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ID0800705200

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    Plenarprotokoll 8/7 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 7. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 19. Januar 1977 Inhalt: Begrüßung von Mitgliedern der türkischen Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates . . . . . . 152 D Nachricht vom Tode des früheren Abg. Freiherr von Kühlmann-Stumm 201 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen im Ältestenrat — Drucksache 8/32 — . . . . . . . . 127 A Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. von Weizsäcker CDU/CSU 127 B Dr. Ehmke SPD 133 B Dr. Bangemann FDP 140 C Genscher, Bundesminister AA 145 A Dr. Marx CDU/CSU 149 B Friedrich (Würzburg) SPD . . . . . . 159 D Hoppe FDP 167 D Graf Stauffenberg CDU/CSU 171 C Schmidt, Bundeskanzler . . . . . . 176 A Dr. Kohl CDU/CSU 186 C Leber, Bundesminister BMVg 191 B Dr. Wörner CDU/CSU . . . . 195 D, 197 A Spitzmüller FDP 196 D Möllemann FDP 197 B Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 201 D Pawelczyk SPD 206 D Jung FDP 212 B Lorenz CDU/CSU 214 D Mattick SPD 218 C Dr. Czaja CDU/CSU 221 B Dr. Kreutzmann SPD . . . . . . . 225 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen — Drucksache 8/35 — . . . . . . . . 166 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Einsetzung von Ausschüssen — Drucksache 8/36 — 166 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Wahl der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland im Europäischen Parlament — Drucksache 8/47 — 166 D II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Januar 1977 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Wahl der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats — Drucksache 8/48 — 167 A Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Mitglieder des Gremiums gemäß § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses — Drucksache 8/49 — 167 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 141 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 23. Juni 1975 über die Verbände ländlicher Arbeitskräfte und ihre Rolle in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung — Drucksache 8/10 — 167 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. Mai 1974 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Zypern zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen — Drucksache 8/11 — 167 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 30. August 1961 zur Verminderung der Staatenlosigkeit und zu dem Übereinkommen vom 13. September 1973 zur Verringerung der Fälle von Staatenlosigkeit — Drucksache 8/12 — 167 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ausführungsgesetzes zu dem Übereinkommen vom 30. August 1961 zur Verminderung der Staatenlosigkeit und zu dem Übereinkommen vom 13. September 1973 zur Verringerung der Fälle von Staatenlosigkeit (Gesetz zur Verminderung der Staatenlosigkeit) — Drucksache 8/13 — 167 C Nächste Sitzung 227 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 229* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Januar 1977 127 7. Sitzung Bonn, den 19. Januar 1977 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Januar 1977 229* Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 20.1. Dr. Aigner * 21. 1. Arendt 21. 1. von Hassel* 19. 1. Dr. Jahn (Braunschweig) 21. 1. Lücker * 21. 1. Lange * 19. 1. Müller (Mülheim) * 21. t. Richter *** 21. 1. Schulte (Unna) 19. 1. Dr. Schwencke ** 21. 1. Dr. Schwörer * 21. 1. Dr. Staudt 21. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
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    Bitte sehr.


Rede von Claus Jäger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Bundeskanzler, ich habe noch im Ohr, wie Sie bei Ihrer Rede in Helsinki erklärt haben, daß die Glaubwürdigkeit eines jeden einzelnen Regierungschefs, der hier unterschrieben habe, von der Verwirklichung dessen abhänge, was in dieser Schlußakte von Helsinki stehe. Werden Sie den Partei- und Regierungschef der Sowjetunion, der dort unterschrieben hat, bei seinem Besuch in der Bundesrepublik daran erinnern, daß ein Großteil seiner Glaubwürdigkeit durch die Weigerung, diese Punkte nun wirklich zu erfüllen, bereits geschwunden ist?




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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


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    Zum ersten muß ich Ihnen recht geben: Sie haben, wenn ich es recht beurteilen kann, mich aus dem Gedächtnis völlig korrekt zitiert; und ich bin heute derselben Meinung wie damals.
    Zum zweiten: Wenn Herr Breschnew nach Bonn kommt, werden wir in der Tat darüber reden. Allerdings würde ich mir den Ausdruck, er weigere sich, etwas zu erfüllen, was er unterschrieben habe, keineswegs — weder in diesem Gespräch noch hier im Deutschen Bundestag — zu eigen machen wollen, Herr Kollege. Eine solche Weigerungserklärung bliebe ja abzuwarten.

    (Lemmrich [CDU/CSU] : Sie haben eine andere Sprachregelung!)

    — Die Sowjets haben eine andere Sprache als wir, und Sie haben eine andere Sprache als wir. Und wenn die verantwortliche deutsche Bundesregierung mit Vertragspartnern so reden würde, wie Sie hier reden, wäre Schluß mit der Entspannung und mit dem Frieden in der Welt.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich greife in dem Zusammenhang ein Wort des Abgeordneten von Weizsäcker auf, der gesagt hat -
    und das war sicherlich eine sehr eingängige Formulierung —, es könne keine historischen Kompromisse mit Gegnern der Freiheit geben. Mir ist nicht ganz klar geworden, ob das innenpolitisch, außenpolitisch oder europapolitisch gemeint war.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Grundsätzlich!)

    Je nachdem, für welches Feld diese Bemerkung gefallen ist, muß man sie etwas differenziert bewerten. Natürlich braucht man, wenn man Frieden halten will, auch bei sich selbst den Willen zum Kompromiß mit Regierungen von Staaten mit völlig anderen Staats- und Gesellschaftsformen und völlig anderer Ideologie oder Philosophie. Wer diesen Kompromißwillen nicht aufbrächte, der würde in der Tat seine — um das Adjektiv noch einmal aufzunehmen — historische Aufgabe verfehlen.

    (Dr. von Weizsäcker [CDU/CSU] : Das war für die Europawahl gesagt, wie Sie wissen!)

    — Wenn ich es so auffassen darf, bin ich einverstanden. Es wäre aber gut, Sie würden das nächste Mal noch ein bißchen ausführlicher —

    (Dr. von Weizäcker [CDU/CSU] : Sie können es nachlesen, wenn Sie Lust haben!)

    — Herr Kollege, ich nehme das gern entgegen. Allerdings möchte ich dann wissen, was an demselben Vormittag die Bemerkung des Herrn Kollegen Marx bedeutet, wenn er warnt vor „Huldigungen gegenüber dem Kommunismus". Wer ist damit gemeint?

    (Wohlrabe [CDU/CSU] : Einige Ihrer Genossen!)

    Das ist doch dasselbe, wie wenn ich in einer großen
    deutschen Tageszeitung von der „Demut vor dem
    Kommunismus" lese, die „nicht zum Regierungsprogramm werden" dürfe.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Es wäre wirklich gut, wenn der Bundeskanzler zitieren könnte! Das ist eine Mindestanforderung an Siel)

    Da hat doch Professor Ehmke völlig recht gehabt: Ihr habt nichts anderes im Kopf als „Freiheit oder Sozialismus". Zu mehr reicht es geistig nicht.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Marx [CDU/CSU] : Der Bundeskanzler im Kaschemmenton! — Lemmerich [CDU/CSU]: Das muß bei Ihnen ja außerordentlich tief sitzen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Aber ich will Ihnen meine eigene Antwort hier nicht verschweigen: Das Verhältnis zu den Kommunisten ist auf den verschiedenen Ebenen — innerhalb des eigenen Staates, innerhalb Europas oder weltweit international — von drei verschiedenen Maximen zu prägen.
    Erstens. Um der Freiheit willen müssen wir im Innern unseres Staates Gegner der Kommunisten sein. Das bleiben wir; da lassen wir uns von Ihnen gar nichts vorexerzieren.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Zweitens. Um des Friedens in der Welt willen müssen kommunistische Staaten unsere Vertragspartner sein und werden.

    (Erneuter Beifall bei der SPD und der FDP)

    Drittens. Um der Demokratie und um des Fortschritts auf der Welt wegen müssen wir die Kommunisten als unsere Konkurrenten betrachten, denen gegenüber wir bessere Mittel, bessere Konzepte und bessere geistige und materielle Waffen und Ordnungen haben, um diese Konkurrenz zu bestehen.
    Ich möchte ein paar Bemerkungen machen, antwortend auf Herrn Marx und Graf Stauffenberg, zur aktuellen Deutschlandpolitik. Den Bericht zur Lage der Nation, Herr Abgeordneter Marx, der Anfang 1977 fällig gewesen wäre und der in den letzten Jahren jeweils im Januar abgegeben worden ist, habe ich mit der Regierungserklärung gegeben, wie Sie wissen. Aber ich habe verstanden, daß Sie noch mehr hören wollen. Natürlich ist die Regierung bereit, alle Auskünfte auf die Fragen zu geben, die ihr gestellt werden, und jede Debatte zu führen. Ich bin gerne bereit, heute etwas näher auf Fragen einzugehen, die Sie inzwischen gestellt haben. Wir haben auch gar keine Einwendungen — wie könnten wir? — gegen die von Ihnen heute angekündigte Große Anfrage.
    Wir haben den Bericht zur Lage der Nation im geteilten Deutschland aus praktischen Gründen mit der Regierungserklärung verbunden, weil wir so Gelegenheit hatten, die Deutschlandpolitik in ihrem Gesamtrahmen, in den sie doch gehört — sie ist doch nichts Isoliertes, nichts von der Außenpolitik zu Isolierendes, auch nichts von unserer eigenen Wirtschafts- oder Innenpolitik zu Isolierendes —, darzustellen. Wir haben deutlich zum Ausdruck gebracht — ich wiederhole das —, daß die Bundes-



    Bundeskanzler Schmidt
    regierung entschlossen ist, ihre Vertragspolitik fortzusetzen. Ich wiederhole auch, was ich damals schon hervorgehoben habe, daß sich die Bundesregierung dabei der Gegensätze und der Unterschiede zwischen den beiden deutschen Staaten und ihrer Gesellschaftsordnungen voll bewußt ist. Gerade deshalb waren — und das sage ich jetzt an die Adresse derjenigen, die uns in Ost-Berlin zuhören oder die dort lesen, was hier gesagt wird — die Ausführungen zur Lage der Nation sowohl realistisch als auch, wie ich denke, ausgewogen, denn die Kontinuität der Vertragspolitik ist nichts so Selbstverständliches angesichts von Belastungen, die eingetreten sind, und von Belastungen die denkbar wären, wenn man sehr schwarzseherisch in die Zukunft schaute. Sie ist nichts so Selbstverständliches, wie offenbar manche, sei es hier bei uns oder sei es in der DDR, zu glauben scheinen.
    Auf der anderen Seite ist das Bekenntnis zur Fortsetzung der Vertragspolitik keine rhetorische Formel. Ich gehe davon aus, daß die Führung der DDR sich dessen durchaus auch bewußt ist. Gerade deshalb waren mancherlei Äußerungen aus der DDR zum Text unserer Regierungserklärung vom 16. Dezember unangemessen. Wie aus meinen Worten zu entnehmen sein soll, z. B. daß wir die Vertragspolitik „zum Werkzeug revanchistischer Pläne" zu machen beabsichtigen, das bleibt das Geheimnis der offiziösen Polemiker in der Redaktion des „Neuen Deutschland". Aus der Regierungserklärung ist eine Begründung für derartige Behauptungen weiß Gott nicht abzuleiten. Derartige Außerungen aus der DDR zur Politik der Bundesregierung sowie auch die in der Zwischenzeit von seiten der DDR verfügten Maßnahmen sind ja auch gar nicht aus unserer Politik heraus zu erklären, sondern vielmehr nur aus der Situation der DDR und ihrer Führung zu erklären.
    Immer noch gehen wir davon aus, daß beide Seiten ein Interesse an dem weiteren Ausbau der Beziehungen haben. Es ist allerdings nicht zu verkennen, daß in der DDR das Gewicht jener zuzunehmen scheint, welche die Interessen ihres Staates von einem isolierten Standpunkt aus beurteilen und dabei außer acht lassen, daß ein gutes Verhältnis zu allen Nachbarstaaten die grundlegende Voraussetzung der Entspannungspolitik in Europa ist, zu der sich doch auch die Führung der DDR bekennt.
    Nun ein Wort zu uns selbst im Deutschen Bundestag: Ich wäre froh, wenn wir in diesen sehr diffizilen und heiklen Fragen darauf verzichten könnten, hergebrachte Klischees, vorfabrizierte Formeln immer nur zu wiederholen, mit denen wir in Wahrheit unser Verhältnis zur DDR nur verdecken, wobei lediglich der Anschein erweckt wird, als ob wir die Probleme wirklich benennten. Ich würde dafür sein, daß man jedenfalls insoweit aufeinander zugeht, daß man ohne gegenseitige Rechthaberei im Parlament diesen schwierigen Komplex der Probleme gegenüber der DDR miteinander behandelt.
    In diesem Verständnis möchte ich z. B. die 8 Millionen Einreisen aus Westdeutschland und West-Berlin in die DDR allein im Lauf des letzten Jahres sehen. Das ist nur einer der sehr wichtigen und
    I beachtlichen Posten in der Bilanz der Bemühungen der beiden Staaten um eine Normalisierung ihres Verhältnisses. Aber dies ist z. B. ein Punkt, an dem man mitsehen muß, daß die DDR, eingebunden in den Warschauer Pakt, ein kommunistischer Staat mit, grob gerechnet, 17 Millionen Einwohnern ist. Wenn dem dann 8 Millionen Einreisen aus dem „Westen", wie man dort zu sagen pflegt, gegenüberstehen, bringt dies natürlich für die dortige Führung, für die kommunistische Regierung jenes Staates einen Komplex von politischen und psychologischen Problemen mit sich, allerdings von Problemen, die sich aus ihrem staatlichen und gesellschaftlichen System ergeben.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: So ist es!)

    Dieses letztere jedoch sollte, wie ich denke, auch die Opposition bei der öffentlichen Einschätzung der tatsächlichen, der realen Möglichkeiten berücksichtigen. Es ist ja so, daß sich in Westdeutschland manchmal Illusionisten als Realisten ausgeben, die am liebsten das erreichte Maß an Normalisierung — ich sage, an relativer Normalisierung — leugnen möchten oder gar diffamieren und die in Wahrheit realistische Haltung der Bundesregierung und ihrer Vorgängerinnen im Umgang mit der DDR als Leisetreterei oder als Zaghaftigkeit denunzieren. Wer aber gegenüber diesem zügigen, zielstrebigen, im Ton in aller Regel gemessenen, wenn notwendig, auch einmal scharfen, aber eben im Ton in aller Regel der Sache angemessenen Vorgehen, wer gegenüber diesem schrittweisen, zähen Bemühen meint, große Knüppel nicht nur androhen zu sollen — das ist ja schon schlimm genug —, sondern sich vielleicht selber darin täuscht, daß diese auch benutzbar wären, wer sie im Ernst benutzen wollte, der muß wissen, daß er damit anderen Menschen im anderen deutschen Staat Vorwände, für manche vielleicht sogar willkommene Vorwände, liefert, um das wieder rückgängig zu machen, was wir an menschlichen Erleichterungen, an menschlichen Verbindungen in der einen deutschen Nation mühselig genug zustande gebracht haben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Zu den jüngsten Maßnahmen der DDR, die den Viermäditestatus von Berlin berühren, haben die dafür zuständigen Drei Mächte nach Konsultation mit der Bundesregierung das Erforderliche getan. Wir halten es für bedeutsam, daß die Drei Mächte erneut klargemacht haben, daß der Viermächtestatus für ganz Berlin, also auch für Ost-Berlin, gilt und daß jeder Versuch, daran einseitig etwas zu ändern, sowohl eine Verletzung der Rechte und Verantwortlichkeiten der Alliierten wie des Viermächteabkommens vom 3. September 1971 darstellen würde. Dies ist unsere gemeinsame Rechtsauffassung.
    Nun aber noch ein Wort zu den anderen Vorgängen, mit denen uns die DDR in den vergangenen Wochen konfrontierte. Es muß der DDR ungeschminkt und mit aller Deutlichkeit erneut gesagt werden, daß die Ausweisung des Fernsehkorrespondenten Loewe und die Kontrollmaßnahmen gegen die DDR-Besucher der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland entspannungswidrig sind und daß sie unsere Beziehungen zur DDR



    Bundeskanzler Schmidt
    schwer belasten. Die DDR kannte bei Abschluß des Grundlagenvertrages unsere Auffassung von Journalismus, und sie hat sich in dieser Kenntnis bereit erklärt, die Arbeit von Journalisten aus der Bundesrepublik in der DDR zuzulassen. Diese Arbeit wird sicherlich nicht mit derjenigen von Journalisten in einem demokratisch-parlamentarischen Staat vergleichbar sein. Wir, durch deren Politik die Voraussetzungen für solche Berichte aus dem anderen deutschen Staat überhaupt erst geschaffen wurden, haben uns — wie die Korrespondenten selbst — in unserer Arbeit mit der Kritik der Vertragsgegner an den Beschränkungen auseinanderzusetzen. Für die Befürworter der Vertragspolitik wie für die Gegner gilt also das gleiche.
    Die angebotenen Lösungen zwischen beiden deutschen Staaten, meine Damen und Herren, können so, wie die Welt ist, niemals voll befriedigen. Aber sie sind gegenwärtig eben doch deutlich besser als der frühere Zustand, z. B. zu Zeiten früherer Bundesregierungen, wo es gar keine westdeutschen Korrespondenten in Ost-Berlin gab.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Der DDR muß andererseits klar sein, daß zur internationalen Anerkennung, die sie gesucht und gefunden hat,

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Die sie von uns bekommen hat!)

    auch die Fähigkeit zum Zusammenleben mit kritischen Journalisten gehört.
    Nun hat sich die DDR zuletzt entschlossen, mit polizeilichen Maßnahmen unmittelbar auf die Arbeitsmöglichkeiten unserer Vertretung bei der DDR einzuwirken. Für die Mitarbeiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland muß ich mit großer Deutlichkeit sagen: Sie halten sich in ihrer Arbeit strikt innerhalb der ihnen gezogenen Grenzen. Sie mischen sich nicht in die inneren Angelegenheiten der DDR ein. Sie leisten Hilfe und Beistand für Deutsche aus dem Bundesgebiet und aus Berlin-West, wie es ihre Aufgabe und ihr Recht ist.
    Nun gehört es allerdings zu den Fakten in Deutschland, daß Hilfe und Beistand für Bürger der Bundesrepublik Deutschland oft auch Bewohner der DDR angeht. Unsere Ständige Vertretung hat ihre ganze Arbeit seit zweieinhalb Jahren darauf gerichtet, die Normalisierung, so schwer sie auch herzustellen ist und soviel Zeit wir dafür auch brauchen, zu fördern. Dies gilt auch und gerade für die nüchternen und sachlichen Auskünfte, die Bewohnern der DDR, welche dort vorsprechen, gegeben werden.
    Es hat in den letzten Tagen verstärkt ZurückWeisungen von Personen mit gültigen Einreisepapieren gegeben. Die Bundesregierung beobachtet diese Vorgänge mit großer Aufmerksamkeit. Sie wird alles Notwendige tun, damit der Reiseverkehr nicht erschwert wird.
    Die jüngsten Maßnahmen der DDR wie die gegenüber der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland und andere sind Schikanen. Sie sind zugleich Zeichen eines Mangels an Selbstsicherheit der politischen Position der DDR-Führung. Wir dürfen und werden solche Vorgänge nicht einfach herunterschlucken, habe ich gesagt. Wir dürfen und werden uns aber auch durch Scharfmacherei von jenseits oder von diesseits der innerdeutschen Grenze

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das ist doch unvergleichlich!)

    in unserer auf Entspannung und Normalisierung gerichteten Politik nicht beirren und von ihr nicht abbringen lassen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Denn wenn wir uns davon abbringen ließen, wenn wir uns darin beirren ließen, so würde das in der Konsequenz vielen Menschen schaden, auch sehr vielen Menschen in der DDR, weil es deren Regierung Vorwände für weitere Verhärtungen liefern würde.
    Die Bundesregierung erwartet, daß sich die Regierung der DDR an ihre eigenen Erklärungen hält, trotz der unterschiedlichen Grundvoraussetzungen einen Ausgleich der Interessen zu versuchen.
    Ich sagte, unsere Beziehungen zur DDR sind derzeit belastet. Ihre Qualität ist ja nicht allein an den wirtschaftlichen Verbindungen zwischen den beiden deutschen Staaten, die sich befriedigend entwickeln, zu messen. Diese wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen bedürfen dringend einer Ergänzung im Bereich des Politischen. Wir sind nicht nur bereit, wir sind auch gegen Widerstand entschlossen, die Normalisierungspolitik fortzusetzen. Wir sind mit der Normalisierung vorangekommen. Seit — ich wiederhole das — Bundeskanzler Brandt und der Minister des Auswärtigen, Scheel, in voller Abstimmung mit unseren Alliierten die Entspannungspolitik der Bundesrepublik begonnen haben, ist auf manchen Gebieten mehr erreicht worden — wenn Sie ehrlich sind, würden Sie jetzt wenigstens mit dem Kopf nicken —, als man vorher gehofft hatte, als Sie vorher gehofft hatten, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ebenso ist wahr — auch das soll nicht verschwiegen werden —, daß auf anderen Gebieten unsere Erwartungen bisher nicht erfüllt worden sind.
    Nun bitte ich aber doch die Opposition, wobei ich versuche, den ruhigen Tonfall beizubehalten

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    — es fällt nicht immer leicht, das gebe ich zu —, sich einmal untereinander Rechenschaft darüber zu verschaffen, um dann später das Ergebnis im Deutschen Bundestag vorzutragen, welch andere Politik nach der, die Sie bis 1966 versucht hatten, und derjenigen, die wir bis heute geführt haben, welch andere, dritte Politik Sie eigentlich dem deutschen Volke hüben und drüben in Vorschlag bringen wollen. Das möchten wir gern einmal wissen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    In Wahrheit haben Sie bisher eine Alternative nicht vorgeschlagen. Sie haben allerdings auch nicht gesagt, man müsse zu der Politik zurückkehren, wie sie bis zur Mitte der sechziger Jahre geführt wor-



    Bundeskanzler Schmidt
    den ist. Das haben Sie auch nicht gesagt, das will ich einräumen. Vielleicht liegt es daran, daß Sie im Grunde doch spüren oder manche bei Ihnen im Grunde sogar wissen, daß eine prinzipiell andere Politik gar nicht möglich ist, weder gegenüber dem Osten möglich ist noch im Verein mit unseren westeuropäischen und nordamerikanischen Verbündeten möglich wäre. Der Frieden in Europa verlangt, daß niemand Unsicherheiten verstärkt, daß niemand Entwicklungen, die ihre Zeit brauchen, stört, und daß niemand Feuer schürt. Die Bundesregierung wird mit Geduld, mit Offenheit, frei von Illusion, frei von der Gefahr des Selbstbetruges ihre Entspannungspolitik fortsetzen. Sie möchte aber auch der Opposition anraten, die Gefahr des Selbstbetruges zu vermeiden. Weder Fackelzüge, von denen Herr Genscher wohl schon sprach, noch ultimative Forderungen können zur Normalisierung in Mitteleuropa beitragen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Wohlrabe [CDU/CSU] : Auch Fackelzüge haben ihren Wert!)

    Einer Ihrer Sprecher hat eine Bemerkung hinsichtlich Berlins gemacht. Ich darf darauf hinweisen, daß in der Regierungserklärung die Verpflichtung der Bundesregierung bekräftigt worden ist, mit den Drei Mächten zusammen die Lebensfähigkeit Berlins aufrechtzuerhalten und zu stärken. Wir nehmen diese Verpflichtung ernst, und auch unsere Verbündeten nehmen diese Aufgabe ernst.
    Wenn in der nächsten Woche auf unsere Anregung hin der Vizepräsident der Vereinigten Staaten von Amerika gemeinsam mit Herrn Kollegen Genscher bei seiner ersten Auslandsreise Berlin besuchen wird, so ist dies mehr als ein Routinebesuch, es ist ein wichtiges Zeichen dafür, daß die amerikanische Schutzmacht nach wie vor zu ihrem Engagement für diese Stadt steht.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Wohlrabe [CDU/CSU] : So weit so gut! Aber die Bundeshilfe wird gekürzt!)

    Außer dem Besuch des Präsidenten Kennedy haben wir 1961 den Besuch des amerikanischen Vizepräsidenten Johnson, 1967 den des Vizepräsidenten Humphrey, 1976 den des Vizepräsidenten Rockefeller in Berlin gehabt, und wir freuen uns, daß die neue amerikanische Regierung gleich zu Beginn ihrer Arbeit diese Tradition sichtbar fortsetzt und auf diese Weise die Kontinuität der amerikanischen Berlinpolitik bekräftigt.
    Die Bundesregierung ist in der Tat entschlossen, die in der Regierungserklärung aufgezeigten Wege zu einer Lösung der besonderen Probleme Berlins weiterhin zielstrebig anzugehen. Sie weiß, daß es nicht nur darum geht, die Probleme zu lösen, denen sich jede Großstadt in der Bundesrepublik Deutschland mehr oder weniger ausgesetzt sieht. Berlin ist nicht eine Stadt wie jede andere; das ist ein Mißverständnis. Vielmehr gilt es, auch die besondere Lage zu berücksichtigen, in der sich Berlin in der Nahtstelle zwischen zwei verschiedenen Machtgruppen befindet.
    Aber es ist auch nicht eine Aufgabe, die der Senat oder das Abgeordnetenhaus von Berlin oder der Bundestag oder die Bundesregierung allein bewerkstelligen könnten. Deswegen habe ich mir soviel Sorgen gemacht und Mühe gegeben,

    (Wohlrabe [CDU/CSU] : Und die Bundesmittel gekürzt!)

    mit großen Unternehmungen in unserem Lande zu sprechen, um sie auf das aufmerksam zu machen —und ich wiederhole es von dieser Stelle aus —, was sie dazu beitragen können, damit das geschieht, was ich die wirtschaftliche Vitalisierung dieser Stadt nenne. Die Stadt braucht privatwirtschaftliche Investitionen. Große Unternehmen der Bundesrepublik und mittlere und kleine sollten sich engagieren.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Jeder Unternehmensleitung — sei es ein kleines Unternehmen oder ein mittleres oder ein ganz großes —, die sich einen solchen Entschluß erarbeiten kann, sollten wir dankbar sein. Sie sollte gewiß sein, daß sie damit einen sehr ernst genommenen Beitrag zur Lösung von Problemen leistet, die ich nicht in extenso hier ausbreiten will, die aber diejenigen, die in Berlin arbeiten, die von Berlin aus hierher geschickt sind oder die sich mit Berlin beschäftigen, ja sehr wohl kennen.
    Zusammenfassend darf ich noch einmal die Frage aufgreifen: Was eigentlich, Herr Abgeordneter Kohl, haben Ihre ersten drei Redner heute an neuer Politik, an anderer Politik geboten? Sie haben viel kritisiert, das ist Ihr Recht und Ihre Pflicht. Sie haben Fragen gestellt, das ist Ihr Recht und Ihre Pflicht. Aber was ist eigentlich der Punkt oder was sind die Punkte, an denen Sie sagen möchten: „Dieses wollen wir — anders als bisher, wir begnügen uns nicht damit, zu sagen, das Bisherige sei alles schlecht oder zu wenig oder zu gering, sondern dies wollen wir, die christlich-demokratische Opposition." Welches sind eigentlich die Punkte, an denen Sie das dem deutschen Volk, das uns zuhört, einmal verständlich machen?

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    In einer großen deutschen Tageszeitung, die im allgemeinen eigentlich der Opposition im Bundestag eher wohl will,

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Noch mehr als Sie?)

    habe ich vor ein paar Tagen gelesen — aus der Feder von Herrn Reißmüller —, daß die Antithese der Opposition doch nicht nur einfach nein lauten könne. Wenn die Opposition der Regierung nichts als ein vielfältiges, nein, vervielfältigtes Nein entgegenzusetzen hätte, dann verweigerte sie den Wählern von vornherein die Chance, zwischen jeweils zwei Antworten zu wählen. Eine solche Opposition, schrieb Herr Reißmüller, verfehlt ihre Aufgabe, verurteilt sich dazu, nur von Fehlern der Regierung und vom eigenen Glück zu leben.

    (Wohlrabe [CDU/CSU] : Dann aber ganz vorlesen!)




    Bundeskanzler Schmidt
    Auf beides müssen Sie hoffen, das stimmt. Sie müssen auf Glück hoffen, insbesondere nach Kreuth brauchen Sie eine ganze Menge Glück, daß Sie nicht wieder nach Kreuth zurückkehren.

    (Beifall bei der SPD)

    Und Sie müssen auf Fehler der Regierung oder der Koalition hoffen. Sie wird sicherlich auch Fehler machen. Sie hat auch bisher schon welche gemacht; das kommt vor, ja sicher.

    (Lachen und Beifall bei der CDU/CSU)

    — Das ist doch typisch, daß das die einzige Stelle ist, an der Sie sich zu Beifall aufraffen können.

    (Heiterkeit bei der SPD)

    Sie hätten mal lieber zustimmen sollen, als ich den Führer der Opposition bat, die konkrete Alternative seiner Politik dem deutschen Volke vorzutragen. Da hätten Sie Ihre Zustimmung geben sollen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Der Oppositionsführer hat, weil er keine Alternative hat, die heutige Debatte mit einem großen Interview in der „Bild" -Zeitung garniert, 19. Januar. Überschrift: „Große Koalition? Kohl: Ja — Sie haben schon vorgefühlt".

    (Lachen bei der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: Waren Sie auch dabei?)

    Nun haben wir ja schon erlebt, Herr Kohl, daß Sie sogar Namensaufsätze in der „Bild"-Zeitung, die mit Ihrem Namen gezeichnet waren, später als nicht von Ihnen stammend bezeichnet haben. Aber ich nehme an, dieses Interview ist wirklich echt.

    (Beifall bei der SPD)

    Da sagen Sie — in Gänsefüßchen steht es hier jedenfalls —: Sie halten zwar nichts von dem Gerede. „In der SPD gibt es aber zwei Gruppen, die von einer Koalition reden: die eine Gruppe, die nur darüber redet, um die FDP zu zähmen, die andere Gruppe, die im Augenblick hier in Bonn an der Macht ist, möchte tatsächlich die Große Koalition —
    auf lange Frist, steht hier sogar —, um die innerparteiliche Lage in der SPD unter Kontrolle zu bringen."

    (Lachen bei der SPD und der FDP)

    Ja, mit solchen Sachen kann man es nur machen wie jener Preußenkönig: Man muß es niedriger hängen oder vorlesen, damit jeder diesen Unfug zur Kenntnis nehmen kann, nicht wahr?

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Marx [CDU/CSU] : Das ist die Art von Schmidt!)

    Und dann fragt die „Bild"-Zeitung: „Hat bei Ihnen schon jemand von der SPD vorgefühlt?" Kohl: „Ja, vorgefühlt wird immer wieder von den verschiedensten Seiten."

    (Lachen bei der SPD — Zuruf von der SPD: Bloß wo?)

    Und dann fragt die „Bild"-Zeitung: „Können Sie Namen nennen?" Kohl: „Das können Sie nicht von mir verlangen."

    (Lachen bei der SPD)

    Ich will Ihnen etwas sagen: Unter anständigen Menschen verlange ich von Ihnen, daß Sie Namen nennen, wenn Sie solche Behauptungen in die Welt setzen!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD — Beifall bei der FDP — Lachen bei der CDU/CSU)

    Sie brauchen ja, Herr Abgeordneter Kohl, bei Ihrer Antwort nicht gleich so weit zu gehen wie in der Presseerklärung der CDU vom 6. Oktober, wo Sie feststellen ließen, daß Sie niemandem irgendwo hineinkriechen, weder im Norden noch im Süden. So weit brauchen Sie mir gegenüber nicht zu gehen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich muß aber auch zu den übrigen Spekulanten über Koalitionsmechaniken noch ein Wort sagen. Manche dieser Leute, die da über die sozialliberale Koalition spekulieren, übersehen eines: daß diese sozialliberale Gesetzgebungs- und Regierungskoalition seit 1969 für unser Land viel geleistet hat, daß sie darauf stolz ist und daß das eine ganze Menge an Zusammenhangskraft bedeutet.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    Und dabei ist es in sieben Jahren eigentlich niemals einfach gewesen — auch in den letzten sieben Wochen nicht —, immer gleich diejenigen Lösungen zu finden, die beide Seiten in einer Koalition zufriedenstellten und die doch zugleich einen fühlbaren Fortschritt für alle Bürger bedeuten. Wir haben oft gestritten. Dabei haben dann auch schon einmal die Köpfe geraucht. Es ist auch schon einmal gerauft worden, es ist auch schon einmal ein hartes Wort gefallen. Die fallen ja übrigens innerhalb unserer drei Parteien — oder, Herr Strauß, soll ich besser sagen, innerhalb unserer vier Parteien — durchaus auch; Sie wissen ja ein Lied davon zu singen.

    (Heiterkeit bei der SPD)

    Wenn innerhalb einer und derselben Partei oder innerhalb einer und derselben Koalition immer nur mit ganz leiser Stimme gesprochen würde, wäre das verdächtig; dann müßte man wirklich Sorgen haben. Solange man sich noch gegenseitig ausspricht, hätte ich diese Sorge nicht. Am meisten haben die Köpfe wohl zwischen dem 3. Oktober und Anfang Dezember geraucht,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Na, na!)

    zwischen den beiden, die sich erst geschieden und die dann doch die geschiedene Ehe wieder aufs neue geschlossen haben, nämlich bei CSU und CDU.

    (Zuruf von der SPD: Geschlossen, aber nicht vollzogen! — Heiterkeit bei der SPD)

    — Ich will das lieber nicht wiederholen, weil ich nicht weiß, ob das einen Ordnungsruf bringt.

    (Heiterkeit bei der SPD)




    Bundeskanzler Schmidt
    Das, wovon Sie in Ihrem „Bild"-Zeitungs-Interview sprechen, Herr Abgeordneter Kohl, ist doch bloß ein Wunschtraum, Ihr Wunschtraum

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    und zugleich der Wunschtraum des Herrn Kremp.

    (Lemmrich [CDU/CSU] : Daß Sie so lange darüber reden, zeigt nur, wie ernst die Sache für Sie ist!)

    Herr Strauß und Sie waren sich nicht darüber einig, ob Sie dieselben Wunschträume verfolgen

    (Lemmrich [CDU/CSU] : Sonst würden Sie doch gar nicht so lange darüber reden, Herr Bundeskanzler!)

    oder was man machen muß, damit die Wunschträume wahr werden, nicht? Es war doch einer der — jedenfalls nach außen dargestellten — Hauptpunkte Ihres Streits, wie man diese Wunschträume herbeiführt.

    (Zustimmung bei der SPD — Lemmrich [CDU/CSU]: Warum reden Sie jetzt schon fünf Minuten darüber!)

    Ich will sagen, daß natürlich auch in Zukunft über manche Frage der Innen- oder der Außenpolitik oder der Deutschlandpolitik oder der Wirtschafts- oder der Finanz- oder der Steuer- oder der Sozialpolitik zwischen uns wird gesprochen werden müssen. Sie haben doch auch Erfahrungen mit verschiedenen Koalitionen, wir auch mit verschiedenen Koalitionen; auch die FDP hat Erfahrungen mit verschiedenartigen Koalitionen. Natürlich muß in Koalitionen auch noch gerungen werden, nachdem das Ringen in der jeweils eigenen Fraktion und Partei beendet ist. Und wenn dann in der Koalition gerungen worden ist, muß wiederum in der eigenen Fraktion gerungen werden, um festzustellen, ob das, was man miteinander nach Absprache ins Werk setzen will, wirklich verabredet werden kann. Dies ist alles ganz natürlich. Es wird sicherlich nicht dadurch leichter, daß nun vielleicht demnächst in zwei Landtagen Freie Demokraten und Sozialdemokraten auf verschiedenen Seiten, auf den dortigen Regierungs- bzw. Oppositionsbänken, sitzen werden. Es wird sicherlich von den beiden Bonner Koalitionspartnern und ihren jeweiligen Parteifreunden im Lande noch ein zusätzliches Quentchen an Einfühlungsvermögen erwartet werden müssen.
    Eines ist klar: Keiner der beiden Koalitionspartner ist ein Mehrheitsbeschaffer für den anderen, weder die FDP für die Sozialdemokraten noch die Sozialdemokraten für irgendwelche Lieblingsideen der FDP. Das ist ganz klar. Nur auf solcher Basis der beiderseitigen Kompromißbereitschaft, des beiderseitigen Aufeinanderzugehens hat eine solche Koalition Bestand. Aber das hat bisher ganz gut funktioniert.
    Ich frage mich angesichts Ihrer Alternativlosigkeit, Herr Kohl: Wer von der FDP oder wer von uns sollte eigentlich mit Ihrer Partei koalieren, zu welchem Zweck eigentlich, mit welchem Ziel eigentlich?

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Vertagen Sie also diese Hoffnungen auf spätere
    Debatten! Einstweilen haben Sie heute morgen und
    heute nachmittag Überzeugendes, das uns zu einem solchen Koalitionswechsel bewegen könnte, wahrhaftigen Gottes nicht geboten.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD und der FDP)