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    Plenarprotokoll 8/7 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 7. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 19. Januar 1977 Inhalt: Begrüßung von Mitgliedern der türkischen Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates . . . . . . 152 D Nachricht vom Tode des früheren Abg. Freiherr von Kühlmann-Stumm 201 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen im Ältestenrat — Drucksache 8/32 — . . . . . . . . 127 A Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. von Weizsäcker CDU/CSU 127 B Dr. Ehmke SPD 133 B Dr. Bangemann FDP 140 C Genscher, Bundesminister AA 145 A Dr. Marx CDU/CSU 149 B Friedrich (Würzburg) SPD . . . . . . 159 D Hoppe FDP 167 D Graf Stauffenberg CDU/CSU 171 C Schmidt, Bundeskanzler . . . . . . 176 A Dr. Kohl CDU/CSU 186 C Leber, Bundesminister BMVg 191 B Dr. Wörner CDU/CSU . . . . 195 D, 197 A Spitzmüller FDP 196 D Möllemann FDP 197 B Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 201 D Pawelczyk SPD 206 D Jung FDP 212 B Lorenz CDU/CSU 214 D Mattick SPD 218 C Dr. Czaja CDU/CSU 221 B Dr. Kreutzmann SPD . . . . . . . 225 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen — Drucksache 8/35 — . . . . . . . . 166 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Einsetzung von Ausschüssen — Drucksache 8/36 — 166 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Wahl der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland im Europäischen Parlament — Drucksache 8/47 — 166 D II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Januar 1977 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Wahl der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats — Drucksache 8/48 — 167 A Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Mitglieder des Gremiums gemäß § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses — Drucksache 8/49 — 167 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 141 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 23. Juni 1975 über die Verbände ländlicher Arbeitskräfte und ihre Rolle in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung — Drucksache 8/10 — 167 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. Mai 1974 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Zypern zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen — Drucksache 8/11 — 167 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 30. August 1961 zur Verminderung der Staatenlosigkeit und zu dem Übereinkommen vom 13. September 1973 zur Verringerung der Fälle von Staatenlosigkeit — Drucksache 8/12 — 167 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ausführungsgesetzes zu dem Übereinkommen vom 30. August 1961 zur Verminderung der Staatenlosigkeit und zu dem Übereinkommen vom 13. September 1973 zur Verringerung der Fälle von Staatenlosigkeit (Gesetz zur Verminderung der Staatenlosigkeit) — Drucksache 8/13 — 167 C Nächste Sitzung 227 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 229* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Januar 1977 127 7. Sitzung Bonn, den 19. Januar 1977 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Januar 1977 229* Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 20.1. Dr. Aigner * 21. 1. Arendt 21. 1. von Hassel* 19. 1. Dr. Jahn (Braunschweig) 21. 1. Lücker * 21. 1. Lange * 19. 1. Müller (Mülheim) * 21. t. Richter *** 21. 1. Schulte (Unna) 19. 1. Dr. Schwencke ** 21. 1. Dr. Schwörer * 21. 1. Dr. Staudt 21. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Bruno Friedrich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege Jäger, ich weiß nicht, ob Sie nicht empfinden, wie peinlich es für Sie und Ihre Partei ist, daß ein Unionsabgeordneter begründen muß, warum das Wort „Friedenspolitik" nicht in Ihren Reden auftaucht.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Es ist zuviel Schindluder damit getrieben worden)

    Die klaren Grundsätze der Friedenspolitik, die in der Regierungserklärung genannt werden, bestimmen unseren Weg in Europa, sie sind wichtig für die Fortführung des Entspannungsprozesses und prägen unser Verhältnis zur Dritten Welt, ein Verhältnis, das uns gebietet, ein egoistisches, nur auf sich bezogenes Europa abzulehnen.
    Von den ersten europäischen Wahlen, die, so wie wir meinen, immer noch 1978 stattfinden können, erwarten wir eine Festigung vor allem der politischen Dimension Europas, aber auch Anstöße zur Reform und Festigung der wirtschaftlichen und sozialen Ordnung in der Gemeinschaft. Wenn Europa zwischen den Großmächten leben will, wenn es sich als eine eigene politische Persönlichkeit behaupten will, dann muß es sich als Friedensmacht, als ein Faktor des Gleichgewichts in den internationalen Beziehungen verstehen.
    Gesellschaftlicher Fortschritt in Freiheit und Eigenverantwortung nach innen und nach außen sind für uns nur denkbar, wenn der Frieden erhalten bleibt. Dabei ist die bloße Abwesenheit von Krieg noch nicht der gesicherte Friede. Deshalb bejahen wir eine bewußt kriegsverhütende Politik. Zusammenarbeit auf allen Ebenen, Kontakte und kultureller Austausch werden nicht den Unterschied der politischen Systeme beseitigen, aber sie sind wichtige und unverzichtbare Elemente einer kriegsverhütenden Politik.
    Wir stellen ganz eindeutig fest, daß Europas Sicherheit an die Aufrechterhaltung des militärischen
    Gleichgewichts gebunden ist. Es gibt auf lange Sicht kein Gleichgewicht ohne die Bündnissysteme. Die Staaten der Europäischen Gemeinschaft können ihren Sicherheitsinteressen gegenüber dem Warschauer Pakt nur im Bündnis mit den USA gerecht werden. Gegenwärtig ist kein Zeitpunkt abzusehen, zu dem sich das ändern kann, weil die Größenordnungen, und zwar die politischen wie die militärischen, dagegen sprechen. Deshalb müssen wir in der Sicherheitspolitik die nachfolgenden Faktoren und Probleme besonders beachten.
    Abrüstung, Rüstungsbegrenzung, Rüstungskontrolle, gleichwertiger Abbau der großen militärischen Zerstörungskräfte sind für den Fortgang der Entspannung von entscheidender Bedeutung. Aber — und das ist in Richtung des Warschauer Pakts gesprochen — die Anerkennung des Prinzips der Aufrechterhaltung des militärischen Gleichgewichts durch den Warschauer Pakt ist für uns unverzichtbare Bedingung.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Er tut es nicht!)

    So wie es notwendig ist, daß alle Staaten der Gemeinschaft ihren Beitrag für die Sicherheit Europas leisten, müssen auch alle Schritte der Entspannung und Abrüstung — Herr Kollege Mertes, ich komme jetzt zu Ihnen — gemeinsam und in enger Abstimmung vollzogen werden. Das allein ist eine tragfähige Grundlage für die laufenden Abrüstungsverhandlungen. Ich sage das deshalb, weil das fast aufs Wort genau die Ausführungen sind, die der Vorsitzende der SPD, Willy Brandt, im November 1976 auf der Sicherheitskonferenz der sozialdemokratischen Parteien in Amsterdam gemacht hat.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das glauben Sie selbst nicht!)

    Deshalb verstehe ich nicht die laufend vorgebrachten Unterstellungen, die Bundesrepublik Deutschland wolle aus den gemeinsamen Bezügen des westlichen Lagers ausbrechen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das habe ich nicht gesagt!)

    — Einer Ihrer Hauptredner — ich glaube, es war der Kollege Barzel — hat das, wenn ich mich recht erinnere, in der Debatte am 17. Dezember 1976 erklärt.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Sie haben ihn völlig falsch verstanden!)

    Die Verhandlungen über die KSZE-Schlußakte von Helsinki haben gezeigt, wie wichtig es ist, die sich als neutral oder blockfrei verstehenden Staaten in die Entspannungspolitik einzubeziehen. Die künftige Unversehrtheit und bleibende Unabhängigkeit dieser Staaten ist eine wichtige Voraussetzung für die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts.
    Weiter: Konflikte der an das Mittelmeer angrenzenden Staaten können den Frieden in Europa gefährden. Auch wenn von diesen Konflikten weitgehend Staaten Nordafrikas und Asiens im Nahen Osten unmittelbar stärker betroffen sind, muß es das Ziel und die Absicht der Staaten der Europäischen Gemeinschaft vor allem in der Europa-



    Friedrich
    ischen Politischen Zusammenarbeit sein, einen Beitrag für eine dauernde Friedensregelung im Mittelmeerraum und im Nahen Osten zu leisten.
    Ziel der Entspannungspolitik muß es sein, einen Zustand herbeizuführen, in dem ein militärischer Angriff aus dem Stand unmöglich wird.
    Nun ist hier das zu erörtern, was für alle Menschen — nicht nur in diesem Lande, sondern auch in Europa und in der ganzen Welt — die sichtbare Kluft der Außenpolitik ist.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Innerhalb der Regierung!)

    Wir wünschten, daß ein Vertreter, ein Sprecher der Union an diesen Platz hier tritt und erklärt: Wir haben unsere Auffassung vom 25. Juli 1975 korrigiert, und wir stehen heute zu den Prinzipien der Schlußakte von Helsinki, weil sie das wichtigste Dokument einer friedlichen Zusammenarbeit in Europa und in der Welt ist. Darauf warten wir.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Marx [CDU/CSU] : Sie brauchen Nachhilfeunterricht! Haben Sie nicht zugehört, Herr Friedrich?)

    — Herr Kollege Marx, es geht hier nicht allein um die Prinzipien, sondern es geht inzwischen um die Bewertung.
    Nun will ich dem, was der neue amerikanische Präsident, Carter, zur Entspannungspolitik sagen wird, nicht vorgreifen. Ich kann es nicht; es wäre schön, wenn wir dies diskutieren könnten. Aber eine Kommission des amerikanischen Kongresses
    — in der Mehrheit Abgeordnete, die wie der neue Präsident der Demokratischen Partei in den USA angehören — hat einen Bericht zur KSZE vorgelegt. Die Feststellungen dieser Kommission in den USA sind deshalb wichtig, weil in ihnen sowohl eine Bewertung als auch ein Ausblick auf die Folgekonferenz von Helsinki in Belgrad erfolgt. In diesem Bericht heißt es:
    Die Studienkommission fand, daß europäische Experten in einer Schlußfolgerung über die Vereinbarungen von Helsinki einheitlicher Auffassung waren. Diese Vereinbarungen sind bereits produktiver gewesen, als die westlichen Unterzeichner zur Zeit der Gipfelkonferenz zur Unterzeichnung vor 15 Monaten erwarteten, und ihre potentielle Wirkung für bessere OstWest-Beziehungen auf längere Sicht ist bei weitem bedeutsamer als ihre anfängliche Bedeutung ..
    Das impliziert die Meinung der Kommission, daß es im Interesse des Westens falsch wäre, den in Helsinki eingeleiteten Prozeß zu beenden, soweit es sich um den wichtigen Prinzipienkatalog handelt. Deshalb spricht sich diese Kommission auch für die Folgekonferenz in Belgrad aus.
    In diesen Tagen wird der neugewählte amerikanische Präsident seinem Volk neue politische und auch neue moralische Impulse geben. Wir erhoffen uns davon die Stärkung des Friedens, mehr Stabilität in der Wirtschaft und die Fortentwicklung der Demokratie in der ganzen Welt. Unsere freundschaftlichen Bindungen an die USA verhindern aber nicht gute Beziehungen zur Sowjetunion. Wir begrüßen die Klarheit der Auffassung der Bundesregierung in dieser Frage. Die Beziehungen zur Sowjetunion sind im Prinzip gut; wir begrüßen die Absicht der Bundesregierung, sie fortzuentwickeln.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das erinnert an Radio Eriwan: „Im Prinzip gut" !)

    In der vergangenen Woche hat eine Delegation der SPD Polen besucht und ein durch den Besuch von Edward Gierek vorgeprägtes politisches Klima angetroffen, das von Offenheit und Vertrauen bestimmt war. Der Bundeskanzler, so wurde versichert, genieße in Polen hohes Ansehen. Sie von der Opposition werden das vielleicht als eine banale Bemerkung empfinden. Aber wer weiß, wie schwer die Belastung im polnischen Volk aus dem letzten Krieg ist, der weiß auch, was es bedeutet, wenn im ganzen Land heute noch in Versammlungen über die Ansprache diskutiert wird, die der Bundeskanzler im Fernsehen auch an das polnische Volk gerichtet hat.
    Die Wirtschaftsbeziehungen zu Polen haben sich hervorragend entwickelt. Die Ausreise von über 26 000 Deutschen aus Polen im letzten Jahr zeigt, wie ernst es Polen mit der Erfüllung der Vereinbarungen meint. Dies ist zugleich ein sichtbarer Beitrag zur Verwirklichung des Korbes III der KSZE-Schlußakte von Helsinki.
    Die Beziehungen zur DDR — und ich spreche hier zur DDR insoweit, als die Beziehungen natürlich auch in die Außenpolitik hineinreichen — sind belastet, aber auch für die DDR gibt es im Rahmen des Entspannungsprozesses Grenzen ihres restriktiven Kurses. Weil sie sich in ihren internationalen Beziehungen im Westen, in der Dritten Welt, aber auch im eigenen Lager zu stark isolieren würde, wäre die DDR schuldig an einer langfristigen Stagnation im Entspannungsprozeß.
    Die Union möchte am liebsten schon jetzt — wir erleben dies bei jeder kritischen Situation — das Scheitern der Entspannung konstatieren, wie sie es immer getan hat, wenn wir in einer kritischen Phase waren. Wir sind nicht bereit, dem zu folgen, weil wir das Erreichte an mehr Menschlichkeit und mehr Humanität nicht aufgeben wollen. Das ist einer der wichtigsten Gründe, warum es für uns unmöglich ist, die Frage einer neuen Deutschlandpolitik überhaupt aufzuwerfen und zu diskutieren. Eine neue Deutschlandpolitik wie jene, von der in der Union gesprochen wird, zu fordern heißt, einen neuen kalten Krieg zu beginnen.
    Sie erwecken mit dieser Forderung den Anschein, als ob Sie in der Lage seien, die Bedingungen der Weltpolitik, in die die Deutschlandpolitik eingefügt ist, zu verändern. Das ist eine Selbstüberschätzung und eine Täuschung. Niemand hat die Macht und die Kraft, die DDR aus ihrem Bündnis mit der Sowjetunion zu lösen. Im Grunde ist das Problem der Diskussion in diesem Hause, dieses nun fast acht Jahre fortdauernde Aneinander-Vorbeireden, daß sich die Union dem notwendigen Bewußtseinswan-



    Friedrich
    del, der sich in der Welt inzwischen vollzogen hat, verweigert.
    Gerade zu diesem Bewußtseinswandel hat der Friedensforscher Carl Friedrich von Weizsäcker in seinem Buch — Herr Barzel hat uns darauf angesprochen, und deshalb kann ich es hier zitieren — festgestellt:
    Die Wiedervereinigung Deutschlands hätte die Wiedervereinigung Europas zur Vorbedingung. Die Ostpolitik der Ara Brandt bedeutete das Opfer westdeutscher Illusionen über diese Tatsachen. Sie bedeutete damit für die Bundesrepublik die Gewinnung eines außenpolitischen Spielraums, der durch die vorangegangene Fixierung auf irreale Forderungen blockiert gewesen war.
    — Das war Ihre Politik. —

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Professor von Weizsäcker ist ein Wissenschaftler!)

    Dieser Realismus hatte zugleich eine moralische Komponente: Wahrhaftigkeit gegenüber dem eigenen Volk, unmißverständliches Bekenntnis zu einer nicht-revanchistischen Politik gegenüber Osteuropa, am eindrucksvollsten symbolisiert in Brandts Warschauer Kniefall. So diente sie dem zur Friedenspolitik notwendigen Bewußtseinswandel.
    Dies ist der andere Weizsäcker.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Der Wissenschaftler! Der andere ist Politiker!)

    Auf Grund der Weigerung, diesen Bewußtseinswandel mitzuvollziehen, sehen wir die Pflicht der Koalition, die begonnene Friedenspolitik auch bei einer knappen Mehrheit entschieden fortzusetzen. Es ist gut, daß der Bundesrat — hier waren die Väter des Grundgesetzes weise — keine Möglichkeit hat, die Regierung auch bei einer knappen Mehrheit an einer entschieden fortgeführten Friedenspolitik zu hindern. Dies wissen wir. Wir werden diese Friedenspolitik entschieden vertreten.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Nun will ich hier ganz offen zu dem etwas sagen, was der Herr Kollege Marx zur gegenwärtigen Situation in Europa angesprochen hat: Die Strukturen der Gesellschaft als einer von der Staatsmacht unabhängigen Dimension waren in Osteuropa bis jetzt nicht artikulationsfähig. Dies hat sich geändert, und wir sehen dies als eine Folge des Entspannungsprozesses.
    Die westlichen Demokratien und die kommunistischen Staaten — dies sollten wir nie vergessen — leben im Entspannungsprozeß nicht unter den gleichen politischen und gesellschaftlichen Bedingungen. Wir fühlen uns durch den Ostblock nicht sozial, nicht ökonomisch, auch nicht in unserer inneren Staatsstruktur, wohl aber militärisch bedroht.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Politisch nicht?)

    Umgekehrt können sich die Staaten des kommunistischen Systems in Osteuropa von den übrigen demokratischen Staaten Europas nicht militärisch bedroht fühlen. Aber sie fürchten offensichtlich immer mehr die nach freier Entfaltung drängenden Kräfte ihrer Gesellschaft. Das ist auf beiden Seiten systemimmanent,

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Sie fürchten Bruno Friedrich!)

    und von dieser Realität haben wir auszugehen. Entspannungspolitik wird nur möglich sein unter Beachtung aller Bedingungen. Aber, wo immer Menschen bedrängt werden, wo sie durch politische Macht bedroht, verhaftet, verhört, eingesperrt und in ihrer freien politischen und geistigen Entfaltung gehindert oder unterdrückt werden, erheben wir Sozialdemokraten für diese Menschen unsere Stimme, vor allem deshalb, weil wir in der über hundertjährigen Geschichte der Sozialdemokratie selbst so oft die Verfolgten waren. Deshalb sprechen wir für sie.

    (Beifall bei der SPD)

    — Nur, Herr Kollege Marx,

    (Dr. Corterier [SPD] : Er hört gar nicht zu!)

    wir sprechen hier vor dem Bundestag, aber wir handeln auch. So wie die Machtlage ist, sollte sich nach 20 Jahren Umgang mit Osteuropa herumgesprochen haben, daß jene, die helfen wollen, nicht immer jene sind, die schreien können.

    (Beifall bei der SPD)

    Dies muß man auch sehen, wenn man Menschen helfen will.
    Nun las man in den letzten Tagen sehr häufig von einer möglichen Explosion oder von möglichen Explosionen in osteuropäischen Ländern.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Im „Spiegel" z. B.!)

    Dabei erwachen Erinnerungen an Ungarn 1956. Wer die Machtlage kennt, auch die damalige vergebliche, auch von außen geschürte Hoffnung, der Westen werde eingreifen, wer sich daran erinnert, was für die Menschen folgte, kann eine solche Explosion nicht wünschen, denn die Menschen zahlten damals einen furchtbaren Preis, ohne zu gewinnen, was sie erhofften.
    Deshalb erhoffen wir Evolution und nicht Explosion. Deshalb muß in der ideologischen Auseinandersetzung und in der gleichzeitigen Veränderung der gesellschaftlichen Strukturen die Evolution, die schrittweise Veränderung der Systeme hin zu mehr Menschenrechten und zu mehr Freizügigkeit entschieden angestrebt werden.
    Ich weiß, wer die internationalen Beziehungen unterschiedlicher Systeme ausschließlich ideologisch definiert, z. B. durch die Parole „Freiheit oder Sozialismus", kann solchen Überlegungen nur schwer folgen. Die Parole „Freiheit oder Sozialismus" ist eine, wie Hermann Broch in seiner „Massenpsychologie" bei der Untersuchung des Massenwahns in den 30er Jahren sagte, eine „Siegparole". Sie suggeriert einen neuen Massenwahn, als ob der ideologische Konflikt mit dem Sieg des einen Lagers über



    Friedrich
    das andere enden werde. „Freiheit oder Sozialismus" ist nicht besser als „Sozialismus oder Kapitalismus". Beides halten wir für falsch.
    Solche Parolen sind falsch und gefährlich, falsch deshalb, weil sie im ideologisch Vordergründigen steckenbleiben, gefährlich, weil solche Siegparolen Haß erzeugen und die Menschheitskatastrophe riskieren: den Sieg des einen Lagers über das andere um den Preis der nuklearen Selbstvernichtung.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Parole „Freiheit oder Sozialismus" beantworten wir mit den Worten „Frieden und Freiheit". Frieden, das ist heute

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Als Adenauer das sagte, hat man gesagt, das seien „olle Kamellen" !)

    der alle Völker, der alle Staaten und Systeme übergreifende Wert.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Das ist doch ein alter Adenauer-Satz!)

    Frieden übergreift die Weltkulturen und Kontinente.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Parteitage haben wir damit überschrieben!)

    — Herr Kollege Marx, wenn Sie die Fähigkeit hätten, meinen Schluß mit dem zu vergleichen, was ich aus der Neujahrsansprache des Papstes zitiere, wären Sie einer solchen zynischen und höhnischen Bemerkung nicht fähig.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Marx [CDU/CSU] : Sie haben nicht gehört, was ich gesagt habe!)

    Frieden ist die unverzichtbare Existenzbedingung der Menschheit. Dazu kommt dann die Freiheit. Freiheit ist unser europäisches Erbe aus griechischer Philosophie, römischem Recht, christlichem Humanismus. Erneuert in der Aufklärung, im liberalen Denken, in der demokratischen Arbeiterbewegung.
    In den Worten „Frieden und Freiheit" erkennen wir, erkennt meine Fraktion die Politik dieser Bundesregierung. Wir sind der Regierung, dem Kanzler und dem Vizekanzler, dankbar für die Klarheit, mit der sie ihren Willen bekundet haben, eine Politik des Friedens und der Freiheit entschlossen fortzusetzen. Das ist gut für unser Land und gut für Europa.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine Damen und Herren, wir treten in die Pause ein. Die Sitzung wird um 14.15 Uhr fortgesetzt.

(Unterbrechung von 13.12 bis 14.15 Uhr)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Schmitt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
    Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß wir zunächst jene Entscheidungen vornehmen, die für die weitere Konstituierung des Hauses und die Mitarbeit in den europäischen Gremien notwendig sind,
    Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
    Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP
    Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen
    — Drucksache 8/35 —
    Hierzu liegt Ihnen ein interfraktioneller Antrag auf der Drucksache 8/35 vor. Ich frage, ob dazu das Wort gewünscht wird. — Das ist nicht der Fall. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
    Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
    Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP
    Einsetzung von Ausschüssen
    — Drucksache 8/36 —
    Ich nehme auf den Antrag Drucksache 8/36 Bezug und frage, ob zu diesem Antrag das Wort gewünscht wird. — Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag, der die Bildung von 19 Ausschüssen vorsieht, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Gegenprobe! — Einstimmig so beschlossen.
    Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
    Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP
    Wahl der Vertreter der Bundesrepublik
    Deutschland im Europäischen Parlament
    — Drucksache 8/47 —
    Die vorgeschlagenen Kollegen sind auf der Drucksache 8/47 aufgeführt; ich kann wohl darauf verzichten, sie hier zu verlesen. Wird zu dem Antrag das Wort gewünscht oder geheime Wahl beantragt? — Das ist nicht der Fall.
    Wer der Wahl der im Antrag Drucksache 8/47 genannten Vertreter der Bundesrepublik Deutschland im Europäischen Parlament zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Es ist so beschlossen.

    (Jahn [Marburg] [SPD] : Die Drucksache liegt nicht vor, Herr Präsident!)

    — Nach den dem Präsidium zugegangenen Mitteilungen ist die Drucksache über Mittag verteilt worden.

    (Jahn [Marburg] [SPD] : Ich bitte um Entschuldigung, sie liegt vor! — Wehner [SPD] : Es muß einen Verteiler besonderer Art gegeben haben; denn z. B. ich habe sie nicht bekommen!)

    — Ich bedaure das sehr, Herr Kollege Wehner, und bitte die Verwaltung, das nachzuprüfen. Werden hierzu noch nachträglich Bedenken erhoben? — Nein, das ist offensichtlich nicht der Fall.



    Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
    Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
    Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP
    Wahl der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats
    — Drucksache 8/48 —
    Ich möchte mich hierzu vergewissern: Ist die Drucksache zu diesem Punkt verteilt worden?

    (Zurufe: Ja!)

    — Wenn sie verteilt ist, kann dieser Punkt also zur Abstimmung gestellt werden, wobei ich auf die Drucksache 8/48 Bezug nehme, in der die Vorschläge enthalten sind. Es wird kein Antrag auf geheime Abstimmung gestellt. Wer dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zuzustimmen wünscht, die hier aufgeführten Kolleginnen und Kollegen in den Europarat zu entsenden, den bitte ich um das Zeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Es ist so beschlossen.
    Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
    Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD
    Mitglieder des Gremiums gemäß § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses
    — Drucksache 8/49 —
    Der Antrag lautet:
    Der Bundestag wolle beschließen:
    Als Mitglieder des Gremiums gemäß § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses werden bestimmt:
    CDU/CSU
    Dr. Althammer Vogel (Ennepetal)

    SPD
    Becker (Nienberge) Pensky
    FDP Ollesch
    Ich frage, ob weitere Vorschläge gemacht werden.
    — Das ist nicht der Fall. Es wird nicht beantragt, geheim abzustimmen.
    Wer dem verlesenen Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Es ist so beschlossen.
    Ich rufe die Punkte 8 bis 11 der heutigen Tagesordnung auf:
    8. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 141 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 23. Juni 1975 über die Verbände ländlicher Arbeitskräfte und ihre Rolle in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung
    Überweisungsvorschlag:
    Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
    — Drucksache 8/10 —
    9. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. Mai 1974 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Zypern zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
    Überweisungsvorschlag: Finanzausschuß
    — Drucksache 8/11 —
    10. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 30. August 1961 zur Verminderung der Staatenlosigkeit und zu dem Übereinkommen vom 13. September 1973 zur Verringerung der Fälle von Staatenlosigkeit
    Überweisungsvorschlag:
    Innenausschuß (federführend) Rechtsausschuß
    — Drucksache 8/12 —
    11. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ausführungsgesetzes zu dem Übereinkommen vom 30. August 1961 zur Verminderung der Staatenlosigkeit und zu dem Übereinkommen vom 13. September 1973 zur Verringerung der Fälle von Staatenlosigkeit (Gesetz zur Verminderung der Staatenlosigkeit)

    Überweisungsvorschlag:
    Innenausschuß (federführend) Rechtsausschuß
    — Drucksache 8/13 —
    Es handelt sich um von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwürfe. Das Wort wird nicht begehrt. Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrates bitte ich aus der Tagesordnung zu entnehmen. Ich frage die Mitglieder des Hauses, ob sie mit den vorgesehenen Überweisungen einverstanden sind. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
    Wir fahren nunmehr in der unterbrochenen Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoppe.