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ID0800704300

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    Plenarprotokoll 8/7 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 7. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 19. Januar 1977 Inhalt: Begrüßung von Mitgliedern der türkischen Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates . . . . . . 152 D Nachricht vom Tode des früheren Abg. Freiherr von Kühlmann-Stumm 201 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen im Ältestenrat — Drucksache 8/32 — . . . . . . . . 127 A Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. von Weizsäcker CDU/CSU 127 B Dr. Ehmke SPD 133 B Dr. Bangemann FDP 140 C Genscher, Bundesminister AA 145 A Dr. Marx CDU/CSU 149 B Friedrich (Würzburg) SPD . . . . . . 159 D Hoppe FDP 167 D Graf Stauffenberg CDU/CSU 171 C Schmidt, Bundeskanzler . . . . . . 176 A Dr. Kohl CDU/CSU 186 C Leber, Bundesminister BMVg 191 B Dr. Wörner CDU/CSU . . . . 195 D, 197 A Spitzmüller FDP 196 D Möllemann FDP 197 B Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 201 D Pawelczyk SPD 206 D Jung FDP 212 B Lorenz CDU/CSU 214 D Mattick SPD 218 C Dr. Czaja CDU/CSU 221 B Dr. Kreutzmann SPD . . . . . . . 225 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen — Drucksache 8/35 — . . . . . . . . 166 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Einsetzung von Ausschüssen — Drucksache 8/36 — 166 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Wahl der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland im Europäischen Parlament — Drucksache 8/47 — 166 D II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Januar 1977 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Wahl der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats — Drucksache 8/48 — 167 A Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Mitglieder des Gremiums gemäß § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses — Drucksache 8/49 — 167 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 141 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 23. Juni 1975 über die Verbände ländlicher Arbeitskräfte und ihre Rolle in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung — Drucksache 8/10 — 167 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. Mai 1974 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Zypern zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen — Drucksache 8/11 — 167 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 30. August 1961 zur Verminderung der Staatenlosigkeit und zu dem Übereinkommen vom 13. September 1973 zur Verringerung der Fälle von Staatenlosigkeit — Drucksache 8/12 — 167 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ausführungsgesetzes zu dem Übereinkommen vom 30. August 1961 zur Verminderung der Staatenlosigkeit und zu dem Übereinkommen vom 13. September 1973 zur Verringerung der Fälle von Staatenlosigkeit (Gesetz zur Verminderung der Staatenlosigkeit) — Drucksache 8/13 — 167 C Nächste Sitzung 227 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 229* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Januar 1977 127 7. Sitzung Bonn, den 19. Januar 1977 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Januar 1977 229* Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 20.1. Dr. Aigner * 21. 1. Arendt 21. 1. von Hassel* 19. 1. Dr. Jahn (Braunschweig) 21. 1. Lücker * 21. 1. Lange * 19. 1. Müller (Mülheim) * 21. t. Richter *** 21. 1. Schulte (Unna) 19. 1. Dr. Schwencke ** 21. 1. Dr. Schwörer * 21. 1. Dr. Staudt 21. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
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    Rede von Hans-Günter Hoppe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einer Aussprache über die Regierungserklärung muß man ganz gewiß keinen Streit vermeiden. Es gibt gewiß Konfliktstoff genug. Aber gerade deshalb, so meine ich, müssen wir nun nicht auch noch dort Streitstoff suchen, wo er eigentlich überhaupt nicht zu finden ist. Tut man das doch, so mauert man sich in völlig unnötiger Weise in Positionen ein, aus denen man dann nur noch schwer wieder hinaus in die Wirklichkeit zurückfindet. Die gewaltsame Suche nach oppositionellen Positionen um jeden Preis führt dann offenbar dazu, daß die, wie ich glaube doch sehr abwegige Meinung ver-



    Hoppe
    treten werden muß, Europa sei weit hinter die Erwartungen des Jahres 1970 zurückgefallen, das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten sei unklar und würde nicht von Belastungen frei bleiben. Das sind wirklichkeitsfremde Behauptungen auf der einen und spekulative Zukunftsbetrachtungen auf der anderen Seite. Die Wahrheit aber sieht ganz anders aus.
    Die Opposition fordert ein europäisches Parlament, das mit wahrhaft demokratischen Kompetenzen ausgestattet ist und in allen Ländern gleichzeitig und geheim gewählt wird. Die Bundesregierung hat mit ihrer engagierten Europapolitik die Widerstände in den Partnerländern, die dagegen vorhanden waren, Schritt für Schritt abbauen können und damit die Tür zu dem politischen Europa aufgestoßen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Was die Opposition an Europapolitik anmahnt, ist also von der Bundesregierung in Wahrheit schon längst erfüllt.
    Von der Atlantischen Gemeinschaft verlangt die Opposition mehr Ermutigung zum engeren Einvernehmen mit den Vereinigten Staaten und zur Stärkung des Bündnisses. Das ist fürwahr eine Politik, die die Bundesregierung in den letzten Jahren konsequent verfolgt hat. Der Bundeskanzler und der Bundesaußenminister haben wiederholt vor dem Parlament darüber berichten können und klare Positionen bezogen. Die Opposition hat überhaupt keinen Grund, die Regierung der Untätigkeit auf diesem Gebiet zu zeihen. Auch dieser Teil der Kritik ging also an der Wirklichkeit vorbei.
    Wenn die Opposition in diesem Zusammenhang allerdings dazu rät, die Regierung müsse nachdrücklicher die politische Bedeutung und die wirtschaftliche Stärke des eigenen Landes ins Spiel bringen, dann melden wir gegen eine solche Politik der Stärke Vorbehalte an. Wir möchten in Europa und in der Welt nicht in jene Ecke geraten, in der man mit dem Finger auf den teutonischen Kraftprotz zeigt. Wir sind uns unserer Stellung, die auf der politischen und wirtschaftlichen Stabilität unseres Landes beruht, durchaus bewußt. Aber wir sollten damit nicht prunken und nicht protzen wollen. Das fordert nur Neider heraus, und darüber hinaus weckt es auch Ansprüche an die Bundesregierung und an unsere Volkswirtschaft, die wir dann doch nicht erfüllen können. Solche unnötigen Enttäuschungen aber sollten wir gemeinsam nicht produzieren.
    In der Politik gegenüber der Sowjetunion und den Ostblockstaaten wird von der Opposition verlangt, daß wir unsere Unabhängigkeit und politische Handlungsfreiheit bewahren sollen. Ich kann nicht sehen, daß die Bunderegierung auch nur einen Schritt von diesem Wege abgewichen wäre. Die Ostpolitik ist nach Abstimmung und mit Rückendeckung der Partner in der Europäischen Gemeinschaft und im Atlantischen Bündnis betrieben worden. Gerade dies hat die Unabhängigkeit und Handlungsfähigkeit in der Vergangenheit gesichert und wird sie auch für die Zukunft bewahren.
    Wenn die Opposition dabei fordert, daß wir den kommunistischen Partner so sehen sollen, wie er ist, dann ist auch dem voll zuzustimmen. Wir haben die Kommunisten noch nie als fördernde Mitglieder einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnung betrachtet, sondern immer als deren erklärte Gegner und Widersacher. Aber wir sind auch bereit, die Kommunisten tatsächlich in der politischen Wirklichkeit zu sehen und als Partner zur Kenntnis zu nehmen. Die Opposition dagegen ist, wie mir scheint, dazu bis heute immer noch nicht bereit, und gerade an dieser Stelle liegt das politische Defizit der Opposition.
    Was nun die Probleme der Rüstung und der gegenseitigen Abrüstung angeht, so gibt es auch hier zwischen der Haltung der Bundesregierung und der Meinung der Opposition keine Unterschiede. Beklagt wird eine Aufrüstung der Sowjetunion und der Warschauer-Pakt-Staaten, die die Verteidigungsaufgaben kräftig überschreitet. Wir alle sind entschlossen, in angemessener Weise auf diese Bedrohung zu antworten. Die Bundesregierung hat das in den vergangenen Jahren — es darf angemerkt werden: mit Unterstützung der Opposition — bereits getan.
    Für die Abrüstungsmaßnahmen will die Opposition gewährleistet sehen, daß die Sowjetunion kein Mitspracherecht in den Angelegenheiten der NATO und der Bundeswehr bekommt. Genau dies ist die Position der Bundesregierung. Wenn gleichwohl auch auf diesem Felde der Konflikt gesucht wird, ist und bleibt es ein Scheinkonflikt.
    Ihre Kritik an der Deutschland- und Ostpolitik begründet die Opposition — hier nun, wie mir scheint, sehr dreist — mit der Unterstellung, die Bundesregierung habe ihre Aufmerksamkeit allzu lange von der eigentlichen Basis unserer Freiheit, nämlich der Europa- und Westpolitik, abgewendet. Aber, meine Damen und Herren, es ist doch einfach absurd, der Bundesregierung ernsthaft ihre aktive Westpolitik bestreiten zu wollen. Im Verein mit den Partnern der Europäischen Gemeinschaft und den Staaten des Atlantischen Bündnisses hat sie die Sicherung unserer Freiheit zum zentralen Inhalt ihrer Politik gemacht. Wenn es gleichwohl in der Europäischen Gemeinschaft und der NATO Probleme gibt, ist dafür ganz gewiß nicht die Bundesregierung verantwortlich.
    Die Opposition aber muß sich fragen lassen, ob sie weiterhin an dieser Form der Auseinandersetzung festhalten will. Mit Rechthaberei und Besserwisserei wird es kaum gelingen, gerade für diesen Teil der Politik bei unserer Bevölkerung Zustimmung und notwendige Unterstützung zu finden.
    Im innerdeutschen Verhältnis betont die Opposition die Notwendigkeit der weiteren Absicherung der Positionen Berlins. Genau dies ist der Kern der Zielvorstellungen der Ost- und Deutschlandpolitik der Regierung und der sie tragenden Koalitionsparteien. Der deutsche Beitrag zur Entspannung ist von der Koalition immer so verstanden worden, daß er der Sicherung Berlins zu dienen hat. Beim Abschluß des Moskauer Vertrages und bei dem in einem Junktim dazu stehenden Viermächteabkommen über Berlin ging es uns vornehmlich auch um die Absicherung dieser gefährdeten Region.



    Hoppe
    Meine Damen und Herren, es ist jetzt vier Jahre her, daß der Grundlagenvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR geschlossen wurde. Wir schreiben sechs Jahre nach der Unterzeichnung des Vertrages über die Normalisierung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Polen und sechseinhalb Jahre nach der Unterzeichnung des Moskauer Vertrages. Es könnte nun davon gesprochen werden, daß wir mit dem UNO-Beitritt vor zwei Jahren und der KSZE-Konferenz in Helsinki vor eineinhalb Jahren in die Phase der Konsolidierung dieser Politik eingetreten wären. Aber diese Kennzeichnung wäre in der Tat leider zu freundlich für die harten Interpretationskonflikte, mit denen uns die Ostblockstaaten in der Vergangenheit auf allen Gebieten und auf allen Ebe. nen überzogen haben.
    Und doch enthält die Schlußakte der Konferenz von Helsinki die für die Sicherung des Friedens in Europa entscheidenden Prinzipien. Die Regierungen der 35 Teilnehmerstaaten haben in politischen Willens- und Absichtserklärungen festgelegt, was für den Rest dieses Jahrhunderts für die Zusammenarbeit zwischen den Staaten verschiedener Gesellschaftsordnungen maßgeblich sein soll. Gleichzeitig wurde von allen Beteiligten anerkannt, daß die Vereinigten Staaten auch künftig in und für Europa handeln dürfen.
    Die gemeinsame Verantwortung der Vier Mächte für Deutschland und Berlin als Ganzes hat dadurch eine bedeutsame Ergänzung gefunden. Dies, so will mir scheinen, ist besonders wichtig in einem Augenblick, in dem wir erneut erkennen müssen, daß die sowjetische Regierung offenbar bemüht ist, sich zumindest in Berlin aus dieser Verantwortung herauszustehlen.
    Die anspruchsvolle Zielsetzung der Schlußakte von Helsinki hat sich in den vergangenen 16 Monaten keineswegs als unerfüllbar erwiesen, und sie ist schon gar nicht als ein bloßer kommunistischer Propagandarummel abzutun, wie die Opposition dies immer noch gern tun möchte. Zugegeben ist allerdings, daß die positiven Ansätze durch ideologischen Meinungsstreit, Rüstungsanstrengungen und durch eine massive Interventionspolitik einerseits sowie durch die Zähflüssigkeit des Normalisierungsprozesses zwischen den beiden deutschen Staaten andererseits negativ überdeckt werden. Verständlich also, daß viele an dem Nutzen der Entspannungspolitik zweifeln. Die alten Vorurteile werden immer wieder aktiviert.
    Herr Kollege Marx hat in diesem Zusammenhang auf die Menschenrechtsbewegungen hingewiesen. Mit Recht hat er die Not der Menschen in den kommunistischen Staaten, ihre Unterdrückung und Verfolgung angeprangert. Er hat bei dieser Gelegenheit auch auf die große Zahl von Ausreise- und Ausbürgerungsanträgen in der DDR verwiesen und den politischen Mut und das gestärkte Selbstbewußtsein der Menschen in dem kommunistisch beherrschten deutschen Teilstaat herausgestellt — alles mit Recht.
    Aber das alles ist doch kein Beweis gegen die Politik der Bundesregierung und das gemeinsame Bemühen der freiheitlichen Demokratien, über die
    Konferenz von Helsinki mehr Bürgerrechte und mehr Freiheiten auch in die kommunistische Welt hineinzutragen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Meine Damen und Herren, welch ein Mißverständnis von Politik!

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Das war eben eins!)

    Die KSZE hat ganz sicher — darüber sollten wir alle Übereinstimmung erzielen können — das Selbstbewußtsein der Menschen auch in den kommunistischen Ländern gestärkt. Gerade dies bereitet den kommunistischen Ländern mehr Schwierigkeiten und schafft ihnen mehr Probleme, als ihnen lieb ist. Der Versuch, die berechtigten Forderungen der Menschen nach Verwirklichung der Prinzipien von Helsinki zu unterdrücken, ist anzuklagen. Aber der Versuch der Opposition, daraus eine verfehlte Politik der Bundesregierung zu machen, ist und bleibt abenteuerlich und absurd.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Meine Damen und Herren, es war doch das immer noch fortbestehende Problem der Teilung Deutschlands, das uns lange den Weg zu einer aktiven Entspannungspolitik verstellt hat. Erst die sozialliberale Koalition hat 1969 mit dieser Politik ernst gemacht. Der schwierige und mit Risiken behaftete Prozeß der Entspannung hat durch die KSZE neue Impulse erhalten. Diese Impulse werden trotz allen Abgrenzungsspektakels der Kommunisten auf Sicht nicht ohne Auswirkungen auf den Inhalt der Politik und der Beziehungen zu den Staaten der kommunistischen Welt bleiben. Gut entwickelte Wirtschaftsbeziehungen mit einer Verdreifachung des Handels, spürbare Fortschritte bei den Kooperationsvorhaben auf wirtschaftlichem, wissenschaftlichem und technischem Gebiet, z. B. bei der Erdgaslieferung, und greifbare Erfolge im humanitären Bereich mit steigenden Aussiedlerzahlen sind im Verhältnis zur Sowjetunion schon jetzt positiv anzumerken.
    Dem steht der Streit über die Einbeziehung Berlins in zweiseitige Verträge gegenüber. Die der Bundesregierung zugestandene Außenvertretung unterläuft die sowjetische Regierung bislang immer noch durch eine exzessive Ausweitung des Statusvorbehalts. Sie muß einlenken, wenn wiederholte Entspannungsbeteuerungen und -bekenntnisse zur Fortentwicklung der deutschsowjetischen Beziehungen nicht Lügen gestraft werden sollen. Schließlich gelangen die Partner nur so zur strikten Einhaltung und vollen Anwendung, die doch ganz offensichtlich auch Leonid Breschnew so sehr am Herzen liegt.
    Meine Damen und Herren, in den Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten ist es nach Helsinki nicht gerade zu jenen handfesten Fortschritten gekommen, um die beide Regierungen bemüht sein wollen. Der erwartete Durchbruch blieb aus. Enttäuschungen und bitterböse Ärgernisse überschatten die erfreulichen Resultate der Vertragspolitik. Und dennoch: Die Verbesserung der Zugangswege nach Berlin, die Einrichtung eines neuen Straßenübergangs im Norden der Stadt und die Öffnung des Übergangs Staaken für den Zugverkehr sind Pluspunkte für die Lebensfähigkeit dieser Stadt. Mit



    Hoppe
    dem ersten Kooperationsvertrag hat die Wirtschaft neue Formen der Zusammenarbeit mit der DDR entwickelt. Der gemeinsame Abbau von Braunkohle zeigt ebenfalls, daß mit Konsequenz und gutem Willen sinnvolle Lösungen erreichbar sind. Auch bei der Familienzusammenführung haben höhere Zahlen das erreichte Maß an Verbesserung bekundet.
    Niemand durfte erwarten und hat wohl auch erwartet, daß sich die politischen Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten in absehbarer Zeit grundlegend verbessern würden. Durch die völlig gegensätzliche Position in der Frage der Einheit der Nation ist der harte Konflikt vorgegeben. Während die Bundesregierung an dem Ziel festhält, in Europa auf einen Zustand des Friedens hinzuarbeiten, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt, hat sich nach den Erklärungen der Kommunisten in Ost-Berlin das Volk der DDR unwiderruflich für den Sozialismus entschieden. Die sogenannte deutsche Frage hat, so wird in Ost-Berlin gesagt, durch die Entwicklung zweier Staaten ihre endgültige Lösung gefunden.
    Meine Damen und Herren, der Bundesaußenminister ist dieser anmaßenden Auffassung der Regierung der DDR vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen mit Entschiedenheit entgegengetreten. Damit ist seitens der Bundesregierung längst das geschehen, was die Opposition auch heute in dieser Debatte wieder von ihr verlangt. Es wäre schön gewesen, wenn der Kollege Marx bei seinem wirkungsvollen Rückgriff auf die Rede des deutschen UNO-Botschafters im Sicherheitsrat auch dieses Faktum nicht verschwiegen hätte.
    Trotz dieses unauflösbar erscheinenden Widerspruchs gilt es die Politik der Aussöhnung und Normalisierung offensiv weiterzuführen. Die Freien Demokraten werden deshalb nicht nachlassen, um Zustimmung zu einer realistischen Deutschlandpolitik zu werben, selbst dann, wenn berechtigte Empörung wegen kommunistischer Attacken und Aggressionen aufwallt, aufwallen kann, aufwallen muß. Selbst dann werden wir mit Sachlichkeit um eine weitere friedliche Entwicklung ringen. Für die Menschen in unserem geteilten Land ist der Zustand selbst unbefriedigender Beziehungen zur DDR immer noch besser als der mögliche Rückfall in die Zeiten des kalten Krieges. Man hat manchmal allerdings den Eindruck, daß die Verantwortlichen der DDR darauf und daran sind, diesem Rückfall wieder Tür und Tor zu öffnen. Besonders für die Menschen in der DDR steht mit dem Erreichten — in erster Linie mit dem Besuchs- und Reiseverkehr — ein Stück Lebensqualität auf dem Spiel. Wer sich in der Deutschlandpolitik am elementaren Interesse der Menschen in beiden deutschen Staaten orientiert, wird sich daher auch dann nicht beirren lassen, diese Politik konsequent und beharrlich fortzusetzen, wenn die Opposition auf ihrem Gegenkurs verharren sollte.
    Diese Politik des Ausgleichs ist aber nur dann sinnvoll, wenn auch unsere östlichen Vertragspartner zu einer dauerhaften Zusammenarbeit bereit und fähig sind. Wer aus der Konfrontation in der
    Zeit des kalten Krieges etwas gelernt hat, muß erkannt haben, daß es einseitige Vorteile auf die Dauer nicht geben kann. Beide Seiten müssen Nutzen aus dem Entspannungsprozeß ziehen können. Die Deklaration der Bukarester Konferenz der Warschauer Paktstaaten zum Viermächteabkommen über Berlin geht in ihrer Interpretation und Tendenz allerdings an diesem Stück Entspannungspolitik, nämlich an dem Inhalt des Berlin-Abkommens vorbei. Demgegenüber ist folgendes festzustellen.
    Erstens. Das Berlin-Abkommen hat nicht die Grundlage der Rechte und Verantwortlichkeiten der Vier Mächte verändert, wie sie nach Kriegsende entstanden sind.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Gut, daß Sie das sagen!)

    Zweitens. Die Vertretung der Interessen West-Berlins nach außen wird durch die Bundesrepublik Deutschland wahrgenommen.
    Drittens. West-Berlin ist zwar kein konstitutiver Bestandteil der Bundesrepublik Deutschland und wird auch nicht von ihr regiert. Aber das Abkommen bestätigt ausdrücklich die Bindungen zwischen West-Berlin und der Bundesrepublik, die aufrechterhalten und entwickelt werden.
    An diesen eindeutigen Festlegungen ist nicht zu rütteln. Es ist vielmehr seit der gemeinsamen Erklärung von Brandt und Breschnew vom 21. Mai 1973 verbriefte Übereinstimmung, daß die strikte Einhaltung und volle Anwendung dieses Abkommens eine wesentliche Voraussetzung für eine dauerhafte Entspannung im Zentrum Europas und für eine Verbesserung der Beziehungen zwischen den entsprechenden Staaten, insbesondere zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion, ist.
    Die Bundesregierung hat in vielen Fällen Sinn für Pragmatismus und Flexibilität gezeigt. Aber in essentiellen Fragen des Status von Berlin kann es keine Flexibilität geben. Hier wird die Bundesregierung kein Jota von den vereinbarten Rechtspositionen abweichen. Im übrigen wird sie weiterhin über ideologische Grenzen hinweg die Zusammenarbeit suchen, um ihren Beitrag für eine dauerhafte Sicherung des Friedens in Europa zu leisten.
    Die Sowjetunion gibt sich einer Täuschung hin, wenn sie an dieser Stelle auf einen Riß im Regierungsbündnis spekuliert, auch wenn unsere Presseorgane mit sogenannten Hintergrundstories dafür immer wieder neue Nahrung liefern.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das tut auch der Kollege Brandt!)

    Den so beschriebenen nachgiebigen Kanzler und den verstockten oder knallharten Außenminister gibt es allenfalls als Biertischgesprächs-Produkte. Jeder ist auf dem Holzweg, der meint, in Fragen der Außen- und Deutschlandpolitik einen Keil in die Bundesregierung treiben zu können.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Der Außenminister ist als Hauklotz für derartige Aktionen im übrigen absolut ungeeignet.



    Hoppe
    Es ist gewiß nicht unsere Absicht, das Abkommen auf seine Belastbarkeit zu testen oder gar willkürlich ein Reizklima zu schaffen. Die Bundesregierung wird sich streng im Rahmen des Viermächteabkommens bewegen, dabei jedoch den Spielraum nutzen, den ihr die Westmächte einräumen. Solange die Sowjets dies als Zumutung empfinden, werden wir ihnen dies allerdings weiterhin zumuten müssen.
    Wir alle tun freilich gut daran, wenn wir hier in diesem Zusammenhang nicht Zweifel an der Haltung unserer Verbündeten, der Westalliierten, nähren. Kritische Äußerungen, wie wir sie aus den Reihen der Opposition gehört haben, in denen von der schlappen Haltung der Verbündeten gesprochen wurde, sind wahrlich nicht angebracht. Die Sicherheit Berlins beruht auf den Garantien der Westmächte. Und die Anwesentheit der Repräsentanten der britischen und der amerikanischen Regierung im vergangenen Jahr, der Besuch des französischen Außenministers in diesen Tagen und der bevorstehende Besuch des amerikanischen Vizepräsidenten legen beredtes Zeugnis für das Engagement der Alliierten ab. Zweifel sind hier wahrlich nicht angebracht.
    Es ist an der Zeit, daß die Sowjetunion den Platz Berlin nun allerdings endlich als Ort für wirtschaftliche, wissenschaftliche, kulturelle und sportliche Kooperation annimmt. Sie sollte an dieser Stelle nicht länger mauern.
    Auch die DDR hat es trotz ihrer im Comecon gewachsenen Stellung nicht vermocht, ihr Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland zu verbessern. Der große Durchbruch, der nach der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit erhofft wurde, ist nicht gelungen. Die deutsch-deutsche Politik bewegt sich nach wie vor in einem Wechselbad. Ganz offensichtlich hat die Führung der DDR in ihrer innenpolitischen Landschaft Schwierigkeiten, die sie dann in der bekannten, bereits geschilderten und mit Recht kritisierten Weise abreagiert. Es ist nicht zu übersehen, daß große Besorgnis über die Kontrollierbarkeit der Meinungsbildung der Bevölkerung in der DDR wie auch in anderen Bereichen des Ostblocks vorherrscht. Hinzu kommt, daß sich die außenpolitische Abhängigkeit der DDR von der Sowjetunion immer wieder neu bestätigt. Für alle SED-Mitglieder ist seit dem 9. Parteitag Treue zur Sowjetunion der Prüfstein; Politbüro-Mitglied Verner hat das so formuliert.
    Die DDR hat bisher weder die Konferenz von Helsinki mit ihren daraus hergeleiteten Wünschen nach mehr Menschlichkeit noch die Bewegung innerhalb der europäischen kommunistischen Parteien verkraftet. Sie steuert einen merkwürdigen Zickzackkurs. So ist es bisher nicht entschieden, ob sich der mit Honecker identifizierte Kurs durchsetzt, die Vertragspolitik mit der Bundesrepublik Deutschland fortzusetzen, oder ob die Konflikttheoretiker mit der Abgrenzungssucht doch wieder mehr an Boden gewinnen. Den Ausschlag darüber, ob die DDR doch noch einen konsequenten Entspannungskurs nach innen und außen steuern wird, gibt letztlich doch wohl die Sowjetunion.
    Der Fortsetzung eines konstruktiven Dialogs mit der Sowjetunion und mit der sowjetischen Regierung kommt deshalb ganz naturgemäß ein besonderes Gewicht zu. Dem Besuch des Generalsekretärs der KPdSU in Bonn ist daher eine herausragende Bedeutung zuzuschreiben. Es wäre gut, wenn der ins Stocken geratene deutsch-sowjetische Dialog wieder flottgemacht werden könnte. Das wird nicht um den Preis der politischen Anpassung geschehen, und das ist auch nicht durch einen finanziellen Opfergang zu erreichen. Das läßt sich nur in einem partnerschaftlichen Verhältnis auf der Basis vertraglicher Beziehungen verwirklichen. Dabei muß jegliche Diskriminierung der Vertragspartner und auch der von ihnen vertretenen Teilregionen ausgeschlossen sein.
    Meine Damen und Herren, die Fraktion der Freien Demokratischen Partei ermuntert die Bundesregierung, ihre Politik der Sicherung des Friedens und der Freiheit und der Bewahrung der sozialen Stabilität in unserem Lande konsequent und energisch fortzusetzen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)



Rede von Dr. Hermann Schmitt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Graf Stauffenberg.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Graf Franz Ludwig Schenk von Stauffenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Friedrich hat vor der Mittagspause seine — wie soll ich sagen — erbaulichen Ausführungen über sein Verständnis von Christentum und Friedenspolitik mit einem Satz beendet, den ich aufgreifen möchte. Er hat nämlich gesagt: „Europa muß sich als Friedensmacht, als Faktor des Gleichgewichts, verstehen." Er fügte dann, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, hinzu, Ziel der Entspannungspolitik müsse sein, einen Angriff aus dem Stand unmöglich zu machen.
    Herr Kollege Friedrich, genau hier ist das Problem des Ansatzes: In diesen letzten sieben Jahren ist das Gleichgewicht in Europa eben nicht stabiler geworden. Ich nehme an, daß nachher in der Aussprache zu verteidigungspolitischen Fragen darüber noch eingehend debattiert werden wird. Die Sowjetunion und ihre Bündnispartner sind heute mehr denn je der Fähigkeit nahe, einen Angriff aus dem Stand heraus vom Zaun zu brechen. Die NATO ist es nicht.

    (Pawelczyk [SPD] : Sollte es können?)

    — Nein, aber wenn vom Gleichgewicht, wenn von Sicherheit und von Frieden die Rede ist und das Gleichgewicht die Voraussetzung für den Frieden ist, muß dies für beide Seiten gelten und nicht nur für die eine Seite, während die andere die Zeit genutzt hat, immer mehr und mehr aufzurüsten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)