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ID0802904300

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/29 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 29. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1977 Inhalt: Verzicht des Abg. Dr. Glotz und des Abg Sund auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 2035 A Eintritt des Abg. Lambinus und des Abg Eickmeyer in den Deutschen Bundestag . 2035 A Erweiterung der Tagesordnung . . . . 2035 B Wahl des Abg. Glombig als Stellvertreter im Vermittlungsausschuß . . . . . . . 2035 B Wahl des Abg. Lemp als Vertreter im Europäischen Parlament . . . . . . . . . 2035 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Beschluß und Akt des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 20. September 1976 zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten der Versammlung — Drucksache 8/360 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (Europawahlgesetz) — Drucksache 8/361 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (Europaabgeordnetengesetz) — Drucksache 8/362 — Genscher, Bundesminister AA 2035 D Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU 2037 B Dr. Schäfer (Tübingen) SPD 2040 C Dr. Bangemann FDP 2042 C Dr. Dr. h. c. Maihofer, Bundesminister BMI 2046 C Seefeld SPD 2048 B Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU Deutschlandpolitik — Drucksachen 8/118, 8/255 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes — Drucksache 8/238 — Dr. Abelein CDU/CSU . . . . . . . . 2050 D Dr. Kreutzmann SPD . . . . . . . 2056 A Hoppe FDP 2061 B Franke, Bundesminister BMB . 2067 D, 2116 A II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1977 Dr. Zimmermann CDU/CSU . . . . 2078 D Dr. Schmude SPD 2083 B, 2121 B Jung FDP . . . . . . . 2087 B, 2131 C Baron von Wrangel CDU/CSU . . . . 2090 D Schulze (Berlin) SPD 2093 A Jäger (Wangen) CDU/CSU 2095 D Büchler (Hof) SPD 2099 C Graf Huyn CDU/CSU 2103 A Friedrich (Würzburg) SPD . . 2106 A, 2124 B Dr. Gradl CDU/CSU . . . . . . . . 2111 A Kunz (Berlin) CDU/CSU 2118 B Dr. Kohl CDU/CSU . 2123 C, 2124 A, 2128 A Wehner SPD 2123 D Straßmeir CDU/CSU . . . . . . . . 2124 C Dr. Ehmke SPD 2126 B Böhm (Melsungen) CDU/CSU 2129 A Schmöle CDU/CSU 2131 D Voigt (Frankfurt) SPD . . . . . . 2133 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über steuerliche Vergünstigungen bei der Herstellung oder Anschaffung bestimmter Wohngebäude — Drucksache 8/286 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/471 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses --- Drucksachen 8/453, 8/463 — Gobrecht SPD . . . . . . . 2136 A, 2139 A Dr. Voss CDU/CSU . . . . . . . . . 2137 A Frau Matthäus-Maier FDP . . . . . . 2140 C Köster CDU/CSU 2143 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes — Drucksache 8/370 — de Terra CDU/CSU . . . . . . . . 2145 D Horn SPD 2146 B Ludewig FDP 2146 D Fragestunde — Drucksache 8/458 vom 20. 05. 1977 — Umsiedlung der weißen Bevölkerung aus Südwestafrika im Falle der Machtübernahme der schwarzen Mehrheit nach Südamerika MdlAnfr A109 20.05.77 Drs 08/458 Niegel CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA 2072 A, B, C ZusFr Niegel CDU/CSU 2072 B Einheitliches Konzept der EG für die am 23. Mai beginnende 6. UN-Seerechtskonferenz sowie Sicherstellung der Fanggründe vor den Küsten Kanadas, Norwegens, der USA und Islands für die deutsche Fischerei nach Errichtung der 200-Seemeilen-Wirtschaftszone MdlAnfr A118 20.05.77 Drs 08/458 Dr. Müller-Hermann CDU/CSU MdlAnfr A119 20.05.e Drs 08/458 Dr. Müller-Hermann CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 2072 C, D, 2073 A, C ZusFr Dr. Müller-Hermann CDU/CSU . . 2072 D, 2073 B Benachteiligung deutscher Futtermittelhersteller beim Einkauf von Magermilchpulver bei EG-Ausschreibungen durch unterschiedliche Währungsberechnungen; Verwendung von Magermilchpulver zur Kälberfütterung über einen Beimischungszwang sowie Verbilligung des Magermilchpulvers für diesen Zweck MdlAnfr A63 20.05.77 Drs 08/458 Peters (Poppenbüll) FDP MdlAnfr A64 20.05.77 Drs 08/458 Peters (Poppenbüll) FDP Antw PStSekr Gallus BML 2073 D, 2074 A, C, D ZusFr Peters (Poppenbüll) FDP . . . 2074 A, B, C ZusFr Kiechle CDU/CSU . . . . . . . 2074 D Staatliche Verbilligung von Trinkmilch für Kindergärten und Schulen MdlAnfr A65 20.05.77 Drs 08/458 Frau Geier CDU/CSU Antw PStSekr Gallus BML . . 2075 A, B, C, D, 2076 A ZusFr Frau Geier CDU/CSU 2075 B ZusFr Kiechle CDU/CSU 2075 B ZusFr Susset CDU/CSU 2075 C ZusFr Würtz SPD 2075 C ZusFr Dr. von Geldern CDU/CSU . . . 2075 D ZusFr Stahl (Kempen) SPD 2075 D Deklarationsform für Gemengeteile bei Mischfuttermitteln MdlAnfr A66 20.05.77 Drs 08/458 Dr. von Geldern CDU/CSU Antw PStSekr Gallus BML 2076 A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1977 III Ermittlung der genauen Zahl der neugeschaffenen Ausbildungsplätze zur Kontrolle über die Angaben des Kuratoriums der Deutschen Wirtschaft für Berufsausbildung MdlAnfr A43 20.05.77 Drs 08/458 Heyenn SPD MdlAnfr A44 20.05.77 Drs 08/458 Heyenn SPD Antw PStSekr Engholm BMB . . . . . 2076 C, 2077 A, B, C, D, 2078 A ZusFr Heyenn SPD . . . 2076 D, 2077 A, B, C ZusFr Milz CDU/CSU 2077 D ZusFr Stahl (Kempen) SPD 2078 A Ausnutzung der Ausbildungskapazitäten bei Bundesbahn und Bundespost MdlAnfr A102 20.05.77 Drs 08/458 Walther SPD Antw PStSekr Engholm BMB . . . . 2078 B Nächste Sitzung 2147 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 2149* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1977 2035 29. Sitzung Bonn, den 26. Mai 1977 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 27. 5. Dr. Ahrens " 27. 5. Alber * 27. 5. Dr. Bangemann 27. 5. Dr. Bayerl * 27. 5. Dr. Becher (Pullach) 27. 5. Blumenfeld* 27. 5. Buchstaller *** 27. 5. Dr. Corterier *** 27. 5. Damm *** 27. 5. Fellermaier * 27. 5. Flämig *** 27. 5. Francke (Hamburg) 26. 5. Dr. Fuchs * 27. 5. Dr. Geßner *** 27. 5. Grüner 26. 5. Haase (Fürth) * 27. 5. von Hassel 27. 5. Dr. Hupka *** 27. 5. Dr. Jaeger *** 27. 5. Dr. Jahn (Braunschweig) * 27. 5. Katzer 27. 5. Dr. h. c. Kiesinger 26. 5. Dr. Klepsch*** 27. 5. Kunz (Berlin) *** 27. 5. Dr. Graf Lambsdorff 26. 5. Lange *** 27. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lenzer ** 27. 5. Lücker * 27. 5. Dr. Marx *** 27. 5. Mattick *** 27. 5. Möhring *** 27. 5. Möllemann *** 27. 5. Dr. Müller ** 27. 5. Dr. Narjes 27. 5. Neuhaus 27. 5. Neumann * 27. 5. Ollesch *** 27. 5. Pawelczyk *** 27. 5. Petersen 27. 5. Picard 27. 5. Dr. Reimers 27. 5. Schmidt (München) * 27. 5. Schmidt (Würgendorf) ** 27. 5. Dr. Schöfberger 27. 5. Schreiber * 27. 5. Schwabe * 27. 5. Dr. Schwarz-Schilling 27. 5. Dr. Schwencke (Nienburg)** 27. 5. Dr. Schwörer * 26. 5. Frau Schuchardt 27. 5. Sieglerschmidt * 27. 5. Dr. Starke (Franken) * 26. 5. Dr. Staudt 27. 5. Frau Steinhauer 27. 5. Frau Tübler 27. 5. Voigt (Frankfurt) *** 27. 5. Dr. Waigel 27. 5. Dr. Wallmann 26. 5. Frau Dr. Walz * 27. 5. Dr. Wendig 27. 5. Frau Will-Feld 27. 5. Dr. Wörner 26. 5. Dr. Zeitel 26. 5. Zeyer * 26. 5.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans-Günter Hoppe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Das ist sie nach unserer Rechtsauffassung auch. Wenn Sie mir noch etwas zuhören und mir noch etwas Zeit für meine Ausführungen gestatten, werden Sie sehen, daß ich auf diesen Punkt noch ausführlich zurückkommen werde, Herr Kollege Mertes.
    Für die öffentlichen Auseinandersetzungen über den Status von Berlin, auf die Sie abheben, hat die sowjetische Seite immer wieder neuen Anlaß gefunden. Da die Westmächte den verbalen Angriffen aber auf der Grundlage einer gesicherten Rechtsauffassung, verehrter Herr Kollege Mertes, stets konsequent begegneten, wich die Sowjetunion nun



    Hoppe
    auf ein anderes Betätigungsfeld aus und ließ in Ost-Berlin Fakten schaffen. Die Beseitigung des Verordnungsblattes für Ost-Berlin, der Verzicht auf die Kontrollpunkte zwischen dem Ostsektor und der DDR und die Einführung der Straßenbenutzungsgebühr, die es für westliche Besucher bisher nur auf den Straßen der DDR gegeben hatte und die es jetzt auch in Ost-Berlin geben sollte — all dies sollte demonstrieren, daß Ost-Berlin ein integraler Bestandteil der DDR sei und nicht unter Viermächteverantwortung stehe. Die Westmächte hatten bereits im Januar festgestellt, daß weder Handlungen noch Erklärungen die Rechte und Verantwortlichkeiten der Vier Mächte und damit den Status von GroßBerlin verändern könnten. Aber gleichwohl schienen die Sowjets und die DDR willens, die Demontage am Berlin-Status fortzusetzen. Diese Penetranz war ursächlich für die Londoner Erklärung der Vereinigten Staaten, Großbritanniens, Frankreichs und der Bundesrepublik. Sie hat die Diskussion mit wünschenswerter Klarheit auf den Inhalt des Viermächteabkommens zurückgeführt. Die deutliche Sprache war angesichts der einseitigen Basteleien am Status der Stadt unvermeidlich geworden. Die heftige Reaktion der Sowjetunion zeugte offenbar vom schlechten Gewissen eines Ertappten.
    Meine Damen und Herren, so wenig der Rechtsstatus Berlins einseitig verändert werden kann, so wenig erfolgversprechend ist auch der Versuch, den Inhalt des Abkommens selbst im Sinne sowjetischer Machtpolitik einschränkend zu interpretieren. Eine Weltmacht kann das zwar versuchen. Sie kann die Anwendung des Abkommens dadurch sehr einschränken, aber sie schafft damit kein Vertrauen, sondern erzeugt nur Unsicherheit und wird als Partner unglaubwürdig. Erst wenn die strikte Einhaltung und volle Anwendung der getroffenen Vereinbarungen zum bestimmenden Inhalt der praktischen Politik gehören, kann der unmittelbare Nutzen der Übereinkunft in Berlin und für die Beziehung zwischen Ost und West voll wirksam werden. Die Entwicklung in Berlin und der Fortgang der Entspannungspolitik stehen nun einmal in einer untrennbaren Wechselbeziehung. Die Freien Demokraten begrüßen deshalb die Bekundung sowjetischer Politiker, daß Berlin von Spannungen freigehalten werden soll. Wir würden große Befriedigung empfinden, wenn sich auch Ost-Berlin von dieser Auffassung leiten ließe. Schön wäre es, wenn auch die Zitierkunststücke endlich der Vergangenheit angehören würden; denn in dem entscheidenden Punkt des Abkommens ist nun einmal festgelegt, daß die Bindungen zwischen den Westsektoren Berlins und der Bundesrepublik Deutschland aufrechterhalten und entwickelt werden und daß dabei wie bisher darauf zu achten sei, daß Berlin kein Bestandteil der Bundesrepublik Deutschland ist und nicht von ihr regiert werden darf. Dieses Kernstück des Abkommens läßt sich nun einmal nicht beliebig aufspalten. Wer es dennoch tut und sich nur heraussucht, was ihm paßt, verfälscht den Inhalt und muß sich der Manipulation zeihen lassen.
    Zu den wichtigsten Bindungen Berlins an die Bundesrepublik gehört die Befugnis des Bundes, Berlin nach außen zu vertreten. Verehrter Herr Kollege
    Mertes, damit bin ich bei Ihrem Thema; ich nehme Bezug auf Ihre Zwischenfrage.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Sie haben die Frage nicht beantwortet!)

    Das Recht beruht auf den Erklärungen der dafür allein zuständigen drei Westalliierten und ist im Viermächteabkommen noch einmal bestätigt worden. Auch die sowjetische Regierung hat dies in dem Viermächteabkommen über Berlin, soweit nicht Sicherheits- und Statusfragen betroffen sind, ausdrücklich zugestanden und erklärt, daß sie dagegen nichts mehr einwenden werde. Die Umsetzung dieser Regelung in die Praxis scheint der sowjetischen Regierung allerdings immer noch schwerzufallen. Es wäre aber für die beiderseitigen Beziehungen äußerst vorteilhaft und nutzbringend, wenn diese Frage nach dem Besuch Breschnews in Bonn vom Tisch wäre und nicht länger versucht würde, die außenpolitischen Elemente der Bindungen zwischen Berlin (West) und der Bundesrepublik Deutschland dadurch zu schmälern, daß mit einem ungerechtfertigt ausgeweiteten Statusvorbehalt die Einbeziehung Berlins in bilaterale Verträge verweigert wird.
    Jedenfalls spricht nach meiner Einschätzung jetzt einiges dafür, daß sich an diese Auseinandersetzung wieder ein Abschnitt der sachlichen Zusammenarbeit anschließen wird. Die Weltmächte haben nach anfänglichen Kontaktschwierigkeiten jetzt deutlich gemacht, daß sie gewillt sind, die Signale für die internationale Entspannungspolitik wieder auf Grün zu stellen. Diese Klimaveränderung wird auch die Atmosphäre um Berlin günstig beeinflussen. Berlin selbst ist auf die neue Phase der Politik gut vorbereitet. Durch die Umbildung des Senats hat es beste Voraussetzungen dafür geschaffen, daß es sich konstruktiv in den Dialog einschalten kann.

    (Lachen bei der CDU/CSU — Dr. Gölter [CDU/CSU] : Das war eine feine Form von Ironie! — Zuruf von der CDU/CSU: Guck dir mal den Wehner an! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Wichtig dabei ist, daß dies überall von einer nüchternen Einschätzung der Lage in der geteilten Stadt begleitet wird.
    Meine Damen und Herren, Berlin ist auch nach dem Viermächteabkommen mit den daraus resultierenden unbestreitbaren Verbesserungen und spürbaren Erleichterungen eben doch kein normaler Platz. Wer dennoch die Normalität beschworen hat und Berlin zu einer Großstadt wie viele andere erklären wollte, darf sich dann auch nicht wundern, wenn es ausgerechnet dort zu ganz normalen und für diese Stadt leider nur schwer zu ertragenden Unternehmensentscheidungen gekommen ist.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Herr Kollege Hoppe, sehr richtig! -Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

    Gerade in den letzten Wochen ist deutlich geworden, daß es immer noch erforderlich ist, Vorbehalte gegen den Industriestandort Berlin abzubauen. Es muß auch künftig für jeden deutlich sein, daß man auf Berlin und die Entwicklung seiner Wirtschaft



    Hoppe
    vertrauen kann. Es ist deshalb erfreulich, daß bei allen Parteien des Deutschen Bundestages die Bereitschaft vorhanden ist, das bestehende Förderungsinstrumentarium angesichts der aktuellen Probleme in dieser Stadt um gezielte Maßnahmen zu ergänzen.
    Meine Damen und Herren, der Verlust an Arbeitsplätzen, insbesondere der dramatische Rückgang im industriellen Bereich, verlangt ein wirksames Gegenkonzept. Der Senat von Berlin hat seine Vorstellungen in einem Vierzehn-Punkte-Programm zusammengefaßt. Der Bundestag hat in einigen Fällen bereits darauf in erfreulicher Geschlossenheit reagiert und wird dies gewiß auch weiterhin tun. Der Senat von Berlin hat damit den Rückhalt für jene Entscheidungen, die nach übereinstimmender Auffassung von Politik und Wirtschaft an diesem Platz getroffen werden müssen.
    Die internationalen Rahmenbedingungen, die sich günstig auf die Berlin-Politik auswirken dürften, sollten auch das deutsch-deutsche Verhältnis aus seiner Verkrampfung lösen. Der Schlagabtausch zwischen dem Bundeskanzler und dem SED-Chef mag dann auch mehr befremdend als dirigierend wirken. Er kann aber gleichzeitig auch befreiend gewesen sein. Betrachten wir diese Episode als den Schlußpunkt eines Zwischenspiels, das nicht ohne Härte und Verbissenheit ablief. Die klare Zielansprache des Bundeskanzlers war ein sehr deutscher Beitrag zur Menschenrechtsdiskussion. Im direkten Umgang miteinander ist so etwas manchmal unvermeidlich und muß dann auch ertragen werden können. Wenn sich der SED-Chef allerdings in seiner Replik zu der Gleichung versteigt, die Mauer bedeute Sicherheit und Frieden, dann ist dies sehr entlarvend und bedrükkend zugleich. Der Friedensbegriff wird jedenfalls für mein Verständnis damit in unerträglicher Weise pervertiert. Dabei kann und will ich mit einem Kommunisten nicht einmal darüber streiten, daß für ihn die Freiheit offensichtlich nicht zu den höchsten Gütern der Menschen zählt. Tatsächlich ist es ja nun einmal so, daß in den kommunistischen Staaten die Pflicht zur genauen Befolgung der Parteidirektiven an die Stelle der persönlichen Freiheit getreten ist. Dem Zynismus Honeckers ist dann auch mit der Feststellung Carters zu begegnen, wonach die Mauer nichts anderes als eine sehr erregende Antwort auf den Freiheitshunger der Menschen in Ostdeutschland ist.
    Aber, meine Damen und Herren, bei den nun einmal bestehenden unauflösbaren Gegensätzen zwischen der kommunistischen Doktrin und der freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnung wird diese, Trennungslinie auch künftig bestehenbleiben. Unseren Freiheitsbegriff können die Kommunisten nur um den Preis der Selbstaufgabe übernehmen. Wir wissen, daß dies nicht zu erwarten und nicht zu erreichen ist, und wir sollten uns deshalb in unserer praktischen Politik auch darauf einstellen. Die deutschen Probleme werden wir weiterhin beim Namen nennen. Aber wir werden sie nur durch direkte Verhandlungen einer Lösung zuführen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Auf internationaler Ebene und internationalen Konferenzen haben wir uns zu bemühen, daß die
    nationale Interessenlage soweit wie möglich Eingang in das Gemeinschaftskonzept unserer Partner in der Europäischen Gemeinschaft und im Bündnis findet. Wir würden unsere Partner allerdings überfordern, wenn wir ihnen unsere nationalen Probleme als zentrales Thema aufzwingen wollten.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Das zwischen den beiden deutschen Staaten bestehende Sonderverhältnis verlangt nun einmal den direkten Weg, wenn wir zum Beispiel bei Familienzusammenführungen und Reiseerleichterungen weiterkommen wollen. Auch dabei werden und können wir es nicht anderen überlassen, die Grundsätze und Prinzipien der Menschenrechte Schritt für Schritt durchzusetzen. Das geschärfte internationale Gewissen wird uns diese Aufgabe im deutschen Zwiegespräch allerdings sehr erleichtern. Weder dort noch an anderer Stelle werden wir uns das Recht der freien Meinungsäußerung bestreiten lassen. Ich wiederhole deshalb hier noch einmal, daß wir uns derartige Belehrungen vor allem von solchen Regierungen verbitten, die sich selbst mit dem Vorwurf der Menschenrechtsverletzungen konfrontiert sehen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Zu schnellen und spektakulären Erfolgen werden wir bei diesen Bemühungen nicht gelangen. Die kommunistischen Regierungen haben sowieso schon Mühe, sich auf jene Verhaltensänderungen einzustellen, die mit den aufgeflammten Bürgerrechtsbewegungen nur sehr unzulänglich gekennzeichnet sind. Nach Helsinki tritt den kommunistischen Regierungen der selbstbewußte Bürger mit dem Anspruch auf Rechtsgewährung entgegen. In der DDR bedeutet dies das konkretisierte Verlangen nach Freizügigkeit. Wir werden die Kommunisten nicht aus diesem Dilemma entlassen. Sie haben nun einmal die Verwirklichung der Prinzipien der friedlichen Koexistenz versprochen und ihre Absicht, zu einer weltoffenen Politik auf dem Gebiet der Information, der Bildung, der Kultur und des Reiseverkehrs zu kommen, lauthals verkündet. An diesen Absichtserklärungen müssen sie sich messen lassen. Mit dem Widerspruch von Theorie und Praxis werden sich die Bewohner der DDR und anderer kommunistischer Staaten nicht zufriedengeben, und auch wir können uns damit nicht abspeisen lassen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Der stellvertretende DDR-Außenminister Nier hat es in einem Aufsatz über den gegenwärtigen Stand der Beziehungen zwischen dem Sozialismus und dem Imperialismus auch nicht vermocht, wie mir scheint, diesen Widerspruch aufzulösen. Einerseits wird bei den doch sehr theoretischen Konstruktionen für den deutsch-deutschen Hausgebrauch zunächst die feste Gemeinschaft der Staaten des Sozialismus beschworen, dann gerühmt, daß die Wende vom kalten Krieg zur Entspannung den Bemühungen der sozialistischen Gemeinschaft zu verdanken sei, und schließlich werden die Prinzipien von Helsinki als Ausdruck des humanistischen Wesens des Kommunismus hingestellt. Im selben Atemzug verwahrt er sich dann gegen alle imperialistischen Versuche, unter dem Deckmantel der Informationsfreiheit, der



    Hoppe
    menschlichen Kontakte und Freizügigkeit das sozialistische Gesellschaftssystem zu diskreditieren und sich in die inneren Angelegenheiten der sozialistischen Staaten einzumischen.
    Meine Damen und Herren, der Mann meint, was er sagt. Auch wenn das für unsere Begriffe sehr konfus wirkt und uns mehr mitleidiges Lächeln als Widerspruch zu entlocken vermag, so ist dies doch die Position der kommunistischen Welt. Läßt das dogmatische Konzept den Ideologen des Ostblocks schon wenig Spielraum, so wird dadurch die Angst weiter eingeengt, die selbstbewußt gewordenen Bürger könnten jetzt den totalen Herrschaftsanspruch in Frage stellen. Dies zu erkennen und sich in dem eigenen Verhalten darauf einzustellen, heißt nun nicht, Nachsicht mit Kommunisten zu üben oder sie gar zu schonen;

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    aber in Kenntnis der systemimmanenten Reaktion kommunistischer Machthaber gebietet es das Interesse der in ihrem Machtbereich lebenden Menschen, sie vor solchen Reaktionen zu schützen. Ich wäre dankbar, wenn Sie nun immer noch „sehr richtig" sagen würden;

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    denn die Herrschenden dort werden sich ihre Probleme immer wieder in der ihnen eigenen Art vom Halse schaffen. Dieser Preis ist uns um der Menschen willen zu hoch.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ringen um Menschenrechte: ja! Diskussionen über ihre Verletzung: ja! Aber Ziel und Methode müssen bestimmt bleiben vom Interesse derer, für die wir mehr Menschenrechte erstreiten wollen. Denen hilft es wenig, daß wir ihren Regierungen die Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen ständig in aller Öffentlichkeit um die Ohren schlagen. Leisere Töne können hier größere Wirkung haben.
    Auch der Präsident der Vereinigten Staaten, Carter, dessen Engagement so viele lauttönende Epigonen hervorbrachte, hat die Notwendigkeit dieses Prinzips, das ich soeben zu beschreiben versucht habe, wiederholt bekräftigt, u. a. auch in dem Interview, das „Die Welt" am 3. Mai 1977 veröffentlichte. Dort unterstreicht Carter seine ausdauernde Haltung in der Menschenrechtsfrage und hebt zugleich hervor, sie müsse auf sehr feinfühlige Weise vertreten werden. Ich rate uns sehr, auch diese Anwendung in der politischen Praxis nicht außer acht zu lassen.
    Die zurückliegende etwas sterile Zeit der Deutschlandpolitik wurde allenfalls durch die umstrittenen Interviews der Herren Gaus und Honecker belebt. Beide haben wahrscheinlich mehr zur Schärfung des Problembewußtseins beigesteuert, als daß sie für den Fortgang der Verhandlungen und die Verbesserung der gegenseitigen Beziehungen etwas Handfestes auf den Tisch gebracht hätten.

    (Hört! Hört! bei der CDU — Graf Stauffenberg [CDU/CSU] : Das ist noch sehr milde ausgedrückt!)

    Genährt wurde allerdings der Verdacht, daß von der DDR eine Revision der Geschäftsgrundlage der Vertragspolitik angestrebt wird. Bei Abschluß des Grundlagenvertrages waren beide Seiten übereingekommen, die wegen unvereinbarer Rechtsstandpunkte nicht zu lösenden Probleme offenzulassen. Das sind die Fragen der Staatsangehörigkeit und der Einheit der Nation. Honecker hat besonders auf die Staatsangehörigkeit abgehoben und erklärt, solange die Bundesrepublik Deutschland die Staatsangehörigkeit der DDR nicht anerkenne, könne von einer generellen Reisefreiheit ins westliche Ausland überhaupt nicht die Rede sein. Da er aber im übrigen das Interesse und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit hervorhob und auch später immer wieder betonte, hat das Verlangen nach Anerkennung der eigenen Staatsbürgerschaft doch wohl primär eine sehr starke innenpolitische Entlastungsfunktion. Honecker brauchte einen Grund dafür, daß er die angekündigten Erleichterungen der Reisebedingungen nun eben doch nicht gewähren kann.
    Dagegen ist eine Regelung der Staatsangehörigkeit im Sinne der DDR nicht Voraussetzung für Sachverhandlungen. Das wäre gewiß auch ein sehr probates Mittel gewesen, den Anlauf neuer Verhandlungen schon im Vorfeld zu blockieren. Insoweit scheint sich der von Honecker beschworene Realismus nun auch tatsächlich einzustellen. Er ist auch unverzichtbar, wenn die Vertragspartner im Interesse der Normalisierung ihrer Beziehungen zu weiteren Ergebnissen gelangen wollen.
    In der Annahme, daß es auch in den deutschdeutschen Beziehungen wieder vorangehen kann, wird man nicht zuletzt dadurch bestärkt, daß der Streit um Grundsatzpositionen nach dem Austausch schriftlicher Stellungnahmen als beendet angesehen werden kann. Wie mit der Londoner Erklärung an die Adresse der Sowjetunion, so war auch mit dem Aide-mémoire der Bundesregierung vom 18. Februar 1977 gegenüber der DDR-Regierung das Notwendige gesagt. Rechtspositionen sind wieder gerade-gerückt. Dort, wo Einvernehmen nicht zu erzielen war, ist klargestellt, daß es auch weiterhin dabei bleibt, daß jeder seine Rechtsposition wahrt und die offengehaltenen Entscheidungen auch weiter offen bleiben. Weder der einen noch der anderen Seite ist es gestattet, diese Situation zu ihrem Vorteil verändern zu wollen. Damit scheint die Ausgangsposition erreicht, von der aus eine neue Verhandlungsrunde erfolgversprechend eröffnet werden kann.
    Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der CDU/CSU zur Deutschlandpolitik und die vom Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen herausgegebene und der Öffentlichkeit vorgestellte Dokumentation über die Entwicklung der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten in der Zeit von 1969 bis 1976 machen noch einmal sichtbar, was schon erreicht wurde, was unbefriedigend ist und was es noch zu tun gibt.
    Welchen Anteil nimmt nun aber die Bevölkerung an diesem Stück unserer Politik? Was bedeutet Deutschlandpolitik eigentlich noch für die Deutschen? In der Januar-Beilage der Wochenzeitung



    Hoppe
    „Das Parlament" wird ein Ausschnitt aus der Fernsehsendung „Heiteres Beruferaten" abgehandelt, und zwar eine Szene, die im September 1976 über den Bildschirm flimmerte. In dem Artikel sieht der Autor danach den Staat zwischen Elbe und Oder dem Bewußtsein der meisten Deutschen entrückt. Er spricht vom „Verblassen der gesamtdeutschen politischen Tradition im westdeutschen Meinungsbild" und glaubt, daß „die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland auf dem Wege sei, die deutsche Frage als solche zu liquidieren".
    Was war geschehen? Robert Lembke hatte seinem Publikum als prominenten Rategast den Opernsänger der Ost-Berliner Staatsoper Theo Adam präsentiert. Mit eingespielter Routine lief dann das Fragespiel. „Kommen Sie aus einem deutschsprachigen Land?" — „Ja." „Kommen Sie aus der Bundesrepublik?" — „Nein." „Aus Osterreich?" — „Nein." „Sie kommen also aus der Schweiz?" — „Nein." „Vielleicht rechnen Sie im weiteren Sinne Holland zum deutschsprachigen Gebiet?" — „Nein". Erst dann der rettende Einfall: „Dann kommen Sie aus Ostdeutschland."
    Meine Damen und Herren, ist es nun tatsächlich so, daß die Frage nach der nationalen Identität aus dem Bewußtsein der Öffentlichkeit verdrängt ist, wie man aus diesem Vorgang ableiten wollte,

    (Zuruf des Abg. Straßmeir [CDU/CSU])

    und empfindet die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung tatsächlich nur noch die Bundesrepublik Deutschland als nationales Bezugssystem? Ich glaube das ganz und gar nicht.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU — Abg. Straßmeir [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Herr Straßmeir, hören Sie noch einen Augenblick zu, dann brauchen Sie nicht mehr zu fragen. Sie brauchen sich auch nicht mit Magendrücken zu beschäftigen. Ich glaube nämlich, daß diese Schlußfolgerung und diese Sorge sehr voreilig und absolut falsch sind.
    Dieser Vorgang sagt nämlich überhaupt nichts über Nationalbewußtsein und über den Begriff Deutschland oder deutsche Nation aus. Er spiegelt lediglich den Erfahrungswert wider, der sich im Verlauf von über fünfzehn Jahren, nämlich nach dem Mauerbau, hier bei uns gebildet hat.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Nachdem die DDR ihre Bürger zunächst eingesperrt, dann Reisemöglichkeiten nur in die Ostblockländer eröffnet hat und, abgesehen von Rentnern, im Grundsatz auch heute in den freien Westen nur auf Bezugsschein reisen läßt, hat der Rategast aus der DDR eben Seltenheitswert. Verständlich also, daß er sehr schwer Eingang in die Vorstellungswelt des Rateteams findet. Rudi Carell ist eben auf bundesdeutschen Bildschirmen häufiger zu sehen als Theo Adam von der Ost-Berliner Staatsoper.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Leider!)

    Ich will damit keinesfalls bestreiten, daß es notwendig sein könnte, sich gleichwohl stärker als bisher mit der deutschen Geschichte und der deutschen Gegenwart zu befassen. Es wird eine Aufgabe der Kultusministerkonferenz bleiben, dafür Sorge zu tragen, daß sich unsere Schulen dieser Verpflichtung stellen. Aber davon abgesehen bin ich eigentlich sicher, daß die menschlichen Bindungen und der Wille zur Bewahrung der nationalen Einheit in beiden deutschen Staaten lebendig sind.
    Dies beschränkt sich nicht auf die ältere Generation, die vor 1945 noch in einem einheitlichen Staatsverband zusammengelebt hat. Es sind gerade die jüngeren Menschen, die den Praktiken des Kommunismus den Rücken kehren wollen und die es dem kommunistischen Staat eben gerade deshalb so schwer machen. Gerade weil sich die junge Generation trotz eines Theorieüberangebots in Marxismus-Leninismus nicht mit dem kommunistischen System identifiziert, hat die DDR-Führung noch immer über ein mangelndes Staatsbewußtsein zu klagen.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    Und weil das Staatsbewußtsein, von dem die Polen, die Ungarn und die Tschechen reden können, in der DDR noch immer fehlt, kann sie die Reisebeschränkungen eben nicht aufheben. Ihre Führung glaubt also selbst nicht daran, daß die Jugend die Errungenschaften des Sozialismus höher schätzt als das Leben in einer freien Gesellschaft.

    (Schmöle [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

    Meine Damen und Herren, die ältere Generation mag resignieren oder sich anpassen; die Jugend ist auch in der DDR hierzu nicht bereit.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Mein Fazit nun: Wir sollten aufhören, das Erreichte geringzuschätzen. Allen Schwierigkeiten zum Trotz ist in der Deutschlandpolitik ganz Erhebliches geleistet worden. 8 Millionen Besuche jährlich haben ihr Eigengewicht und haben im Leben der DDR-Bürger inzwischen einen festen Platz gefunden. Das ist kein Zufallsprodukt, sondern das Resultat zäher Verhandlungen. Wir sollten alle Kräfte darauf konzentrieren, das bisherige Ergebnis der innerdeutschen Verhandlungen zu bewahren und Fortschritte im innerdeutschen Verhältnis zu erzielen.
    Dazu gehört allerdings auch, daß sich die DDR ebenso zu dem bekennt, was vereinbart wurde. Nur bei Ausbalancierung beiderseitiger Wünsche und Vorstellungen wird es gelingen, einen konstruktiven Dialog zu führen und sinnvolle Vereinbarungen zustande zu bringen.
    Die Prinzipien von Helsinki haben die Entspannungspolitik für weite Teile der Bevölkerung mit konkretem Inhalt gefüllt. Dieser fast sensationell zu nennende Erfolg der Konferenz von Helsinki hat selbst die Opposition mattgesetzt. Vor zwei Jahren machte sie noch gegen die Vereinbarungen von Helsinki Front.

    (Graf Stauffenberg [CDU/CSU] : Die sozialistische Internationale ist durch das Ergebnis doch nervös geworden! Das ist es!)




    Hoppe
    Heute ist sie kräftig und lautstark dabei, die politischen Forderungen einzutreiben,

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Das würden Sie doch um kein Haar anders machen! — Weitere Zurufe)

    die andere in einem großen, Europa übergreifenden Entspannungsdialog ausgehandelt haben.
    In Belgrad muß der nächste Schritt zur Ausfüllung der vereinbarten Prinzipien getan werden. Wir sind froh, daß wir ihn — wie schon bei der Vorbereitung der Helsinki-Konferenz — wieder in engem Einvernehmen und in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit unseren Partnern in der Europäischen Gemeinschaft und im Atlantischen Bündnis gehen können. Es wäre eine beachtliche innenpolitische Demonstration, wenn es gelänge, diese europäische und atlantische Gemeinsamkeit über die Parteigrenzen hinweg in diesem Parlament zustande zu bringen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ich bekräftige daher nochmals den Appell und die Absicht der Freien Demokraten, zu dieser gemeinsamen Willensäußerung in Fragen der KSZE-Nachfolgekonferenz und der Menschenrechte zu kommen, muß aber wohl leider registrieren, daß das nicht gelungen ist.
    Der Herr Kollege Abelein wagte in seinem Diskussionsbeitrag die Feststellung, in der Frage der Menschenrechtsdokumentation sei nicht das Problem der Form entscheidend gewesen. Diese Beteuerung, der Opposition gehe es bei Menschenrechtsfragen nicht um die Form, kann ich — ich bitte um Nachsicht — überhaupt nicht begreifen. Denn gerade am Problem der Form ist die Einigung gescheitert; gerade daran sind unsere Bemühungen gescheitert.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Nein, das stimmt nicht! — Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Das ist unwahr! Das ist einfach unwahr!)

    Darüber, meine Damen und Herren,

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Am Inhalt ist es gescheitert, nicht an der Form!)

    wird hier noch in einer gesonderten Debatte zu sprechen sein.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Was soll denn diese unsinnige Behauptung?)

    An praktischen Verbesserungen haben wir noch viel mit der DDR zu regeln. Dazu gehören die noch ausstehenden Folgevereinbarungen zum Grundlagenvertrag, die Verbesserungen im Reise- und Besuchsverkehr und nicht zuletzt Fortschritte im wirtschaftlichen Bereich.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Und noch viel mehr!)

    Auch zu Ihren Ausführungen dazu, verehrter Herr Kollege Abelein, möchte ich kurz etwas anmerken. Sie haben für die Union hier die Ansicht vertreten, man könne und solle die wirtschaftlichen Geschäfte mit der DDR endlich auch politisch ausnutzen. Ich brauche nicht auf die Erfahrungen zurückzugreifen, die schon unter dem Bundeskanzler Adenauer gesammelt und unter dem Bundeskanzler Kiesinger verwertet worden sind, sondern kann Sie viel aktueller bedienen, nämlich mit einer Äußerung, die Ministerpräsident Filbinger jüngst gemacht hat. Er hat während seiner China-Reise ausdrücklich erklärt — und doch wohl nicht nur für die bundesdeutsche Region Baden-Württemberg, sondern auch für die CDU —, wirtschaftliche Geschäfte seien nicht an politische Bedingungen zu knüpfen.

    (Graf Huyn [CDU/CSU] : Nur sind in China nicht 17 Millionen unterdrückte Deutsche!)

    Was dort gilt, dürfte auch an anderer Stelle gelten. Wie sehr es gerade im innerdeutschen Bereich gilt, hatten wir schon vor dem Einfall in die CSSR erfahren müssen. Wir haben es von der Großen Koalition im Zusammenhang mit diesem bitteren Ereignis hier praktiziert bekommen, und wir haben sie deswegen nicht gescholten.
    Dabei steht für die Fraktion der Freien Demokraten immer aufs neue die Lebenssicherung Berlins im Vordergrund. Eine Politik der Verständigung und Entspannung wäre wenig überzeugend, wenn sie sich nicht gerade für Berlin bewähren würde.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)



Rede von Dr. Hermann Schmitt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich erteile dem Herrn Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen Franke das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat die Große Anfrage der CDU/CSU zur Deutschlandpolitik begrüßt und gern zum Anlaß genommen, um erneut und umfassend die Grundprinzipien der Deutschlandpolitik der sozialliberalen Koalition und die Erfahrungen unserer Beziehungen zur DDR darzustellen. Beide, Grundprinzipien und Erfahrungen, möchte ich folgendermaßen zusammenfassen.
    Erstens. Das deutsche Volk ist heute in zwei voneinander unabhängige Staaten mit unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen geteilt.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Ach, wie neu!)

    — Ach, Herr Kollege Jäger, ich darf mal auf Ihren Zwischenruf eingehen. Warum haben Sie uns denn eigentlich diese Fragen vorgelegt? Die sind doch auch immer gleich. Wenn man darauf sachlich antwortet, dann sagen Sie: „Ach, wie neu!" Anscheinend haben Sie das inzwischen vergessen. Wir werden es immer sagen müssen, damit Sie sich vor Illusionen bewahren.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Veränderungen der Beziehungen zwischen den beiden Staaten zum Nutzen der Menschen müssen auf dem Verhandlungsweg angestrebt werden.
    Zweitens. Voraussetzung für eine realistische Beurteilung der Deutschlandpolitik ist eine nüchterne Einschätzung der Machtverhältnisse in Europa und der Stellung der beiden deutschen Staaten innerhalb der jeweiligen Bündnissysteme. Nur so kann ver-



    Bundesminister Franke
    hindert werden, daß die Möglichkeiten der Bundesrepublik Deutschland zur Verbesserung der Lage in Deutschland überschätzt werden.
    Drittens. Die Deutschlandpolitik der sozialliberalen Koalition seit 1969 ist erfolgreich. Das ist feststellbar.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das Gegenteil ist der Fall!)

    Daß Sie das nicht erkennen können, spricht nicht für Sie. Aber Sie stehen ja auch ziemlich allein da. Andere schreiben das, und sogar Sie sind ab und zu genötigt, zu bestätigen, Herr Professor, daß das doch wohl anders ist, als Sie hier sagen.

    (Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD)

    Denn Sie gehören zu denen, die von mir recht oft Briefe bekommen, in denen steht, daß menschliche Schicksale gerade durch diese Politik einer Lösung zugeführt werden können.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Dr. Abelein [CDU/CSU])

    Wenn Sie das hier leugnen, ja sogar in diskreditierender Weise meinten, das würde — — ich komme noch einmal darauf, obwohl ich mir vorgenommen hatte, nicht mehr auf Sie in der Öffentlichkeit zu reagieren, weil das vergeudete Mühe ist.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Sie helfen den Menschen nicht, um die es geht.
    Diese Politik ist seit 1969 erfolgreich. Das gilt sowohl im Hinblick auf die Bewahrung des Friedens in Europa — und dazu hat Deutschland einen beachtlichen Beitrag zu leisten — wie auch unter Berücksichtigung der erreichten Verbesserungen für das Zusammenleben der Menschen in Deutschland.
    Sie können das mit Fleiß ignorieren. Aber Sie werden sich darauf einstellen müssen, daß das tatsächlich ein großer Faktor, ein großartiges Ergebnis der Bemühungen ist und daß Dinge zur Selbstverständlichkeit geworden sind, die vor Jahren in dieser Dimension nicht einmal erträumt werden konnten.
    Viertens. Durch eine Reihe von Einzelmaßnahmen hat die DDR in den letzten Jahren das Verhältnis zwischen den beiden deutschen Staaten belastet. Eine der Hauptursachen für die in der Antwort der Bundesregierung genannten neuen Belastungen durch die DDR ist die erkennbare Einschätzung der dortigen Führung, daß der Bevölkerung der DDR um der Stabilität des kommunistischen Systems willen kein größeres Maß an Kommunikation mit den Staaten des Westens zugebilligt werden kann. Das ist in der Tat ein Problem, mit dem Sie sich einmal vertraut machen sollten. Sie sollten hier nicht immer nur gute Sätze deklamieren, die mit der Praxis wenig zu tun haben.
    Fünftens. Die Bundesregierung sieht keinen Anlaß, von der Voraussetzung abzugehen, daß beide deutschen Staaten nach wie vor ein Interesse am weiteren Ausbau ihrer Beziehungen haben. Wenn wir das nämlich aufgäben, würden wir sagen: mehr ist nicht erreichbar. Wir sind aber nicht dieser Auffassung, und wir sehen das täglich bestätigt, obwohl
    es, wie zu Beginn von uns vorausgesagt, immer nur um kleine Schritte gehen wird, nur um ein millimeterweises Vorankommen geht. Dies wird bestätigt. Wir hatten keine Illusion. Sie haben welche daraus in der Öffentlichkeit entwickelt. Die Bundesregierung ist entschlossen, ihre Politik mit dem Ziel der Normalisierung der Beziehungen auch gegen Widerstand fortzusetzen.
    Hierbei ist besonderes Augenmerk darauf zu richten, daß auch die Situation von Berlin (West) und der Bewohner dieser Stadt verbessert wird. Der Herr Redner der CDU/CSU hat übrigens zu diesem Problem Aussagen für sinnvoll gehalten, die bei den drei Schutzmächten ein ganz eigenartiges Klingen in den Ohren hervorgerufen haben müssen. Denn was Sie hier über die Entwicklung nach 1969 gesagt haben, ist geradezu unerträglich, wenn es darum geht, für Berlin in Gemeinsamkeit mit den Schutzmächten zu wirken.

    (Beifall bei der SPD)

    Was Sie da gesagt haben, hört sich nicht sehr gediegen an, wenn man es ernst meint mit der Verbesserung der Situation in Berlin.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    Sechstens. In der Vorbemerkung zur Großen Anfrage stellt die Fraktion der CDU/CSU fest, die bisherigen Erfahrungen mit der seit 1969 verfolgten Deutschlandpolitik erforderten neue Antworten. Demgegenüber erklärt die Bundesregierung: Bei Abwägen der bisherigen praktischen Erfahrungen, der Fortschritte und Verbesserungen wie auch der Belastungen und Beeinträchtigungen, ergibt sich, daß eine neue Antwort weder möglich noch notwendig ist. Die Bundesregierung bleibt sowohl bei dem bisherigen Ansatz ihrer Deutschlandpolitik als auch bei den bewährten Methoden der Durchführung.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    Siebtens. Stand und Ergebnis sowohl der innerdeutschen Beziehungen als auch der allgemeinen WestOst-Beziehungen sind im Vorfeld der Belgrader KSZE-Folgekonferenz sorgfältig durchzusehen. Nach Auffassung der Bundesregierung sind die Antworten auf die Große Anfrage der Opposition sowie auch der im April vorgelegte Bericht über die Entwicklung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik von 1969 bis 1976 ein Beitrag und eine Hilfe zur Versachlichung der notwendigen Diskussion in Parlament und Öffentlichkeit. Das ist jedenfalls unsere Absicht und unser Bemühen gewesen. Daß es bei Ihnen nicht diese Resonanz auslöst, kann ich verstehen; denn es ist schwierig, einzusehen, daß Sie sich mit Ihren Thesen auf einem Holzwege befinden. Sie hatten auch in der letzten Zeit zuvor Gelegenheit gehabt, praktische Erfahrungen zu sammeln, und auch da hat sich nichts bewegt.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Meine Damen und Herren, diese Debatte über die Große Anfrage der Opposition und ihre Beantwortung durch die Bundesregierung darf nicht ausklammern, was diese Große Anfrage beabsichtigte und wie sie einzuordnen ist. In den ersten Wochen und



    Bundesminister Franke
    Monaten dieses Jahres waren wiederholt Anzeichen für einen möglichen deutschlandpolitischen Stil- und Sinneswandel der Opposition festzustellen. Zu diesen Anzeichen möchte ich u. a. auch die Art rechnen, wie Herr Kollege Dr. Kohl die Große Anfrage seiner Fraktion zur Deutschlandpolitik hier in Bonn auf einer Pressekonferenz vorstellte.

    (Friederich [SPD] : Wo ist er denn? — Dr. Abelein [CDU/CSU] : Wo ist denn der Bundeskanzler?)

    Dies hat die Presse jedenfalls so empfunden, und es waren interessante Überschriften zu lesen: Gibt es doch Möglichkeiten, zu einer Versachlichung zu kommen? Gibt es doch Möglichkeiten, Gemeinsamkeiten zu finden? Weitere Anzeichen dafür, daß die CDU ein größeres Verständnis für die Bedingungen und realen Spielräume der Deutschlandpolitik an den Tag legen könnte, fanden sich in einigen Reden prominenter CDU-Vertreter. Ich nenne keine Namen. Sie kennen sie, Sie wissen, wer in der Tat seriös aus dem Bereich der CDU/CSU etwas zu diesem Thema anzumerken hat. Ich will das gar nicht polemisch benutzen, sondern dankbar begrüßen, daß es Ansätze dafür gibt, darüber nachzudenken, ob nicht doch etwas daran richtig sein kann, in der Art, wie wir uns bemühen, die Probleme zu lösen, zu Ergebnissen zu kommen. Jedenfalls war das in einigen Passagen der deutschlandpolitischen Entschließung des Düsseldorfer CDU-Parteitages auch zu erkennen.
    Auf einen gemeinsamen Nenner gebracht, zeichneten sich hier Ansätze und Absichten ab, die von der Einsicht ausgingen, daß die deutschlandpolitischen Probleme nicht länger von innenpolitischen Spannungen der Bundesrepublik Deutschland verfremdet werden dürfen, daß dieses Thema nicht zum innerdeutschen Schlagabtausch um die Erringung von Mehrheiten in diesem Parlament mißbraucht werden darf.

    (Baron von Wrangel [CDU/CSU] : Richtig!)

    Dies ließ uns hoffen. Aber was ich heute morgen hier erlebt habe, waren fröhliche Urständ jener Dinge, die wir schon jahrelang erlebt haben, nur daß das Datum heute ein anderes war. Die Worte und die Aussagen waren nicht anders.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Meine Damen und Herren, diesen Ansichten, die da zum Tragen kamen, kann man nur beipflichten. Ich tue es ausdrücklich. Der Schaden, der von der innenpolitischen Verfälschung der Deutschlandpolitik ausgeht, breitet sich nicht nur unter den Menschen in der Bundesrepublik Deutschland aus, sondern als Enttäuschung oder Resignation auch unter den Menschen in der DDR.
    Herr Kollege von Weizsäcker hat das auf der diesjährigen Jahrestagung des Kuratoriums Unteilbares Deutschland Anfang März in Berlin eindringlich dargelegt. Ich hoffe, daß ich dies so sagen durfte. Ich habe das jedenfalls so verstanden und meine, daß wir in dieser Art auch weiter miteinander sprechen müßten und das weiterentwickeln müßten. Ich weiß, wie schwierig es ist, nach Jahren
    großer Gegensätzlichkeit Anknüpfungspunkte zu finden, um zu versuchen, gemeinsam vorankommen zu können.
    Aber ich muß sagen: Gerade in den letzten Wochen mußten wir feststellen, daß sich in der CDU/ CSU-Fraktion wieder der Hang Bahn bricht, die Deutschlandpolitik und die Entspannungspolitik überhaupt mit polemischen Forderungen zu überfrachten. Ein besonders krasses Beispiel für diesen Stil bietet die Reihe von 15 abgestimmten KSZE-Anfragen, die Herr Kollege Genscher von dieser Stelle aus in der Fragestunde am 5. Mai zu beantworten hatte.
    Die Richtung, aus der der Wind nun wieder kommt, gab der CSU-Abgeordnete Dr. Jaeger im „Deutschland-Union-Dienst" am 27. April unmißverständlich zu erkennen. Gleich der erste Absatz seines Beitrages unter der Überschrift „Bonn sucht den Erfolg um jeden Preis" schließt mit der Behauptung, die Bundesregierung sei bereit, in der Menschenrechtsfrage das zu tun, was man in Ost-Berlin und Moskau wünsche. Meine Damen und Herren, das sind eigenartige Klänge. Sie machen es sich zu leicht mit diesem Problem. Sie haben sich einen neuen Knüppel entwickelt, mit dem Sie meinen die ernsthaften Bemühungen um mehr Verwirklichung der Menschenrechte auch zum Erfolg führen zu können. Diese Art, dieser Stil der Auseinandersetzung, der mit bewußten Überforderungen und Unterstellungen arbeitet, ist leider allzu bekannt und vertraut, um in der Öffentlichkeit überhaupt noch registriert zu werden.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    Aber er ist eben wieder da. Das ist nicht zu übersehen.
    Man muß sich wohl die Frage stellen, wieso die erkennbaren Anstrengungen innerhalb der CDU, eine sachgemäßere deutschlandpolitische Opposition zu treiben, so wenig Erfolg gezeitigt haben. Ein Erfolg in dieser Richtung setzt allerdings gewisse Einsichten in die Realitäten in Deutschland und um uns herum voraus, Einsichten, die neuerdings mit Vorliebe im Namen der Menschenrechte verweigert werden.
    Das zeigte schon die Diskussion auf dem CDU-
    Parteitag. Um sich von Professor Gasteygers nüchternen Aussagen abzuschirmen, legten viele die Menschenrechte gleichsam als Augenbinde an. So ersparten sie sich, die Machtlage und den eigenen Verantwortungsspielraum ringsum wahrzunehmen. Als Alibi für politische Drückebergerei oder gar Obstruktion sind jedoch die Menschenrechte nicht tauglich. Das wird sich rasch zeigen. Wer die Menschenrechte so benutzt, wie ich das eben geschildert habe, tut ihnen und sich selbst keinen guten Dienst.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Viele erliegen auch dem Irrtum, sie leisteten bereits etwas für die Durchsetzung der Menschenrechte, wenn sie diese verbal und pauschal reklamieren und deklamieren. Das ist deswegen ein Irrtum, weil, so meine ich, Menschenrechte und Menschlichkeit miteinander zu tun haben; denn es



    Bundesminister Franke
    ist doch ganz offensichtlich: Bei den Menschenrechten geht es um den einzelnen Menschen, um sein Wohl und Wehe. Würden wir etwa im Rahmen unserer Deutschlandpolitik das Prinzip der Menschenrechte ohne Rücksicht darauf verfolgen, ob es einzelnen Menschen — und wie vielen Menschen — mehr schadet oder mehr nützt, so würden wir nach meinem Verständnis dem Sinn der Menschenrechte zuwiderhandeln.
    Hinzu kommt als spezielles Problem die einzigartige Größenordnung der humanitären Notlage, die zwischen den beiden deutschen Staaten besteht. Bei uns gibt es keine Agenturmeldung und keine ministerielle Mitteilung, wenn 15 Menschen die Ausreise aus der DDR in die Bundesrepublik genehmigt erhalten. Wenn hingegen 15 Menschen aus der DDR nach England ausreisen dürfen, so teilt der DDR-Botschafter in London dies dem stellvertretenden britischen Außenminister mit, und die französische Nachrichtenagentur macht daraus eine Meldung aus der britischen Hauptstadt; so geschehen am 4. Mai. Ich will damit sagen: Die Bundesregierung hat bei ihrem Tun und Lassen das Lebensglück Tausender von Familien zu beachten. Das erlegt ihr die besondere Pflicht auf, etwa das Risiko eines Rückschlages, wo es nur eben geht, zu vermeiden.
    Allein im Rahmen der Familienzusammenführung, die wir bearbeiten und übersehen, durften in den Jahren 1975 und 1976 zusammen 10 500 Personen aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland übersiedeln — eine Zahl, die man gar nicht laut genug ausrufen kann, um immer wieder in Erinnerung zu rufen, daß es ja nicht so ist, daß nichts erreicht wurde. Hier sprechen die Zahlen und vor allen Dingen auch die beteiligten Menschen für sich. Das wissen Sie so gut wie ich, da Sie sich auch mit bemüht haben, indem Sie mir solche Vorgänge gemeldet haben. Sie kennen die Antworten, die ich Ihnen gegeben habe. Sie wissen um die Dankesbriefe, die Ihnen diese Menschen schreiben. Ich sage Ihnen: Jeder einzelne Fall ist es wert gewesen; daß wir diese Politik betrieben haben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wer das bagatellisiert und in Abrede stellt, indem er immer noch sagt: das ist nichts, der überschätzt unsere Möglichkeiten und der überschätzt die je erreichbare Bereitwilligkeit der anderen. Seite, der tut so, als hätte er eine Zauberwaffe in der Hand,

    (Dr. Abelein [CDU/CSU] : Und Sie tun nichts!)

    die es gar nicht gibt, die Sie in der Zeit, in der Sie die Regierungsgewalt in den Händen hatten, nicht angewendet haben. Im letzten Jahr wurden insge samt fast 10 Millionen Reisen — ich wiederhole: 10 Millionen Reisen — in Deutschland gemacht, weitaus die meisten davon in Ost-Richtung, wo 17 Millionen Menschen wohnen. Da hat mehr als jeder zweite Besuch aus der freien Bundesrepublik Deutschland bekommen. Wenn Sie das alles ignorieren, meine Damen und Herren — mehr kann man das eigene Nest gar nicht bekleckern.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Anstatt stolz darauf zu sein, daß wir das erreicht haben, versuchen Sie das abzuqualifizieren. Das ist unerträglich. Mit dieser Größenordnung, mit der die beiden deutschen Staaten aufwarten können, stehen sie im KSZE-Rahmen soweit es um die Erfüllung dieses Punktes geht, ziemlich einsam an der Spitze. Das ist gut so. Das hat auch seine speziell deutschen Gründe. Aber das muß man eben sehen.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einmal etwas zu dem einfügen, was der Herr Professor Abelein zu diesem Thema ausgeführt hat. Er hat gesagt, wir sollten uns mehr darum kümmern, die Jugend mit den Problemen vertraut zu machen, wir sollten sie auf die nationalen Probleme hinweisen. Derselbe Abgeordnete hat in dem Ausschuß, in dem mein Ministerium die notwendigen Mittel dafür beantragen mußte, die Bitte um Erhöhung von Mitteln zur Anschaffung von Filmen und Aufklärungsmaterial in Höhe von 500 000 DM abgelehnt; mit anderen zusammen, wie ich gerne bereit bin zuzugestehen. Aber das steht doch im krassen Widerspruch zu dem, was Sie hier fordern.

    (Dr. Abelein [CDU/CSU] : Völlig verdreht! — Graf Huyn [CDU/CSU] : Das sind Propagandamittel für Ihr Ministerium! Die Kalender, die Sie herausgeben, dafür wollen wir kein Geld bewilligen!)

    Noch etwas zu einem anderen Thema. Sie stellen sich hier hin und behaupten wieder, daß es in der DDR Zwangsadoptionen als Folge und Begleiterscheinung gescheiterter Fluchtversuche der Eltern in sogenannten Republikfluchtfällen gibt. Gehen Sie bitte behutsam damit um. Ich sage es noch einmal: Alle Fälle, die uns bekanntgeworden sind, in denen Eltern von ihren Kindern getrennt wurden, lassen es schwer ergründen, ja geradezu unmöglich erscheinen, daß diese Trennung, als Folge oder Begleiterscheinung quasi eine zusätzliche Strafmaßnahme für gescheiterte Republikflucht ist.

    (Dr. Abelein [CDU/CSU] : Da kommen Sie wieder mit dieser falschen Behauptung!)

    Als wir das Thema hier in aller Breite behandelt haben, habe ich gefordert: Nennen Sie mir konkrete Fälle!

    (Zuruf von der CDU/CSU: Die kriegen Sie laufend von uns!)

    Ich bin nicht bereit, auf Zeitungsmeldungen einzugehen. Hinsichtlich dieser Fragen bin ich bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen. Das müssen Sie mir auch bestätigen. Alle, die Sie da sitzen, haben mir konkrete Fälle genannt, und ich habe sie konkret bearbeitet und habe sie erfreulicherweise zum großen Teil lösen können, nicht weil Sie es gewollt haben, sondern weil die DDR mitgemacht hat.
    Meine Damen und Herren, ich sage noch einmal: Nennen Sie mir Fälle, bei denen das ganz klar auf der Hand liegt, und wir gehen jedem einzelnen Fall nach. Lassen Sie dieses Thema lieber auf sich beruhen, denn da kommen Sie nicht weiter.

    (Graf Huyn [CDU/CSU] : Wie ist es mit den Geschwistern Grübel?)




    Bundesminister Franke
    — Herr Kollege, gerade zu diesem Thema wollte ich mich hier nicht äußern. Ich bin aber gern bereit, darauf zurückzukommen. Ich freue mich, daß dieser Zwischenruf heute im Protokoll festgehalten wird.

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: Ich auch!)

    Setzen Sie sich bitte nicht aufs hohe Roß! Sie werden überrascht sein, was Sie einmal eines Tages hören werden. Ich hatte keine Gelegenheit, vorher mit einigen Herren zu sprechen. Ich habe da Informationen, die Sie überraschen werden. Und dann werden Sie nie wieder den Namen nennen. Seien Sie also bitte ruhig! Das ist meine Verantwortung, die ich gern übernehme.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Das werden wir schön festhalten, wer hierfür verantwortlich ist!)

    Man wird mir nicht in Abrede stellen können, daß ich nicht in schwierigsten Fällen bereit gewesen bin, mich zu engagieren.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Das ist doch gar kein Grund zur Polemik für Sie! — Zuruf des Abg. Jäger [Wangen] [CDU/CSU])

    — Hören Sie auf, Herr Jäger! Sprechen Sie einmal mit Leuten aus Ihrer Fraktion, die inzwischen auch ein bißchen mehr darüber wissen. Sie werden sich selber melden.
    In Ihrer Antwort auf die Große Anfrage hat die Bundesregierung — und das nicht zum ersten Mal — darauf hingewiesen, daß Verhandlungen mit der DDR prinziziell nur dann zur Vereinbarung und zwar Zusammenarbeit führen, wenn entweder ein gemeinsames Interesse der beiden Staaten vorliegt oder wenn abweichende Interessen gegeneinander aufgewogen und in einem für beide Seiten tragbaren Kompromiß verbunden werden können. Wer sich bei den innerdeutschen Verträgen und Vereinbarungen auch nur ein bißchen auskennt, wird wissen, daß sie im wesentlichen nach der Methode der Verschränkung von unterschiedlichen Interessen zustandegekommen sind und nicht anders. Das muß sich jeder vor Augen halten, der sofort nach Sanktionen und Vergeltung ruft, wenn die DDR Dinge tut — oder läßt —, die uns nicht passen.
    In Wahrheit praktiziert die Bundesregierung schon seit Jahr und Tag das, was die CDU/CSU-Opposition glaubt, von ihr fordern zu müssen: das Prinzip des Gebens und Nehmens. Gerade weil das so ist, muß jeder wissen: Jede nennenswerte Verminderung des Gebens — zur Strafe, als Sanktion — zöge auch eine Verminderung des Nehmens nach sich. Die wäre uns im Transitverkehr von und nach Berlin, im Reiseverkehr, im Postverkehr mit der DDR, aber auch im innerdeutschen Handel unter Umständen sehr unangenehm. Das sind ganz konkrete Dinge, die ich Ihnen da nenne.
    Nebenbei gesagt: Wenigstens was den innerdeutschen Handel als Bestrafungsschauplatz angeht, so scheint es auch in der Union eine gewisse Besonnenheit zu geben. Ich denk da an entsprechende Äußerungen des Kollegen von Wrangel, des Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein und von Herrn
    Filbinger, der hier heute schon genannt worden ist. Es ist immerhin interessant, daß wir nicht allein der Meinung sind, daß das ungeeignet ist.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Was reden Sie sich denn da in Rage? Unsinnig ist das!)

    Meine Damen und Herren, wer wie wir humanitäre Anliegen verfolgt, dem können und dürfen nicht alle Mittel recht sein, dem muß der Glaubwürdigkeit seines Bemühens wegen als erste Voraussetzung Einsicht in die Bedingtheit unserer Lage abverlangt werden, die schließlich das Verhalten zu bestimmen hat. Wer wie die Opposition vorgibt, unsere Position für stärker zu halten, als sie ist, wird sich auch nicht scheuen, diese Politik des sorgsamen Interessenausgleichs zu überfordern und damit möglicherweise in ihrer Wirksamkeit zu schädigen. Wer aber derart agiert und agitiert — wohlgemerkt —, dessen Beteuerungen, er stehe zu den Verträgen und befürworte die Verhandlungen unserer Vertragspolitik, sind nicht glaubhaft. Sie werden es auch dadurch nicht, daß sie unterschiedlich interpretiert und unterschiedlich dargestellt werden. Meine Damen und Herren von der Opposition, es liegt an Ihnen, Ihre eigene Glaubwürdigkeit in dieser Debatte darzustellen. Sicherlich wird es heute noch heiße Auseinandersetzungen zu diesem Thema geben. Aber wir sollten uns angesichts des Mottos „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus" gemeinsam bemühen, zu einem anderen Ton zu kommen. Aber das konnte ich Ihnen nicht ersparen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)