Verantwortung dieses Landes für Europa zu begreifen?
Sicher, wir haben keinen Anlaß, uns unserer Leistungen zu schämen, vor allem der der letzten 30 Jahre. Aber wir wollen nicht ganz deutsche Geschichte vergessen.
Denn mit der Werdung der deutschen Nation 1871 war verbunden, daß dieses Deutschland nicht fähig war, im Zustand einer neuen Nation Europa im Gleichgewicht zu halten. Daraus resultierte die Entwicklung 1914 und 1939.
Man muß sich hier einmal die Unfähigkeit der konservativen Politik vor Augen halten. Ich glaube, da liegt die Schwierigkeit der Diskussionen im Bundestag seit 1949. Man muß hierbei z. B. auch an die Überlegungen von 1916 denken. — Kollege Mertes, mir ist das durchaus nicht zum Lachen. Ich habe in der Vorbereitung auf diese Debatte nachgelesen,
was die Männer des 20. Juli noch 1941 wollten. Damals waren sie z. B. der Auffassung, daß der Anschluß bestätigt werden müsse, waren sie der Auffassung, daß die Grenzen von vor 1914 wiederhergestellt werden müßten. Anderthalb Jahre vor Kriegsende hat man das dann reduziert. Man war immer noch der Meinung, es müsse die Ostgrenze von 1914 wiederhergestellt werden, und Südtirol müsse zu Deutschland gehören. Das war noch 1943. Ich will nur sagen: Dies war vier Jahre vor der Formulierung des Grundgesetzes, während wir heute bereits im 28. Jahr nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes leben. Dies muß man sich einmal vor Augen halten.
Daher möchte ich die Frage aufwerfen, inwieweit wir uns in der Unfähigkeit, hier zu Rande zu kommen, mit zwei Erbübeln der Deutschen, so will ich es einmal ganz offen sagen, herumschlagen müssen, nämlich mit dem Realitätsdefizit und der Maßlosigkeit.
Dies war die Ursache dafür, daß Deutschland in Europa nicht seine eigene Rolle finden konnte.