Rede:
ID0802900400

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 8029

  • date_rangeDatum: 26. Mai 1977

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    Plenarprotokoll 8/29 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 29. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1977 Inhalt: Verzicht des Abg. Dr. Glotz und des Abg Sund auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 2035 A Eintritt des Abg. Lambinus und des Abg Eickmeyer in den Deutschen Bundestag . 2035 A Erweiterung der Tagesordnung . . . . 2035 B Wahl des Abg. Glombig als Stellvertreter im Vermittlungsausschuß . . . . . . . 2035 B Wahl des Abg. Lemp als Vertreter im Europäischen Parlament . . . . . . . . . 2035 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Beschluß und Akt des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 20. September 1976 zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten der Versammlung — Drucksache 8/360 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (Europawahlgesetz) — Drucksache 8/361 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (Europaabgeordnetengesetz) — Drucksache 8/362 — Genscher, Bundesminister AA 2035 D Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU 2037 B Dr. Schäfer (Tübingen) SPD 2040 C Dr. Bangemann FDP 2042 C Dr. Dr. h. c. Maihofer, Bundesminister BMI 2046 C Seefeld SPD 2048 B Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU Deutschlandpolitik — Drucksachen 8/118, 8/255 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes — Drucksache 8/238 — Dr. Abelein CDU/CSU . . . . . . . . 2050 D Dr. Kreutzmann SPD . . . . . . . 2056 A Hoppe FDP 2061 B Franke, Bundesminister BMB . 2067 D, 2116 A II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1977 Dr. Zimmermann CDU/CSU . . . . 2078 D Dr. Schmude SPD 2083 B, 2121 B Jung FDP . . . . . . . 2087 B, 2131 C Baron von Wrangel CDU/CSU . . . . 2090 D Schulze (Berlin) SPD 2093 A Jäger (Wangen) CDU/CSU 2095 D Büchler (Hof) SPD 2099 C Graf Huyn CDU/CSU 2103 A Friedrich (Würzburg) SPD . . 2106 A, 2124 B Dr. Gradl CDU/CSU . . . . . . . . 2111 A Kunz (Berlin) CDU/CSU 2118 B Dr. Kohl CDU/CSU . 2123 C, 2124 A, 2128 A Wehner SPD 2123 D Straßmeir CDU/CSU . . . . . . . . 2124 C Dr. Ehmke SPD 2126 B Böhm (Melsungen) CDU/CSU 2129 A Schmöle CDU/CSU 2131 D Voigt (Frankfurt) SPD . . . . . . 2133 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über steuerliche Vergünstigungen bei der Herstellung oder Anschaffung bestimmter Wohngebäude — Drucksache 8/286 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/471 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses --- Drucksachen 8/453, 8/463 — Gobrecht SPD . . . . . . . 2136 A, 2139 A Dr. Voss CDU/CSU . . . . . . . . . 2137 A Frau Matthäus-Maier FDP . . . . . . 2140 C Köster CDU/CSU 2143 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes — Drucksache 8/370 — de Terra CDU/CSU . . . . . . . . 2145 D Horn SPD 2146 B Ludewig FDP 2146 D Fragestunde — Drucksache 8/458 vom 20. 05. 1977 — Umsiedlung der weißen Bevölkerung aus Südwestafrika im Falle der Machtübernahme der schwarzen Mehrheit nach Südamerika MdlAnfr A109 20.05.77 Drs 08/458 Niegel CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA 2072 A, B, C ZusFr Niegel CDU/CSU 2072 B Einheitliches Konzept der EG für die am 23. Mai beginnende 6. UN-Seerechtskonferenz sowie Sicherstellung der Fanggründe vor den Küsten Kanadas, Norwegens, der USA und Islands für die deutsche Fischerei nach Errichtung der 200-Seemeilen-Wirtschaftszone MdlAnfr A118 20.05.77 Drs 08/458 Dr. Müller-Hermann CDU/CSU MdlAnfr A119 20.05.e Drs 08/458 Dr. Müller-Hermann CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 2072 C, D, 2073 A, C ZusFr Dr. Müller-Hermann CDU/CSU . . 2072 D, 2073 B Benachteiligung deutscher Futtermittelhersteller beim Einkauf von Magermilchpulver bei EG-Ausschreibungen durch unterschiedliche Währungsberechnungen; Verwendung von Magermilchpulver zur Kälberfütterung über einen Beimischungszwang sowie Verbilligung des Magermilchpulvers für diesen Zweck MdlAnfr A63 20.05.77 Drs 08/458 Peters (Poppenbüll) FDP MdlAnfr A64 20.05.77 Drs 08/458 Peters (Poppenbüll) FDP Antw PStSekr Gallus BML 2073 D, 2074 A, C, D ZusFr Peters (Poppenbüll) FDP . . . 2074 A, B, C ZusFr Kiechle CDU/CSU . . . . . . . 2074 D Staatliche Verbilligung von Trinkmilch für Kindergärten und Schulen MdlAnfr A65 20.05.77 Drs 08/458 Frau Geier CDU/CSU Antw PStSekr Gallus BML . . 2075 A, B, C, D, 2076 A ZusFr Frau Geier CDU/CSU 2075 B ZusFr Kiechle CDU/CSU 2075 B ZusFr Susset CDU/CSU 2075 C ZusFr Würtz SPD 2075 C ZusFr Dr. von Geldern CDU/CSU . . . 2075 D ZusFr Stahl (Kempen) SPD 2075 D Deklarationsform für Gemengeteile bei Mischfuttermitteln MdlAnfr A66 20.05.77 Drs 08/458 Dr. von Geldern CDU/CSU Antw PStSekr Gallus BML 2076 A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1977 III Ermittlung der genauen Zahl der neugeschaffenen Ausbildungsplätze zur Kontrolle über die Angaben des Kuratoriums der Deutschen Wirtschaft für Berufsausbildung MdlAnfr A43 20.05.77 Drs 08/458 Heyenn SPD MdlAnfr A44 20.05.77 Drs 08/458 Heyenn SPD Antw PStSekr Engholm BMB . . . . . 2076 C, 2077 A, B, C, D, 2078 A ZusFr Heyenn SPD . . . 2076 D, 2077 A, B, C ZusFr Milz CDU/CSU 2077 D ZusFr Stahl (Kempen) SPD 2078 A Ausnutzung der Ausbildungskapazitäten bei Bundesbahn und Bundespost MdlAnfr A102 20.05.77 Drs 08/458 Walther SPD Antw PStSekr Engholm BMB . . . . 2078 B Nächste Sitzung 2147 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 2149* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1977 2035 29. Sitzung Bonn, den 26. Mai 1977 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 27. 5. Dr. Ahrens " 27. 5. Alber * 27. 5. Dr. Bangemann 27. 5. Dr. Bayerl * 27. 5. Dr. Becher (Pullach) 27. 5. Blumenfeld* 27. 5. Buchstaller *** 27. 5. Dr. Corterier *** 27. 5. Damm *** 27. 5. Fellermaier * 27. 5. Flämig *** 27. 5. Francke (Hamburg) 26. 5. Dr. Fuchs * 27. 5. Dr. Geßner *** 27. 5. Grüner 26. 5. Haase (Fürth) * 27. 5. von Hassel 27. 5. Dr. Hupka *** 27. 5. Dr. Jaeger *** 27. 5. Dr. Jahn (Braunschweig) * 27. 5. Katzer 27. 5. Dr. h. c. Kiesinger 26. 5. Dr. Klepsch*** 27. 5. Kunz (Berlin) *** 27. 5. Dr. Graf Lambsdorff 26. 5. Lange *** 27. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lenzer ** 27. 5. Lücker * 27. 5. Dr. Marx *** 27. 5. Mattick *** 27. 5. Möhring *** 27. 5. Möllemann *** 27. 5. Dr. Müller ** 27. 5. Dr. Narjes 27. 5. Neuhaus 27. 5. Neumann * 27. 5. Ollesch *** 27. 5. Pawelczyk *** 27. 5. Petersen 27. 5. Picard 27. 5. Dr. Reimers 27. 5. Schmidt (München) * 27. 5. Schmidt (Würgendorf) ** 27. 5. Dr. Schöfberger 27. 5. Schreiber * 27. 5. Schwabe * 27. 5. Dr. Schwarz-Schilling 27. 5. Dr. Schwencke (Nienburg)** 27. 5. Dr. Schwörer * 26. 5. Frau Schuchardt 27. 5. Sieglerschmidt * 27. 5. Dr. Starke (Franken) * 26. 5. Dr. Staudt 27. 5. Frau Steinhauer 27. 5. Frau Tübler 27. 5. Voigt (Frankfurt) *** 27. 5. Dr. Waigel 27. 5. Dr. Wallmann 26. 5. Frau Dr. Walz * 27. 5. Dr. Wendig 27. 5. Frau Will-Feld 27. 5. Dr. Wörner 26. 5. Dr. Zeitel 26. 5. Zeyer * 26. 5.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Carl Otto Lenz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Ich kann die Befriedigung der Bundesregierung verstehen, heute in diesem Hohen Hause den Beschluß des Rates über die Durchführung der Direktwahl des Europäischen Parlaments dem Deutschen Bundestag zur Ratifikation vorlegen zu können; denn der Versuch, ein Europäisches Parlament in direkter Wahl zu wählen, zieht sich, wie die Bundesregierung in ihrer Begründung zu Recht feststellt, wie ein roter Faden durch die Geschichte der europäischen Einigungsbemühungen. Gerade Christliche Demokraten waren daran an hervorragender Stelle beteiligt, wenngleich wir hier keinen Alleinvertretungsanspruch erheben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich selber hatte vor nunmehr 17 Jahren zum erstenmal Gelegenheit, im Jahre 1960 an der damaligen Verabschiedung des ersten Direktwahlprojekts des Europäischen Parlaments mitzuwirken. Ich freue mich, daß die damaligen Bemühungen nun ein Stück näher zur Realisierung gekommen sind.
    Meine Damen und Herren, diese Befriedigung kann natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, daß nicht alles Gold ist, was da glänzt. Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat die Sitzverteilung im Europäischen Parlament angesprochen. Wenngleich ich durchaus zugestehe, daß die neubeschlossene Sitzverteilung besser ist als die alte, so läßt sich doch nicht leugnen, daß sie vom Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit noch sehr, sehr weit entfernt ist. Ich will meine Anmerkung jetzt nicht an dem berühmten Luxemburger Beispiel mit sechs Abgeordneten für 300 000 Luxemburger aufhängen, sondern nur darauf hinweisen, daß die kleineren Mitgliedstaaten der Gemeinschaft mit insgesamt rund 31 Millionen Einwohnern über 86 Abgeordnete in diesem neuen Parlament verfügen, während die Bundesrepublik Deutschland mit der doppelten Zahl von Einwohnern deren nur 81 hat. Das ist keine Kritik an der Bundesregierung, sondern eine ganz nüchterne Feststellung. Ich fürchte, daß sich diejenigen, die der Entwicklung dieses Europäischen Parlaments zum Vollparlament Hindernisse in den Weg legen wollen, auf diese ungewöhnliche Art der Sitzverteilung berufen werden, um daraus Honig für ihre Argumente zu saugen. Herr Bundesminister des Auswärtigen, dies ist eine Befürchtung, die nicht nur wir haben, sondern die haben Sie ja selber in gewisser Weise in der Begründung angesprochen. Auch die Europa-Union weist in ihrer lesenswerten Schrift „22 Fragen zur Direktwahl" darauf hin. Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, das einmal kurz vorlesen:
    Je mehr das Europäische Parlament die Rolle eines voll handlungsfähigen Parlaments einnehmen wird, um so problematischer muß die Durchbrechung des Gleichheitsgrundsatzes werden.
    Ich merke das hier an, weil ich befürchte, daß diese Frage für die weitere Entwicklung eine große Rolle spielt.
    Lassen Sie mich zum zweiten Punkt kommen. Dabei bedauere ich eigentlich, daß ich vor dem Bundesminister des Innern sprechen muß und nicht erst nach ihm sprechen kann. Dieser zweite Punkt betrifft das Wahlgesetz. Bei diesem Wahlgesetz ist die zentrale Frage — darauf wurde in der ausgezeichneten Aussprache des Bundesrates sehr deutlich hingewiesen — die Frage des Wahlverfahrens. Die Bundesregierung schlägt uns hierfür ein Wahlsystem nach Bundeslisten vor. Meine Damen und Herren, das ist ein Novum in der deutschen Wahlrechtsgeschichte. Diese Bundeslisten schieben die Gliederung der Bundesrepublik Deutschland in Länder beiseite, worauf der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Herr Bernhard Vogel, im Bundesrat mit Recht hingewiesen hat. Im Bundesrat gab es eine große Mehrheit für die Ablehnung der Bundeslisten, eine Mehrheit, die weit über die Zahl der von der CDU und der CSU regierten Länder hinausging.
    Ein weiterer Punkt, den ich hier ansprechen muß, betrifft Berlin. Der Herr Bundesaußenminister hat dieses Thema im Zusammenhang mit dem ersten Gesetz kurz behandelt. Ich lasse das hier beiseite.



    Dr. Lenz (Bergstraße)

    Wir sind nicht glücklich darüber, daß nichts Besseres zu erreichen war. Die Lage ist nun einmal so. Aber, meine Damen und Herren, bei dem Wahlgesetz sind wir in der Gesetzesgestaltung durchaus frei; keine Alliierten haben uns etwas dreinzureden. Hier schlägt uns die Bundesregierung ein System vor, das die Bundesrepublik Deutschland — westlicher Teil Deutschlands — in klarer und scharfer Weise von Berlin trennt: Bundeslisten in Westdeutschland, eine Landesliste in Berlin. Die nach dieser Landesliste von Berlin gewählten Abgeordneten werden dann auch noch unglücklicherweise als Berliner Abgeordnete bezeichnet, was den Bundesrat veranlaßt hat, dagegen Einspruch zu erheben. Die Bezeichnung ist nun fallengelassen worden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Berlin gehört, meine sehr verehrten Damen und Herren, ebensogut zur Europäischen Gemeinschaft wie die Stadt Bonn. Es ist überhaupt nicht einzusehen, weshalb hier eine derart unterschiedliche Behandlung vorgenommen werden soll. Es ist übrigens sehr interessant, daß die Bundesregierung selbst — jedenfalls das Bundesministerium des Innern — diesen von mir hier vorgetragenen Standpunkt ursprünglich geteilt hat. In der Aufzeichnung des Bundesministeriums des Innern vom 8. September 1975 heißt es wörtlich: „Das Landeslistenmodell erscheint auch im Hinblick auf die Einbeziehung Berlins in die Direktwahl als das überzeugendste." Der Bundesminister des Innern hat uns einige Monate später — ich glaube, im Dezember war es — eine Denkschrift, die seine Unterschrift trägt, überreicht, in der noch einmal das gleiche — in etwas anderen Worten — steht.
    Meine Damen und Herren, wir sind in Verfolg des Viermächteabkommens gezwungen worden, die früher regelmäßigen Besuche dieses Hohen Hauses und seiner Ausschüsse in Berlin weitestgehend einzuschränken. Wir sind verpflichtet, dieses Abkommen zu respektieren. Aber da, wo wir Grund haben, darauf zu pochen, nämlich dort, wo es darum geht, die Bindungen und Verbindungen Berlins an den Bund zu stärken, auch da sollten wir es strikt einhalten und voll anwenden. Das geschieht hier nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Außerdem ist die Aufstellung von Bundeslisten so bürger- und mitgliederfern, wie es in der Bundesrepublik Deutschland nur eben möglich ist. Höher geht's nimmer.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU] : Das will man ja!)

    Es ist kaum möglich, daß ein auf einer Bundesliste gewählter Abgeordneter weiß, welchem Bürger wann und wo er für seine Tätigkeit im Europäischen Parlament Rede und Antwort zu stehen hat; denn sein Wahlkreis reicht von Flensburg bis nach Mittenwald und zum Bodensee. Er ist allen verantwortlich und damit im Ergebnis niemandem. Oder: Er ist demjenigen Gremium verantwortlich, das ihn aufgestellt hat,

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    d. h. der jeweiligen Bundesparteileitung, vielleicht gekoppelt mit der jeweiligen Bundestagsfraktion. Und so man in der Lage ist, in der Regierung zu sein, wird er am kurzen Zügel der Regierung sein. Das ist das Gegenteil des unabhängigen Abgeordenten, den sich die Christlich-Demokratische und ChristlichSoziale Union vorstellen

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und dessen Bild auch in dem kürzlich erstatteten Bericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform noch einmal einen überzeugenden Ausdruck gefunden hat.
    Schließlich ist es notwendig, um diese Abgeordneten überhaupt aufstellen zu können, neue Satzungsbestimmungen in sämtliche Parteisatzungen einzuarbeiten. Da es sich hier um interessante Positionen handelt, wird es natürlich darum einen Kampf geben müssen, wer sie aufstellt und wer wieviel Einfluß hat. Gerade das wird den Zeitpunkt der Herbeiführung der Wahl jedenfalls in Deutschland verzögern; denn solche Machtkämpfe müssen ausgetragen werden. Wenn der Herr Bundesaußenminister soeben von dem Zeitargument gesprochen hat, so spricht das gegen seine Bundeslisten und nicht dafür.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aus diesem Grunde hat die Europa-Union Deutschland in ihrem Beschluß vom 11. Dezember 1976 zur Gestaltung des deutschen Wahlrechts für die erste europäische Direktwahl gefordert:
    Die Europa-Union Deutschland setzt sich dafür ein, das Wahlrecht für die europäische Direktwahl so bürgernah wie möglich zu gestalten, um einen engen personalen und regionalen Bezug zwischen Wählern und europäischen Abgeordneten sicherzustellen. Sie hält daher Bundeslisten nicht für geeignet.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Christlich-Demokratische und Christlich-Soziale Union stellen demgegenüber die Anwendung des geltenden Bundestagswahlrechts zur Diskussion. Das geltende Bundestagswahlrecht mit seinen Landeslisten und direkt gewählten Abgeordneten gilt in ganz Europa fast als vorbildlich. Viele europäische Nachbarländer beneiden uns um dieses Wahlsystem. In Deutschland ist es unbestritten, weil es einen vernünftigen Ausgleich aller divergierenden Interessen möglich macht. Wenn man dieses Wahlsystem anwenden würde, würden die gesamten Probleme, von denen ich eben gesprochen habe, wie Spreu im Winde verwehen: Die Frage der neuen Parteisatzungen könnte durch eine schlichte Verweisung auf die Bestimmungen zur der Kandidaten bei Bundestagswahlen erledigt werden; der klare regionale Bezug wäre gegeben; die Frage von Berlin wäre nicht anders geregelt als im geltenden Bundestagswahlrecht. Damit wären eigentlich alle Einwendungen gegen dieses Bundeslistensystem ausgeräumt.
    Nun behauptet die Regierung immer, wir würden mit dem Problem Bremen und Saarland nicht fertig. Das kann nur daran liegen, daß die Regierung in



    Dr. Lenz (Bergstraße)

    I der neuen Wahlperiode nicht die Papiere aus der alten Wahlperiode gelesen hat.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Das kommt öfter vor!)

    Wenn sie nämlich in ihren Papieren vom September und Dezember 1975 — letzteres wiederum mit der Unterschrift von Herrn Maihofer — freundlicherweise einmal nachlesen würde, würde sie ja feststellen: erstens, daß dort das Landeslistenmodell als das geeignetste bezeichnet wird, und zweitens, daß durchaus interessante Vorschläge gemacht werden, wie man das Problem Bremen und das Problem Saarland lösen kann, die zugegebenermaßen bei nicht phantasievoller Gestaltung des Gesetzes sonst vielleicht mit keinem Abgeordneten vertreten wären. Es sind dort zwei Vorschläge gemacht. Es ist nicht einzusehen, weshalb die Bundesregierung ihre eigenen guten Gedanken von damals vergessen hat. Wenn sie schon einmal einen hat, dann sollte sie auch endlich daran festhalten.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich kann nur noch einmal wiederholen: Das Bundestagswahlrecht empfiehlt sich zur Anwendung, einmal weil es vorbildlich ist, und zum zweiten, weil wir es hier ja mit einem Übergangswahlrecht zu tun haben. Das Gesetz, das wir machen, soll ja nach dem Wunsch der Unterzeichner des Abkommens nur einmal zur Anwendung kommen, nämlich bei der ersten Direktwahl zum Europäischen Parlament, und danach
    durch ein europäisches Wahlsystem entweder in einem Schritt oder schrittweise ersetzt werden. Es empfiehlt sich doch nicht, bei einer solchen Gelegenheit eine Diskussion über Wahlrechtsystem und dergleichen zu eröffnen. Man nimmt das, was man hat, schneidet es auf den konkreten Sachverhalt zurecht, und wählt danach einmal, weil sich wirklich alle Probleme durch einen Hinweis auf das Bundestagswahlsystem lösen lassen. Man braucht niemanden zu instruieren. Die Handbücher sind sozusagen fertig gedruckt; Sie können die von 1976 alle noch einmal benutzen.
    Wenn ich sage, das geltende Bundestagswahlrecht berücksichtige alle Interessen, so berücksichtigt seine Anwendung auf die Europawahlen vielleicht nicht ganz — das gebe ich zu, und das anerkenne ich auch — die Interessen kleinerer Parteien wie der FDP. Ich gebe zu, daß es vielleicht umständlich sein mag, daß man in elf Ländern Landeslisten aufstellen muß — eine Bundesliste für eine solche Partei ist da einfacher —, wenn man nur eine Handvoll Abgeordnete ins Europäische Parlament zu entsenden hat. Aber ich frage mich, ob hinter diesem parteipolitischen Interesse der FDP die demokratischen, föderativen und nationalen Interessen dieses Volkes zurückgestellt werden sollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der FDP)

    — Ich höre aus dem lebhaften Echo von Ihrer Seite, daß ich offenbar am neuralgischen Punkt des Problems angekommen bin.

    (Fortgesetzte Zurufe von der FDP)

    Wir haben ja, meine Freunde, durch den Zeitplan, den wir miteinander vereinbart haben, noch bis zum Herbst Zeit, darüber nachzudenken, ob wir dies genauso machen, wie Sie es hier vorgeschlagen haben.
    Die übrigen Probleme des Wahlrechts will ich hier aussparen. Ich kann nur sagen, daß die bisherigen Diskussionen mich davon überzeugt haben — ich glaube, dem widerspricht auch niemand ernstlich —, daß alle Probleme durch die Anwendung des Bundestagswahlrechts zwanglos gelöst werden können, während Sie bei Anwendung des Bundeslistensystems neue Probleme aufwerfen, wie z. B. das Problem der Kandidatur von Gruppierungen, die nicht Parteien sind. Diesen Punkt sollten wir uns auch noch einmal sehr genau überlegen.
    Lassen Sie mich aber dieses Thema jetzt abschließen und noch zu einigen grundsätzlichen Bemerkungen kommen, die der Herr Bundesminister des Auswärtigen gemacht hat. Meine Damen und Herren, wir sind uns darüber im klaren, daß es in Europa schon bessere Zeiten gegeben hat, ein Europäisches Parlament zu wählen. Anfang, Mitte der 60er Jahre war die Zeit zweifellos außenpolitisch, wirtschaftspolitisch, innenpolitisch in den meisten europäischen Ländern besser als heute. Man kann nicht leugnen — der Bericht von Herrn Tindemans ist dafür lebhaftes Zeugnis —, daß wir uns im Augenblick in einer Zeit der Krise in der europäischen Einigungspolitik befinden. Deshalb haben schon manche die Frage aufgeworfen, ob Wir nicht den richtigen Zeitpunkt für die Einigung Europas schon verpaßt haben. Manche meinen sogar, daß wir angesichts der beunruhigenden innerpolitischen Entwicklungen in manchen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft das Wagnis einer engeren Bindung aneinander, die das Ziel der europäischen Direktwahl ist, nicht auf uns nehmen sollten. Aber wir können uns den günstigen Zeitpunkt für dieses Unternehmen nicht aussuchen. Wenn die Lage heute nicht günstig ist, wer sagt uns denn eigentlich, daß sie morgen günstiger sein wird? Es ist auch die Frage, ob wir unsere Lage verbessern, auch die Lage der europäischen Einigungspolitik, wenn wir die jetzt sich bietende Chance der europäischen Direktwahl ausschlagen und statt dessen auf andere Zeiten warten. Ich meine, dann, wenn man diese Überlegungen durchdenkt, kann man nur sagen: Die Gelegenheit, die sich jetzt bietet, muß ergriffen werden; wir müssen alles tun, damit diese Wahlen zum richtigen Zeitpunkt so bald wie möglich stattfinden.
    Natürlich, meine Damen und Herren, gibt es Probleme in Europa. Es gibt vor allen Dingen — darauf hat der niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht mit Recht hingewiesen - das Problem der geistigen Führung in Europa. Lange Zeit hatte diese geistige Führung die europäische Kommission unter Walter Hallstein inne, dem wir dafür an dieser Stelle noch einmal sehr herzlich danken sollten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Dr. Lenz (Bergstraße)

    In der Folgezeit hat die Regierung eines Mitgliedstaates eine ähnliche Rolle zu spielen versucht, doch auch davon ist nicht mehr viel spürbar.
    Es muß endlich etwas geschehen, damit Europa aus dem gegenwärtigen Zustand der endlosen Ministerkonferenzen über drittrangige Fragen und des Wustes von bürokratischen Papieren herauskommt. Alles, was der Herr Bundesminister des Auswärtigen dazu gesagt hat, kann ich nur voll und ganz unterstreichen, und das ist ja auch neulich bei der Verleihung des Karlspreises der Stadt Aachen an den Bundespräsidenten noch einmal unterstrichen worden.
    Ich teile auch die Auffassung des Herrn Bundesministers des Auswärtigen, daß ein Wahlkampf für das Europäische Parlament nicht mit den Themen geführt werden kann, die heute in Brüssel Gegenstand der Ratstagesordnungen sind. Man wird sich dabei wieder auf die hohen Ziele der europäischen Einigung konzentrieren müssen: Wir wollen gemeinsam die Verteidigung der Freiheit, wir wollen unseren Völkern die Chance des Wohlstandes durch einen gemeinsamen europäischen Markt geben, und wir wollen der Stimme Europas in der Welt wieder das Gewicht geben, das ihr gebührt. Darum geht es bei jenen Wahlen zum Europäischen Parlament. Ich glaube mit der Bundesregierung, daß von dieser Direktwahl neue Impulse für die europäische Einigung ausgehen können; denn, meine Damen und Herren, in Europa ist noch nie etwas wirklich Großes ohne die direkte Beteiligung der europäischen Völker geschaffen worden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir wissen aber auch, daß wir einen hohen Einsatz wagen. Scheitert das Experiment der europäischen Direktwahl, wird nicht nur der europäische, sondern auch der parlamentarische Gedanke eine Niederlage erlitten haben. Es kommt darauf an, all unsere Kräfte so einzusetzen, daß dies vermieden wird und daß die europäischen Direktwahlen zu einem Erfolg für die europäische und die parlamentarische Sache und damit für die Sache unseres Volkes werden. In diesem Geiste werden wir uns an den Beratungen über die vorgesehenen Gesetzentwürfe beteiligen.
    Lassen Sie mich zum Abschluß noch eine Bemerkung zum Problem der Erweiterung der Gemeinschaft machen, das ,der Herr Bundesminister des Auswärtigen hier aus aktuellem Anlaß angeschnitten hat. Meine Damen und Herren, wir wünschen, daß die Länder, die sich auf dem Wege zu einer demokratischen Gesellschaftsordnung befinden, so schnell und so eng wie möglich an die Europäische Gemeinschaft angeschlossen werden. Das gilt für Spanien, das gilt für Portugal, das gilt für Griechenland. Meine Freunde, wir sehen aber auch, daß die Handlungsfähigkeit der Europäischen Gemeinschaft bei der Erweiterung von Sechs auf Neun nicht gerade zugenommen hat,

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    und wir müssen die Frage stellen, wie sie bei einer
    Ausdehnung von Neun auf Zwölf zunehmen soll und
    ob das Ganze dann nicht ein Koloß auf tönernen
    Füßen werden wird, den jeder umstoßen kann, der nur genügend Energie dafür aufbringt.

    (Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/ CSU)

    Schon die Sechsergemeinschaft stellte ganz imperativ die Frage nach der Handlungsfähigkeit der Gemeinschaftsorgane, auch nach der Durchführung des in den Römischen Verträgen festgelegten Prinzips ,der Mehrheitsabstimmungen. Meine Damen und Herren, je mehr Mitgliedstaaten, desto weniger geht es ohne dieses Prinzip, und deshalb geht unsere Bitte an die Bundesregierung, bei ihren Bemühungen um die Erweiterung der Gemeinschaft, die wir unterstützen, der Frage der Handlungsfähigkeit der Europäischen Gemeinschaft die ihr gebührende Aufmerksamkeit zu schenken.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schäfer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Friedrich Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt es, daß wir heute im Bundestag in erster Lesung die drei Gesetze über die Direktwahl zum Europaparlament behandeln können. Diese Direktwahl zum Europaparlament war schon in den Römischen Verträgen vom 30. März 1937 vorgesehen.

    (Zurufe: 1957!)

    — 1957! Vielen Dank, Herr Kollege Stücklen; das war ein Lapsus linguae. — Dort heißt es in Art. 138 Abs. 3:
    Die Versammlung arbeitet Entwürfe für allgemeine unmittelbare Wahlen nach einem einheitlichen Verfahren in allen Mitgliedstaaten aus.
    Die Versammlung ist dem — wie schon erwähnt wurde — nachgekommen und hat 1960 den ersten Entwurf vorgelegt. Der Ministerrat, der nach der derzeitigen Regelung für die Beschlußfassung zuständig ist, hat den Entwurf nicht verabschiedet. Obwohl das Europäische Parlament wiederholt — 1967 und 1969 — gedrängt hat, kam es nicht zu dem erforderlichen Beschluß.
    Neue Initiativen entstanden erst, seit diese sozialliberale Koalition 1969 hier die politische Verantwortung übernommen hat und die Zeit dafür reif war.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich darf an die erste Gipfelkonferenz am 1. Dezember 1969 in Den Haag erinnern, bei der wesentliche Impulse für die Erweiterung der EG gegeben wurden. Ich darf weiter an die Beschlüsse von 1974 erinnern, als sich die Regierungschefs erstmals endgültig darauf einigten, daß allgemeine Wahlen zum Europäischen Parlament so bald wie möglich verwirklicht werden sollen. Es ging voran, und es nahm Formen an. Es kam zur Absichtserklärung des Europäischen Rats vom 1./2. Dezember 1975, der die Grundlage für den Akt vom 20. September 1976 war, über den wir heute im Ratifikationsgesetz zu beschließen haben.



    Dr. Schäfer (Tübingen)

    Dieses Ratifikationsgesetz ist der große politische Vorgang, um den es sich hier handelt. Das andere ist innerstaatliche Umsetzung für den einmaligen Vorgang dieser Wahl. Es ist — ich darf es nochmal sagen — ein großer Vorgang und ein bedeutender Abschnitt in der Geschichte Europas. Es kann eine Zäsur werden. Ich sage vorsichtig: Es kann eine Zäsur werden.
    Davor und am Anfang gab es große Debatten über die Frage der Kompetenzen eines solchen Parlaments. Ich bin froh, daß man diese Frage ausgeklammert hat. Denn nach meiner Überzeugung wird es an diesem künftigen einzigen originär legitimierten Organ in Europa liegen, sich durch seine Leistungen die richtige Position zu erarbeiten. Die Aufgabe dieses Europäischen Parlaments wird es sein, politische Führung in die Hand zu nehmen und politisch integrierend zu wirken. Durch ein direkt gewähltes gesamteuropäisches Parlament muß das große Übel überwunden werden, das uns derzeit allen zu schaffen macht und das vom Herrn Außenminister und von Ihnen, Herr Lenz, mit anderen Worten gestreift wurde, nämlich daß auf europäischer Ebene nationale Politik gemacht wird.

    (Beifall bei der SPD und der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Dieses Europäische Parlament muß Impulse geben, die, wie ich schon sagte, politische Führung sind und die von der Bevölkerung aufgenommen werden können, damit dieses Parlament getragen werden kann. Hier wird jetzt in jedem Mitgliedsland die entscheidende Weiche gestellt werden. Alle Parteien haben erfreulicherweise erkannt, daß diese Direktwahl, die sehr wahrscheinlich im nächsten Jahr durchgeführt werden wird, zwar nach nationalen Gesetzen vorgenommen wird, aber politisch keine nationale Wahl mehr sein kann, sondern daß sich die verschiedenen Parteigruppierungen auf europäischer Ebene zusammenfinden müssen. Sie sind auch dabei, das Entscheidende zu tun, nämlich eine Wahlplattform für diese Wahl 1978 vorzulegen. Das ist, glaube ich, die entscheidende Arbeit und Leistung, die die deutschen Parteien jetzt erbringen müssen, zusammen mit den befreundeten Parteien in den anderen Mitgliedstaaten, nämlich eine Wahlplattform aufzustellen, in der deutlich wird: was muß europäische Politik sein? Dabei wird, davon bin ich überzeugt, sehr deutlich werden, wie groß und wie bleibend für die Zukunft der Spielraum der nationalen Politik sein kann und sein muß.
    Damit werden, so bin ich überzeugt, viele Sorgen derjenigen ausgeräumt werden, die meinen, die nationalen Belange kämen für die Zukunft zu kurz, es werde ein Superparlament geschaffen, das in die nationale Eigenheit hineinregiere. Nein! Dieses Europäische Parlament wird europäische Politik machen, und was europäische Politik sein wird, muß jetzt, vor der Wahl, in der Wahlplattform der Parteien deutlich werden. Das tun sie alle, und das ist richtig so.
    Das Europäische Parlament muß sich zum politischen Ziel setzen — und ich hoffe, wir unterstützen es alle dabei —, Repräsentant der Völker Europas zu werden, so wie es im EWG-Vertrag schon heißt,
    daß die Versammlung die Völker der Mitgliedstaaten repräsentiert. Es muß zum echten Repräsentanten der Völker Europas werden. Wenn das Parlament dies schafft, wenn es sich auf das begrenzt, was europäische Politik sein muß, dann ist die Frage des Budgetrechts, die Frage der Gesetzgebung automatisch, möchte ich fast sagen, eine Folge dieser Position. Kein anderes, bürokratisch arbeitendes Organ in der Europäischen Gemeinschaft kann sich dann dem entziehen, daß das Organ „Europäisches Parlament" die Rechte eines Vollparlaments an sich zieht und ausübt. Das ist unser Ziel.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das wollen wir in diesem Hause alle. Wir wollen, daß es ein wirkungsvolles Parlament wird.
    Ich bin froh, daß bislang nirgendwo etwas darüber gesagt wurde, wann denn das Parlament dieses Ziel erreiche. Denn das kann man nicht voraussagen. Da sind so viele Elemente und Momente drin, und da sind so viele Schwierigkeiten, die wir nicht voraussehen. Aber dieses Haus hat im Januar 1973 darüber debattiert und hat seinen einheitlichen Willen bekundet, daß wir diese Entwicklung wollen. Ich sage noch einmal: ich bin froh, daß bislang kein Zeitpunkt genannt wurde, und ich empfehle, es auch für die Zukunft nicht zu tun. Denn das Nennen eines Zeitpunktes birgt die Gefahr in sich, daß man, wenn man das Ziel zu dem Zeitpunkt nicht erreicht, eine politische Niederlage einstecken muß.
    Wenn wir uns das vergegenwärtigen, was ich eben über die Aufgabe des Europäischen Parlaments gesagt habe, dann ergeben sich daraus einige Folgerungen, für uns Sozialdemokraten die Folgerung, daß dieses Mitgliedsland Bundesrepublik — das einzige Mitgliedsland, das eine föderalistische Ordnung hat — im Gesamten dort auftritt. Dann ergibt sich für uns als selbstverständliche Folge, daß wir eine Bundesliste aufstellen.
    Herr Lenz, Sie sprachen von einigen nett vorgetragenen Überlegungen, Sorgen usw. Ich habe Verständnis, wenn ich die Debatte der letzten acht Tage bei der CDU/CSU verfolge, daß Sie natürlich Sorge haben, wie Sie eine gemeinsame Bundesliste aufstellen wollen.

    (Beifall bei der SPD)

    Aber das schaffen Sie allemal. Irgendwie werden Sie es schaffen. Natürlich bringt es bei Ihnen Probleme, aber vielleicht sind diese Probleme ganz förderlich.

    (Dr. Evers [CDU/CSU]: Das ist doch nicht sachlich, Herr Schäfer!)

    Auf jeden Fall liegt ein Widerspruch darin, Herr Lenz, wenn Sie davon sprechen, daß der Abgeordnete letztlich nur dem Gremium verantwortlich sei, das ihn als Kandidaten aufgestellt habe, niemandem sonst. Ob Landesliste, ob Bundesliste, die Kandidaten werden von Parteien aufgestellt. Ihre Bemerkung würde für den einen wie für den anderen Fall gelten. Und, Herr Lenz, ich denke, daß wir uns einig sind, daß Art. 38 für alle Abgeordneten gilt, daß sie nämlich Vertreter des ganzen deutschen Volkes sind.



    Dr. Schäfer (Tübingen)

    Wir meinen nun, die Aufstellung der Kandidaten sei eine sehr wichtige Sache.

    (Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU] : Da sind wir uns einig!)

    — Ja, ist eine sehr wichtige Sache. Ich sprach vorhin davon, daß dieses Europäische Parlament Repräsentant werden muß. Diese Repräsentanz muß durch Personen sichtbar werden. So hat der SPD-Vorsitzende Willy Brandt erklärt, daß er für die Wahlen zum Europaparlament kandidieren wolle, und damit deutlich gemacht, welchen Rang das Europaparlament für die Zukunft haben wird.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie haben es nicht gebracht, aber es ist eine Lieblingsidee aus Ihren Reihen, zu sagen, auch Landesminister müßten ins Europaparlament kommen können. Einverstanden, sie können kandidieren. Aber was ist das für ein Widerspruch, wenn ein Landesminister, seinem Eid als Minister folgend, für sein Land das Beste zu tun, dann gleichzeitig in Europa tätig sein soll? Er kommt doch selbstverständlich in einen Interessenkonflikt. Das geht nicht, und deshalb werden wir die Landesminister nicht zulassen und hier eine Inkompatibilität vorsehen, so daß sie nicht gleichzeitig ins Europaparlament gehen können. Ich denke, Sie haben Verständnis dafür, wenn Sie es sich noch einmal überlegen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Nein, haben wir nicht!)

    Meine Damen und Herren, ich sprach davon, daß es dieses Europäische Parlament selber in der Hand haben muß und wir es dabei unterstützen müssen, seine Position zu erlangen. Ich will Sie daran erinnern, daß nach der Reichsverfassung von 1871 der Reichstag eine sehr schwache Position hatte. Der Reichstag hat die politische Führung einfach durch die Art und Weise, wie er die politischen Probleme behandelt hat, in die Hand bekommen. Das Parlament kann also so verfahren und wird es tun müssen. Die politische Führung muß so stark sichtbar werden, daß man auch nicht die Kommission am Parlament vorbei bestellen kann. Derzeit kann das Parlament nur die Abberufung verlangen. Das Parlament muß so stark sein, daß es die Herrschaftsbestellung selbst vornehmen kann, auf jeden Fall aber gegen seinen Willen keine Herrschaftsbestellung möglich ist. Das Parlament muß eine Kontrolle ausüben — das kann es heute schon —, die so effektiv werden muß, daß in das, was meine Vorredner die Bürokratie von Brüssel genannt haben, hineingewirkt wird, daß man dieses Parlament nicht nur respektiert, sondern in vielen Dingen auch fürchtet, daß es nach dem Rechten sieht und daß es die Dinge auf die richtige Linie bringt. Wenn dieses Parlament diese Leistungen vollbringt, übernimmt es die politische Führung, und dann hat die Direktwahl mit der originären Legitimation einen neuen Ansatzpunkt geschaffen, wie es, soviel ich sehe, in der Geschichte noch keinen für ein Zusammenwachsen — ich bin sehr vorsichtig, ich sage nicht, in welcher endgültigen Form; auch darüber gibt es verschiedene Vorstellungen — dieser Staaten Europas gibt. Wir meinen bei allen besorgten Überlegungen, die man anstellen kann, daß wir alle Grund haben, dahin zu wirken, daß in diesem freien Teil Europas alle Demokratien Westeuropas und des freien Teils Europas ihre politische Heimat haben und dort festgefügt zusammenstehen. Das ist der Sinn dieser Politik.
    Meine Damen und Herren, unsere wichtigste Aufgabe ist nun, hinauszugehen und das deutlich zu machen, damit die Bevölkerung sieht, daß das nicht irgendeine Sache ist, die die Politiker da oben in Bonn ausgeheckt haben und die sich neben ihr vollzieht. Entscheidend wird eine hohe Wahlbeteiligung sein, und entscheidend wird sein, daß etwas von dem Elan am Ende der 40er Jahre, der damals dazu geführt hat, daß man den Europarat, daß man die Europäische Gemeinschaft bilden konnte, von uns aus in die Bevölkerung getragen wird.

    (Beifall bei der SPD und der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)