Rede:
ID0802900600

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 8029

  • date_rangeDatum: 26. Mai 1977

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    Plenarprotokoll 8/29 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 29. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1977 Inhalt: Verzicht des Abg. Dr. Glotz und des Abg Sund auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 2035 A Eintritt des Abg. Lambinus und des Abg Eickmeyer in den Deutschen Bundestag . 2035 A Erweiterung der Tagesordnung . . . . 2035 B Wahl des Abg. Glombig als Stellvertreter im Vermittlungsausschuß . . . . . . . 2035 B Wahl des Abg. Lemp als Vertreter im Europäischen Parlament . . . . . . . . . 2035 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Beschluß und Akt des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 20. September 1976 zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten der Versammlung — Drucksache 8/360 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (Europawahlgesetz) — Drucksache 8/361 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (Europaabgeordnetengesetz) — Drucksache 8/362 — Genscher, Bundesminister AA 2035 D Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU 2037 B Dr. Schäfer (Tübingen) SPD 2040 C Dr. Bangemann FDP 2042 C Dr. Dr. h. c. Maihofer, Bundesminister BMI 2046 C Seefeld SPD 2048 B Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU Deutschlandpolitik — Drucksachen 8/118, 8/255 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes — Drucksache 8/238 — Dr. Abelein CDU/CSU . . . . . . . . 2050 D Dr. Kreutzmann SPD . . . . . . . 2056 A Hoppe FDP 2061 B Franke, Bundesminister BMB . 2067 D, 2116 A II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1977 Dr. Zimmermann CDU/CSU . . . . 2078 D Dr. Schmude SPD 2083 B, 2121 B Jung FDP . . . . . . . 2087 B, 2131 C Baron von Wrangel CDU/CSU . . . . 2090 D Schulze (Berlin) SPD 2093 A Jäger (Wangen) CDU/CSU 2095 D Büchler (Hof) SPD 2099 C Graf Huyn CDU/CSU 2103 A Friedrich (Würzburg) SPD . . 2106 A, 2124 B Dr. Gradl CDU/CSU . . . . . . . . 2111 A Kunz (Berlin) CDU/CSU 2118 B Dr. Kohl CDU/CSU . 2123 C, 2124 A, 2128 A Wehner SPD 2123 D Straßmeir CDU/CSU . . . . . . . . 2124 C Dr. Ehmke SPD 2126 B Böhm (Melsungen) CDU/CSU 2129 A Schmöle CDU/CSU 2131 D Voigt (Frankfurt) SPD . . . . . . 2133 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über steuerliche Vergünstigungen bei der Herstellung oder Anschaffung bestimmter Wohngebäude — Drucksache 8/286 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/471 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses --- Drucksachen 8/453, 8/463 — Gobrecht SPD . . . . . . . 2136 A, 2139 A Dr. Voss CDU/CSU . . . . . . . . . 2137 A Frau Matthäus-Maier FDP . . . . . . 2140 C Köster CDU/CSU 2143 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes — Drucksache 8/370 — de Terra CDU/CSU . . . . . . . . 2145 D Horn SPD 2146 B Ludewig FDP 2146 D Fragestunde — Drucksache 8/458 vom 20. 05. 1977 — Umsiedlung der weißen Bevölkerung aus Südwestafrika im Falle der Machtübernahme der schwarzen Mehrheit nach Südamerika MdlAnfr A109 20.05.77 Drs 08/458 Niegel CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA 2072 A, B, C ZusFr Niegel CDU/CSU 2072 B Einheitliches Konzept der EG für die am 23. Mai beginnende 6. UN-Seerechtskonferenz sowie Sicherstellung der Fanggründe vor den Küsten Kanadas, Norwegens, der USA und Islands für die deutsche Fischerei nach Errichtung der 200-Seemeilen-Wirtschaftszone MdlAnfr A118 20.05.77 Drs 08/458 Dr. Müller-Hermann CDU/CSU MdlAnfr A119 20.05.e Drs 08/458 Dr. Müller-Hermann CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 2072 C, D, 2073 A, C ZusFr Dr. Müller-Hermann CDU/CSU . . 2072 D, 2073 B Benachteiligung deutscher Futtermittelhersteller beim Einkauf von Magermilchpulver bei EG-Ausschreibungen durch unterschiedliche Währungsberechnungen; Verwendung von Magermilchpulver zur Kälberfütterung über einen Beimischungszwang sowie Verbilligung des Magermilchpulvers für diesen Zweck MdlAnfr A63 20.05.77 Drs 08/458 Peters (Poppenbüll) FDP MdlAnfr A64 20.05.77 Drs 08/458 Peters (Poppenbüll) FDP Antw PStSekr Gallus BML 2073 D, 2074 A, C, D ZusFr Peters (Poppenbüll) FDP . . . 2074 A, B, C ZusFr Kiechle CDU/CSU . . . . . . . 2074 D Staatliche Verbilligung von Trinkmilch für Kindergärten und Schulen MdlAnfr A65 20.05.77 Drs 08/458 Frau Geier CDU/CSU Antw PStSekr Gallus BML . . 2075 A, B, C, D, 2076 A ZusFr Frau Geier CDU/CSU 2075 B ZusFr Kiechle CDU/CSU 2075 B ZusFr Susset CDU/CSU 2075 C ZusFr Würtz SPD 2075 C ZusFr Dr. von Geldern CDU/CSU . . . 2075 D ZusFr Stahl (Kempen) SPD 2075 D Deklarationsform für Gemengeteile bei Mischfuttermitteln MdlAnfr A66 20.05.77 Drs 08/458 Dr. von Geldern CDU/CSU Antw PStSekr Gallus BML 2076 A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1977 III Ermittlung der genauen Zahl der neugeschaffenen Ausbildungsplätze zur Kontrolle über die Angaben des Kuratoriums der Deutschen Wirtschaft für Berufsausbildung MdlAnfr A43 20.05.77 Drs 08/458 Heyenn SPD MdlAnfr A44 20.05.77 Drs 08/458 Heyenn SPD Antw PStSekr Engholm BMB . . . . . 2076 C, 2077 A, B, C, D, 2078 A ZusFr Heyenn SPD . . . 2076 D, 2077 A, B, C ZusFr Milz CDU/CSU 2077 D ZusFr Stahl (Kempen) SPD 2078 A Ausnutzung der Ausbildungskapazitäten bei Bundesbahn und Bundespost MdlAnfr A102 20.05.77 Drs 08/458 Walther SPD Antw PStSekr Engholm BMB . . . . 2078 B Nächste Sitzung 2147 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 2149* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1977 2035 29. Sitzung Bonn, den 26. Mai 1977 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 27. 5. Dr. Ahrens " 27. 5. Alber * 27. 5. Dr. Bangemann 27. 5. Dr. Bayerl * 27. 5. Dr. Becher (Pullach) 27. 5. Blumenfeld* 27. 5. Buchstaller *** 27. 5. Dr. Corterier *** 27. 5. Damm *** 27. 5. Fellermaier * 27. 5. Flämig *** 27. 5. Francke (Hamburg) 26. 5. Dr. Fuchs * 27. 5. Dr. Geßner *** 27. 5. Grüner 26. 5. Haase (Fürth) * 27. 5. von Hassel 27. 5. Dr. Hupka *** 27. 5. Dr. Jaeger *** 27. 5. Dr. Jahn (Braunschweig) * 27. 5. Katzer 27. 5. Dr. h. c. Kiesinger 26. 5. Dr. Klepsch*** 27. 5. Kunz (Berlin) *** 27. 5. Dr. Graf Lambsdorff 26. 5. Lange *** 27. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lenzer ** 27. 5. Lücker * 27. 5. Dr. Marx *** 27. 5. Mattick *** 27. 5. Möhring *** 27. 5. Möllemann *** 27. 5. Dr. Müller ** 27. 5. Dr. Narjes 27. 5. Neuhaus 27. 5. Neumann * 27. 5. Ollesch *** 27. 5. Pawelczyk *** 27. 5. Petersen 27. 5. Picard 27. 5. Dr. Reimers 27. 5. Schmidt (München) * 27. 5. Schmidt (Würgendorf) ** 27. 5. Dr. Schöfberger 27. 5. Schreiber * 27. 5. Schwabe * 27. 5. Dr. Schwarz-Schilling 27. 5. Dr. Schwencke (Nienburg)** 27. 5. Dr. Schwörer * 26. 5. Frau Schuchardt 27. 5. Sieglerschmidt * 27. 5. Dr. Starke (Franken) * 26. 5. Dr. Staudt 27. 5. Frau Steinhauer 27. 5. Frau Tübler 27. 5. Voigt (Frankfurt) *** 27. 5. Dr. Waigel 27. 5. Dr. Wallmann 26. 5. Frau Dr. Walz * 27. 5. Dr. Wendig 27. 5. Frau Will-Feld 27. 5. Dr. Wörner 26. 5. Dr. Zeitel 26. 5. Zeyer * 26. 5.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Friedrich Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt es, daß wir heute im Bundestag in erster Lesung die drei Gesetze über die Direktwahl zum Europaparlament behandeln können. Diese Direktwahl zum Europaparlament war schon in den Römischen Verträgen vom 30. März 1937 vorgesehen.

    (Zurufe: 1957!)

    — 1957! Vielen Dank, Herr Kollege Stücklen; das war ein Lapsus linguae. — Dort heißt es in Art. 138 Abs. 3:
    Die Versammlung arbeitet Entwürfe für allgemeine unmittelbare Wahlen nach einem einheitlichen Verfahren in allen Mitgliedstaaten aus.
    Die Versammlung ist dem — wie schon erwähnt wurde — nachgekommen und hat 1960 den ersten Entwurf vorgelegt. Der Ministerrat, der nach der derzeitigen Regelung für die Beschlußfassung zuständig ist, hat den Entwurf nicht verabschiedet. Obwohl das Europäische Parlament wiederholt — 1967 und 1969 — gedrängt hat, kam es nicht zu dem erforderlichen Beschluß.
    Neue Initiativen entstanden erst, seit diese sozialliberale Koalition 1969 hier die politische Verantwortung übernommen hat und die Zeit dafür reif war.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich darf an die erste Gipfelkonferenz am 1. Dezember 1969 in Den Haag erinnern, bei der wesentliche Impulse für die Erweiterung der EG gegeben wurden. Ich darf weiter an die Beschlüsse von 1974 erinnern, als sich die Regierungschefs erstmals endgültig darauf einigten, daß allgemeine Wahlen zum Europäischen Parlament so bald wie möglich verwirklicht werden sollen. Es ging voran, und es nahm Formen an. Es kam zur Absichtserklärung des Europäischen Rats vom 1./2. Dezember 1975, der die Grundlage für den Akt vom 20. September 1976 war, über den wir heute im Ratifikationsgesetz zu beschließen haben.



    Dr. Schäfer (Tübingen)

    Dieses Ratifikationsgesetz ist der große politische Vorgang, um den es sich hier handelt. Das andere ist innerstaatliche Umsetzung für den einmaligen Vorgang dieser Wahl. Es ist — ich darf es nochmal sagen — ein großer Vorgang und ein bedeutender Abschnitt in der Geschichte Europas. Es kann eine Zäsur werden. Ich sage vorsichtig: Es kann eine Zäsur werden.
    Davor und am Anfang gab es große Debatten über die Frage der Kompetenzen eines solchen Parlaments. Ich bin froh, daß man diese Frage ausgeklammert hat. Denn nach meiner Überzeugung wird es an diesem künftigen einzigen originär legitimierten Organ in Europa liegen, sich durch seine Leistungen die richtige Position zu erarbeiten. Die Aufgabe dieses Europäischen Parlaments wird es sein, politische Führung in die Hand zu nehmen und politisch integrierend zu wirken. Durch ein direkt gewähltes gesamteuropäisches Parlament muß das große Übel überwunden werden, das uns derzeit allen zu schaffen macht und das vom Herrn Außenminister und von Ihnen, Herr Lenz, mit anderen Worten gestreift wurde, nämlich daß auf europäischer Ebene nationale Politik gemacht wird.

    (Beifall bei der SPD und der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Dieses Europäische Parlament muß Impulse geben, die, wie ich schon sagte, politische Führung sind und die von der Bevölkerung aufgenommen werden können, damit dieses Parlament getragen werden kann. Hier wird jetzt in jedem Mitgliedsland die entscheidende Weiche gestellt werden. Alle Parteien haben erfreulicherweise erkannt, daß diese Direktwahl, die sehr wahrscheinlich im nächsten Jahr durchgeführt werden wird, zwar nach nationalen Gesetzen vorgenommen wird, aber politisch keine nationale Wahl mehr sein kann, sondern daß sich die verschiedenen Parteigruppierungen auf europäischer Ebene zusammenfinden müssen. Sie sind auch dabei, das Entscheidende zu tun, nämlich eine Wahlplattform für diese Wahl 1978 vorzulegen. Das ist, glaube ich, die entscheidende Arbeit und Leistung, die die deutschen Parteien jetzt erbringen müssen, zusammen mit den befreundeten Parteien in den anderen Mitgliedstaaten, nämlich eine Wahlplattform aufzustellen, in der deutlich wird: was muß europäische Politik sein? Dabei wird, davon bin ich überzeugt, sehr deutlich werden, wie groß und wie bleibend für die Zukunft der Spielraum der nationalen Politik sein kann und sein muß.
    Damit werden, so bin ich überzeugt, viele Sorgen derjenigen ausgeräumt werden, die meinen, die nationalen Belange kämen für die Zukunft zu kurz, es werde ein Superparlament geschaffen, das in die nationale Eigenheit hineinregiere. Nein! Dieses Europäische Parlament wird europäische Politik machen, und was europäische Politik sein wird, muß jetzt, vor der Wahl, in der Wahlplattform der Parteien deutlich werden. Das tun sie alle, und das ist richtig so.
    Das Europäische Parlament muß sich zum politischen Ziel setzen — und ich hoffe, wir unterstützen es alle dabei —, Repräsentant der Völker Europas zu werden, so wie es im EWG-Vertrag schon heißt,
    daß die Versammlung die Völker der Mitgliedstaaten repräsentiert. Es muß zum echten Repräsentanten der Völker Europas werden. Wenn das Parlament dies schafft, wenn es sich auf das begrenzt, was europäische Politik sein muß, dann ist die Frage des Budgetrechts, die Frage der Gesetzgebung automatisch, möchte ich fast sagen, eine Folge dieser Position. Kein anderes, bürokratisch arbeitendes Organ in der Europäischen Gemeinschaft kann sich dann dem entziehen, daß das Organ „Europäisches Parlament" die Rechte eines Vollparlaments an sich zieht und ausübt. Das ist unser Ziel.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das wollen wir in diesem Hause alle. Wir wollen, daß es ein wirkungsvolles Parlament wird.
    Ich bin froh, daß bislang nirgendwo etwas darüber gesagt wurde, wann denn das Parlament dieses Ziel erreiche. Denn das kann man nicht voraussagen. Da sind so viele Elemente und Momente drin, und da sind so viele Schwierigkeiten, die wir nicht voraussehen. Aber dieses Haus hat im Januar 1973 darüber debattiert und hat seinen einheitlichen Willen bekundet, daß wir diese Entwicklung wollen. Ich sage noch einmal: ich bin froh, daß bislang kein Zeitpunkt genannt wurde, und ich empfehle, es auch für die Zukunft nicht zu tun. Denn das Nennen eines Zeitpunktes birgt die Gefahr in sich, daß man, wenn man das Ziel zu dem Zeitpunkt nicht erreicht, eine politische Niederlage einstecken muß.
    Wenn wir uns das vergegenwärtigen, was ich eben über die Aufgabe des Europäischen Parlaments gesagt habe, dann ergeben sich daraus einige Folgerungen, für uns Sozialdemokraten die Folgerung, daß dieses Mitgliedsland Bundesrepublik — das einzige Mitgliedsland, das eine föderalistische Ordnung hat — im Gesamten dort auftritt. Dann ergibt sich für uns als selbstverständliche Folge, daß wir eine Bundesliste aufstellen.
    Herr Lenz, Sie sprachen von einigen nett vorgetragenen Überlegungen, Sorgen usw. Ich habe Verständnis, wenn ich die Debatte der letzten acht Tage bei der CDU/CSU verfolge, daß Sie natürlich Sorge haben, wie Sie eine gemeinsame Bundesliste aufstellen wollen.

    (Beifall bei der SPD)

    Aber das schaffen Sie allemal. Irgendwie werden Sie es schaffen. Natürlich bringt es bei Ihnen Probleme, aber vielleicht sind diese Probleme ganz förderlich.

    (Dr. Evers [CDU/CSU]: Das ist doch nicht sachlich, Herr Schäfer!)

    Auf jeden Fall liegt ein Widerspruch darin, Herr Lenz, wenn Sie davon sprechen, daß der Abgeordnete letztlich nur dem Gremium verantwortlich sei, das ihn als Kandidaten aufgestellt habe, niemandem sonst. Ob Landesliste, ob Bundesliste, die Kandidaten werden von Parteien aufgestellt. Ihre Bemerkung würde für den einen wie für den anderen Fall gelten. Und, Herr Lenz, ich denke, daß wir uns einig sind, daß Art. 38 für alle Abgeordneten gilt, daß sie nämlich Vertreter des ganzen deutschen Volkes sind.



    Dr. Schäfer (Tübingen)

    Wir meinen nun, die Aufstellung der Kandidaten sei eine sehr wichtige Sache.

    (Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU] : Da sind wir uns einig!)

    — Ja, ist eine sehr wichtige Sache. Ich sprach vorhin davon, daß dieses Europäische Parlament Repräsentant werden muß. Diese Repräsentanz muß durch Personen sichtbar werden. So hat der SPD-Vorsitzende Willy Brandt erklärt, daß er für die Wahlen zum Europaparlament kandidieren wolle, und damit deutlich gemacht, welchen Rang das Europaparlament für die Zukunft haben wird.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie haben es nicht gebracht, aber es ist eine Lieblingsidee aus Ihren Reihen, zu sagen, auch Landesminister müßten ins Europaparlament kommen können. Einverstanden, sie können kandidieren. Aber was ist das für ein Widerspruch, wenn ein Landesminister, seinem Eid als Minister folgend, für sein Land das Beste zu tun, dann gleichzeitig in Europa tätig sein soll? Er kommt doch selbstverständlich in einen Interessenkonflikt. Das geht nicht, und deshalb werden wir die Landesminister nicht zulassen und hier eine Inkompatibilität vorsehen, so daß sie nicht gleichzeitig ins Europaparlament gehen können. Ich denke, Sie haben Verständnis dafür, wenn Sie es sich noch einmal überlegen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Nein, haben wir nicht!)

    Meine Damen und Herren, ich sprach davon, daß es dieses Europäische Parlament selber in der Hand haben muß und wir es dabei unterstützen müssen, seine Position zu erlangen. Ich will Sie daran erinnern, daß nach der Reichsverfassung von 1871 der Reichstag eine sehr schwache Position hatte. Der Reichstag hat die politische Führung einfach durch die Art und Weise, wie er die politischen Probleme behandelt hat, in die Hand bekommen. Das Parlament kann also so verfahren und wird es tun müssen. Die politische Führung muß so stark sichtbar werden, daß man auch nicht die Kommission am Parlament vorbei bestellen kann. Derzeit kann das Parlament nur die Abberufung verlangen. Das Parlament muß so stark sein, daß es die Herrschaftsbestellung selbst vornehmen kann, auf jeden Fall aber gegen seinen Willen keine Herrschaftsbestellung möglich ist. Das Parlament muß eine Kontrolle ausüben — das kann es heute schon —, die so effektiv werden muß, daß in das, was meine Vorredner die Bürokratie von Brüssel genannt haben, hineingewirkt wird, daß man dieses Parlament nicht nur respektiert, sondern in vielen Dingen auch fürchtet, daß es nach dem Rechten sieht und daß es die Dinge auf die richtige Linie bringt. Wenn dieses Parlament diese Leistungen vollbringt, übernimmt es die politische Führung, und dann hat die Direktwahl mit der originären Legitimation einen neuen Ansatzpunkt geschaffen, wie es, soviel ich sehe, in der Geschichte noch keinen für ein Zusammenwachsen — ich bin sehr vorsichtig, ich sage nicht, in welcher endgültigen Form; auch darüber gibt es verschiedene Vorstellungen — dieser Staaten Europas gibt. Wir meinen bei allen besorgten Überlegungen, die man anstellen kann, daß wir alle Grund haben, dahin zu wirken, daß in diesem freien Teil Europas alle Demokratien Westeuropas und des freien Teils Europas ihre politische Heimat haben und dort festgefügt zusammenstehen. Das ist der Sinn dieser Politik.
    Meine Damen und Herren, unsere wichtigste Aufgabe ist nun, hinauszugehen und das deutlich zu machen, damit die Bevölkerung sieht, daß das nicht irgendeine Sache ist, die die Politiker da oben in Bonn ausgeheckt haben und die sich neben ihr vollzieht. Entscheidend wird eine hohe Wahlbeteiligung sein, und entscheidend wird sein, daß etwas von dem Elan am Ende der 40er Jahre, der damals dazu geführt hat, daß man den Europarat, daß man die Europäische Gemeinschaft bilden konnte, von uns aus in die Bevölkerung getragen wird.

    (Beifall bei der SPD und der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bangemann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Martin Bangemann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir heute davon sprechen, daß wir mit der Debatte über die Europawahlgesetze ein 20 Jahre altes politisches und vertragliches Versprechen einlösen, dann ist das nicht nur richtig, sondern sicher auch Anlaß dafür — und meine Fraktion möchte diesen Anlaß gern wahrnehmen —, dieser Bundesregierung und vor allen Dingen diesem Außenminister dafür zu danken, daß diese Zeit von 20 Jahren heute zu Ende geht.

    (Beifall bei der FDP — Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU] : Dafür kann die Bundesregierung auch nichts!)

    — Dies, Herr Lenz, wäre, so könnte ich mir vorstellen, auch der Opposition einmal möglich; denn wir sind uns in dem Ziel, die parlamentarische Demokratie in Europa fester zu installieren, durchaus einig, wenn ich mich nicht täusche.
    Wenn wir das Europäische Parlament direkt wählen, werden wir sicher auch eine Entwicklung einleiten, die für Europa selbst, nicht nur wegen der mangelnden demokratischen Legitimation, die oft beklagt wird, sondern auch wegen des langsamen Fortschritts der Integration nur nützlich sein kann. Es ist ganz offensichtlich: In dem Maße, in dem diese Integration fortschreitet, in dem Maße, in dem politische Entscheidungen in diesem Europa unmittelbare Wirklichkeit werden, muß natürlich angesichts der Tatsache, daß alle Mitgliedsländer parlamentarische Demokratien sind, die Verfassungsstruktur der Gemeinschaft geändert werden.
    Wir wissen alle, daß das nicht automatisch mit der Einführung der Direktwahl geschieht. Die Diskussion in Frankreich hat das auch ganz deutlich gemacht. Niemand will mit der Direktwahl automatisch eine solche Kompetenzverlagerung auf das Parlament vornehmen. Aber ganz sicher ist, daß diese Direktwahl der erste Schritt zur Abschaffung des demokratischen Defizits ist, unter dem die Euro-



    Dr. Bangemann
    päische Gemeinschaft leidet. Alles, was dazu gesagt werden kann, mangelndes Interesse des Bürgers, ausbleibende Unterstützung durch Parteien in diesem Bereich, ist nur Symbol für dieses demokratische Defizit.
    In diesem Zusammenhang muß man auch die Erweiterung der Gemeinschaft sehen. Bei der Erweiterung der Gemeinschaft um die hier genannten Länder Spanien, Portugal und Griechenland geht es nicht darum, eine Gemeinschaft einfach größer zu machen. Es ist also nicht der Gedanke der Größe, der maßgeblich sein kann. Umgekehrt darf aber auch nicht der Gedanke an wirtschaftliche Schwierigkeiten allein die Debatte bestimmen. Der allein entscheidende Gesichtspunkt muß vielmehr sein: Wie gelingt es uns, den Gedanken der Demokratie in Europa zu festigen? Das kann nicht nur der Gedanke eines closed shop von neun Mitgliedsländern sein, sondern dieser Gedanke muß in ganz Europa seine Wirksamkeit behalten. Dazu ist der Beitritt dieser Länder in die Europäische Gemeinschaft erforderlich.

    (Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Und die Funktionsfähigkeit!)

    Das ist nicht nur die Frage einer gewissen politischen Moral, aber auch. Ich kann mich erinnern, wie wir alle den Griechen gratulierten, als sie den sehr schwierigen Weg zurück von einer Diktatur hin zu einer Demokratie geschafft hatten. Wir alle wissen, daß das ein sehr viel schwierigerer Weg ist als der umgekehrte. Das gleiche gilt für unsere Gefühle gegenüber Spanien und Portugal. Nun geht es aber nicht an, diese Gratulationen auszusprechen und im selben Augenblick, wo diese Länder die notwendige und logische Konsequenz ziehen wollen und in die Gemeinschaft der demokratischen Länder aufgenommen werden wollen, ihnen die Hand zu schütteln und ihnen zu der wiedergewonnenen Demokratie zu gratulieren und zu sagen: Aber für die Aufnahme in die Europäische Gemeinschaft seid ihr zu arm, ihr seid zu arm für uns. Ich weiß, daß das im Kreis der hier Versammelten sicher nicht gesagt werden wird. Aber es gibt Leute, die diese wirtschaftlichen Schwierigkeiten aus vordergründigen Überlegungen so betonen, daß dieses demokratische Anliegen dabei vergessen wird. Das scheint uns unerträglich zu sein.
    Sicher ist auch eine hohe Wahlbeteiligung bei diesen Direktwahlen notwendig. Allein für sich genommen werden sie nicht ein Erfolg werden können. Die Parteien tun, was möglich ist, um eine solche hohe Wahlbeteiligung zu erreichen. Ich habe auch den Eindruck, daß bei uns in der Bundesrepublik andere Organisationen, die Gewerkschaften und Verbände, ihren Teil dazu leisten. Die Europa-Union ist mit Recht von einigen der Vorredner mit Dank und mit Anerkennung erwähnt worden. Sie hat in der Tat schon im Vorfeld dieser Direktwahlen einiges zur Mobilisierung der Bürger und Wähler getan. Was wir jetzt in dieser Debatte tun können, ist, den Versuch zu unternehmen, zu einem Höchstmaß an Gemeinsamkeit zu kommen.
    Es gibt strittige Punkte, und es gibt sicherlich auch unterschiedliche Auffassungen zu technischen
    Einzelheiten, zu Wahlrechtsmodalitäten, die letzten Endes ja auch Politik ausdrücken. Das ist richtig, Herr Lenz. Aber ich muß Ihnen ehrlich sagen: Ihre Rede hat mich etwas erstaunt. Wir haben seit Monaten einen doch nicht abreißenden Kontakt innerhalb der Fraktionen, mit dem Innenministerium und mit dem Außenministerium gehabt, um sicherzustellen, daß unsere eigene Debatte und die Auseinandersetzung um die strittigen Fragen in einer Art und Weise ablaufen kann, die nicht das Gefühl in der Öffentlichkeit erweckt, hier werde vordergründig um parteipolitische Interessen gekämpft, sondern es geht allen Fraktionen in erster Linie um Europa. Ich muß Ihnen leider sagen: Ihre Rede war kein Beitrag zu diesem Versuch.

    (Beifall bei der FDP — Zuruf von der SPD)

    — Das wundert mich doch etwas, weil ich den Kollegen Lenz sonst eigentlich anders kennengelernt habe. Deswegen war ich erstaunt, daß er beispielsweise meiner Fraktion vorgeworfen hat, wir wollten aus parteipolitischen Gründen ein System von Bundeslisten einführen, weil das System des geltenden Bundestagswahlrechts, das Sie befürworten, uns angeblich benachteiligt. Aber Herr Lenz, Sie wissen ganz genau, daß uns dieses System in keiner Weise —

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Das war nicht seine Bemerkung! — Dr. Kohl [CDU/CSU] : So hat er es nicht gesagt!)

    — Er hat gesagt, er habe Verständnis dafür, daß sich eine kleine Partei, die eine Handvoll Abgeordnete ins Europäische Parlament schicke, für diese Bundesliste erwärmen könne und nicht für Ihr System, weil Ihr System dieser Partei eben diese Möglichkeiten noch mehr beschneide. Herr Lenz, zunächst einmal klingt aus dieser Bemerkung die alte und völlig falsche und irrtümliche Vorstellung heraus, daß die Größe einer Fraktion allein schon Ausweis für Qualität politischer Argumentation sein könnte.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Sie pflegen doch nur Ihre alten Komplexe!)

    Nicht alles ist Gold, was glänzt, sagte Herr Lenz. Mit dem Blick auf die Opposition kann ich diesen Satz nur bestätigen. Ich muß Ihnen auch sagen, Herr Kohl: Wenn ich unsere Opposition zur Zeit der Großen Koalition mit Ihrer Opposition vergleiche, dann kann ich fast von einem Todenhöferschen Gesetz sprechen. Je größer die Zahl der Mitglieder der Opposition ist, um so wirkungsloser ist sie auch. Es hat keinen Zweck, den Versuch zu unternehmen —

    (Lachen bei der CDU/CSU — Dr. Kohl [CDU/CSU] : Wollen Sie die Debatte hier haben? Dann können wir sie heute hier führen!)

    — Wenn Sie diese Debatte so beginnen, Herr Kohl, dann werden wir so antworten. Das ist doch wohl selbstverständlich. Sie können doch nicht von mir erwarten, daß ich hier für meine Fraktion spreche



    Dr. Bangemann
    und die Ausführungen von Herrn Lenz unwidersprochen lasse, zumal sie auch sachlich unrichtig sind.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : „Zumal" ist gut! — Dr. Kohl [CDU/CSU]: Wo ist sie denn sachlich unrichtig?)

    — „Grad mach ich's Maul auf", wie der Stuttgarter Straßenbahnschaffner sagte. Ich werde Ihnen das beweisen; nun warten Sie doch einmal.
    „Sachlich unrichtig" : Gestern oder vorgestern haben zwei Kollegen Ihrer Fraktion, an deren Namen ich mich nicht mehr erinnern kann, behauptet, das System der Bundesliste verhindere eine Wahl in Berlin und schwäche dadurch die Stellung Berlins.
    — Sie nicken mit dem Kopf. Herr Lenz, Sie wissen ganz genau, Sie müßten es eigentlich wissen, daß das nicht der Fall ist, daß im § 28 des Europawahlgesetzes steht, daß das Berliner Abgeordnetenhaus die drei Berliner Abgeordneten wählt. In Berlin wird nicht nach einer Bundesliste oder einer Landesliste gewählt, sondern das Berliner Wahlverfahren ist das bisherige Wahlverfahren des Berliner Abgeordnetenhauses. Das würde nicht geändert werden, auch dann nicht, wenn wir Landeslisten einführten. Das, was Sie gesagt haben, Herr Lenz, ist sachlich so falsch, daß man sich immer wieder fragt: Warum sagen Sie das? Aber Sie eilen zum Mikrophon, Herr Lenz, und werden mir das jetzt mitteilen.