Rede von
Hans-Günter
Hoppe
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Kollege Mertes, deshalb ist ja Ihre heutige Verhaltensweise bei der Durchsetzung praktischer Politik um so unverständlicher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun stehen die Bemühungen um die Fortsetzung der Vertragspolitik im Augenblick nicht gerade unter einem guten Stern. Die harte Attacke des SED-Chefs auf den Bundeskanzler und die sowjetische Polemik auf die Londoner Erklärung liefern eine schrille Ouvertüre zur Wiederaufnahme des deutsch-deutschen Dialogs und zum bevorstehenden Besuch Breschnews in Bonn. Aber es ist keineswegs sicher, ob mit diesen Dissonanzen eine neue Phase der Politik eingeleitet werden soll oder ob damit nicht vielmehr ein Abschnitt beendet wird, in dem die Kommunisten versuchten, Boden zurückzugewinnen, der in den verschiedenen Verträgen und Vereinbarungen der Vergangenheit aus ihrer Sicht preisgegeben werden mußte.
So hat die Sowjetunion, wie mir scheint, in den letzten Monaten ganz offensichtlich den Versuch unternommen, klammheimlich einiges von den Zugeständnissen zurückzuholen, zu denen sie sich in den Jahren von 1969 bis 1972 genötigt sah. Damals litt sie unter den verheerenden internationalen Folgen ihrer militärischen Invasion in der CSSR, verspürte den heißen Atem Maos im Nacken und steckte innenpolitisch in einer akuten Wirtschaftskrise.
Dabei begann das Spiel mit dem Viermächteabkommen über Berlin schon bei der Unterzeichnung. Der heutige Auslegungsstreit hat seinen Vorläufer in dem Übersetzungsstreit.
Nach ihren kommentierenden Auslegungen des
Viermächteabkommens bei der Unterzeichnung hat
die Sowjetunion die Grundlage für ihre Konfliktstrategie beim UNO-Beitritt beider deutscher Staaten in dem Malik-Brief vom 26. Juni 1973 festgelegt. Die Sowjetunion hatte damit ihre Position bezogen und für die Zukunft vorgesorgt. Die Westmächte sind dem stets energisch entgegengetreten. Und doch waren Auseinandersetzungen über die Rechte und Pflichten der Siegermächte in Berlin nicht zu vermeiden. Mit der Verbalnote der Sowjetunion vom 12. Mai 1975 geriet der Meinungsstreit auf den ersten Höhepunkt. Den Westmächten wurden ihre originären Rechte in Berlin bestritten; sie wurden auf das Viermächteabkommen verwiesen. Gleichzeitig wurde versucht, seine Bedeutung wiederum auf die Westsektoren einzuengen.
Dies stimmt zwar nicht mit der historischen Wahrheit und der Rechtslage überein, orientiert sich aber konsequent an der sowjetischen Auffassung, daß das Viermächteabkommen eben nur ein Abkommen über West-Berlin ist. Dabei hätte es ohne den Bestand der Rechte und Verantwortlichkeiten der Vier Mächte für Berlin als Ganzes für die Signatarstaaten gar keine Legitimation für das Abkommen gegeben. Die Sowjets haben diese Rechtslage daher bewußt als Ansatz für den Abschluß des Abkommens benutzt. Sie haben damit gleichzeitig aber das Ziel verfolgt, die Westmächte aus ihrer Verantwortung für Gesamtberlin zu drängen und sich selbst unmittelbaren Einfluß auf West-Berlin zu verschaffen.