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ID0800702000

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    Plenarprotokoll 8/7 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 7. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 19. Januar 1977 Inhalt: Begrüßung von Mitgliedern der türkischen Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates . . . . . . 152 D Nachricht vom Tode des früheren Abg. Freiherr von Kühlmann-Stumm 201 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen im Ältestenrat — Drucksache 8/32 — . . . . . . . . 127 A Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. von Weizsäcker CDU/CSU 127 B Dr. Ehmke SPD 133 B Dr. Bangemann FDP 140 C Genscher, Bundesminister AA 145 A Dr. Marx CDU/CSU 149 B Friedrich (Würzburg) SPD . . . . . . 159 D Hoppe FDP 167 D Graf Stauffenberg CDU/CSU 171 C Schmidt, Bundeskanzler . . . . . . 176 A Dr. Kohl CDU/CSU 186 C Leber, Bundesminister BMVg 191 B Dr. Wörner CDU/CSU . . . . 195 D, 197 A Spitzmüller FDP 196 D Möllemann FDP 197 B Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 201 D Pawelczyk SPD 206 D Jung FDP 212 B Lorenz CDU/CSU 214 D Mattick SPD 218 C Dr. Czaja CDU/CSU 221 B Dr. Kreutzmann SPD . . . . . . . 225 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen — Drucksache 8/35 — . . . . . . . . 166 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Einsetzung von Ausschüssen — Drucksache 8/36 — 166 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Wahl der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland im Europäischen Parlament — Drucksache 8/47 — 166 D II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Januar 1977 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Wahl der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats — Drucksache 8/48 — 167 A Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Mitglieder des Gremiums gemäß § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses — Drucksache 8/49 — 167 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 141 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 23. Juni 1975 über die Verbände ländlicher Arbeitskräfte und ihre Rolle in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung — Drucksache 8/10 — 167 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. Mai 1974 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Zypern zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen — Drucksache 8/11 — 167 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 30. August 1961 zur Verminderung der Staatenlosigkeit und zu dem Übereinkommen vom 13. September 1973 zur Verringerung der Fälle von Staatenlosigkeit — Drucksache 8/12 — 167 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ausführungsgesetzes zu dem Übereinkommen vom 30. August 1961 zur Verminderung der Staatenlosigkeit und zu dem Übereinkommen vom 13. September 1973 zur Verringerung der Fälle von Staatenlosigkeit (Gesetz zur Verminderung der Staatenlosigkeit) — Drucksache 8/13 — 167 C Nächste Sitzung 227 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 229* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Januar 1977 127 7. Sitzung Bonn, den 19. Januar 1977 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Januar 1977 229* Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 20.1. Dr. Aigner * 21. 1. Arendt 21. 1. von Hassel* 19. 1. Dr. Jahn (Braunschweig) 21. 1. Lücker * 21. 1. Lange * 19. 1. Müller (Mülheim) * 21. t. Richter *** 21. 1. Schulte (Unna) 19. 1. Dr. Schwencke ** 21. 1. Dr. Schwörer * 21. 1. Dr. Staudt 21. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans-Dietrich Genscher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege von Weizsäcker hat heute morgen an die Verantwortung der Parteien als Träger der politischen Meinungsbildung und als Vertreter des Volkes in den Parlamenten erinnert und auch auf die Probleme des Vertrauens hingewiesen. Ich denke, dieser Hinweis war notwendig. Allerdings befinden wir uns in einer Situation, in der keine Partei Anlaß hat, mit dem Finger auf die anderen zu zeigen. Die Herstellung und Sicherung der Glaubwürdigkeit unserer parlamentarischen Demokratie muß unser gemeinsames Anliegen sein. Zu dieser Herstellung der Glaubwürdigkeit gehört der Respekt vor der Pluralität der Meinungen. Deshalb meine ich, daß zur Selbsterkenntnis der Opposition auch ein Überdenken ihres Wahlspruchs aus der letzten Legislaturperiode und im Wahlkampf gehört.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ich denke deshalb, daß sich dieser Spruch auch nicht für die vor uns liegenden europäischen Wahlen eignen würde; denn dieses Europa soll ja auch ein Europa der Pluralität sein.
    Aber mir scheint besonders wichtig ein Satz zu sein, den Herr Kollege von Weizsäcker gebraucht hat. Er sagte, unsere Debatte solle für eine ganze Legislaturperiode richtungsweisend sein, sie müsse bei der Bevölkerung Vertrauen bilden für die Art, wie wir als ihre gewählten Vertreter mit unserer Verantwortung umgehen. Ich denke, an diesem hohen Anspruch müssen wir uns alle messen lassen, der Redner, der ihn ausgesprochen hat, selbst. Hier muß ich fragen, Herr Kollege von Weizsäcker, ob Sie wirklich den Satz in Ihrer Rede stehenlassen wollen, in dem sie gesagt haben — gerichtet an den Bundeskanzler und die Bundesregierung —: Um so dringlicher sei es, daß sie hier und heute dem Verdacht entgegentrete, sie wollte der Europäischen Union in Wahrheit lieber aus dem Wege gehen, als sich ihren damit verbundenen Mühen zu unterziehen.
    Die Position der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien zur Europäischen Gemeinschaft und zur Europäischen Union sind unbestreitbar klar und eindeutig.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ich darf für die Regierung noch einmal feststellen, damit kein Zweifel bleibt: Die Europäische Gemeinschaft bleibt für uns lebenswichtige Voraussetzung für die Sicherung von Frieden und Freiheit. Wir halten am Ziel der Europäischen Union fest. Das sage ich nicht nur heute, sondern das steht in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers, von der behauptet wird, sie habe sich zur Europäischen Union positiv nicht geäußert.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Natürlich hat der Bundeskanzler — das ist ganz unbestreitbar — in der Regierungserklärung auf den Tindemans-Bericht keinen Bezug geonmmen. Aber ist es nicht in Wahrheit so, daß diese Bundesregierung — wenn ich richtig informiert bin — die einzige in der ganzen Europäischen Gemeinschaft ist, die den Tindemans-Bericht und ihre — und ich unterstreiche — positive Stellungnahme zum Gegenstand einer Vorlage an Bundestag und Bundesrat gemacht hat?

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Die Bundesregierung gab den Anstoß, daß der Deutsche Bundestag und der Bundesrat unsere Stellungnahme und Haltung zum Tindemans-Bericht diskutiert haben. Dabei sind wir zu dem Ergebnis gekommen, daß diese positive Haltung zu den Vorschlägen von Leo Tindemans unser gemeinsames Wollen im Deutschen Bundestag ist. Wenn das so ist und wenn wir Europa als eine Priorität unserer Politik ansehen, gehört es zunächst einmal dazu, daß das Stück Gemeinsamkeit, das in dieser Überzeugung vorhanden ist, in einer Debatte nicht gleichzeitig von einer Seite in Frage gestellt wird.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ich meine, daß gerade wir für die Europäische Union eine ganz besondere Verantwortung haben. Die Kollegen Bangemann und von Weizsäcker haben mit Recht auf die Bedeutung der europäischen Wahlen hingewiesen. Ich empfehle jedoch allen Kollegen, einmal den Prozeß der Meinungsbildung in den einzelnen europäischen Ländern im Zusammenhang mit den europäischen Wahlen zu beobachten. Es ist ganz unbestreitbar, daß der Weg dahin neben einigen anderen Ländern bei uns am leichtesten ist. Wir spüren, wie andere Regierungen, die sich zusammen mit uns verpflichtet haben, die Wahlen 1978 durchzuführen, ganz erhebliche innenpolitische Schwierigkeiten zu überwinden haben. Das zeigt, daß diese Fragen in den einzelnen Ländern unterschiedlich betrachtet, beurteilt und behandelt werden. Das mag im übrigen deutlich machen, warum auch andere Fortschritte, die im Tindemans-Bericht erwähnt sind, nicht schon jene Konkretisierung erfahren haben, die wir uns alle gewünscht hätten.
    Wenn wir draußen in den Versammlungen sind und gefragt werden: bekommt dieses Europäische Parlament 1978, wenn es gewählt wird, dann auch neue Kompetenzen, was hat die Bundesregierung vorgeschlagen, um die Kompetenzen des dann direkt



    Bundesminister Genscher
    gewählten Parlaments auszuweiten, dann können wir immer nur sagen: nach unserem Wunsch, nach unserem Wollen hätte dieses Parlament vom ersten Tage seiner Amtszeit an starke, eindeutige Kompetenzen. Aber wir wissen doch, daß schon die Beschlußfassung über die europäische Wahl in manchen Ländern erhebliche Probleme aufwirft. Daher denke ich: tun wir zuerst den ersten Schritt, führen wir die Wahl durch und haben wir das Vertrauen in dieses Europäische Parlament, daß es sich dann auch die Kompetenzen nehmen wird, die einem solchen Parlament zukommen! Aber überlasten wir das Parlament und diese Parlamentswahl heute nicht mit zusätzlichen Forderungen, die am Ende ein Scheitern der Beschlußfassung über die europäische Wahl in anderen Staaten bewirken können!

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als vor 20 Jahren — wir nähern uns diesem Jahrestag — die Römischen Verträge geschaffen wurden, hat man in der Präambel festgelegt:
    Entschlossen, durch diesen Zusammenschluß ihrer Wirtschaftskräfte Frieden und Freiheit zu wahren und zu festigen, und mit der Aufforderung an die anderen Völker Europas, die sich zu dem gleichen hohen Ziel bekennen, sich diesen Bestrebungen anzuschließen . . .
    Diese Perspektive des Friedens und der Freiheit ist unsere europäische Perspektive, Herr Kollege von Weizsäcker.

    (V o r sitz : Vizepräsident Stücklen)

    Sie haben eine Reihe von Fragen gestellt, auf die ich eingehen will, weil sie mir berechtigt erscheinen. Aber wenn auch für Sie Europa Priorität hat, finden Sie dann nicht, daß Fragen stellen ausreichen mag für Opposition, daß aber Antworten geben für Alternativen erforderlich ist?
    Meine Damen und Herren, wir haben im Augenblick das Problem unterschiedlicher wirtschaftlicher Situationen in den europäischen Staaten. Es konnte nicht wundernehmen, daß dieses Thema auch Gegenstand der Unterhaltungen war, die in den letzten Tagen von der Bundesregierung und Vertretern des Parlaments mit dem italienischen Ministerpräsidenten geführt worden sind. Wenn diese Debatte wirklich etwas ergeben soll, wenn sie uns künftig vor Fehlern bewahren soll, dann lohnt es sich, 20 Jahre nach Beginn unserer Arbeit auf Grund der Römischen Verträge einmal der Frage nachzugehen, ob es eigentlich richtig war, mit der Harmonisierung der Wirtschaftspolitik, der Konjunkturpolitik, der Finanzpolitik, der Währungspolitik erst in den siebziger Jahren zu beginnen, ob es nicht leichter gewesen wäre in einer Zeit, in der die wirtschaftliche Entwicklung der damals sechs Partnerstaaten wesentlich paralleler verlaufen ist als heute.

    (Beifall bei der FDP)

    Das sage ich jetzt gar nicht allein an die Adresse der Christlich-Demokratischen Union, die damals die Bundeskanzler gestellt hat; wir haben ja während eines wesentlichen Teils dieser Zeit mit Ihnen zusammen Regierungsverantwortung getragen. Ich frage vielmehr uns alle, ob wir nicht das Gebot der Römischen Verträge, zu einer Harmonisierung in diesen Bereichen zu kommen, am Anfang in seiner Bedeutung unterschätzt haben, ob der Glaube an die Kraft der Kommission nicht zu stark war, ob nicht ein zu starkes technokratisches Verständnis in der Europäischen Gemeinschaft vorgeherrscht hat.
    Wenn man die europäische Haltung der Bundesregierung und des Bundeskanzlers einer kritischen Betrachtung unterzieht, dann mögen Sie sich in vielen Punkten mit dem Bundeskanzler kritisch auseinandersetzen: Fest steht, daß er es gewesen ist, der innerhalb der Europäischen Gemeinschaft und innerhalb der westlichen Welt die Initiative für eine Abstimmung in der Wirtschaftspolitik ergriffen hat.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ich behaupte, daß die weltwirtschaftliche Lage heute wesentlich schlechter wäre, wenn wir damit nicht begonnen hätten. Wenn wir heute dabei sind, unseren Partnern zu helfen, so aus europäischer Solidarität und keinesfalls als Zahlmeister. Hier bin ich ganz der Meinung derjenigen, die sich gegen Zeitungsartikel auch der letzten Tage aussprechen, wo so sehr davon die Rede ist, daß wir jetzt wieder so viel nach Europa zahlen müssen. Wir zahlen das am Ende natürlich wieder in die eigene Tasche, weil uns nur ein funktionsfähiger Markt auch die eigene Entwicklung sichert.
    Meine Damen und Herren, in dem Streit um die Priorität der Europapolitik gibt es doch gar keine Meinungsverschiedenheiten. Europa ist das Haus, in dem wir uns einrichten, um in Frieden und Freiheit leben zu können, und die NATO ist das Bündnis, das uns die Sicherheit dieses Hauses gewährleisten soll. Wir brauchen die Entspannungspolitik, um in Frieden leben zu können. In diesem komfortablen Haus Europa wird sich niemand, wie ich denke, wohlfühlen können, wenn er weiß, daß in anderen Teilen der Welt Not und Hunger herrschen. Deshalb unser Engagement für die Politik gegenüber der Dritten Welt! Das zusammengenommen sind die Grundentscheidungen unserer Außenpolitik, die voneinander abhängig sind. Die Schaffung dieser Gemeinschaft hat aber den Vorrang, und darum ringen wir.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist nicht allein damit getan, daß wir zu einer Abstimmung in der Wirtschafts-, Währungs- und Finanzpolitik kommen, sondern ich halte es für eine ganz wesentliche Bewährungsprobe der europäischen Politik, ob es uns gelingt, das Gebot der europäischen Verträge zu verwirklichen, nämlich die Gleichheit der Lebensverhältnisse in diesem Europa herzustellen. Nur wenn uns das gelingt, werden wir schwere soziale Spannungen in diesem unserem Europa überwinden können.
    Das ist dann zugleich auch ein Beitrag zur Kommunismus- und Eurokommunismusdebatte. Es kann doch gar keinen Zweifel geben, daß wir den Kommunismus jedweder Form ablehnen. Diese Feststellung allein reicht aber nicht aus, wenn wir nicht auch die Frage stellen, wie wir ihm den Boden ent-



    Bundesminister Genscher
    ziehen können, wo er durch Wählerunterstützung maßgeblichen Einfluß errungen hat. Hier muß es unser gemeinsames Ziel sein, das zu erreichen, indem wir gesunde Lebensbedingungen in allen Teilen dieses unseres Europas schaffen werden.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, im übrigen ist ganz unverkennbar, daß viele Probleme, die wir heute haben, die uns auf Grund der Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Gemeinschaft im Zusammenhang mit der Gastarbeiterfrage belasten, auch ein Ergebnis der Tatsache sind, daß wir in den frühen Jahren der Europäischen Gemeinschaft die Notwendigkeit der Herstellung einheitlicher Lebensbedingungen nicht mit jenem Nachdruck verfolgt haben, der geboten gewesen wäre; denn natürlich ist das Wohlstandsgefälle hin zur Bundesrepublik, Herr Kollege Lenz, auch ein Anziehungspunkt und schafft uns auch auf diesem Gebiet Probleme. Überall gesunde Lebensverhältnisse herzustellen, muß unser gemeinsames Ziel sein.
    Nun haben Sie als Opposition das Recht zu fragen: Was hat diese Bundesregierung getan, wenn sie das Problem der Herstellung gesunder sozialer Verhältnisse in allen Teilen Europas erkannt hat? Hier muß ich Ihnen sagen, daß in unserer Regierungszeit durch einen Ausbau des Sozialfonds zum erstenmal der Schritt zu einer Sozialpolitik in der Europäischen Gemeinschaft getan worden ist. In unserer Regierungszeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist der Regionalfonds geschaffen worden, mit dem wir regionale Unterschiede in dieser Gemeinschaft überwinden wollen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU] : Keines dieser Worte kann verdecken, daß die FDP gegen die Römischen Verträge gestimmt hat!)

    Schließlich ist es gelungen, durch die gemeinsame Konferenz von Regierungen, Gewerkschaften und Arbeitgebern unter Übernahme eines ähnlichen Modells, wie wir es mit der Konzertierten Aktion in der Bundesrepublik Deutschland geschaffen haben, einen Beitrag zu leisten, einen Ansatz für die Sicherung des sozialen Friedens in Europa zu finden. Diese Anregung ging von der Bundesregierung aus. Die Bundesregierung hätte diese Anregung aber allein nicht verwirklichen können, wenn nicht die deutschen Gewerkschaften bei ihren Kollegen in den anderen europäischen Staaten und die deutschen Arbeitgeberverbände bei ihren Kollegen in den anderen Mitgliedstaaten, aus den guten Erfahrungen unseres Landes lernend, dazu beigetragen hätten, daß dort Verständnis für das Anliegen entstand und daß diese Konferenz zusammentrat. Das, meine Damen und Herren, sind Beiträge zur Überwindung schwerwiegender sozialer, wirtschaftlicher Probleme, und in dieser Perspektive werden wir weiter handeln.
    Nun ist hier auch über die gemeinsame Außenpolitik, über die Europäische Politische Zusammenarbeit, gesprochen worden. Es ist ganz offenkundig, daß dieses wirtschaftlich so bedeutsame und gewichtige Europa seine eigenen Interessen, aber auch seine Verantwortung in der Welt nicht wahrnehmen würde, wenn sich seine Mitgliedstaaten nicht zunehmend zu einer gemeinsamen Außenpolitik zusammenfinden könnten. Deshalb ist die Entscheidung des Jahres 1970 über die Einführung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit ein geradezu historisches Datum in dem europäischen Entwicklungsprozeß. Wenn man weiß, daß auch hier die Bundesregierung nicht zu den Zögernden, sondern zu den Aktiven gehörte, dann ist es einfach nicht richtig, wenn in Reden behauptet wird, über die Ostpolitik habe man Europa vergessen.
    Nein, meine Damen und Herren, es ist umgekehrt: Die Wahrnehmung unserer Belange auch im Bereich der Entspannungspolitik wäre gar nicht möglich gewesen, wenn wir nicht diese Europäische Politische Zusammenarbeit geschaffen hätten. Herr Kollege Ehmke hat schon auf die enge Zusammenarbeit der Staaten der Europäischen Gemeinschaft bei der Vorbereitung der Konferenz von Helsinki hingewiesen. Hier hätten wir unsere ganz spezifischen Belange nicht durchsetzen können, wenn nicht in der EPZ und, von ihr ausgehend, sich übertragend auf andere Staaten Europas großes Verständnis für unsere besonderen Probleme vorhanden gewesen wäre.
    Aber es wäre eine Verengung, wenn wir die EPZ nur im Zusanmmenhang mit der KSZE sähen. Es ist hier die Politik gegenüber der Dritten Welt erwähnt worden. Ich erwähne die Mittelmeerpolitik, ich erwähne die Nahostpolitik. So erschließen sich die Staaten der Europäischen Gemeinschaft Feld für Feld zu einer übereinstimmenden Politik und erhöhen damit das Gewicht ihrer Anschauungen.
    Ich denke, daß diese Europäische Politische Zusammenarbeit die Unterstützung aller Fraktionen des Deutschen Bundestages verdient. Es wird allerdings — erlauben Sie, daß ich hier eine Frage stelle; Herr Kollege Marx wird ja, wie ich höre, nach mir sprechen — für die Opposition die Frage sein, wie sie diese Europäische Politische Zusammenarbeit nicht nur der Form, sondern auch der Sache nach bejahen will, wenn sie in wichtigen Feldern abweichende Auffassungen von der dort gemeinsam gefundenen Politik vertritt.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Im Rahmen der EPZ wurde z. B. die Unterzeichnung der Schlußdokumente von Helsinki vorgeschlagen; Sie hatten uns empfohlen, sie abzulehnen. In der EPZ wurde für die Nahostfrage im November 1973, noch vor meiner Amtszeit, eine Position der Europäischen Gemeinschaft entwickelt, die in Ihren Reihen auf heftige Kritik gestoßen ist, obwohl sie sich zunehmend als eine richtige, international anerkannte Position erweist. Ich denke also, daß es nicht ausreicht, zu dieser Politik der Form nach ja zu sagen, sondern daß es notwendig ist, zu erkennen, daß diese Politik auch in der Sache richtig ist und von den Staaten der Europäischen Gemeinschaft auch gemeinsam getragen werden kann. Ich meine, daß wir mit unseren ganz besonderen Problemen ein ganz erhebliches Interesse daran haben, daß sich diese Europäische Politische Zusammenarbeit



    Bundesminister Genscher
    etwa im Vorfeld der Konferenz von Belgrad bewährt.
    Ich habe von der Mittelmeerpolitik gesprochen, und ich erwähne auch dieses Gebiet in Form einer europapolitischen Bilanz. Denn ich kann mir die Auffassung des Herrn Kollegen von Weizsäcker nicht zu eigen machen, daß eigentlich der europäische Weg in den letzten Jahren mit Mißerfolgen gepflastert sei. Meine Damen und Herren, wenn man das nicht gelten läßt, was erreicht wurde, dann führt das zu Resignation. Man darf nur die Ziele, die weitergehend sind, nicht vergessen. Diese vergessen wir nicht, indem wir uns uneingeschränkt zum Tindemans-Bericht bekennen.
    Aber ist es nicht ein großer Erfolg der Europäischen Gemeinschaft, daß wir eine gemeinsame Mittelmeerpolitik finden konnten? Gestern haben wir mit der Unterzeichnung der Maschrek-Abkommen für die Staaten des östlichen Teils des Mittelmeeres einen weiteren erheblichen Schritt getan. Wenn für unsere Sicherheit und Fortentwicklung auch die Rahmenbedingungen um das Gebiet der Europäischen Gemeinschaft herum von Bedeutung sind, dann gehört dazu eben, daß wir auch den Staaten des Mittelmeerraums helfen, ihre Probleme zu lösen, daß wir mit ihnen in eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit eintreten, daß wir mit ihnen aber auch einen Dialog führen. Diese Funktion hat der europäisch-arabische Dialog.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Nahostkrise ist auch eine Gefahr für den Frieden des benachbarten Europa. Dieses benachbarte Europa hat sich hier seiner Verpflichtung nicht entzogen, sondern durch den europäisch-arabischen Dialog, durch die Abkommen mit den Maghreb- und Maschrek-Staaten durch das am 8. Februar zu unterzeichnende Abkommen mit Israel leisten wir unseren Beitrag zur Stabilität in dieser Region und begünstigen damit auch die Aussichten auf eine friedliche Lösung der dort vorhandenen Probleme. Daß sich die arabischen Staaten stärker auf Europa hin orientieren und z. B. nicht auf die Sowjetunion, wie es noch vor zehn Jahren zu befürchten war, ist ganz gewiß eine positive, nicht von selbst kommende, durch eine aktive Politik der Europäischen Gemeinschaft geförderte Entwicklung, die ich nicht zu den Mißerfolgen, sondern zu den eindeutigen Pluspunkten unserer gemeinsamen Politik in der Europäischen Gemeinschaft rechne.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb sollten wir alle der Versuchung widerstehen, in das allgemeine Unbehagen über noch nicht Erreichtes einzustimmen, sondern das Erreichte gelten lassen und um das, was zu tun ist, ringen.
    Ich bin dem Herrn Kollegen von Weizsäcker sehr dankbar dafür, daß er die Beitrittsproblematik aufgeworfen hat. Hier stehen wir alle als überzeugte Anhänger der Europäischen Gemeinschaft vor außerordentlich schwierigen Entscheidungen. Eine Reihe von Ländern Europas — ich habe darauf in der ersten Debatte nach der Regierungserklärung schon hingewiesen — erfüllen heute durch eine Veränderung ihrer politischen Verhältnisse die politischen Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft. Ich nenne Griechenland, ich nenne Portugal, ich nenne Spanien. Wir alle wissen, daß diese Länder durch die Präambel, durch den Sinn der Römischen Verträge eine Beitrittsperspektive eröffnet bekommen haben. Ja, sie haben, soweit sie assoziiert sind, sogar einen Anspruch auf Beitritt.
    Deshalb war es richtig, daß sich die Bundesregierung zu den Befürwortern der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Griechenland gemacht hat, weil wir Griechenland helfen wollen, seine sozialen Probleme zu lösen und damit seine politischen Strukturen — damit sind die demokratischen gemeint — zu festigen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Nun wissen wir, daß sich Portugal in einer außerordentlich schwierigen wirtschaftlichen Lage befindet. Wir alle haben mit großer Anteilnahme das Ringen der Demokraten in Portugal um eine freiheitliche Gestaltung dieses uns verbündeten Staates erlebt. Ich denke, wir haben Anlaß, bei dieser Betrachtung davon Kenntnis zu nehmen, daß alle politischen Gruppierungen in diesem Ringen ihren Beitrag geleistet haben.
    Meine Damen und Herren, unser Interesse, unsere Aufmerksamkeit für Portugal darf aber nicht erlahmen, wenn wir feststellen, daß die Demokraten das Heft nunmehr fest in der Hand haben und die kommunistische Gefahr dort vorderhand gebannt ist. Vielmehr geht es jetzt eigentlich erst um die Frage: Findet dieses Portugal, daß unser Bündnispartner in der NATO ist, in der Europäischen Gemeinschaft auch seine politische Heimat?

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Nun wären wir Illusionisten und würden unserer Öffentlichkeit und der Öffentlichkeit Portugals Sand in die Augen streuen, wenn wir nicht auf die großen Entwicklungsunterschiede zwischen Portugal und den Staaten der Gemeinschaft verweisen würden, auf die großen Fortschritte, die Portugal machen muß, um ein vollwertiges Mitglied der Gemeinschaft, ökonomisch gesehen, werden zu können. Es wird unsere Aufgabe als Deutsche in der Europäischen Gemeinschaft sein, daß wir auf der einen Seite dieses Problem erkennen, daß wir Portugal helfen, dieses Problem zu lösen, daß wir aber auf der anderen Seite gleichzeitig das europäische Engagement der Regierung Portugals nicht enttäuschen, sondern daß wir Portugal eine verläßliche, einklagbare europäische Perspektive eröffnen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Denn wir wollen dieses Portugal in der Gemeinschaft haben, und wir werden uns alle gemeinsam Gedanken machen müssen, wie wir Ländern dieser Art helfen können, wie wir ihnen schon ein gewisses Maß an Mitwirkung sichern können, das mehr als eine Assoziierung ist, auch wenn heute die Aufnahme noch nicht möglich ist, wenn möglicherweise lange Verhandlungen erforderlich sind. Wir sind gestern in Brüssel übereingekommen, dafür eine gemeinsame Position zu erarbeiten. Das ist übrigens



    Bundesminister Genscher
    auch eine Initiative, die auf uns zurückgeht. Ähnliches wird mit Spanien geschehen, das in dieser Europäischen Gemeinschaft genauso willkommen ist, wo aber auch eine Reihe ökonomischer Probleme, wenngleich anderer Art, zu lösen sind.
    Ich will damit sagen, daß diese Europäische Gemeinschaft eine Fülle von Problemen gleichzeitig lösen muß. Die in den Mitgliedstaaten vorhandenen eigenen wirtschaftlichen Probleme sind zu überwinden — das erfordert europäische Solidarität — und zugleich muß sie für die europäischen Demokratien offen sein, die Mitglied werden wollen. Denn diese Europäische Gemeinschaft wird mehr und mehr zu einer Kernzelle der Freiheit in Europa, an die sich auch andere Staaten, die aus innerem Verständnis, durch vertragliche Bindungen oder auch aus anderen Gründen nicht Mitglied der Gemeinschaft werden können, anlehnen wollen. Wir messen dem Europarat eine so außerordentlich wichtige Funktion bei, weil er Begegnungsstelle mit diesen Staaten ist. Deshalb ist das Ministerkomitee des Europarates geradezu eine Clearingstelle, eine Aussprachestelle für die Mitglieder der Europäischen Gemeinschaft mit ihren anderen Partnern des Europarates, denen wir nicht das Gefühl geben dürfen, sie seien draußen vor den Toren der Gemeinschaft und von geringerem Interesse.
    Das macht deutlich, daß die europäischen Perspektiven, die hier mit Recht diskutiert werden, sich aus dem Ziel eines freien, in Frieden lebenden Europas ergeben und daß dieses freie, in Frieden lebende Europa gesunde wirtschaftliche und damit auch politische Verhältnisse braucht, daß dieses freie Europa seine Verteidigungskraft im Atlantischen Bündnis suchen und finden muß und daß dieses freie Europa wissen muß, daß es viele Staaten mit gleichen Wertvorstellungen in Europa gibt, die ihm nicht angehören, aber mit denen eng zusammenzuarbeiten eine dringende Notwendigkeit ist.
    All diesen Aufgaben stellt sich die Bundesregierung mit ihrer Europapolitik. Diese Aufgaben sind in dem Tindemans-Bericht enthalten, zu dem wir ja sagen. Ich denke, daß unsere Stimme in Europa, weil wir so überzeugt für diese Europäische Gemeinschaft, für die Europäische Union eintreten, nicht geschwächt werden sollte, indem wir uns gegenseitig unseren Willen zu Europa bestreiten, sondern daß wir im Gegenteil zeigen sollten, daß bei allen Gegensätzen hier in der Bundesrepublik Deutschland Europa ein unbestrittenes Thema ist. Erreichen wir das, dann leisten wir nicht nur etwas für das eigene Land, sondern dann leisten wir viel für das Europa der Freiheit, das wir doch alle wollen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Marx.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Werner Marx


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer die ersten beiden Reden der Vertreter der Regierungskoalition gehört hat, nämlich die Reden des Kollegen Ehmke und des Kollegen Bangemann, wird, auch wenn er das noch einmal nachliest, sagen müssen, daß sie in ihren wichtigsten Äußerungen miteinander schlechthin unvereinbar sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Was von Herrn Bangemann über die Kommunisten gesagt worden ist, möchte ich noch einmal wiederholen und unterstreichen. Er sagte, der Unterschied zwischen den Kommunisten im Osten und im Westen bestehe darin, daß die einen an der Macht sind — und ich füge hinzu: die anderen an die Macht wollen —, daß die einen, die die Macht haben, sie in einer unerträglichen Weise jeden Tag zur Verletzung der von Ihnen selbst unterschriebenen Menschenrechte benutzten, während die anderen die Menschenrechte als eine Formulierung gebrauchen, um auf diese Weise, wie der Fisch im eigenen Wasser, den Versuch zu machen, die Macht zu erreichen.
    Aber wenn die Kommunisten im Westen wirklich für das freie Europa sind und die Freiheit verteidigen, dann sind sie eigentlich keine Kommunisten mehr. Dann können sie sich so nicht nennen, und ich füge auch hinzu, daß die Formulierung Eurokommunismus eine, wie ich glaube, täuschende und tarnende Formulierung ist, weil man mit dem ersten Teil des Wortes, „Euro", den Eindruck erwecken kann, als ob diese Kommunisten in der Substanz, im Innern ihres Wesens, in den Methoden und in den Zielen ihrer Politik etwas qualitativ anderes seien als die Kommunisten im Osten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es gibt natürlich auch den Hinweis — jedermann, hoffe ich, weiß es —, daß viele Kommunisten im Westen nur deshalb leben und arbeiten und agitieren können — der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat gerade eben Portugal angesprochen; ich nenne die kommunistische Partei des Herrn Cunhal —, weil sie in ihren Geldern von der Sowjetunion oder der DDR oder von der CSSR völlig abhängig sind. Von dorther werden sie gespeist. Der alte Satz „Wer das Geld gibt, hat auch etwas zu sagen" gilt auch in den internationalen Beziehungen, in der Wirkung und der Einschätzung der Kommunisten dort.
    Herr Kollege Genscher, Sie haben, ich glaube, mit Recht gesagt, man müsse dem, was man „Eurokommunismus" nennt, den Boden entziehen. Richtig! Aber wenn Sie ihm den Boden entziehen wollen, Herr Kollege Genscher, dann bitten wir Sie doch, auch auf der internationalen Ebene, auch bei Ihren Partnern hier — denn der „Eurokommunismus" hat ja eine schillernde Facette völlig verschiedener Auffassungen — mit dafür zu sorgen, daß es nicht gerade diesen Eurokommunisten gegenüber eine Fülle von direkten oder indirekten Angeboten für künftige Volksfrontpolitik in Europa gibt. Das nenne ich „Boden entziehen".

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Herr Kollege Genscher hat mit etwas Selbstlob zu Europa gesagt — ich nehme jetzt nur ein Beispiel heraus —, man beachte z. B. den europäischen Fonds für die Entwicklungsgebiete, für die



    Dr. Marx
    Problemgebiete. Er sagte, dies sei jetzt erst geschehen. Das ist richtig. Aber Sie wissen alle, daß man natürlich in den 50er Jahren nicht alles, was man als notwendig ansah, auf einmal schaffen konnte. Die Bundesrepublik Deutschland mußte damals die Voraussetzungen in ihrem Inneren schaffen, industriell z. B., um heute in der Lage zu sein — obwohl ich das Wort „heute" nach den Erfahrungen der letzten Woche gar nicht mehr so gern sage; ich beziehe mich lieber auf die Folgen der CDU/CSU-Politik —, um in der Lage zu sein, überhaupt Geld zu haben, das wir für europäische Entwicklung und europäische Problemgebiete gebrauchen können.
    Zweitens, Herr Kollege Genscher, wenn Sie schon, auch in Richtung auf die CDU/CSU, sagen: „Leute, überlegt euch, ob ihr da früher eigentlich nicht richtig mitgemacht habt!", muß ich doch entgegnen: es gab schon im Jahre 1957 Vorschläge dieser Art, denen allerdings, Herr Kollege Genscher, damals — —

    (Bundesminister Genscher: Ich habe mich doch selbst mit gefragt!)

    — Nun gut, dann lassen Sie mich nur sagen, damit das auch für die Öffentlichkeit ganz klar ist, die mithört, daß 1957 Ihre Partei, Herr Kollege Genscher, den Vorschlägen, solche Fonds zu gründen und auf dieser Ebene zu arbeiten, eindeutig widersprochen hat, — Stichwort der damalige Herr Kollege Margulies.
    Zu Ihrer dritten Bemerkung, Herr Kollege Genscher: Sie sprechen uns auf die EPZ an. Ich hätte gewünscht, Sie hätten einmal den Bundeskanzler darauf angesprochen, denn in der richtungweisenden Regierungserklärung steht über die Europäische Politische Zusammenarbeit kein Wort. Insoweit ist, glaube ich, die Stellung der Frage an uns falsch; aber ich will auf Ihre Frage trotzdem unsere Antwort geben.
    Herr Kollege Genscher, wer im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit arbeitet — noch dazu ein Land wie das unsere —, wird großen Wert darauf legen, daß seine eigenen politischen Anschauungen dort einen angemessenen Eingang finden. Ich bin ganz sicher, daß uns dies gelungen wäre. Sie haben das Beispiel der KSZE verwendet. Natürlich, Herr Kollege Genscher, wir hätten auf Grund unserer Skepsis hinsichtlich der vielen, wie ich glaube, rauschhaft erregten Hoffnungen, was man jetzt sehr bald mit der KSZE anfangen könnte, manches erheblich gedämpft.
    Lassen Sie mich noch etwas sagen: Ich finde es bemerkenswert, daß viele europäische Politiker und Staatsmänner, die in den letzten Jahren, z. B. im Jahre 1975, zur KSZE ihre positiven Bemerkungen gemacht haben, dann, wenn man mit ihnen allein spricht, ihre Sorge und ihre Skepsis sehr ausführlich darstellen. Ich finde, es gibt einen bemerkenswerten Widerspruch zwischen öffentlicher Darstellung und persönlichem Bekenntnis.
    Und es gibt auch eine Reihe Europäer, die nach Genf und dann nach Helsinki gegangen sind, die dort eigentlich ziemlich lustlos unterschrieben haben.
    Aber derjenige, der unterschrieben hat, fühlt sich natürlich hinterher genötigt, seine Unterschrift durch möglichst hoffnungsfrohe Sonntagsreden zu untermauern und zu begründen. Das ist eine ganz eindeutige Sache.
    Ich möchte im Zusammenhang mit dem, was ich weiterhin ausführen will, natürlich auf die KSZE und auf das, was wir heute von ihr ganz konkret in der DDR und in Osteuropa vorfinden, zu sprechen kommen.
    Zunächst aber, meine Damen und Herren, lassen Sie mich einige generelle Bemerkungen machen. Die geschichtliche, die geographische und die politische Lage der Bundesrepublik Deutschland macht in der Außenpolitik Kontinuität nötig. Kontinuität heißt, daß wir eine außenpolitische Linie der Stetigkeit und Verläßlichkeit wollen und brauchen. Wir brauchen sie für uns selbst, aber auch unsere Partner in Europa und in der Welt sollen deutsche Politik als verläßlich und als berechenbar erkennen. Kontinuität heißt, daß dieser freie Teil des deutschen Vaterlandes, der im Herzen Europas liegt und der mehr Nachbarn hat als fast jeder andere Staat der Welt, in einem festen geschichtlichen Bezug und Zusammenhang leben muß, damit er überhaupt in der Lage ist, seine obersten Interessen zu wahren. Meine Damen und Herren, unsere obersten Interessen sind die Freiheit unseres Landes und seiner Menschen, der Friede im Inneren, an unseren Grenzen und gegenüber unseren Nachbarn, die Erhaltung der einen deutschen Nation trotz der tiefen Spaltung.
    Sicher hat der Herr Bundeskanzler den Bruch der Kontinuität in der deutschen Außenpolitik, wie er im Jahre 1969 vollzogen worden ist, bei seiner Rede hier in Erinnerung gehabt. Er hat trotzdem so wie bei seiner ersten Regierungserklärung von der notwendigen Kontinuität gesprochen, und er versichert, daß wegen dieser Kontinuität die Entspannungspolitik fortgesetzt werden müsse.
    Das, meine Damen und Herren, ist nun allerdings ein wichtiger Punkt, der genauer Aufklärung und Diskussion bedarf, Denn offensichtlich gibt es zwischen Ihnen, Herr Bundeskanzler, vor allem aber Ihrer Partei, und uns nach wie vor unterschiedliche Auffassungen über den konkreten Inhalt der Entspannung, und es gibt wohl auch tiefe und grundsätzliche Unterschiede im Urteil darüber, was die bisherige Entspannungspolitik, für die Sie Kontinuität wünschen, eigentlich bewirkt hat.
    Was Sie, Herr Bundeskanzler, darüber hinaus über Ihr künftiges politisches Handeln in der Deutschland- und Außenpolitik sagen, ist doch sehr blaß und hält sich in allgemeinen Wendungen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Die entschiedene Stellungnahme, die klare Aussage, das unmißverständliche Urteil sucht man vergebens in Ihrer Regierungserklärung. Ich füge hinzu: Es mangelt überhaupt an jedem Versuch, in die Tiefe der Probleme vorzudringen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Daher, meine Damen und Herren, erkläre ich, daß wir ganz unzufrieden sind mit den Redewendungen



    Dr. Marx
    des Bundeskanzlers über das Ost-West-Verhältnis insgesamt und über das, was er hinsichtlich Umfang, Bedeutung, Wirkung und Gefahr der wachsenden sowjetischen Rüstung nur andeutet und nicht einmal wirklich ausführt.
    Herr Bundeskanzler, Sie haben wenig Konkretes angeboten über die Perspektiven der Europapolitik — das haben wir eben besprochen —, über den bisherigen Stand der Abreden von Helsinki, über die Abrüstungsproblematik, über den bevorstehenden Besuch von Breschnew und über unsere künftige Politik als Mitglied des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen.
    Besonders irritierend war jener Teil der Erklärung des Bundeskanzlers, der mit „Lage der Nation" überschrieben war. Er kann natürlich nicht ein Ersatz sein für den Bericht der Bundesregierung zur Lage der Nation im gespalteten Deutschland.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir erwarten, um dies hier gleich einzufügen, diesen Bericht der Bundesregierung in allernächster Zeit. Wir wollen auf jeden Fall — sagen wir: im späten Frühjahr — ausführlich über alle Probleme, die uns im innerdeutschen Verhältnis betreffen und belasten, an Hand einer ausführlichen Darstellung des zuständigen Ministers debattieren. Dafür brauchen wir hier genügend Zeit und eine Vorlage, die die Bezeichnung „Bericht zur Lage der Nation im gespalteten Deutschland" auch verdient.
    Herr Bundeskanzler, sollten Sie hierzu entgegen der Übung des Hauses und gegen die — einem Antrag der SPD entstammende — gesetzliche Verpflichtung nicht bereit sein, so will ich Ihnen schon heute namens der Union die alsbaldige Einbringung einer Großen Anfrage zu innerdeutschen und Berliner Problemen ankündigen, damit auf diese Weise die Gelegenheit geschaffen wird, hier die notwendige öffentliche Debatte zu führen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, wenn Historiker späterer Zeiten die Regierungserklärungen der letzten sieben Jahre miteinander vergleichen, um auch in diesen Dokumenten das Schicksal z. B. der Entspannungspolitik abzulesen und nachzuzeichnen, dann wird ihnen nicht nur der qualitative Unterschied in Ausdruck und Inhalt z. B. zwischen 1969 und heute auffallen, sondern auch die Tatsache, daß trotz unserer, der Deutschen, weitgehenden Leistungen und Opfer in Verfolg der sogenannten Entspannungspolitik die wichtigen, die uns so sehr bedrükkenden, drängenden Probleme in Europa und in Deutschland geblieben sind. Sie sind vorübergehend gemildert worden — ja; aber sie haben sich jetzt nach den Verträgen erneut verschärft.
    Meine Damen und Herren, erinnern Sie sich an das Jahr 1969. Der hochfahrende Ton, der frenetische, oft euphorische und übersteigerte Jubel und und Glaube, daß durch deutsche Vorleistungen der Durchbruch in den Beziehungen zum Osten endlich erzielt werden könne, daß es jetzt gelinge, vom Gegeneinander — welches ja nicht wir erfunden und wir nie gewollt haben, auch heute nicht wollen —, von dem von der anderen Seite gewollten Gegeneinander zu einem Miteinander in Ost und West überzugehen, dieser Jubel ist längst verraucht und vorbei.
    Die Regierungserklärung des Kanzlers Schmidt macht deutlich, daß dem frohgemuten Ruf seines Vorgängers — Herr Kollege Kiesinger, er sagte es damals in Richtung auf die vorhergehende Politik der Großen Koalition — „Jetzt fangen wir erst richtig an!" jetzt eine durchaus deprimierte Stimmung gefolgt ist. Zu viele Rückschläge haben die Ansicht verstärkt, daß man mit gutem Zureden die Methoden und Ziele kommunistischer Politik wirklich nicht ändern kann.
    Meine Damen und Herren, die Vorstellungen Moskaus — nicht nur die seiner Ostberliner Hilfsschüler — sind auf eine Niederlage der freien Welt, auf die Kapitulation ihrer inneren Ordnung und ihrer äußeren Haltung gerichtet. Es ist falsch, zu glauben, daß die sich häufenden Störungen im Verhältnis Ost-Berlins zu uns Ausdruck einer Laune sogenannter Falken oder Heißsporne in der SED-Führung seien. Es handelt sich überhaupt nicht um isolierte Maßnahmen der DDR, wenn etwa Minenfelder erneuert oder sogenannte Grenzsicherungsanlagen vertieft werden, wenn raffinierte Selbstschußanlagen installiert werden, wenn man Journalisten schikaniert und hinauswirft und die Bonner Ständige Vertretung in Ost-Berlin durch Posten mit und ohne Uniform abschnürt. Die DDR, meine Damen und Herren, ist nach meiner festen Überzeugung und nach allem, was wir aus unverfänglichen Dokumenten wissen, zwar immer der sichtbar Handelnde, aber jede Maßnahme, jede Provokation, die sie vornimmt, ist ihr vorgeschrieben. In Sachen West- und Deutschlandpolitik, in den Dingen um Berlin zumal, gibt es für die SED keinen Spielraum. Die sowjetische Führung behält sich die Anordnung aller Maßnahmen vor. Zwischen ihr und der DDR herrscht eben nicht ein Verhältnis der freien Absprache, sondern des Befehlens und Gehorchens.
    Meine Damen und Herren, es ist ja bis zum heutigen Tage so — ich muß daran erinnern —, daß in Verwaltung und sozialistischer Wirtschaft, in Armee und Polizei, in Partei- und Staatsapparat drüben die sowjetischen Ratgeber und Aufpasser das gesamte jeweilige Aktionsnetz kontrollieren. Sie sind es doch, die die Weisungen geben und die die Wirkungen überprüfen. Sie formen auch die personellen Entscheidungen. Und hinter ihnen steht — meine Damen und Herren, auch das sollte niemand vergessen — nicht nur die Wirkung der sowjetischen Regierung, sondern im Lande, im deutschen Lande, in der DDR stehen 20 sowjetische Garde- und Elitedivisionen mit einem ganz eindeutigen, klaren Auftrag. Die Zahl nicht nur der Divisionen, sondern der in der DDR lebenden und gerüsteten Soldaten ist weit höher als die Zahl der Soldaten in der Bundeswehr.
    Meine Damen und Herren, über die Entwicklung des Verhältnisses zwischen der Sowjetunion und der DDR im Zeitalter der, wie ich glaube, ziemlich falsch



    Dr. Marx
    verstandenen Entspannung hätten wir vom Bundeskanzler gern mehr gehört. Mehr z. B. darüber, wie er die konsequent weitergeführte Amalgamierung, Einschmelzung der DDR in den Verband der UdSSR, beurteilt. Und, Herr Bundeskanzler, mehr darüber, ob Sie sich Rechenschaft abgelegt haben, daß — trotz aller ohnehin schon engen Bindungen und Verbindungen — seit dem Freundschaftsvertrag — meine Damen und Herren, ich bitte Sie alle, das ganze Haus, dies einmal nachzulesen — zwischen der DDR und der Sowjetunion vom 7. Oktober 1975 die Abhängigkeit der DDR zu einer vollständigen wurde.
    Meine verehrten Damen und Herren, ich muß leider sagen — ich habe es hier schon einmal gesagt; ich weiß genau, welche Dimensionen das hat —: Es wurde auch in den bisherigen wirtschaftlichen Verhandlungen zwischen beiden Teilen in der sozialistischen Welt darauf hingearbeitet, die DDR eines Tages zu einer Provinz der UdSSR zu machen. Das befürchte ich. Herr Bundeskanzler, Sie schweigen darüber, obwohl ich doch überzeugt bin, daß Ihre Experten Ihnen gerade über diesen Europa und Deutschland zutiefst beeinflussenden Vorgang die notwendigen Materialien und Analysen bereitgestellt haben.
    Sie schweigen leider auch über entscheidende, gerade in diesen Tagen vorgenommene Menschenrechtsverletzungen im anderen Teil Deutschlands. Selbst die kommunistischen Parteien im Westen, die wir soeben genannt haben, reagieren darauf. Meine Damen und Herren, warum gibt es in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers kein Wort über das brutale Vorgehen gegen Ausreisewillige, gegen Regimekritiker, gegen Leute, die sich auf die Charta der Vereinten Nationen berufen, gegen Leute, meine Damen und Herren, die sich auf die Menschenrechts-Pakte, die übrigens auch von der DDR ratifiziert sind, und auf die Schlußakte von Helsinki berufen? Herr Kollege Genscher, dies ist ein Stück Antwort. Wir sind uns, glaube ich, wenn Sie das auch nicht so offen sagen, doch im Innern einig darüber, daß diejenigen, die sich auf die Schlußakte der KSZE berufen, jetzt in der schlimmsten Weise bestraft werden, weil sie das tun. Und ich habe das vom Fernsehen am 1. August 1975 ausgestrahlte Bild noch vor mir, wo Herr Honecker, neben Herrn Schmidt sitzend, diese Schlußakte feierlich unterschrieben hat. Wir alle haben noch die damals gehaltenen Reden und Fernseh- und Rundfunkinterviews im Ohr. Ich muß fragen: Was ist daraus geworden in einer totalitären Diktatur, die mit allem, wessen sie fähig ist, das Unterschriebene, das mit uns Unterschriebene, das mit uns gemeinsam verpflichtend Unterschriebene mißachtet, verhöhnt und ständig verletzt?
    Die CDU/CSU hat, nachdem man sich in der KSZE einigte, etwas gesagt, was sie auch zu den Verträgen gesagt hat. Sie hat gesagt: Wir haben die Begründung für unseren Widerstand vorgetragen; internationale Verabredungen, Abkommen und moralisch-politische Absichtserklärungen sind aber, wenn sie unterzeichnet worden sind, für eine demokratische Partei bindend. Meine Damen und
    Herren, richten Sie jenen Vorwurf, den Sie uns gegenüber immer erheben, doch einmal an Ihre Partner, mit denen Sie dies alles ausgehandelt haben. Die Partner sollten sich an das halten, was ausgehandelt wurde.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Vor wenigen Tagen ist in den sogenannten „Mitteilungen für die Presse" der SPD ein Kommuniqué zu lesen gewesen, dem zu entnehmen ist, daß sich der Kollege Brandt auf einer Sitzung des Vorstandes seiner Partei in aller Kürze über die Kampagne gegen Intellektuelle und Regimekritiker in Osteuropa „besorgt" gezeigt hat. Ich möchte ihn zitieren. Er sagte — dies war für mich ein neues Muster in seiner vernebelnden Sprache —, man sei besorgt über widersprüchliche Entwicklungen. Was meint er damit eigentlich? Meine Damen und Herren, wenn aus dem Munde des Kollegen Willy Brandt einmal Sorge in dieser Richtung ertönt, wird man gewiß aufmerken. Mancher unter uns
    — auch ich — wird gedacht haben: Spät kommt er, aber er kommt. — Meine Damen und Herren, allein Sorge zu äußern, genügt aber nicht. „Sorge" ist im Hinblick auf das, was sich dort im Augenblick abspielt, ein vergleichsweise mildes Wort, um die Gefühle auszudrücken, die viele der Betroffenen und viele unserer eigenen Landsleute täglich haben, wenn sie lesen, sehen oder hören, wie bösartig jene schikaniert werden, die sich
    — immer streng im Rahmen ihrer eigenen Gesetze — für die Verwirklichung jener Verabredungen aussprechen, die mit uns unterschrieben wurden.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD] : Ihre markigen Sprüche werden das ändern!)

    — Ich möchte diesen Zwischenruf wiederholen, damit ihn alle hören. Der Zwischenruf lautete, ob ich denn glaubte, daß meine Sprüche das änderten.

    (Zuruf von der SPD: Die m a r k i g en Sprüche!)

    Meine Damen und Herren, dies sind keine Sprüche. Ich versuche vielmehr — zugegeben, auf meine Weise — mit dem ernst zu machen, was wir hier in zwei sehr gründlichen Debatten — ich gehe davon aus, daß jeder in diesen Debatten seine Meinung ganz offen sagte — über die KSZE miteinander gesagt haben. Ich bleibe bei jedem Wort, das unsere Fraktion gesagt hat. Mein Wunsch, Herr Wolfram, an Sie ist, daß auch Sie bei dem, was damals gesagt worden ist, bleiben und sich mit ähnlicher Energie, wie Sie es hier tun, an Ihre Partner drüben wenden.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Stahl [Kempen] [SPD] : Was haben Sie denn dabei erreicht?)